Das Programm, von dem hier die Rede ist, enthält den Plan, das 610-Stellen-Programm um 200 Stellen auf 410 zu kürzen. Als wäre diese Aussage nicht schockierend genug, kommen ich habe bereits darauf hingewiesen - in diesem Papier auch noch mehrere Widersprüche zum Vorschein. Darin wird die Jugendarbeit im ländlichen Raum als ein Schwerpunkt genannt. Mehr als genannt wird sie aber auch nicht; denn in die Berechnungen für die Stellenverteilung fließt die Fläche lediglich mit einem Faktor von 0,1 ein.
Falls Sie an dieser Stelle nicht zu Korrekturen bereit sind, fordere ich Sie auf, die ländliche Jugendarbeit aus den Schwerpunkten herauszustreichen; andernfalls wären wir an dieser Stelle unehrlich.
Noch gravierender ist der Widerspruch in der vorgetäuschten Bedarfsermittlung. An ihm lässt sich übrigens ganz gut erkennen, dass der Finanzminister hier mehr Finger im Spiel hat als der Jugendminister, und das ist verdammt traurig.
Das 610-Stellen-Programm wurde für die Altersgruppe der 14- bis 26-jährigen konzipiert. Für die Neuberechnung der 410 Stellen werden aber die 0- bis 18-Jährigen herangezogen. Im Übrigen wären wir auch von allein darauf gekommen, dass dieser Schritt für die Umgehung der geburtenstarken Jahrgänge nötig war, aber weil die Mitarbeiter im MBJS so freundlich sind, haben sie es gleich als Begründung dazu geschrieben.
Was ganz klar wird, ist, dass all diese Überlegungen allein finanzpolitisch motiviert sind. Nirgends gibt es eine inhaltliche Begründung für die Absenkung auf 410 Stellen. Es hätten ja auch 394 oder 432 sein können. Eine inhaltliche Begründung wird man nicht finden, weil es keine gibt.
Der Bedarf im Jugendbereich, für dessen Ermittlung übrigens der Landesjugendhilfeausschuss und nicht das Finanzministerium zuständig ist, liegt im Land Brandenburg bei rund 1 000 Personalstellen. Durch die demographische Entwicklung hätten wir eine Chance, mit den 610 Stellen den Bedarf wenigstens annähernd zu decken.
Auch die Ankündigung des Hauses, das 610-Stellen-Programm sei für das Jahr 2005 gesichert, ist wenig beruhigend. Ganz im Gegenteil: Gäbe es diese Verpflichtungsermächtigung nicht, würden wir schon nächstes Jahr in diesem Bereich zu sparen beginnen. Was ich anführe, hat nichts mit Jammern zu tun, aber im Unterschied zur Koalition verschließen wir nicht die Augen vor den Konsequenzen, die politisches Handeln hat. Denken Sie immer daran, mit welchen Mitteln welche Ziele erreicht werden können - oder auch nicht.
1998 bis 2002 gab es einen Abbau der hauptberuflich in der Jugendarbeit Beschäftigten um 27,2 %; in den Jahren 1991 bis 2001 sind 47 156 Brandenburger zwischen 14 und 25 Jahren abgewandert. Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang? Zumindest für eine kurze Überlegung in diese Richtung sollten Sie sich Zeit nehmen.
Die alte und offenbar auch die neue Koalition bewegen sich in eingefahrenen Gleisen. In den vergangenen Monaten mussten wir immer wieder mit ansehen, wie Innenpolitiker mit „Law and Order“-Plattitüden versucht haben, Jugendpolitik zu machen. Forderungen nach Polizisten, die jugendliche Bildungsverweigerer zur Schule bringen sollen, oder gar nach elektronischen Fußfesseln zur Überwachung von Bildungsverweigerern kamen aus der konservativen Ecke. Auch die aberwitzige Idee, Kinder und Jugendliche nach 20 Uhr nicht mehr auf die Straße
zu lassen, gehört in diese Reihe. Während die Mittel für den Jugendstrafvollzug aufgestockt wurden, wird an der Prävention gespart. Hier läuft eindeutig etwas schief!
Ich habe keine Angst, mich im Land Brandenburg zu bewegen. Aber ich habe Angst davor, dass es in ein paar Jahren keine Jugendklubs, Freizeitzentren, Theater, Museen und Volkshochschulen mehr gibt, in denen man seine Freizeit verbringen und sein Recht auf lebenslanges Lernen wahrnehmen kann.
Fassen wir zusammen: Wir brauchen 610 Stellen, um kontinuierlich und langfristig planen und arbeiten zu können. Wir brauchen eine solide Finanzausstattung des Landesjugendplans, am besten auf dem Niveau des Jahres 1999 - das wären 13 Millionen Euro. Wenn Sie sagen, das sei nicht finanzierbar, dann lassen Sie uns wenigstens vereinbaren, dass wir die Summe auf dem jetzigen Niveau festschreiben.
Des Weiteren brauchen wir keine aktionistischen Reaktionen, wenn wieder einmal etwas Unvorhergesehenes passiert. In solchen Fällen ist plötzlich immer Geld vorhanden, das man einsetzen kann. Würden wir dieses Geld langfristig in die Jugendarbeit investieren, wäre das die beste Prävention.
Gestatten Sie mir einen letzten Gedanken: Auch die Entwicklungen im Bereich des Kinder- und Jugendhilfegesetzes sind alles andere als erfreulich. Selbst wenn mittlerweile der Vorschlag zur Abschaffung der Jugendhilfeausschüsse vom Tisch ist, tut sich eine ganze Menge Besorgniserregendes. Dies werden wir heute Nachmittag beleuchten. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kollegen! Liebe Gäste! Über den Haushaltsplan 2005 diskutieren wir wohl erst zu späterer Stunde.
Jugendhilfe umfasst die Maßnahmen des gesamten KJHGs. Das hier angesprochene und ausführlich diskutierte 610-Stellen-Programm ist ein kleiner Baustein innerhalb dieses KJHGs.
Ich habe mit der Formulierung des PDS-Themas „Jugendhilfe als Mittel zu mehr Chancengleichheit“ ein Problem. Als ehemalige zuständige Dezernentin im Landkreis Dahme-Spreewald durfte ich jedes Jahr den Sozial- und Jugendhaushalt erklären, erläutern, begründen - also schlicht und einfach verteidigen. Jedes Jahr hatten wir in diesem Bereich höhere Ausgaben. Das war zum einen durch den Anstieg der klassischen So
zialhilfe bedingt und zum anderen sind die Kosten im Bereich der Jugendhilfe, insbesondere der Bereich der Erziehungshilfen, jährlich gestiegen.
Ich habe genauso diskutiert und argumentiert wie Sie: Jugendhilfe sei ganz wichtig und es müsse auch Chancengleichheit für jene geben, die in dieser Gesellschaft etwas abseits stehen oder mit dem Leben nicht klarkommen. Für diese Menschen müssen wir da sein und etwas tun.
In der Diskussion muss man auch die Argumente anderer hören. Die Ausgaben in der Jugendhilfe sind eben auch gestiegen, weil zum einen die Kostensätze - bedingt durch tarifrechtliche Regelungen, was völlig okay und normal ist - gestiegen sind, zum anderen, weil insbesondere vollstationäre Einrichtungen ihre Konzeption ständig überarbeiten und dem Bedarf anpassen mussten; das ist keine Frage. So entstehen in diesem Bereich derzeit Kosten in Höhe von etwa 75 bis knapp 200 Euro pro Person und Tag.
In der Diskussion haben mir die Kollegen anderer Bereiche, weil ich auch mit dem Stichwort „Chancengleichheit“ argumentiert habe, gesagt: Wir geben in der Tat für einen einzigen Jugendlichen bis zu 100 000 Euro im Jahr aus. Was tun wir denn eigentlich für Kinder und Jugendliche und ihre Familien, die in diesem System und in dieser Gesellschaft gut funktionieren? Ich weiß, meine Damen und Herren, das ist für Jugendund Sozialpolitiker immer ein Totschlagargument.
Aber wenn wir über Jugendhilfe als Mittel zu mehr Chancengleichheit sprechen, müssen wir dieses Thema differenziert betrachten und die Diskussion darüber zulassen. Dies gilt besonders für uns Jugend- und Sozialpolitiker und -politikerinnen, wenn wir denn glaubhaft bleiben wollen. Wir brauchen gute Argumente, um glaubhaft zu bleiben und um für jene etwas tun zu können, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Ich habe ein Problem damit, heute über den Landeshaushalt 2005 zu diskutieren. Der Entwurf liegt uns noch gar nicht vor.
Der Landesjugendplan beinhaltet nicht nur das 610-StellenProgramm. Darin sind viele Positionen aufgelistet, die uns lieb und teuer sind. Ich denke, es ist für Jugend- und Sozialpolitiker und -politikerinnen wichtig, den Gesamthaushalt vor Augen zu haben, damit man genau weiß, welche finanziellen Auswirkungen sich in allen Bereichen ergeben. Das hat auch etwas mit der Glaubwürdigkeit der Jugend- und Sozialpolitiker zu tun. Daraus ergeben sich natürlich Schwerpunkte und Prioritäten, über die zu gegebener Zeit eingehend und ausführlich zu diskutieren sein wird.
Natürlich haben wir in der Frage des 610-Stellen-Programms eine ganz klare Position. Wir meinen ebenfalls, dass auch künftig eine flächendeckende Jugendarbeit in Brandenburg notwen
Wir meinen auch, dass Jugendarbeit nicht nur in Verbindung mit Schule wichtig ist, sondern dass wir Jugendarbeit auch im Freizeitbereich benötigen.
Wir werden aber, wenn wir über den Haushalt 2005 diskutieren, auch über die Fragen der Zuständigkeiten zu diskutieren haben.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Dass es heute noch Gemeinden gibt, die nicht einen einzigen Cent für die Jugendarbeit ausgeben, können wir nicht hinnehmen; das ist politisch anzuprangern.
(Krause [PDS]: Dann geben Sie den Gemeinden mehr Geld! - Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Da wird auch bei den Kommunen gekürzt!)
Wir haben das auch in unserer Fraktion sehr ausführlich diskutiert. Der Innenminister hat einen klaren Auftrag. Wichtig ist, dass die Kommunen, aber vor allen Dingen die freien Träger für das Jahr 2005 eine klare Aussage und damit Rechtssicherheit haben.