Protocol of the Session on May 28, 2008

Das Wort erhält nun die Abgeordnete Schier.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin noch etwas schockiert über den Redebeitrag von Frau Wöllert, weil ich ihn eigentlich nicht verstanden habe.

(Unmut bei der Fraktion DIE LINKE - Görke [DIE LIN- KE]: Wie kann man von etwas schockiert sein, was man nicht verstanden hat?)

- Der letzte Satz war: Wir streichen immer mehr Geld. - Die Schlussfolgerung daraus wäre ja: Gebe ich 1 Million in das Netzwerk, dann funktioniert es von vornherein. - Das ist ein falscher Ansatz. Darüber bin ich sehr enttäuscht.

Dennis, Jessica, die Kinder von Brieskow-Finkenheerd - all diese Fälle waren ein großer Schock. Die Meldungen in den Zeitungen reißen leider nicht ab. Wir glauben, dass jedes Kind ein Wunschkind ist, aber wahrscheinlich ist das nicht so.

Das Netzwerk „Gesunde Kinder“ ist der richtige Weg, der richtige Schritt und der richtige Ansatz. Das Netzwerk wurde zuerst in Lauchhammer installiert, und ich habe die Worte von Frau Weber und Herrn Dr. Kapinski im Ohr, die da sagen: Wir kommen mit ganz wenig Geld aus. Wir haben Sponsoren gefunden. Wir haben ganz viele Paten, die ehrenamtlich engagiert darin mitarbeiten. - Man muss also nicht immer nur schreien. Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Ob nun 111 oder 150 Paten - es ist doch hervorragend, wenn wir in drei Netzwerken 150 Leute gefunden haben - jeden Alters, sie sind arbeitslos oder gehen arbeiten -, die sich als Paten zur Verfügung stellen, sich schulen lassen - also auch viel Zeit investieren -, die in die Familien gehen. All jenen, die sich dazu bereit erklären, muss man ein herzliches Dankeschön sagen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zu beantworten?

Ja, klar. Das geht ja nicht von meiner Redezeit ab.

Frau Wöllert, bitte.

Frau Schier, meine erste Frage: Wissen Sie, dass in der Modellphase I 100 000 Euro für das Projekt zur Verfügung gestellt wurden? Diesbezüglich sagte Herr Kapinski, sie kommen mit sehr wenig Geld aus. Sehen Sie es wie ich, dass dann 25 000 Euro für ein Projekt sehr viel weniger Geld als 100 000 Euro sind?

Nein. Ich sage Ihnen auch, warum, Frau Wöllert. Das war wie ein Modellprojekt. Die sollten nach einem halben Jahr wissen, was nach der Phase herauskommt. Sie hatten viel mehr Aufwand, brauchten viel mehr an Material usw., wodurch dieses Geld gerechtfertigt war. Es war wie bei dem Modellprojekt Gemeindeschwester. Sie haben ein Startkapital bekommen, an dem die anderen Netzwerke jetzt alle partizipieren.

Was mich ein bisschen traurig stimmt, ist, dass nur 60 % der Schwangeren erfasst werden. Erfreulich ist, dass die Minderjährigen oder die Unter-18-Jährigen gern Paten nehmen.

Es mag sein, dass man, wenn man den Bericht liest, viel daran findet, was einem von vornherein bekannt war. Ich möchte aber drei Forderungen aufmachen, die mir ganz wichtig sind. Die erste Forderung ist gleichzeitig eine Bitte, und zwar an alle Schwangeren, in deren Nähe es ein Netzwerk gibt. Derzeit nehmen 53 % der Schwangeren einen Paten. Wir wollen genau die Familien erreichen, die einen Paten nötig hätten. Wenn also 80 bis 90 % der Schwangeren einen Paten nehmen würden, hätte dies in der Öffentlichkeit nicht einen gewissen Beigeschmack, dass die Leute nämlich sagen: Was, du hast einen Paten? Na, dann stimmt bei dir etwas nicht. - Daher lautet meine Bitte: Schwangere müssten die Möglichkeit, einen Paten zu nehmen, viel mehr nutzen, dann entfiele nämlich die Stigmatisierung.

(Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Die zweite Forderung ist ebenfalls gleichzeitig eine Bitte. Sie betrifft die Elternschulungen. Es macht mir Sorgen, dass nur 10 % der Eltern zur angebotenen Elternschulung gehen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Mein zweites Kind hat sich ein Vierteljahr lang tagsüber ausgeschlafen und dafür nachts geschrien. Dass ich da verzweifelt war, können sich die, die Kinder haben, wahrscheinlich gut vorstellen, auch, dass manche mit einer solchen Situation überfordert sind. Wir haben das geregelt gekriegt, aber manche Eltern stoßen wirklich an ihre Grenzen. Wir müssen es schaffen, alle Eltern oder viele Eltern über die Familienhelfer oder wie auch immer anzusprechen, dass sie an Elternschulungen teilnehmen. Da kann man eine Kinderbetreuung einrichten, damit die Leute auch wirklich kommen, die Schulung kann kostenfrei sein und in kleinen Gruppen stattfinden, damit das ein bisschen intimer ist usw. Die Elternschulungen halte ich also für ganz wichtig.

Meine dritte Forderung - da komme ich noch einmal auf Babyklappen und anonyme Geburten zu sprechen -: Wir reden im Netzwerk „Gesunde Kinder“ über Schwangere, die erfasst werden, die zur Schwangerenberatung gehen, die bereit sind, sich medizinisch betreuen zu lassen. Wir müssen aber auch Wege finden, die Frauen anzusprechen, die ihre Schwangerschaft

- aus welchem Grund auch immer - verheimlichen wollen oder müssen. Wir brauchen also Angebote, und da ist für mich das Netzwerk das Angebot überhaupt!

Babyklappen - da herrscht im Moment Aktionismus. Das ist nicht der richtige Ansatz. Es ist wirklich ein guter Wille, wie Martina Münch gesagt hat, der dahinter steht, aber wir behandeln weder die Frau noch das Kind. Wir haben eine anonyme Frau und ein anonymes Kind. Wir müssen dieses Netzwerk nutzen, um in unserem Land den Kliniken zu ermöglichen, anonym zu entbinden, damit die Frau und auch das Kind, das da irgendwo übrig bleibt, versorgt werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das Netzwerk halte ich für hervorragend, und ich freue mich schon, dass wir das im ganzen Land wirklich flächendeckend verbreiten können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Die Ministerin hatte sich ordnungsgemäß gemeldet und hat auch noch Redezeit. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Noch einige Worte zu Ihnen, sehr geehrte Frau Wöllert. Wir sind uns hoffentlich einig, dass eine Evaluierung immer der tatsächlichen Entwicklung nachfolgt und dass ein Bericht, der auf Grundlage einer Evaluierung erstellt wird, natürlich auch immer der tatsächlichen Entwicklung nachfolgt. Sie sollten das Ministerium doch dafür loben, dass wir im Ausschuss immer die neuesten Entwicklungen kundtun und Sie immer auf dem neuesten Stand sind, bevor das hier im Landtag landet.

(Beifall bei der SPD - Frau Wöllert [DIE LINKE]: Das habe ich getan, Frau Ministerin, ich habe Sie doch ge- lobt!)

Es ist doch logisch, dass dieser Bericht veraltete Daten zur Grundlage hat; darüber brauchen wir doch nicht lange zu diskutieren.

Ich möchte aber noch einiges dazu sagen, weil es so dargestellt wird, als gäbe es nichts Neues darin. Wir brauchen nichts Neues, wenn es gut ist. Es ist wichtig, dass wir zur Kenntnis nehmen: Das, was wir tun und was wir politisch gemeinsam wollen, nimmt eine sehr, sehr gute Entwicklung. Das ist, glaube ich, die Kernaussage dieser Evaluation. Die Hilfsangebote, die außerhalb der normalen Patenbetreuung gemacht worden sind, weil man gemerkt hat, dass dort noch mehr Unterstützungsangebote vonnöten sind - also in Familien, in denen von den Patinnen und Paten Defizite festgestellt worden sind -, sind zu 100 % von diesen Familien angenommen worden.

Deshalb spreche ich mich sehr wohl dafür aus, jetzt keine Erhebung darüber zu machen, ob jemand, der das in Anspruch nimmt, bildungsfern oder sozial schwach - das kam von der anderen Seite - oder irgendwie anders auffällig ist. Das kann ja wohl nicht unser Ansatz sein. Diese gesamte Netzwerkarbeit beruht auf einem großen Vertrauensverhältnis und auf Freiwilligkeit. Nur so können wir Stigmatisierung verhindern. Deshalb bitte ich, auch an diesen Projekten gemeinsam so gut weiterzuarbeiten.

Ich möchte auch ein herzliches Dankeschön vonseiten der Regierung - das hatte ich vorhin nicht erwähnt - an die Netzwerkpartner im Land und an die Patinnen und Paten richten, die sich wirklich in mühevoller Arbeit zusammentun, um das zu erreichen, was wir gemeinsam wollen, nämlich ein gesundes und geschütztes Aufwachsen unserer Kinder. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. Sie sind sogar noch unter Ihrer Zeit geblieben. Ich bitte also um Entschuldigung, dass ich Sie zunächst übersehen hatte.

Ich beende die Aussprache. Der Bericht der Landesregierung in Drucksache 4/6270 ist zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Abgabengerechtigkeit für Beitrags- und Gebührenzahler im Hinblick auf nutzungs- und leitungsgebundene Wasserver- und Abwasserentsorgungseinrichtungen

Antrag der Fraktion der DVU

Ich eröffne die Aussprache, und der Abgeordnete Claus erhält das Wort. - Während er nach vorn kommt, begrüße ich Senioren aus Altdöbern. Herzlich willkommen bei uns!

(Allgemeiner Beifall)

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! „Was immer du tust, mach es klug und bedenke die Folgen.“ So lautet ein altes römisches Sprichwort. Wir haben es nun mit den Folgen einer fatalen Gesetzgebung zu tun, die in der letzten Legislaturperiode, von meiner Fraktion einmal abgesehen, mit überragender Mehrheit verabschiedet wurde.

Derzeit wird vehement gegen die Folgen des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 2007 gestritten, wonach Grundstücke, die bereits vor dem 03.10.1990 an öffentliche Wasserversorgungs- oder Abwasserentsorgungsanlagen angeschlossen waren, zu einem Beitrag heranzuziehen sind.

Die nun eingetretene Situation, meine Damen und Herren, ist aber nicht auf das Fehlverhalten der Kommunen oder Zweckverbände zurückzuführen, sondern ausschließlich auf ein Fehlverhalten dieses Parlaments und der damals von ihm getragenen Landesregierung.

Gegenüber den Gemeinden und Zweckverbänden als Aufgabenträgern wurde vom Innenministerium bis zum Jahr 2000 die Auffassung vertreten, dass keine Beitragspflicht für altangeschlossene Grundstücke besteht. Erst im Urteil des Oberver

waltungsgerichts Brandenburg vom 5. Dezember 2001 wurde die Rechtslage allerdings dahin gehend geklärt, dass altangeschlossene Grundstücke prinzipiell beitragspflichtig sind. Aber auch zu diesem Zeitpunkt konnten die Altanlieger im Hinblick auf eine mögliche Verjährung fast flächendeckend nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen werden. Erst nach der erneuten Gesetzesänderung vom 1. Februar 2004 müssen die altangeschlossenen Grundstücke nun doch wieder zu einem Beitrag herangezogen werden. So hat das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 12. Dezember 2007 klargestellt.

Mit dieser Gesetzesänderung wurde allerdings ein Ausmaß an Ungerechtigkeit geschaffen, das nicht nur von den Altanliegern zu Recht mit Empörung aufgefasst wird, meine Damen und Herren. Es ist nicht einzusehen, dass Altanlieger, die zum Beispiel vor fast 30 Jahren ihre Anschlüsse gelegt und bezahlt haben, und das oft in Eigenleistung, und nach der Wiedervereinigung über 18 Jahre mit den Gebühren die Finanzierung der Anlagen zu einem erheblichen Teil tragen mussten, nun noch mit Beiträgen belastet werden. Das kann man eigentlich keinem verkaufen.

Den politischen Sprengstoff, meine Damen und Herren, der mit dieser Gesetzesänderung geschaffen wurde, hat allein die Koalition geschaffen. An den Koalitionsverhältnissen hat sich seitdem nichts geändert. Die Koalitionsverhältnisse von SPD und CDU bestehen schon seit 1999.

(Frau Schier [CDU]: Was ist daran schlecht?)

- Ich habe nur gesagt, dass sie schon seit 1999 bestehen.

Wir sehen es aber daher als Pflicht auch dieser Koalition an, das Problem zu lösen, das sie uns damals eingebrockt hat. Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Gemeinden und Zweckverbände, die letztlich bei den Bürgerinnen und Bürgern hier im Land Brandenburg als Buhmann dastehen, erwarten zu Recht eine zügige Lösung dieser Problematik durch das Land. Natürlich darf das nicht auf Kosten der Gebührenzahler sowie der Neuanlieger geschehen, meine Damen und Herren. Die Suppe hat sich die Regierung Platzeck nun einmal eingebrockt, nun ist es auch Aufgabe der jetzigen Regierung Platzeck und der sie tragenden Koalition von SPD und CDU, die Suppe auszulöffeln. Also, meine Damen und Herren, wir erwarten große Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Christoph Schulze. Er spricht für die Koalitionsfraktionen.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Antragstellerin hat einen Antrag eingebracht „Abgabengerechtigkeit für Beitrags- und Gebührenzahler“. Ja, es gibt ein Problem. Die antragstellende Fraktion hat es, nachdem landauf, landab darüber geredet wird, auch mitbekommen. Die SPDFraktion hat schon im März im Innenausschuss darauf hingewiesen, und auf unsere Initiative hin hat der Innenausschuss am 16. April 2008 eine Anhörung durchgeführt, die nicht unbe

dingt zur Verklarung der Frage beigetragen hat. Statt die 25 Fragen zu beantworten, sind 100 weitere hinzugekommen, was die Komplexität des Problems deutlich aufzeigt.

Dieser Antrag hier jedenfalls ist kein Beitrag zur Lösung des Problems, weil er nicht nur in sich widersprüchlich ist, sondern auch rechts- und verfassungswidrig; denn man kann die beiden Forderungen aus der Ziffer 1 und der Ziffer 2 nicht gleichzeitig erfüllen. Insofern wäre dieser Antrag eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wenn er denn angenommen werden würde, würde immer etwas herauskommen, was entweder den Punkt 1 oder den Punkt 2 nicht erfüllen könnte. Das böte natürlich für die antragstellende Fraktion dann immer die Möglichkeit zu sagen: Der Landtagsbeschluss ist nicht umgesetzt. - Sie können nicht allen Ernstes davon ausgehen, dass wir einen solchen Unsinn mitmachen.

Wir werden uns morgen anlässlich einer weiteren Beratung, die eine andere Fraktion beantragt hat, seriös damit befassen. Ich empfehle Ihnen das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, welches wir in Auftrag gegeben haben, das, denke ich, morgen für alle verfügbar sein wird.