Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte zu dem Thema der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Frage der Übergangsfristen anbringen; denn auch das gehört in diesem Rahmen zur Vertrauensbildung. Ich meine, dass wir die Dinge hier ganz offensiv angehen müssen. Dabei dürfen wir das Thema Mindestlohn allerdings nicht einfach beiseiteschieben; denn es gehört in das Gesamtthema hinein.
Die Diskussion über den polnischen Klempner, der in Frankreich bei 6 000 freien Klempnerstellen eine Gefahr darstellen soll, sollten wir ganz schnell vergessen.
Es gäbe noch viel zu sagen, aber meine Redezeit ist abgelaufen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere DVU-Fraktion begrüßt es, dass erneut die deutsch-polnischen Beziehungen, hier insbesondere die sogenannte Oder-Partnerschaft, im Plenum diskutiert werden. Bereits im Juni 2007 hatte unsere Fraktion dieses Thema auf die Tagesordnung der Aktuellen Stunde gesetzt. Am Standpunkt unserer Fraktion hat sich seitdem nichts geändert. Einer gemeinsamen Region diesseits und jenseits der Oder können auch wir eine ganze Menge Positives abgewinnen. Doch zunächst sollte man eine Bestandsaufnahme machen.
Wir befinden uns in der neuen Programmperiode 2007 bis 2013, wo im Rahmen von Ziel 3 die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gefördert wird. Die Landesregierung erklärte bereits im Jahr vor der großen EU-Osterweiterung 2004, sie wolle den Erfolg der EU-Osterweiterung daran messen, wie die Entwicklung in den grenznahen Regionen verlaufe.
Unsere DVU-Fraktion stellt dazu fest, dass gerade die Entwicklung in den grenznahen Regionen außerhalb des sogenannten Speckgürtels trotz geflossener Strukturfondsmittel nach wie vor besorgniserregend ist. Der Handwerks- und Dienstleistungssektor steht weiter unter einem enormen Kostendruck. Auch nach den neuesten statistischen Erhebungen klaffen die Arbeitskosten zwischen Polen und Deutschland weit auseinander. Da hilft es auch nicht, wenn die Brandenburger Regierung
Werbung als Niedriglohnland innerhalb Deutschlands macht. Vor geraumer Zeit appellierte sogar eine EU-Kommissarin an die brandenburgische Regierung, sich endlich mehr um die Stärkung kleinerer und mittelständischer Unternehmen zu kümmern.
Solange sich Schlagzeilen der letzten Tage wie „Südbrandenburger Handwerk hofft auf mehr Binnennachfrage“ als fundamental wahr erweisen - das tun sie -, muss der Aufbau bzw. die Entwicklung der grenznahen Gebiete als gescheitert angesehen werden.
Wir wissen es: Ursache ist nicht allein die demografische Entwicklung, nein, es ist das über Jahre fehlende Aufblühen der Wirtschaft in der Grenzregion. Fakt ist: Nach wie vor sind junge Menschen, aber nicht nur junge Menschen, gezwungen, in der Ferne ihr Glück zu versuchen. Sie verlassen die Region. Nach wie vor konnte auch bei der Ansiedlung größerer Industrieunternehmen kein Durchbruch erzielt werden.
Leider stehen im Zeitraum 2007 bis 2013 dem Land für beide Operationellen Programme nur ca. 108 Millionen Euro aus dem Fonds für regionale Entwicklung zur Verfügung, was eine Absenkung von 32 Millionen Euro gegenüber dem früheren INTERREG III A bedeutet. Trotzdem und gerade deshalb müssen diese Mittel konzentriert und effektiv eingesetzt werden. Dabei steht für uns die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Region an erster Stelle. Dazu zählen auch grenzüberschreitende Projekte zur Verbesserung der Infrastruktur und der Umweltsituation und der Ausbau der grenzüberschreitenden Wirtschaftsverflechtung, insbesondere des Tourismus.
Für uns als DVU-Fraktion ist es selbstverständlich, dass die wenigen zurückfließenden Mittel von der EU so effektiv wie möglich abgerufen und eingesetzt werden. Wie bekannt sein dürfte, ist Polen mit nahezu 60 Milliarden Euro aus den Brüsseler Fördertöpfen zum größten Empfänger von EU-Strukturfondsmitteln in der neuen Förderperiode aufgerückt. Es ist auch bekannt, dass Deutschland mit jährlich 10 Milliarden netto Überzahlung der größte Finanzierer der EU ist. Wir sehen es mit Sorge und Abscheu, wenn quasi mit deutschen Steuergeldern in Deutschland ansässige Unternehmen Arbeitsplätze in Deutschland opfern, um sie nach Polen oder in andere Niedriglohn-EU-Länder zu verlagern.
Noch ein Wort zu der von der Linksfraktion geforderten Arbeitnehmerfreizügigkeit ab Anfang nächsten Jahres. Ähnliche Forderungen gibt es ja auch seitens der SPD und der CDU. Sie wollen also allen Ernstes den Arbeitsmarkt für Polen und andere EU-Osteuropäer in Deutschland bzw. Brandenburg ohne Einschränkung vorzeitig öffnen? Es dürfte interessant werden, wie Sie das den Hunderttausenden Arbeitslosen der Region Berlin-Brandenburg und den Millionen Arbeitslosen in Deutschland erklären wollen.
Unsere DVU-Fraktion lehnt Ihre Pläne selbstverständlich ab und wird weiterhin konsequent für die Interessen deutscher Arbeitnehmer und Arbeitsloser eintreten. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da lacht doch das Herz jedes Europapolitikers, wenn wir an zwei aufeinanderfolgenden Plenartagen über Europa sprechen. Ich hoffe allerdings, dass das nicht von einigen Kollegen zum Anlass genommen wird, im weiteren Verlauf des Jahres geltend zu machen, dass wir über Europa doch schon im Januar gesprochen hätten und dass wir weitere Debatten doch zurückstellen könnten, sondern dass wir in diesem Hohen Hause sowie gerade mit den Bürgern unseres Landes - das ist das Wichtigste noch sehr viele interessante und spannende Diskussionen über Europa haben werden.
Nun könnte die Frage gestellt werden, was an dem heutigen Beratungsgegenstand aktuell ist. Es gab zwar vor zehn Tagen den Brainstorming-Workshop in Genshagen. Letztendlich ist die Zusammenarbeit zwischen Brandenburg und Polen für uns ein Verfassungsauftrag und mittlerweile schon Normalität und Alltag.
Frau Kaiser, Sie haben hier im Rahmen eines historischen Abrisses zu Recht dargelegt, dass wir eine sehr schwierige Geschichte mit Polen haben. Aber wir wissen auch, welche Verbesserungen seit dem Fall der Mauer und seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union eingetreten sind.
Es ist immer wieder Bezug genommen worden auf die Wirtschaftskonferenz im Jahre 2006. Ich möchte zeitlich noch ein bisschen weiter zurückgehen. Es gab deutsch-polnische Workshops, und zwar sehr erfolgreiche, nämlich schon im Jahre 2003, also zu einem Zeitpunkt, als Polen noch nicht Mitglied der Europäischen Union war. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur an den Workshop erinnern, den wir am 12./13. März 2003 in Frankfurt (Oder) abgehalten haben, und zwar zusammen mit Partnern aus dem Lebuser Land und aus Westpommern. Schon damals haben wir sechs Schwerpunkte herausgearbeitet: Wirtschaftsförderung, Infrastruktur, soziokultureller Bereich, Bildung, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Sicherheit. Inzwischen hat sich einiges verändert. Gerade gestern haben wir ausführlich über die Sicherheit, über die Situation nach der Erweiterung des Schengenraums debattiert. Es ist richtig und wichtig, dass wir uns jetzt auf die Wirtschaft konzentrieren und dass es in diesem Sinne eine neue Initialzündung aufgrund der genannten Konferenz gibt.
Immerhin ist Polen unser größter europäischer Handelspartner. Der Export nach Polen macht mittlerweile 14,3 % aus. Der Wert der exportierten Waren belief sich im Jahre 2006 auf 1,36 Milliarden Euro. Hieran zeigt sich, dass das Umschwenken in der Wirtschaftspolitik notwendig war. Hieran zeigen sich auch die positiven Ergebnisse der erfolgreichen Politik unseres Wirtschaftsministers Ulrich Junghanns. Sie hat jetzt eine neue Qualität bekommen.
- Nein, Herr Klocksin, das waren meine Zettel, die mich eine Pause machen ließen, und nicht das Warten auf Applaus.
- Herr Bischoff, ich wusste nicht, dass Sie so zurückhaltend sind. Sie dürfen jederzeit Beifall spenden.
Wir haben nun eine neue Qualität in der Arbeit und uns auf einige Themen konzentriert. Wir haben zudem auch die Schar der Partner erweitert: Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, neuerdings auch Sachsen. Auch auf polnischer Seite ist eine Erweiterung zu verzeichnen: auf Großpolen, Schlesien und einige einzelne große Städte, die vorhanden sind. Natürlich hoffe ich auch, dass die enge Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg eventuell über diesen Weg noch besser werden könnte. Ich erinnere nur an die Zusammenlegung der Wirtschaftsförderung. Das wäre doch ein schöner Nebeneffekt, der sich hier erzielen ließe.
Was will die Fraktion DIE LINKE eigentlich mit ihrer heutigen Debatte erreichen? - Denn sie suggeriert uns, dass wir gerade am Beginn einer brandenburgisch-polnischen Zusammenarbeit stehen. Das ist falsch. Man hat das Gefühl, sie möchte neue administrative Gebilde errichten und alles instrumentalisieren, damit man schön wieder Bürokratie aufbaut. Vor allem aber habe ich das Gefühl, dass sie binnenpolitische Forderungen insbesondere mit europapolitischen Themen - diesbezüglich denke ich an die Mindestlohndebatte und die Forderung nach der Arbeitnehmerfreizügigkeit - verknüpfen will.
Ich möchte sehr deutlich sagen, dass die CDU-Fraktion für eine Vertiefung der Zusammenarbeit auf allen Ebenen - nicht nur seitens der Exekutive - ist; denn wir dürfen nicht vergessen, wie viele entscheidende Initiativen es im Land gibt: ehrenamtlich, in den Schulen, in Städtepartnerschaften, überall dort, wo Menschen miteinander kommunizieren können.
Drei Fehler dürfen uns bei dieser Debatte allerdings nicht unterlaufen. Wir dürfen den Menschen nicht suggerieren, dass innerhalb sehr kurzer Zeit die Grenzregion ein prosperierender Bereich werden wird, wenn wir uns nur genügend anstrengen. Die Grenze, die ehemals auch EU-Außengrenze war, ist ein strukturschwacher Raum. Das wissen wir. Wir müssen viele Anstrengungen unternehmen, um das zu überwinden. Es wird jedoch nicht so sein - so ehrlich müssen wir sein -, dass die Grenzregion, die Oder-Region letztlich Boomtown Brandenburg-Polen sein wird. In diesem Bereich ist die Oder-Region ein Mosaikstein in der guten Zusammenarbeit. Wir haben aber genauso gute Beziehungen zu Masowien und zu anderen großen Wirtschaftsmetropolen in Polen. Die dürfen wir in dem Zusammenhang nicht zurücksetzen.
Zudem dürfen wir keine neue Administration aufbauen; denn bei uns geht es streckenweise bürokratisch genug zu.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch die Landesregierung ermuntern, noch mehr Partner ins Boot zu holen. Die Euro-Regionen wurden diesbezüglich angesprochen. Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Kaiser, würde ich nicht mehr Selbstständigkeit fordern. Die Euro-Regionen sind bereits eingetragene Vereine. Wir sind letztlich nur Partner und haben sie nicht am Gängelband.
Ich möchte die Landesregierung ermuntern, auch die Parlamente - die Landesparlamente, die Brandenburger Abgeordne
ten im Bundestag oder die Brandenburger Abgeordneten im Europaparlament - mehr einzubeziehen, und zwar nicht nur im Wege einer Berichterstattung, was geschehen ist, sondern auch im Vorfeld in der Beratung, was eventuell noch getan werden könnte; denn - das müssen wir in Betracht ziehen - in einer Partnerschaft geht es in erster Linie nicht darum, möglichst viel gemeinsam zu tun, sondern vielmehr darum, dass das, was gemeinsam getan wird, auch wahrhaftig miteinander geteilt werden kann. - Vielen Dank.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich beim Parlament bedanken, dass wir an zwei aufeinander folgenden Tagen über dieses für die Entwicklung und für das Leben in unserem Land wichtige und sogar essenzielle Thema sprechen dürfen. Zudem möchte ich an den gestrigen Tag anknüpfen; denn das, was wir heute besprechen, hängt mit dem, was wir gestern besprochen haben, sehr eng und unabdingbar zusammen.
Gestern wurde in verschiedenen Reden sehr eindrucksvoll geschildert, was die Grenze, die von hier aus in etwa einer Autostunde zu erreichen ist und die seit 1950 den schönen Namen „Friedensgrenze“ trug, war. Diese berühmte Brücke in Frankfurt, über die bereits nahezu jeder gegangen ist, hieß „Brücke der Freundschaft“. Das war jedoch mehr Wunschdenken. Das war eben nicht - Wolfgang Pohl hat es gestern sehr deutlich gesagt - die Realität. In Wirklichkeit war diese sogenannte Friedensgrenze eine der am besten bewachten Grenzen; zeitweise auch eine nur schwer oder kaum zu überwindende Grenze. Die „Brücke der Freundschaft“ - auch das sollten wir nicht vergessen, weil wir diese Zusammenhänge brauchen - wurde bis 1972 mit Stacheldraht gesichert, dann kurzzeitig geöffnet und ab 1980 wieder geschlossen. Die Grenze blieb eine problematische Grenze.
Karl Schlögel - vielen von seiner Lehrtätigkeit an der Viadrina bekannt - hat einmal versucht, dieses Verhältnis zu deuten. Ich darf zitieren:
„Für die Deutschen, die ihre Heimat an der Oder verloren hatten, war die Grenze der Name für gewaltsamen Abschied und Verlust von Unersetzlichem. Für die Polen, die ihre Heimat jenseits des Bugs verloren hatten und in den Westen verpflanzt worden waren, war Oder-Neiße der Name einer neuen Heimat in einem fremden Land. Die Oder-Neiße-Grenze ist der Name für eine Doppelgeschichte, die noch lange nicht zu Ende erzählt ist.“
Ich glaube, Schlögel hat Recht. Die Doppelgeschichte, von der er schreibt, ist die Geschichte unserer gemeinsamen Region auf beiden Seiten von Oder und Neiße. Diese Geschichte haben Polen und Deutsche 60 Jahre lang unterschiedlich erlebt. Es gab die historische Feindschaft zweier Nationen, die Verbrechen, die Deutsche Polen angetan haben, die daraus resultierende tiefe Verbitterung, mit der viele Polen den Deutschen
noch jahrzehntelang begegneten, die Sprachlosigkeit, das tief sitzende Misstrauen zwischen zwei sozialistischen Nomenklaturen - da nützte es auch nichts, dass man in einem Pakt war. Man hatte sich wenig zu sagen. Wenn ich mich - ich habe Ende der 70er Jahre in Bad Freienwalde gewohnt - an das erinnere, was der Agitationssekretär der Kreisleitung seinerzeit über Polen sagte, kann ich nur berichten, dass das unterstes Stammtischniveau war. Er hat sich zum Teil unerhörter Ressentiments bedient. Das war die Zeit von Solidarno´s´c; keine Frage.
Auch dort war nichts von Frieden, von Vertrauen, von wirklicher Nähe zu spüren. Das alles, meine Damen und Herren, lässt sich nicht einfach mit einem Federstrich vergessen machen. Wir sind Menschen, und da sitzt vieles tief, wirkt weiter und wirkt nach. Diese Vorgeschichte ist der Grund, weshalb es bei politischen Meinungsverschiedenheiten, wie sie selbst unter engen Freunden und Partnern immer wieder vorkommen im Übrigen auch künftig vorkommen werden; diesbezüglich sollten wir uns die Welt nicht schöner reden, als sie ist -, zwischen Polen und Deutschen dann zumeist um mehr geht als um die jeweils aktuellen Probleme.
Wie schwer das Gewicht der Geschichte auf einem lastet, haben wir in den vergangenen Jahren - für einige erstaunlicherweise sehr deutlich gespürt. Die Anlässe der Meinungsverschiedenheiten sind uns allen noch präsent und gut bekannt. Es ist jedoch eine Tatsache, dass solche Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und Polen immer schnell eine symbolische Bedeutung gewinnen; eine Bedeutung, die über den eigentlichen Anlass hinausgeht und sich selbst auf Bereiche auswirkt, die im Grunde mit den Anlässen nichts zu tun haben. Im Verhältnis zwischen uns hat immer alles mit allem zu tun. Um es mit den Worten von Christa Wolf, die in Gorzów - damals Landsberg - zur Welt gekommen und aufgewachsen ist, zu sagen: