Die Aussprache ist eröffnet. Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg erhält das Wort für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Datenschutzgesetz ändert man nicht alle Tage. Deswegen muss man diese Gelegenheit bestmöglich nutzen. Schließlich ist im Zusammenhang mit den Tätigkeitsberichten der Landesdatenschutzbeauftragten in den vergangenen Jahren sichtbar geworden, dass es Defizite an diesem Gesetz gibt.
Dem kommt der Gesetzentwurf der Landesregierung insofern nach, als dass er das brandenburgische Datenschutzrecht unter
dem Vorzeichen von Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung übersichtlicher gestalten soll. Angesichts der Kompliziertheit der Materie ist dieses Anliegen zu unterstützen. Aber gerade vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Aushöhlung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist größte Vorsicht geboten. Ich sage das auch mit Verweis auf die am vergangenen Freitag im Bundestag beschlossene Verschärfung der Telekommunikationsüberwachung und die damit verbundene Vorratsdatenspeicherung. Trotz vieler Vorbehalte und Warnungen ist die SPD umgekippt
Es ist sicher kein Zufall, dass ausgerechnet das Datenschutzrecht immer wieder zum Gegenstand des Bürokratieabbaus gemacht wird. Deshalb ist die Landesregierung von geradezu entwaffnender Offenheit, wenn sie die in einigen Fragen über die Vorgaben des EU-Rechts hinausgehenden Bestimmungen auf das zwingend vorgegebene Maß reduzieren will.
Die im Ausschuss für Inneres durchgeführte Anhörung hat überzeugend gezeigt, dass diesem Herangehen nicht gefolgt werden sollte. So ist die im gültigen Gesetz vorgesehene Orientierung auf die Anwendung von Datenschutzaudits bisher leider kaum angewandt worden. Sie war jedoch Vorbild für das Land Schleswig-Holstein, das nach Aussage des dortigen Landesdatenschutzbeauftragten diese Regelung erfolgreich praktiziert. Nicht zuletzt deshalb ist die von der Landesregierung vorgeschlagene Streichung nicht hinnehmbar.
Das haben auch die Vertreter der Koalitionsfraktionen so gesehen, und so konnte mit großer Mehrheit ein entsprechender Änderungsantrag beschlossen werden. Weitgehende Übereinstimmung gab es auch dazu, eine zwingende Verbindung von Risikoanalyse und der Erarbeitung von Sicherheitskonzepten herzustellen, sodass der Innenausschuss Ihnen eine entsprechende Änderung empfiehlt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind zweifellos Schritte, mit denen der Gesetzentwurf der Landesregierung in die richtige Richtung korrigiert wird. Damit wird aber eigentlich nur ein bereits erreichtes Niveau des Datenschutzes gesichert. Ich bedauere es außerordentlich, dass es im Innenausschuss nicht gelungen ist, eine Mehrheit für die längst überfällige Zusammenführung der Aufsicht über den öffentlichen und den privaten Bereich bei der Landesdatenschutzbeauftragten zu finden. Auch bei diesem Thema war die Anhörung des Ausschusses eine eindeutige Bestätigung für dieses Anliegen. Dafür spricht die Tatsache, dass diese Aufsicht in einer Hand in Berlin und in anderen Ländern erfolgreich praktiziert wird. Dafür sprechen die unübersehbaren Synergieffekte und die Möglichkeit von mehr Bürgerfreundlichkeit. Auch der Sonderausschuss hat sich eben zu dieser Zusammenlegung einstimmig positioniert. Er hat es diesem Haus zum Abbau von Bürokratie mit den Stimmen aller Fraktionen empfohlen.
Ich habe gehofft, dass das laufende Verfahren am Europäischen Gerichtshof Veranlassung für die Landesregierung ist, endlich zu handeln und durch die Zuordnung dieser Aufgabe zur Landesdatenschutzbeauftragten das geforderte höhere Maß an Unabhängigkeit der Datenschutzkontrolle endlich zu gewährleis
ten. Aber weit gefehlt: Der Innenminister setzt seinen Blockadekurs fort und hält an seiner antiquierten Position fest. Wir sehen uns in unserer Auffassung nicht zuletzt dadurch bestärkt, dass sich die SPD-Fraktion ebenfalls deutlich für die Zusammenlegung ausgesprochen hat. Mit anderen Worten: Mehr als zwei Drittel dieses Landtages sind für eine solche Änderung. Sie scheitert aber an einer zunehmend fragwürdigen Koalitionsräson. Damit wird ein weiteres Mal deutlich, dass diese Koalition nicht den Entwicklungserfordernissen unseres Landes gerecht wird.
Wir setzen uns konsequent für ein hohes Niveau des Schutzes persönlicher Daten im Land Brandenburg ein. Dazu gehört die seit langem diskutierte Zusammenführung der Datenschutzaufsicht. Deshalb stellen wir diesen Änderungsantrag am heutigen Tag zur namentlichen Abstimmung und geben Ihnen damit die Möglichkeit, den Weg doch noch frei zu machen.
Wir beantragen außerdem die Streichung der umstrittenen Einführung einer Schülerdatei. Wir sehen die Gefahr, dass damit umfangreiche personenbezogene Datensammlungen entstehen, deren künftiger Missbrauch nicht ausgeschlossen ist. Brandenburg braucht keine fragwürdige Schülerdatei, sondern wirksame Investitionen in das Bildungssystem.
Wenn Sie diesen Änderungen zustimmen sollten, meine Damen und Herren, wären wir bereit, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Scharfenberg, lassen Sie mich mit einem Zitat unserer Datenschutzbeauftragten, Frau Hartge, die hier anwesend ist und die ich auch herzlich begrüße, beginnen. Sie hat sich heute eingelassen und ausgesagt, dass dieses Gesetz insgesamt anwenderfreundlicher als das alte Gesetz ist und durch entsprechende Vorschriften den Anforderungen des immer wichtiger werdenden Themas der Datensicherheit in angemessener Art und Weise Rechnung trägt.
Warum sage ich das? Das Gesetz ist besser, als Sie es dargestellt haben. Die Fortschritte sollte man auch als solche bezeichnen. Dass Sie das nicht tun, finde ich schade. Sicher, wir haben Differenzen, und zwar mit der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der CDU. Das brauchen wir nicht wegzudiskutieren. Wir gehören nun einmal unterschiedlichen Parteien und Fraktionen an. Wenn wir alle einer Meinung wären, käme ein Einheitsbrei dabei heraus. Gott sei Dank gibt es Pluralität.
Insofern möchte ich Ihre einleitend vorgebrachten Anwürfe, dass das Gesetz nicht passend, nicht zeitgerecht und nicht gut sei, namens der SPD-Fraktion zurückweisen. Der Gesetzent
wurf hat das Ziel, das Niveau des Brandenburger Datenschutzes auf den EU-Standard der Richtlinie 95/46 zu bringen; in diesem Zusammenhang wurde das Schlagwort „Entbürokratisierung“ immer wieder im Munde geführt. Anpassen und Entbürokratisieren heißt nicht, dass wir in Brandenburg uns von notwendigen und bewährten Sicherheitsstandards verabschieden. Unter diesem Aspekt hat die SPD-Fraktion das Gesetz sehr intensiv und kritisch bearbeitet.
Wie wir heute feststellen, gilt auch in Brandenburg das „Struck’sche Gesetz“, wonach kein Gesetz das Parlament in seiner ursprünglichen Fassung verlässt. Es erfährt Veränderungen. Der vorliegende Gesetzentwurf hat gute Veränderungen erfahren.
Als Maßstab haben wir immer angesetzt, dass der bestmögliche und notwendige Schutz verwirklicht werden soll. Wir haben - auch im Ausfluss der Anhörung - drei Änderungsvorschläge vorgebracht. Das beweist, dass die Durchführung einer Anhörung segensreich ist. Man kann sich, um es mit Konrad Adenauer zu sagen, nicht dagegen sperren, jeden Tag klüger zu werden. Nach der Anhörung waren offensichtlich viele von uns klüger. Wir haben erstens die Risikoanalyse und das Sicherheitskonzept wieder eingeführt; Sie haben es erwähnt. In diesem Punkt gab es bei den Koalitionsfraktionen unterschiedliche Auffassungen. Das einzuräumen ist keine Schande. Die CDU ist die CDU, und die SPD ist die SPD. Uns war es wichtig, den Schutz von Daten sicherzustellen, und dazu sind aus unserer Sicht eine Risikoanalyse und ein daraus resultierendes Sicherheitskonzept notwendig und unerlässlich. Nur die Kombination beider Dinge macht Sinn. Ich habe schon im Innenausschuss gesagt: Eine Diagnose ohne eine Therapie ist sinnlos. Eine Therapie ohne eine vorherige Diagnose führt ins Ziellose. - Ein Sicherheitskonzept, das nicht fortgeschrieben wird, ist wenig wert. Es veraltet und wird letzten Endes wertlos. Es soll kein lästiger Dokumentationsaufwand betrieben werden, sondern wir sind dafür, dass die Behörden dafür sorgen, dass das Sicherheitskonzept auf dem Laufenden bleibt. Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben. Man muss sich Mühe geben. Jeder Betroffene wird dankbar sein, dass wir für ein bestmögliches Maß an Datenschutz Sorge getragen haben.
Herr Dr. Scharfenberg hat das Datenschutzaudit angesprochen. Es war herausgenommen worden, und wir haben dafür gesorgt, dass es wieder aufgenommen wird. Brandenburg war drauf und dran, eine Rolle rückwärts zu machen, und dem konnten wir uns nicht anschließen. Wir sind dafür, dass die Zeichen der Zeit erkannt werden und wie in anderen Bundesländern ein Datenschutzgütesiegel, wie es das Euro PriSe verkörpert, eingeführt und beibehalten wird. Mittels des Audits kann Nutzern, den Verwaltungen und der Wirtschaft der Weg zu einer sicheren und datenschutzkonformen Informationstechnik gewiesen werden. Es käme niemand auf die Idee, zum Beispiel den TÜV im Bereich Kraftfahrzeuge abzuschaffen.
Zum Benachteiligungsverbot: Die SPD-Fraktion hat es sehr überrascht, wie man auf die Idee kommen kann, Mitarbeitern der Landesverwaltung direkt oder indirekt untersagen zu wollen, sich an den Datenschutzbeauftragten zu wenden. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass dieses Benachteiligungsverbot wieder Eingang findet und die Mitarbeiter der Landesverwaltung - ganz gleich, ob es Angestellte oder Beamte sind - keine Nachteile haben; denn sie haben die gleichen Bürgerrechte wie alle anderen.
Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass wir im Zusammenhang mit der Novelle des Datenschutzgesetzes gern noch eine andere wichtige Fragen geklärt hätten, und zwar die Zusammenlegung des öffentlichen und nichtöffentlichen Bereichs des Datenschutzes. Ich habe dazu im Innenausschuss klare Worte gefunden. Wir teilen die Meinung unseres Koalitionspartners nicht. Allerdings, Herr Dr. Scharfenberg, wird es Ihrer Fraktion DIE LINKE nicht gelingen, auch nicht mit einer namentlichen Abstimmung, einen Keil in die Koalition zu treiben. Wir haben unterschiedliche Meinungen. Die haben wir in bestimmten Punkten mit Ihnen von der Fraktion DIE LINKE, und die haben wir in bestimmten Punkten mit der CDU-Fraktion. Mit der CDU-Fraktion verbindet uns ein gemeinsames Regierungsprogramm und ein Koalitionsvertrag. Beides wirft man, auch wenn man einmal Differenzen hat, nicht einfach weg. Wir werden darüber zu reden und zu streiten haben. Ich bin sicher, dass es am Ende zu einer Zusammenlegung der Bereiche kommen wird. Die einen erkennen die Zeichen der Zeit eher, sei es beim Mindestlohn oder eben bei der Zusammenlegung, die anderen später. Da bin ich sehr gelassen. Ich möchte allen empfehlen, das Gesetz anzunehmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! EU-Mindeststandards sind kein Dogma. Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes geht in einigen Punkten über die Mindeststandards der EG-Datenschutzrichtlinie hinaus. Deswegen haben wir im Ausschuss eine öffentliche Anhörung durchgeführt, in der seitens der Anzuhörenden zu einigen Punkten erhebliche Kritik geäußert wurde. Wenigstens im Hinblick auf das im Gesetzentwurf vorher nicht vorgesehene Datenschutzaudit haben die Koalitionsfraktionen Einsicht gezeigt.
Mit ihrem Änderungsantrag zur Durchführung eines Sicherheitskonzepts - neben der Risikoanalyse - haben die Koalitionsfraktionen erkannt, dass es so, wie es das Innenministerium beabsichtigt hat, nicht geht; Herr Schulze sprach davon. Doch trotz der Nachbesserungen ist es ein kaum akzeptabler Kompromiss, zumal unser Änderungsantrag in Anlehnung an den Berliner Standard klare Aussagen trifft, wie ein derartiges Sicherheitskonzept auszusehen hat. Davon wurde in Ihrem Änderungsantrag nicht gesprochen, sondern es hieß nur: Ein Sicherheitskonzept erfolgt. - Wie umfangreich es sein soll, ist unklar geblieben.
Insgesamt bleibt der Gesetzentwurf in der heutigen Fassung in wesentlichen Punkten hinter unseren notwendigen Forderungen zurück. Deswegen liegen Ihnen vier Änderungsanträge meiner Fraktion vor. Nach unserer Überzeugung ist es nicht einzusehen, dass angesichts des zunehmenden Risikos des Datenmissbrauchs und nicht abzusehender Schäden ein Verzicht der Bürgerinnen und Bürger auf Schadensersatz ermöglicht werden sollte, damit sich die datenverarbeitende Stelle von einer Häufung der Fälle freizeichnen kann, in denen das Schadensrisiko besonders hoch ist, und die Betroffenen den Scha
den aufgrund der Komplexität der Fälle, die man noch gar nicht abschätzen kann, nicht überblicken können. Auch sehen wir angesichts des immer größer werdenden Risikopotenzials bei eingesetzten IT-Verfahren eine Haftungshöhe von 250 000 Euro pro Schadensfall als sachgerecht an. Mit der von der Landesregierung beabsichtigten Haftungsbegrenzung von 125 000 Euro gehen wir nicht konform.
Weiterhin wird aus der Begründung im Gesetzentwurf bezüglich der Änderung des § 27 Artikel 2 - Geltung des Brandenburgischen Verfassungsschutzgesetzes - nicht klar, warum die Videoüberwachung und mobile personenbezogene Speicherund Verarbeitungsmedien von der Anwendung des Datenschutzgesetzes ausgenommen werden - sie sind in dieser Anwendbarkeit auch nicht im Berliner Datenschutzgesetz ausgenommen; damit ist im Prinzip der § 33 c und d gemeint. Deswegen schlagen wir die Streichung dieser Regelung vor.
Insgesamt bleibt der Gesetzentwurf in einigen Punkten weit zurück, und deswegen können wir ihm und der Beschlussempfehlung des Innenausschusses nicht zustimmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Werner; er spricht für die CDU-Fraktion. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen heute eine Novellierung des Datenschutzgesetzes verabschieden. Es geht im Wesentlichen um zwei Dinge: Zum einen gibt es Vorgaben vonseiten der EU, denen wir nachzukommen haben, und zum anderen geht es um den Abbau von Normen und Standards. Ich denke, wir sind beiden Ansprüchen gerecht geworden.
Kollege Scharfenberg, was spricht dagegen, überflüssige Normen und Standards abzubauen, wenn der Datenschutz weiterhin in vollem Umfang gewährleistet ist? Ich denke, das ist mit diesem Gesetz geschehen.
Lassen Sie mich noch auf die drei Änderungsanträge der Koalition eingehen; Kollege Schulze hat das bereits getan. Wir haben das Auditierungsverfahren, also das Gütesiegel, nicht gestrichen. Wir wollen keine untergesetzliche Regelung, sondern eine Regelung im Gesetz, auch wenn es bisher noch nicht stattgefunden hat. Aber gerade das soll der Ansporn sein, sich die Verfahren auditieren zu lassen.
Kollege Schulze hat ebenso das Benachteiligungsverbot angesprochen. Es ist nicht einzusehen, dass bestimmte Beschäftigungsgruppen ausgenommen werden und nicht die Möglichkeit haben sollen, sich an die Datenschutzbeauftragte zu wenden, wenn es hinlängliche Gründe dafür gibt.
Wir haben zum Dritten das Sicherheitskonzept eingeführt. Damit gehen wir eigentlich über die EU-Vorgabe hinaus. Die Reihenfolge lautet: Im Ergebnis der Risikoanalyse wird ein Sicherheitskonzept entwickelt und dann, wenn es notwendig ist, eine Vorabkontrolle durchgeführt.
An einer Stelle standen wir vor einer Denksportaufgabe, nämlich als es um den Begriff „angemessene Abstände“ ging. Die
Maßnahmen sind nach unseren Änderungsanträgen in angemessenen Abständen zu wiederholen. Das ist rechtlich ein sehr dehnbarer Begriff. Da muss man sich auf eine untergesetzliche Regelung verlassen. Es mag unterschiedliche Ansprüche und verschiedene technische und organisatorische Maßnahmen geben, die man sehr oft wiederholen muss. Es mag andere Maßnahmen geben, bei denen eine so häufige Wiederholung nicht notwendig ist. Ich denke, es kommt immer auf den Einzelfall an, für den die angemessenen Abstände festzulegen sind.