Protocol of the Session on September 13, 2007

- Es geht um die Sek I, Herr Schulze, das ist richtig.

Wer beim Unterricht was wie zählt, ist ohnehin völlig unklar. Insofern muss ich Frau Ministerin Ziegler Recht geben: Mit den Statistiken verhält es sich manchmal etwas schwierig. Sie können sie nicht für sich beanspruchen, wenn es Ihnen gerade passt, und sagen, sie gelten nicht, wenn es Ihnen gerade nicht passt.

Wir sind davon überzeugt, dass der durchschnittliche Unterrichtsausfall wenig aussagt, und gehen davon aus, dass er punktuell erheblich höher liegt. Sie alle haben den Brief erhalten, den eine in der Stadt Brandenburg lebende Schülerin der Jahrgangsstufe 9 an das Ministerium geschrieben hat. Darin schilderte sie, dass sie im 1. Halbjahr des Schuljahres 2006/07 nur zwei Physikstunden hatte.

Bei Einreichung der vielen Anträge der Koalition im Herbst vergangenen Jahres wurde der Eindruck erweckt, die Landesregierung hätte sich diese Anträge bestellt, um die Aktivitäten, die sie hierzu entwickelt hat, zu propagieren.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

- Genau, Herr Senftleben.

Inzwischen haben wir erkannt, dass es sich um einen Irrtum handelte. Solch ein Maßnahmenpaket zu stricken und auch noch als Erfolg verkaufen zu wollen traue selbst ich der Landesregierung nicht zu.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wenn 66 % der Ausfälle durch Krankheit der Lehrerinnen und Lehrer bedingt sind und die Landesregierung heute auch wieder schlicht resümiert, dass in den kommenden Jahren aufgrund der Altersstruktur mit einem Anstieg dieser Ausfälle zu rechnen sei, muss ich doch von dieser Landesregierung erwarten, dass sie eine Idee hat, wie sie dagegensteuern kann. „Lehrerfeuerwehr“, befristete Einstellungen, befristete Aufstockungen und Mehrarbeit - all das sind Instrumente, die einen erheblich höheren Verwaltungsaufwand erfordern. Hier haben Sie doch ein Beschäftigungsprojekt für die Schulämter aufgelegt. Das alles wäre nicht nötig, wenn Sie die Schulen auskömmlich ausstatten würden und die Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer so wären, dass sich deren berufsbedingte gesundheitliche Probleme nicht zunehmend auch noch verschlechterten. Die Vertretungsreserve von 2 % an den Schulen und von 1 % an den Schulämtern - so ist es zugewiesen - reicht nachweislich nicht aus.

Herr Minister, Sie berufen sich gern auf Ihre langjährigen Erfahrungen als Schulleiter. Haben Sie diese vorgeschlagenen Maßnahmen für Schulen - dieses zweite Paket - einmal mit Lehrkräften und Schulleitern oder auch mit Ihrer Stellvertreterin diskutiert? Haben Sie vergessen, welch hohes Maß an Selbstausbeutung vor allem die stellvertretenden Schulleiterinnen und Schulleiter bereits jetzt aufbringen müssen, um das alles bei einer Stundenverpflichtung von oft mehr als 20 Stunden zu managen?

Sie haben heute eingeräumt, dass mehr Arbeit auf die Schulen zukommen wird. Das ist jedoch auch das Einzige, das ich in diesem Konzept ersehen kann. Ich jedenfalls habe in Gesprächen über dieses Konzept bei den meisten Kolleginnen und Kollegen nur ein müdes Lächeln und Schulterzucken erlebt. Sie haben den Schwarzen Peter den Schulen zugespielt. Da hilft auch die Budgetierung nicht weiter. Brandenburgs Schülerinnen und Schüler haben nach 17 Jahren eine verlässliche Schule verdient. Mit diesem Konzept bekommen sie sie nicht.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank, Frau Große. - Für die SPD-Fraktion erhält Frau Geywitz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Manchmal - unter anderem nach der gestrigen und heutigen Debatte - habe ich den Eindruck, dass Frau Große und Frau Kaiser in diesem Haus den Arbeitskreis „Grundsätzliche Opposition“ gründen könnten. Egal, was wir hier tun, es ist schlecht und kritikwürdig. Heute war der Beitrag von Frau Große besonders spannend; denn wir haben ein Konzept zur Reduzierung des Unterrichtsausfalls gefordert. Frau Große hat zunächst einmal gesagt, nicht nur, dass Unterricht ausfalle, sondern auch, dass Schulen geschlossen würden, sei eine zuverlässige Größe. Also kritisiert sie erst einmal Schulschließungen. Des Weiteren sagte sie, es gebe keinen wissenschaftlich bewiesenen Zusammenhang zwischen Unterrichtserteilung und Qualität des Bildungssystems. Aufgrund dessen wäre infrage zu stellen, ob die Bekämpfung des Unterrichtsausfalls überhaupt ein politisches Ziel sein sollte.

Warum macht sie das? - Weil die Zahlen in Brandenburg sehr

gut sind. Wir liegen hinsichtlich des Unterrichtsausfalls unter dem Durchschnitt. Deshalb muss man natürlich an der Stelle grundsätzlich Kritik an Statistiken anbringen, weil es ansonsten eine unzumutbar gute Aussage wäre, die man der Landesregierung nicht antun möchte.

Vielleicht können Sie sich einmal mit dem Kollegen Görke unterhalten. Er hat ein etwas positiveres Verhältnis zur Statistik und benutzt sie gern, um nachzuweisen, dass es in Brandenburg eine große Ausbildungsplatzlücke gibt. Eventuell könnte man sich diesbezüglich auf ein einheitliches Vorgehen verständigen.

In der Tat ist jedoch richtig, dass der Unterrichtsausfall in Brandenburg weniger als 3 % ausmacht.. Die meisten Stunden fallen dadurch aus - das haben Sie erwähnt -, dass die Lehrkräfte erkranken. Das ist nur zu verhindern, indem man entsprechende Vertretungsreserven vorhält. Das tun wir in Höhe von 3 %. In der Tat stimmt es etwas sorgenvoll, dass mit Ansteigen des Durchschnittsalters unserer Lehrkräfte auch die Wahrscheinlichkeit des höheren Krankenstandes zunimmt. Dagegen gibt es nur ein Mittel, und zwar neue junge Lehrer.

Alles Weitere, was in diesem Konzept aufgezeigt wird, ist die Unterrichtsorganisation. Unterricht fällt wegen Prüfungen, Klausuren, Betreuung, Schulfahrten sowie Fort- und Weiterbildung aus. Aufgrund dessen ist es mit einer guten Organisation am Anfang des Schuljahres durchaus möglich, Unterrichtsausfall zu reduzieren. Das wollen wir mit den Schulen gern gemeinsam organisieren. Wir schieben den Schulen auch nichts zu.

Frau Große, an anderer Stelle sagen Sie immer, wir sollen die Schulen stärken und ihnen mehr Verantwortung geben. Nun ist es offensichtlich wieder falsch. Ich sage nur: „Grundsätzliche Opposition“ von Frau Kaiser und Frau Große. Ich denke, das Haus ist dies gewöhnt. Wir können jedoch mit Recht sagen: In Brandenburg gibt es eine geringe Unterrichtsausfall-Quote. Mit diesem Konzept arbeiten wir daran, dass die Quote noch geringer wird. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Geywitz. - Für die DVU-Fraktion erhält die Abgeordnete Fechner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem uns vorgelegten Konzept soll sichergestellt werden, dass in Zukunft so wenige Unterrichtsstunden wie möglich ausfallen; denn allzu oft kamen in der Vergangenheit Beschwerden seitens der Schüler bzw. vielmehr deren Eltern, dass zu viel Unterricht ausfällt.

Sicherlich ist das Problem Unterrichtsausfall regional sehr unterschiedlich. Doch der Minister freut sich, dass laut Statistik der tatsächliche Stundenausfall lediglich 2 % beträgt. Damit steht Brandenburg im Vergleich zu den anderen Bundesländern nicht einmal schlecht da. Das sagt zumindest der Minister. Doch wie wir bereits festgestellt haben, ist das mit den Statistiken so eine Sache. Laut Statistik ist jeder fünfte

Mensch ein Chinese. Wie viele Chinesen befinden sich jetzt hier unter uns?

(Beifall bei der DVU - Heiterkeit bei der SPD - Baaske [SPD]: So viele Ausländer! Überlegen Sie sich das ein- mal!)

So viel zum Thema Statistik.

Obwohl Brandenburg mit seinen lediglich 2 % Unterrichtsausfall - nach Aussage der Landesregierung - bundesweit sehr gut dasteht, hielten es die Regierungsfraktionen dennoch für erforderlich, die Landesregierung aufzufordern, ein Konzept vorzulegen. Nun liegt uns heute dieses 10-seitige Konzept vor. Etliche Maßnahmen werden darin beschrieben. Meine Vorredner sind mehr oder weniger intensiv darauf eingegangen. Ich erspare es mir, diese Maßnahmen zu kommentieren.

Nur noch so viel: Natürlich ist es positiv, dass Lösungen gesucht werden, um den Unterrichtsausfall an Schulen zu vermeiden bzw. zu verringern. Jedoch bedarf es einer genaueren Analyse, damit auch in Zukunft die uns vorgelegte Statistik einen gewissen Aussagewert hat. In Deutschland und auch in Brandenburg wird statistisch sehr viel erfasst. Doch die Landesregierung ist nicht in der Lage, uns mitzuteilen, ob eine Unterrichtsstunde fachfremd oder fachgleich vertreten wird. Jedoch dürfte es doch wohl von großem Interesse sein, zu wissen, wie hoch der tatsächliche Stundenausfall ist. Erfolgt eine Vertretungsstunde nun sinnvoll und fachgerecht, oder werden die Schüler unter anderem nur mit Bastel- oder Stillarbeiten beschäftigt? - Die DVU-Fraktion ist der Meinung, dass diese Daten für ein sinnvolles Konzept dringend nötig sind. Die Landesregierung unterscheidet zwar nach möglichem und tatsächlichem Stundenausfall, jedoch nicht nach fachgerechtem bzw. fachgleichem und fachfremdem Unterricht.

Doch auch die Stunden, die nicht fachgerecht vertreten werden, müssten unserer Meinung nach in den tatsächlichen Unterrichtsausfall eingerechnet werden; denn nur so würde man einen wirklichen Überblick über den tatsächlichen Stundenausfall erhalten. Doch das scheint von der Landesregierung nicht gewollt zu sein. Begründet wird die Nichterfassung dieser Daten mit dem erhöhten Verwaltungsaufwand der Lehrkräfte.

Wenn man jedoch wirklich etwas ändern möchte und wenn man wirklich daran interessiert wäre, Missstände abzustellen, dann müsste man diese erst einmal erkennen und benennen können, genauso wie ein verantwortungsvoller Arzt, bevor er mit der Behandlung beginnt, eine gründliche Diagnose stellt.

(Beifall bei der DVU)

Vielen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Senftleben.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Schuljahr ist gerade ein paar Tage alt. Ursprüngliche Absicht war es, dass dieses Konzept zum Schuljahresbeginn Unterrichtsgarantien und Verlässlichkeit an Brandenburgs Schulen ermöglicht.

Frau Große, man kann diesem Konzept durchaus viel entnehmen; zahlreiche Vorschläge sind umsetzbar. Auf dieser Basis können wir uns sicherlich näherkommen.

Wir müssen in der Realität aber erleben, dass uns Eltern einfach sagen: Wir haben in der Ferienzeit dafür gesorgt, dass alle Unterrichtsmaterialien gekauft wurden und der Ranzen gepackt ist. Wir haben den Schüler auf die Unterrichtszeit vorbereitet. Dann darf es nicht sein, dass bereits in der ersten Woche das eine oder andere Unterrichtsfach ausfällt.

Ob es 2 %, 5 % oder 10 % Ausfall sind, ist zunächst einmal nicht so entscheidend. Wichtig ist, ob Vertrauen besteht. Vertrauen heißt in diesem Zusammenhang für mich: Der Unterrichtsstoff kann im Rahmen des Unterrichtsplans, das heißt auch in der dafür vorgesehenen Zeit, vermittelt werden. - Damit das möglich wird, müssen wir Vertrauen in die Verlässlichkeit von Schule in Brandenburg herstellen. Deswegen ist dieses Konzept damals von den Koalitionsfraktionen angefordert worden. Es liegt heute zur Beratung vor. Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns damit befassen können.

Ich sage deutlich, dass auch die Lehrer Anspruch darauf haben. 60 % des Unterrichtsausfalls sind durch Krankheit von Lehrern bedingt. Aber auch in jedem anderen Berufszweig können Krankheitszeiten von Mitarbeitern den Ablauf eines Unternehmens - das gilt auch für das Parlament - beeinträchtigen. Man muss darauf aber vorbereitet sein. Deswegen brauchen auch die Lehrer unsere Hilfe und unsere Unterstützung.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es sinnvoll wäre, wenn wir im Land Brandenburg festlegen würden: Die Vertretungsreserve von 3 % ist dort, wo sie hingehört, nämlich an den Schulen. Damit haben diese die Möglichkeit zur sachgerechten Verteilung. - Vielleicht kann man das Ganze auch weniger aufwendig betreiben. Das ist der erste Punkt, den auch ich kritisch anmerken möchte. Das habe ich aber bereits bei der Antragseinreichung so deutlich gesagt.

Zweitens haben auch die Eltern ein Recht darauf, Verlässlichkeit in der Schule vorzufinden. Wenn die Eltern ihr Kind zur ersten Unterrichtsstunde bringen oder schicken und davon ausgehen, dass bis zur vierten, fünften oder sechsten Stunde Unterricht stattfindet, dann müssen sie sich darauf verlassen können. Auch Eltern haben einen Tagesablauf, den sie einhalten müssen. Ich sage ganz deutlich: Das Vertrauen der Eltern dürfen wir nicht verlieren.

Auch die Schülerinnen und Schülern - sie sind zuallererst betroffen - benötigen Vertrauen. Wenn in Brandenburg zentrale Prüfungen abgelegt werden - sei es in Klasse 10, sei es beim Zentralabitur -, die in Nord, Süd, Ost und West zwangsläufig am selben Tag stattfinden, dann dürfen die Schüler zu Recht davon ausgehen, dass ihnen zum Zweck der Prüfungsvorbereitung derselbe Unterrichtsstoff in der derselben Unterrichtszeit vermittelt wurde. Deswegen ist es auch Ausdruck von Bildungsgerechtigkeit, wenn wir fordern: Unterrichtsgarantie muss in Brandenburg immer mehr ein zentrales Anliegen der Politik und auch der Schulen werden.

Ohne jetzt das Land des Lächelns bemühen zu wollen, so ist doch klar: Wenn 8 % Unterricht nicht fachgerecht oder nicht laut Plan erteilt werden, dann entspricht dies, in absoluten Zahlen ausgedrückt, 600 000 Unterrichtsstunden. Diese Zahl sieht

schon anders aus. 2 % Ausfall würde dann bedeuten, dass weit über 100 000 Unterrichtsstunden pro Schulhalbjahr nicht erteilt werden können. Das darf nicht sein. Kennzeichen eines bildungsgerechten Schulsystem ist es jedenfalls nicht. Deswegen ist es wichtig, dass dieses Konzept weiterentwickelt werden kann.

Ich nenne ein Beispiel, das zeigt, wie es gehen kann. In Hessen haben sich 73 % der befragten Eltern positiv zum Konzept „Unterrichtsgarantie Plus“ der dortigen Landesregierung geäußert. Die Eltern fordern: Gebt den Schulen - erstens - mehr Entscheidungshoheit! Gebt Ihnen - zweitens - ein Budget, damit sie vor Ort ein Vertretungskonzept aufstellen und auch umsetzen können! Gebt ihnen - drittens - die Möglichkeit, auch Kräfte von außerhalb in die Schule einzubeziehen!

Die Möglichkeiten sind doch gegeben. Die positiven Erfahrungen aus dem Land Hessen bieten eine gute Möglichkeit auch für unser Land Brandenburg, den Unterrichtsausfall weiter zu drücken. Ich glaube, dass man mit einem guten schulischen Konzept, wo Aus- und Fortbildung aus der Unterrichtszeit ausgeklammert, Prüfungstermine verlegt, aber auch Schulfahrten anders gelegt werden können, wirklich Erfolg haben kann. An das Ministerium geht deshalb mein herzlicher Dank dafür, dass man diesen Prozess gemeinsam mit uns unterstützen möchte.

Uns wünsche ich mehr Mut, noch mehr Freiheit dafür zu wagen, den Schulen erweiterte Möglichkeiten zu geben, ihre Unterrichtsausfälle selbstständig zu minimieren. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU sowie des Abgeordneten Baaske [SPD])

Ebenfalls an Sie herzlichen Dank, Herr Senftleben. - Ich beende die Aussprache. Das Konzept der Landesregierung in der Drucksache 4/4859 ist damit zur Kenntnis genommen.

Tagesordnungspunkt 7 wird geschlossen und Tagesordnungspunkt 8 aufgerufen:

Fördermaßnahmen für Schülerinnen und Schüler (gemäß Beschluss des Landtages vom 22.11.2006 - Drucksache 4/3662-B)

Konzept der Landesregierung