Protocol of the Session on June 7, 2007

Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, hat „Prognos“ vor wenigen Wochen deutlich gemacht. Brandenburg gehört mit Sachsen zu den zwei ostdeutschen Regionen, die in den nächsten zehn Jahren die besten Zukunftsaussichten haben.

Der Standort setzt sich also immer stärker durch. Die Zahl der ansiedlungsinteressierten Unternehmen nimmt zu, und immer mehr bestehende Firmen wollen sich vergrößern. Das ist eine Situation, die wir uns seit vielen Jahren gewünscht haben. Aber die verfügbaren Fördermittel sind begrenzt; das zu erwähnen gehört zur Ehrlichkeit der Ansage. Wir werden große Anstrengungen unternehmen müssen - wir werden das auch tun -, um auch unter den Bedingungen begrenzter Möglichkeiten unsere Chancen im Standortwettbewerb optimal zu nutzen.

Einen zweiten Aspekt will ich an der Stelle auch noch erwähnen. Die gute wirtschaftliche Situation ermöglicht es uns, den Landeshaushalt zügiger zu sanieren, als wir uns das noch vor vier, fünf Jahren vorgestellt haben. Wir werden - auch das ist eine gute Nachricht für die junge Generation unseres Landes ab dem Jahr 2010 beginnen, die Schulden, die wir in den vergangenen 15, 16 Jahren angehäuft haben, abzutragen, damit die Menschen Eurer jungen Generation Gestaltungsspielräume für ihr Leben erhalten und Ihr in der Zukunft nicht nur Zinsen zahlen müsst.

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, auch das Thema Mindestlohn wurde hier schon erwähnt. Ich will dazu noch einmal sagen, dass wir jetzt sicherstellen müssen - das ist eine Aufgabe für uns alle -, dass der greifbare, messbare und auch sichtbare Aufschwung zu einem Aufschwung für alle Menschen und alle Regionen in diesem Lande wird. Deshalb sind aus meiner Sicht die Tarifparteien, die sich gerade auch in Brandenburg in den vergangenen Jahren sehr vernünftig verhalten haben, aufgefordert, Tarifvereinbarungen zu schließen, die zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Landes passen. Deshalb sage ich hier

noch einmal ganz deutlich: Sittenwidrige Löhne sind und bleiben eine Schande für unser Land, und wir werden sie nicht länger hinnehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Deshalb heißt die nächste große Arbeitsmarktreform - zumindest für mich, wir sind uns in der Koalition nicht über alles einig, das kann auch nicht sein - schlicht und ergreifend Einführen eines Mindestlohns. Was in 20 Ländern der Europäischen Union gut ist, wird für Deutschland genauso gut sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD, CDU und der Linkspartei.PDS)

Wir hatten das Thema Langzeitarbeitslose und ihre Familien. Dazu müssen wir selbstkritisch sagen: Genau diese Bevölkerungsgruppe profitiert von dem Aufschwung eindeutig noch zu wenig. Es sind hier mehrere Vorschläge gemacht worden. Ich finde einen Streit über Regionalbudget, Bürgerarbeit oder aus Regionalbudget resultierende Bürgerarbeit produktiv. Auf jeden Fall muss zugeschnitten auf die jeweilige Region etwas passieren.

Wir müssen uns vor allen Dingen abgewöhnen, Menschen aufzugeben. Wir werden weiterhin mit zwei Möglichkeiten arbeiten müssen. Es geht zum einen darum, Vermittlungs- und Qualifizierungsanstrengungen weiterhin zu intensivieren für jeden, der irgendwo eine Chance haben könnte. Es muss aber eine vernünftige Qualifizierung sein, keine Qualifizierung ins Blaue oder in bestimmte Segmente hinein, was nur als Beruhigungspille dient. Wir müssen denen, bei denen es gar nicht geht - darüber streiten wir uns gerade auch in Berlin mit der Großen Koalition sehr heftig -, insbesondere älteren Langzeitarbeitslosen, einen würdigen Übergang ins Rentenalter ermöglichen. Das geht nicht mit halbjährigen Beschäftigungsverhältnissen, sondern dafür braucht man zwei- bis dreijährige Beschäftigungsverhältnisse, damit es überhaupt funktionieren kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Vieles ist in unserem Lande in Bewegung gekommen, aber wir haben noch eine Unmenge zu tun, und es gibt nicht den geringsten Grund für irgendjemanden in irgendeiner Verantwortung, sich zurückzulehnen. Es brummt zwar in Brandenburg, aber die großen Herausforderungen der Zukunft werden uns mit voller Wucht weiterhin erreichen. Die Globalisierung wird weitergehen, G 8 hin und G 8 her. Die demografischen Umbrüche werden weitergehen. Hier gibt es keine kurzfristigen Umkehrmöglichkeiten. Damit, dass im Jahr 1991 kaum Kinder geboren wurden und es demzufolge heute nur wenig 16-Jährige gibt, müssen wir umgehen. Wir werden es auch mit einem weiteren Strukturwandel in der Bildungs-, Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft zu tun haben. Dem allen müssen wir uns weiterhin stellen. Wir dürfen uns freuen, dass die Arbeit Früchte trägt, aber wir dürfen uns auf diesen Früchten nicht eine Minute lang ausruhen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir müssen ganz klar sagen: Wachstumstreiber sind weiterhin Bildung, Forschung und Entwicklung, Innovation und private Investitionen. Die Fachkräftesicherung muss ganz oben auf der Agenda stehen.

Meine Damen und Herren, ich will die Gelegenheit nutzen mehrere Redner haben es angesprochen, ich will es aus aktuellem Anlass auch tun, und es gehört zu unserer wirtschaftlichen Entwicklung und zur Gesamtentwicklung -, ein Wort zu Berlin zu sagen. Wir haben in den letzten 48 Stunden eigenartige Töne hören müssen. Wir haben auch Bilder sehen müssen, die mindestens eigentümlich sind. Ich erinnere nur an das Titelbild der Studie der IHK-Berlin. Das kommentiert sich selbst. Jeder, der es noch nicht gesehen hat, sollte es sich einfach anschauen. Ich sage hier vor diesem Parlament noch einmal das, was ich seit Jahren - ich achte auch fast auf den gleichen Wortlaut, weil man ja gerne ausgelegt wird - sage: Ich glaube, dass eine Fusion der beiden Länder ein sinnvoller Schritt ist. Eine Fusion der beiden Länder kann aber nur der Schlussstein einer auf Vertrauen und Kooperation gewachsenen Entwicklung sein, weil die Menschen nur dann sehen werden, dass es wirklich gut ist. Ansonsten werden wir nicht dazu kommen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir haben 1996 mehrere Felder definiert, die mit einer Fusion ganz essenziell zum Vorteil der gesamten Region bearbeitet werden sollten. Dies waren - manche werden sich erinnern das Anstreben eines gemeinsamen Verkehrsverbundes, eines gemeinsamen Leitbildes und einer gemeinsamen Gerichtsbarkeit, das Senken der Personalkosten, das Anstreben einer gemeinsamen Rundfunkanstalt und der Bau eines gemeinsamen Flughafens. Es wurde gesagt, diese sechs Felder könne man nur gemeinschaftlich bewältigen. Wir haben heute einen gut funktionierenden Verkehrsverbund. Wir haben heute eine gemeinsame Gerichtsbarkeit. Wir haben einen gemeinsamen Rundfunk- und Fernsehsender, bei deren Programmen sich Berliner und Brandenburger jeweils benachteiligt fühlen; auch ich empfinde das für Brandenburg manchmal so. Wir haben die Personalkosten stärker gesenkt, als wir es 1996 durch Fusion gedacht hatten tun zu können. Wir bauen den gemeinsamen Flughafen, und beide Regierungen haben vor kurzem ein gemeinsames Leitbild verabschiedet. Ich will all jenen, die denken, wenn die Fusion nicht morgen kommt, dann ist Stillstand in der Rechtspflege, nur sagen: Das ist nicht der Fall. Wir haben gemeinsam eine Menge geleistet.

Für mich bleibt es bei zwei Fusionsvorbedingungen; davon werde ich auch nicht abgehen. Die eine ist: Wenn die 60 Milliarden Euro Berlins - das heißt schlicht und ergreifen, 3 Milliarden Euro Zinsen jährlich, meine Damen und Herren - nicht auf eine geeignete Art und Weise von mehreren getragen werden und nicht nur von dem gemeinsamen Land, werde ich keinem Brandenburger und keiner Brandenburgerin empfehlen, für eine Fusion zu stimmen, klipp und klar und ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Zweitens: Ich bin auch völlig dagegen, juristische Tricks anzuwenden und die Abstimmung über eine Fusion vielleicht in die Parlamente zu ziehen oder etwas Ähnliches anzustreben. Es sollte bei einer Volksabstimmung bleiben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dazu müssen die Menschen im Lande spüren: Hier sind zwei Bundesländer nicht nur aufeinander angewiesen, sondern auch

bereit, miteinander Zukunft zu gestalten, und zwar gleichberechtigt, meine Damen und Herren,

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

nicht von oben herab, nicht von oben nach unten, sondern es muss ein Geben und Nehmen von beiden Seiten sein. Wenn ich dann aus Berliner Mündern Sätze höre wie „Das Recht des Stärkeren muss jetzt endlich zum Tragen kommen“, „Die größere Volkswirtschaft muss sich endlich einmal durchsetzen dürfen“, „Das, was mit Brandenburg vereinbart wurde, sind vorwiegend faule Kompromisse gewesen“ und „Die Landeshauptstadt Potsdam ist auch keine so tolle Sache gewesen“, dazu noch das Titelbild, dann werde ich an Klaus-Rüdiger Landowsky erinnert,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

dann werde ich erinnert an Sätze wie: Wir werden eure Wärmestuben ausfegen, wenn wir erst einmal fusioniert sind.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dann werde ich an Herrn Sarrazin erinnert, der gesagt hat: Wenn wir erst fusioniert sind, dann ist das eine Großstadt mit angeschlossener Landschaftspflege.

Meine Damen und Herren, man kann das als außergewöhnliche, seltene Äußerungen qualifizieren, aber angesichts des aktuellen Papiers, das gründlich erarbeitet wurde, das genau diesen Geist trägt, bitte ich unsere Berliner Freunde, noch einmal genau zu überlegen, ob das der Geist ist, in dem eine Kooperation und eine spätere Fusion wirklich wachsen können.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

Ich glaube nicht. Wir werden auf diesen groben Klotz keinen groben Keil setzen. Ich sage hier klar und deutlich: Ich freue mich über jede Investition, über jede Ansiedlung in Berlin, als hätte es sie in Brandenburg gegeben, weil sie uns genauso nutzt wie den Berlinern. Wer aber denkt, wir könnten getrennte Entwicklungen so organisieren, dass es dem einen gut und dem anderen schlecht geht, der irrt sich. Wir haben nur gemeinsam eine gute Zukunft. - Danke schön.

(Beifall bei SPD, CDU und der Linkspartei.PDS)

Der Abgeordnete Christoffers spricht für die Fraktion der Linkspartei.PDS.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich drei Vorbemerkungen machen.

Erstens: Als ich das Thema der Aktuellen Stunde, vor allen Dingen die Begründung, gelesen habe, ging ich schon davon aus, dass Sie, Herr Ministerpräsident, hier eine Regierungserklärung abgeben werden, was Sie letztendlich auch getan haben.

Dabei gibt es erhebliche Defizite, es gibt aber auch Erfolge. Im Unterschied zu 1996 erscheint mir diese Argumentation jedenfalls vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Entwicklungsstandes sehr zweischneidig. Ich möchte auch sagen, warum.

Wir haben es geschafft, die Gemeinsame Landesplanung einzurichten. Es ist bundesweit einmalig, dass zwei Länder eine Gemeinsame Landesplanung haben. Wir haben jetzt die Situation, dass vor dem Hintergrund des Bestehens der Gemeinsamen Landesplanung Berlin oder auch Brandenburg, je nach politischer Interessenlage, Entwicklung blockieren kann und damit die Gemeinsame Landesplanung überflüssig macht, wenn die Konkurrenzsituation zwischen Berlin und Brandenburg tatsächlich zum tragenden politischen Prinzip des Nebeneinanders beider Länder wird. Ich empfinde es so, dass bei dem gegenwärtigen Verhältnis zwischen Berlin und Brandenburg genau diese Gefahr besteht. Wenn Berliner Politik bereits vor einer Entscheidung bzw. vor einer Diskussion der Gemeinsamen Landesplanung sagt, dass sie diese oder jene Entwicklung, zum Beispiel am Standort Finow, nicht will, dann braucht die Gemeinsame Landesplanung nicht mehr tätig zu werden.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Was ist der Umkehrschluss? Sollen wir als Land Brandenburg jetzt sagen, da Berlin Erkner als Entwicklungszentrum blockiert, werden wir in Berlin eine Entwicklung blockieren, damit wieder ein Interessenausgleich herbeigeführt wird? - Ich finde, dass wir hier auf einem sehr gefährlichen Weg sind.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich kann nur dafür plädieren, dass man verbal abrüstet. Herr Ministerpräsident, Sie haben das gemeinsame Leitbild von Berlin und Brandenburg angesprochen. Das ist wegen der gegenwärtigen politischen Entwicklung eigentlich obsolet. Man handelt nicht mehr als eine Region, sondern man betont die Unterschiede und die Konkurrenz. Damit ist für das Agieren im Wirtschafts- und Sozialraum Berlin-Brandenburg jetzt eine völlig andere Grundlage vorhanden, als dies 1996 der Fall gewesen ist.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Deshalb sage ich noch einmal: Ich teile Ihre Intention. Ich bin für den Weg über Kooperation, wobei die Fusion der Schlussstein sein soll. Ich habe mich auch nie an Debatten über Jahreszahlen beteiligt, weil ich sie für kontraproduktiv halte. - Aber wir müssen aufpassen, dass sich unter dem Dach dieser Argumentation vor dem Hintergrund des gegenüber 1996 jetzt völlig anderen Entwicklungsstandes nicht etwas anderes vollzieht, nämlich statt einer Zusammenarbeit eine Trennung des einheitlichen Wirtschafts- und Sozialraums.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das geht auch an meine Berliner Kollegen.

Ich war etwas überrascht, als ich die Stellungnahme der IHK Berlin gelesen habe. Natürlich hat nicht das Land Brandenburg die Arbeitsmarktregion Berlin-Brandenburg aufgekündigt, sondern das ist die logische Konsequenz von EU-Entscheidungen. Ich erwarte von einem IHK-Präsidenten zumindest, dass er so etwas weiß. Ich gehe auch davon aus, dass Hintergrund solcher Äußerungen ein Unverständnis und Unkenntnis von Problem

Zweitens: Ich möchte mich nicht in Familienstreitigkeiten und in die Frage, ob der Aufschwung einen Vater oder eine Mutter hat, einmischen, ich möchte nur, Herr Ministerpräsident, auf einen Punkt aufmerksam machen: Wenn Frau Merkel Recht hat, dass, wie Sie sie zitieren, die Durchsetzung von Reformen zweieinhalb bis drei Jahre dauere, dann hat der Aufschwung mit der Neuordnung der Wirtschaftsförderung im Land Brandenburg, die letztes Jahr begonnen hat, nichts zu tun,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

denn der ist trotz Ihrer Politik und nicht wegen Ihrer Politik eingetreten.