Protocol of the Session on June 7, 2007

- Die lesen Sie doch auch!

Mehr als 3 % Wirtschaftswachstum in den neuen Bundesländern prognostizierte selbst das renommierte Institut für Wirtschaftsforschung in Halle.

Sehen wir uns nun die aktuellen Arbeitsmarktstatistiken für Mai dieses Jahres an, so stellen wir in Brandenburg fest, dass es trotz des alljährlichen saisonbedingten Rückgangs wie in all den Vorjahren über 200 000 Arbeitslose gibt und dass die Zahl der Arbeitslosen nach SGB II, davon der größte Teil Hartz-IVOpfer, praktisch nicht zurückgegangen ist, sondern mit über 340 000 auf höchstem Niveau stagniert. Genau diese Gegenüberstellung von 200 000 Arbeitslosen laut Statistik und 340 000 Leistungsempfängern nach SGB II zeigt, dass es sich beim Rückgang der Arbeitslosigkeit in Brandenburg und auch in ganz Deutschland um ein Ammenmärchen handelt.

(Schulze [SPD]: Wenn Sie noch wissen, was eine Amme ist!)

Man darf nicht vergessen, Herr Schulze: In Umschulungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Befindliche, in den vorzeitigen Ruhestand Geschickte, Kurzarbeiter, ältere Langzeitarbeitslose, Billiglöhner, die so wenig verdienen, dass sie weiterhin auf öffentliche Unterstützung angewiesen sind - sie alle gelten offiziell nicht mehr als Arbeitslose. Und Sie behaupten hier, einer Statistik zu glauben, die Sie selbst gefälscht haben?

(Beifall bei der DVU)

Nun, meine Damen und Herren, zum Aufschwung. Dieser beruht auf der Tatsache, dass der Winter 2006/07 praktisch ausblieb und außerdem die Eigenheimzulage zum 31.12.2005 auslief.

(Dr. Klocksin [SPD]: Daher kommt der Aufschwung!)

Wer die Eigenheimzulage bis zum Stichtag beantragte, hatte bzw. hat danach noch drei Jahre Zeit, sein Bauvorhaben mit Eigenheimzulage zu beginnen. Diese beiden Effekte sowie die Spätauswirkungen der Fußball-WM 2006 bewirken insbesondere auch in der Bauindustrie das, was man heute als Aufschwung in Deutschland und eben auch hier in Brandenburg bezeichnet.

Ebenso wurden aus Angst vor der drohenden Mehrwertsteuererhöhung noch vor dem 31. Dezember des letzten Jahres umfangreiche Investitionsmaßnahmen getätigt, die sich im Moment insbesondere im Bereich des Investitionsgütersektors auswirken, aber spätestens mit dem Jahresende buchstäblich verpufft sein werden. Bereits Anfang 2008 wird man erleben, dass sich das Ganze als Bumerang erweist und für einen weiteren starken Anstieg der Arbeitslosigkeit sorgt.

Eines, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, sei Ihnen ins Stammbuch geschrieben: Ihre Förderpolitik mit der Fokussierung auf sogenannte Wachstumskerne, Wachstumsbranchen und zentrale Orte hat mit dem Aufflackern des derzeitigen Kurzzeitaufschwungs nichts zu tun. Ganz im Gegenteil, diese Politik, verbunden mit dem sozialistischen Chaos im Bildungssystem, hat dazu geführt, dass die bereits seit 1991 zu verzeichnende Abwanderung insbesondere aus den berlinferneren Regionen unseres Landes extrem anstieg.

Aus einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung vom 30. Mai dieses Jahres geht hervor, dass die star

ke Abwanderung junger Frauen in den neuen Bundesländern und stärker noch in Brandenburg als anderswo dazu geführt hat, dass manche Regionen dieses Landes buchstäblich vor dem Aussterben stehen. Zitat:

„Selbst Polarkreisregionen im Norden Schwedens oder Finnlands, die seit langem unter der Landflucht speziell von jungen Frauen leiden, reichten an die ostdeutschen Werte nicht heran.“

Die Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg gab kürzlich bekannt, dass derzeit 8 393 betrieblichen Ausbildungsplätzen 23 037 Bewerber gegenüberstanden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg sprach von einer - so wörtlich - „miserablen Situation auf dem Lehrstellenmarkt, da nur jeder vierte Jugendliche in Brandenburg einen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommt“.

Was Ihre Forderung nach Mindestlöhnen betrifft, so sage ich Ihnen ganz ernsthaft: Sie haben unseren Vorschlag gestern abgelehnt, weil Ihnen das Wohl der Bürger in Wirklichkeit egal ist.

(Beifall bei der DVU - Frau Kaiser [Die Linkspartei.PDS]: Unglaublich!)

Der Ministerpräsident spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [Die Linkspartei.PDS])

- Ich komme gleich zur Mutter- und Vaterschaft, Herr Vietze.

Ich habe in der Diskussion wahrnehmen können - und ich bin sehr froh darüber -, dass Koalitionsparteien und die ernst zu nehmende Oppositionsfraktion in diesem Landtag die Überzeugung teilen, dass wir eine lange Talwanderung hinter uns haben, aber dass es jetzt - über die Gründe werde ich gleich noch reden - bergauf geht. Ich glaube, das ist für alle Menschen in diesem Lande die entscheidende Nachricht, weil es mehr Perspektive, mehr Zukunftssicherheit gibt. Das ist die gute Nachricht des Jahres 2007 für alle Menschen in Brandenburg, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Verehrter Herr Lunacek, wenn es gut geht, wird sofort die Frage gestellt: Wer ist schuld? Wenn es schlecht geht, steht es fest das wissen wir -: Regen, Hagel oder Schnee, schuld ist immer die SPD! Aber wenn es gut geht, sagen Sie schon jetzt, wer da die Mutter des Erfolgs sein könnte. Wir alle sollten uns dabei nicht überheben. Angela Merkel ist eine kluge Frau, und sie wird sinngemäß zitiert, dass grundlegende politische Reformen zwei bis drei Jahre brauchen, um sich in der Gesellschaft entfalten zu können. - Wenn sie damit Recht hat - und sie hat ja nicht selten Recht -, müssten wir eher über eine Vaterschaft reden, und die hieße dann für diesen Aufschwung Gerhard Schröder.

(Beifall bei der SPD)

Aber wie gesagt, wir sollten uns dabei nicht verheben. Ich habe gestern bei der Jahresversammlung der Industrie- und Handelskammer gesagt und wiederhole es heute: Dass wir durch diese 15 oder 16 Jahre währende Durststrecke der Deindustrialisierung - Tunnelwanderung kann man fast sagen - und der ständig steigenden Arbeitslosigkeit gekommen sind, ist eine gemeinsame Leistung der Unternehmer und Arbeitnehmer in diesem Land, derer, die nicht aufgegeben haben, derer, die nicht abgewandert sind, sondern gesagt haben: Wir schaffen das in diesem Land.

(Beifall bei SPD, CDU und der Linkspartei.PDS)

Denen sollten wir den Erfolg zuschreiben, meine Damen und Herren. Unternehmer haben Mut, Durchhaltekraft und Ideenreichtum bewiesen, und Arbeitnehmer haben ein hohes Maß an Engagement und viel Kreativität bewiesen sowie erhebliche Lohnzurückhaltungen und -einbußen in Kauf genommen. Nur aus dieser Mischung wurde der Erfolg, den wir jetzt Stück für Stück einfahren können.

Ich sage mit allem Selbstbewusstsein für die Koalition und die Landesregierung: Die Neuorientierung und die harte Arbeit, die hier geleistet wurde, hat an diesem Erfolg auch ihren Anteil - in aller Bescheidenheit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Sehen wir uns die Entwicklung an: Unser verarbeitendes Gewerbe hat im Jahr 2006 über 10 % mehr umgesetzt als 2005, die Metallbranche hat ein Plus von 18 %, die Chemie- und Papierindustrie von 17 % zu verzeichnen. Das ist erstmals ein Fundament, auf dem sich wirklich aufbauen lässt. Das sind keine Strohfeuer, sondern es ist etwas ganz Solides entstanden.

Auch die aktuellen Umsatzzahlen stimmen sehr optimistisch. In den ersten drei Monaten dieses Jahres hat die Brandenburger Industrie fast 15 % mehr als im selben Zeitraum des umsatzstarken Jahres 2006 umgesetzt. Das heißt, die Entwicklung verstetigt sich und geht weiter.

Die jüngsten Wachstumsprognosen zeigen, dass die Geschäftslage - das hat auch gestern Abend die sehr gut besuchte Veranstaltung der IHK in Brandenburg an der Havel gezeigt - von den Firmen in allen Branchen auf breiter Basis als gut und befriedigend eingeschätzt wird. Wir hören aber trotzdem hin und wieder ein Stöhnen, aber es ist ein schöneres Stöhnen, als wir es früher gehört haben.

(Zuruf der Abgeordneten Große [Die Linkspartei.PDS])

- Das darf man ja auch einmal sagen; ein schönes Stöhnen gibt es ja auch, Frau Große.

(Heiterkeit)

Es geht um zum Teil zu volle Auftragsbücher, und manchmal kommt es vor - das erinnert ja fast schon wieder an DDR-Zeiten -, dass Innungen wegen zu vieler Aufträge Materialengpässe anmelden. Ich sage aber, mit diesen Umständen werden wir gern fertig werden.

Es gibt eine weitere Ursache, auf die alle bisherigen Redner

eingegangen sind, ich will es auch noch einmal sagen. Das Thema Fachkräftemangel, das wir in Brandenburg glücklicherweise schon vor zwei oder drei Jahren angegangen sind, holt uns schneller ein als wir dachten. Die demografische Entwicklung und gute Konjunktur wirken hier so zusammen, dass wir noch schneller werden müssen, um dieses Thema zu bewältigen. Deshalb sind die Übergangs- und Qualitätsprobleme in Kita, Schule und Hochschule und der Übergang in Beruf und Wissenschaft und dann die Ausgründung aus der Wissenschaft in Wertschöpfung hinein die Themen, die uns in den nächsten Jahren dringend begleiten müssen, wenn wir den Fachkräftemangel bewältigen wollen.

Andererseits kann man heute - anders als noch vor zehn Jahren mit gutem Gewissen jeder Schülerin und jedem Schüler sagen das konnten wir 1996 und 1997 nicht -: Wer sich heute auf den Hosenboden setzt, wer gut lernt, wer sich interessiert, wer etwas tut, hat in diesem Lande eine Perspektive und braucht dieses Land nicht zu verlassen. Das können wir mit Fug und Recht heute sagen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich bedanke mich auch aus diesem Parlament heraus bei den über 400 Unternehmen, die am Tag des offenen Unternehmens mitgewirkt haben. Es war ein wirklich großer Erfolg. Zehntausende sind in Betriebe gegangen und hatten nicht selten ich habe es an vielen Stellen erlebt, viele von Ihnen auch - den Aha-Effekt „Sieh, das Gute liegt so nah“. Manchmal wusste man gar nicht, dass es sozusagen um die Ecke Hightech-Betriebe, zukunftsfähige Betriebe, die Chancen und Perspektive bieten, gibt.

(Beifall des Abgeordneten Schulze [SPD])

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, einen Satz zum Export sagen. Auch dieses war ja eine Achillesferse unseres Landes, was viel mit der Umstrukturierung zu tun hatte. Wir haben immer gesagt, wir liegen in der Mitte Europas. Aber wir haben den Nährwert dessen noch nicht recht verspüren können. Das ändert sich jetzt Jahr für Jahr glücklicherweise in eine gute Richtung. Allein im vergangenen Jahr sind die Exporte unserer Unternehmen um über 30 % - das muss man sich einmal vorstellen, von einem Jahr zum anderen - gestiegen. Das heißt, jetzt wirkt sich aus, dass Brandenburg in der Mitte Europas liegt und die Unternehmen auf allermodernstem Stand sind, sonst könnten sie ihre Erzeugnisse angesichts des harten Konkurrenzkampfes nicht weltweit verkaufen.

Ich sage an dieser Stelle auch noch einmal, weil manche geneigt sind, einen Widerspruch zwischen Ulrich Junghanns und mir zu konstruieren: Wir beide sehen, dass eines der Hauptpotenziale für die weitere Entwicklung auch unserer Exportindustrie relativ nahe, nämlich in den sich entwickelnden jungen Tigerstaaten, liegt. Ungeachtet aller Probleme, die diese noch haben und die zum Teil gar nicht unnormal sind, werden Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien für uns eines der Hauptaktionsfelder der wirtschaftlichen Betätigung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten sein.

Meine Damen und Herren, zwei Drittel der Brandenburgerinnen und Brandenburger - das hatten wir seit 1990 noch nie meinen heute laut einer Umfrage von Infratest Dimap, dass sich unser Land in die richtige Richtung bewegt. Übrigens sagt

dies auch eine Mehrheit der PDS-geneigten Wählerschaft. Das zeugt auch davon, dass sich die Einschätzung in der gesamten Bevölkerung ausgebreitet hat. 76 % der Brandenburgerinnen und Brandenburger sagen: Wir haben Probleme, aber werden sie gemeinsam bewältigen. Das ist genau der Geist, den wir gemeint haben, als wir das Prinzip der Erneuerung aus eigener Kraft aus der Taufe gehoben haben. Diese Erneuerung aus eigener Kraft beginnt jetzt zu greifen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich will an dieser Stelle dem Wirtschaftsminister ein ausdrückliches Dankeschön sagen. Wir haben vor anderthalb Jahren in diesem Parlament um die Neuausrichtung der Förderpolitik, um 15 Wachstumskerne, 16 Zukunftsbranchen heftig gestritten. Das wurde von vielen - das haben wir gehört - skeptisch betrachtet. Ulrich Junghanns hat das umgesetzt, wir haben es gemeinsam getragen. Es zeitigt heute Erfolge. Ich denke, wir sind genau auf dem richtigen, dem einzigen Weg, der bei weniger werdenden Mitteln noch Zukunft verspricht. Diese Mittel breiter zu streuen hieße keine Effekte zu erzielen. Wir wollen jedoch Effekte erzielen. Deshalb werden wir uns auf diesem Weg weiterbewegen, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, hat „Prognos“ vor wenigen Wochen deutlich gemacht. Brandenburg gehört mit Sachsen zu den zwei ostdeutschen Regionen, die in den nächsten zehn Jahren die besten Zukunftsaussichten haben.