Protocol of the Session on November 25, 2004

Im Jahre 2002 wurde auf der Grundlage des § 97 Abs. 6 und des § 127 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eine Vergabeverordnung erlassen, durch die die Vorgaben des EU-Rechts umgesetzt worden sind. In dem genannten Gesetz ist ganz klar definiert, was ein öffentlicher Auftraggeber ist, und zwar unter Einbeziehung der Definition der Gebietskörperschaften und der funktionalen Auftraggeber, namentlich der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen sowie Verbände. Das können Sie in § 98 des Gesetzes nachlesen.

Das Kriterium der Wirtschaftlichkeit des Angebots ist schon längst Vergabekriterium, wobei dies eben nicht nur das billigste Angebot ist, wie Sie uns hier glauben machen wollen. Ihr sozialistischer Ansatz, nach dem eine Wirtschaftlichkeit rechtssicher beurteilbar sein soll - ich denke, darüber brauchen wir hier kein Wort zu verlieren -, ist schlichtweg der gleiche Unfug wie die von der PDS ständig geforderten Prognosen zur Wirtschaftlichkeit von Verkehrsprojekten.

(Beifall bei der DVU)

Wie soll denn solche Rechtssicherheit bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Angebots vorher eigentlich aussehen? Meinen Sie damit, dass bei notwendigen Nachträgen im Zuge der Auftragsausführung ein Angebotszuschlag rückwirkend rechtswidrig werden soll? Was soll dann die Konsequenz aus einer solchen rechtlichen Beurteilung sein?

Unabhängig von den humoristischen Bestandteilen Ihres Antrags möchte ich dennoch etwas zum wahren Kern Ihres Antragsbegehrens sagen. Entgegen Ihren Bemühungen bzw. Hinweisen, Sie würden mit Ihrem Antrag die Förderung des Mittelstands im Land Brandenburg unterstützen, machen Sie genau das Gegenteil, wenn man die Punkte 3 bis 5 Ihres Antrags genauer betrachtet. Damit wird die Sache schon ernster.

Bei richtiger Interpretation sollen hiermit gerade Unternehmer in ihrer ökonomischen Freiheit beschnitten werden. Ich nenne hier als Beispiele die starre Einhaltung von Tarifen und die geschlechtsspezifische Personalstruktur im Unternehmen.

Zusätzlich wollen Sie auch noch eine Einflussnahme der öffentlichen Auftraggeber auf das Verhältnis der auftragsausführenden Unternehmen zu Nachunternehmern über die Hintertür des Vergaberechts erreichen. Haben Sie schon einmal etwas vom Grundsatz der Privatautonomie gehört?

Ihr Antrag geht sowohl sachlich wie auch rechtlich an den tatsächlichen Schwächen des Vergaberegimes vorbei. Die tatsächlichen Schwächen des Vergaberechts liegen gerade bundesrechtlich in der Benachteiligung der Bieter zum Beispiel im Bereich der Informationspflicht des öffentlichen Auftraggebers nach § 13 VGV, wodurch nach wie vor der Rechtsschutz für Bieter im laufenden Vergabeverfahren aufgrund der geringen Anforderungen an die Vorabinformation wettbewerbswidrig eingeschränkt ist. Gerade dazu zum Beispiel melden die Handwerksbetriebe Nachbesserungsbedarf an, nicht aber, wie von Ihnen gefordert, bei der Förderung von Frauen in den Bieterunternehmen oder beim staatlichen Dirigismus im Verhältnis des Bieterunternehmens zum Nachunternehmer. Die mittelständischen Unternehmen wollen schon gar nicht, dass sich der öffentliche Auftraggeber über das Vergaberecht in die Kostenstruktur der Bieterunternehmen über die Hintertür eines Vergabekriteriums der Tariftreue einmischt. Wenn das Bundesrecht

schon bieterunfreundliche Unschärfen enthält, dann müssen wir dies auf Landesebene nicht noch verschärfen.

(Beifall bei der DVU)

Mit Ihrem Antrag verwirren Sie nur Investoren in Brandenburg. Aber wahrscheinlich wollen Sie das. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Müller von der SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über kein anderes Thema im Bereich Wirtschaft diskutieren wir schon so lange wie über das Vergabegesetz. Das hat mehrere Gründe. So sind viele Zielsetzungen, die mit einem möglichen Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge zusammenhängen, durchaus sinnvoll und berechtigt. Entsprechende Forderungen werden von unterschiedlichen Partnern - sowohl von Unternehmen als auch von Auftragsvergabestellen - immer wieder gestellt. Insofern gibt es gute Gründe, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen.

Es ist erstaunlich, dass viele Beteiligte dafür sind, ein Vergabegesetz auf den Weg zu bringen; dennoch kommt keines zustande. Woran liegt das? Wenn man hinterfragt, was diejenigen, die ein Vergabegesetz fordern, darunter verstehen, bekommt man sehr unterschiedliche Antworten. Die jeweiligen Motivationen bzw. Zielrichtungen sind nicht identisch, was bisher eine Einigung verhindert hat.

Wir haben Anfang dieses Jahres erneut den Versuch unternommen, eine Einigung zu erzielen. Den von uns erarbeiteten Gesetzentwurf haben wir zur intensiven Diskussion gestellt - daran waren alle Partner, die gebraucht werden, beteiligt -, um eine funktionierende Lösung zu finden. Wir mussten feststellen: Ein gemeinsamer Nenner war nicht zu erzielen. Unterschiedliche Auffassungen blieben bestehen. Insbesondere die kommunalen Spitzenverbände sprachen sich massiv gegen eine solche Regelung aus. Aus meiner Sicht hat eine gesetzliche Regelung, die in der Lebenswirklichkeit nicht vernünftig umgesetzt werden kann, weil es gute Gründe gibt, die dagegen sprechen, keinen Sinn. Man sollte keine Entscheidung treffen, die am Schluss das Gegenteil des ursprünglich Geplanten bewirkt.

Wir streben eine Verbesserung der öffentlichen Auftragsvergabe an. Eine größere Zahl unserer Unternehmen muss eine reale Chance bekommen, öffentliche Aufträge zu erhalten. Wenn das Ergebnis eines Vergabegesetzes aber nur mehr Bürokratie ist, dann haben wir uns ins Knie geschossen. Das sollten wir nicht tun.

Deswegen sollten wir nach Alternativen suchen; die SPD-Fraktion prüft derzeit einige. Auch der Koalitionsvertrag geht auf das Problem ein, wenn auf eine Überprüfung des Mittelstandsfördergesetzes verwiesen wird. Das Mittelstandsfördergesetz ist etwas in Vergessenheit geraten. Dahinter steckte sehr viel politischer Wille; das sehe auch ich so. Wenn hinterfragt wird,

inwieweit die entsprechenden gesetzlichen Formulierungen greifbar bzw. umsetzbar sind, stößt man rasch an Grenzen. Aber das muss nicht so sein.

Richtig ist: Im Rahmen der Überarbeitung des Gesetzes müssen auch strukturelle Veränderungen erfolgen. Bestimmte Zielsetzungen, die wir bisher immer mit dem Vergabegesetz verbunden haben, können in ein überarbeitetes Mittelstandsfördergesetz eingefügt werden.

Worum geht es uns? Wir wollen vor allem Preisdumping verhindern. Letzteres ist für unsere Unternehmen ein Riesenproblem. Transparenz muss hergestellt werden. Ferner muss die Frage beantwortet werden: Wie wird kontrolliert, dass die Auftragsvergabe unterhalb der EU-Schwellenwerte rechtlich korrekt abgelaufen ist?

Wir müssen zudem erreichen, dass sich unsere Unternehmen und Vergabestellen gemeinsam weiterentwickeln. Oftmals handelt es sich im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe um ein Qualitätsproblem, und zwar von beiden Seiten. Hier kann durch Weiterbildung, durch Weiterentwicklung eine ganze Menge erreicht werden.

Wir halten es für notwendig, über das Thema weiterhin miteinander zu diskutieren, glauben aber derzeit nicht, dass ein Vergabegesetz der richtige Ansatz ist. Im Zusammenhang mit der Überprüfung des Mittelstandsfördergesetzes des Landes Brandenburg werden wir noch vor der Sommerpause 2005 erneut Anlauf nehmen, um die vernünftigen und einvernehmlich formulierten Zielsetzungen hinsichtlich der Vergabe öffentlicher Aufträge in das Mittelstandsfördergesetz einzubauen und damit der Umsetzung näher zu bringen. Die Chancen dafür stehen gut. Die Umsetzung der zugrunde liegenden Zielsetzungen gelingt mit dem von uns vorgeschlagenen Weg vielleicht sogar wesentlich besser als mit einem brandenburgischen Vergabegesetz. Lassen Sie uns das gemeinsam versuchen!

Die genannten Argumente haben zur Folge, dass wir den Antrag der PDS-Fraktion ablehnen. Wenn überhaupt, dann geht es um ein anderes Gesetz. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Danke sehr. Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Junghanns, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion über die vergaberechtlichen Regelungen geht weiter; das ist gut so. Zur Richtigkeit der Darstellung der Entwicklung bis zum heutigen Tag gehört die Feststellung, dass wir uns schon im Frühjahr dieses Jahres, das heißt kurz vor der Wahl, sehr weit bewegt hatten. Die Diskussion mit den vorhin genannten Verbänden konnte aber nicht zu einem Ergebnis geführt werden. Unser Vorschlag ist nicht generell abschlägig beschieden worden; es gibt durchaus einen Diskussionsansatz mit den Verbänden, die insoweit ein Interesse haben.

Ich möchte vergaberechtliche Regelungen. Daraus mache ich keinen Hehl. Ich teile insbesondere die Auffassung, dass es

beim Umgang mit öffentlichem Geld um das Spannungsfeld von vergaberechtlichen Regelungen und haushaltswirtschaftlichen Gesichtspunkten geht.

Herr Christoffers, auch wir kritisieren die Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union in der gegenwärtigen Fassung; darin sind wir uns einig. Dies aber als Begründung anzuführen, um ein Stück weit Protektionismus zu fördern, halte ich für höchst gefährlich. Damit rufen Sie Leute auf den Plan, die fragen: Was machen die Deutschen gerade wieder? Beginnen die wieder damit, uns mit unseren Interessenlagen auszugrenzen? Das ist eine gefährliche Debatte. Herr Christoffers, Ihr Ansatz ist für mich kein Argument, wenn es um vergaberechtliche Regelungen geht. Er wird von uns prinzipiell abgelehnt.

Wenn es darum geht, aufzunehmen, was wir vor und nach der Wahl diskutiert haben - das bündelt sich mit Ihrem heutigen Antrag -, möchte ich insbesondere Herrn Hammer ansprechen. Wir haben mehrere Male gemeinsam auf dem Podium gesessen und über das Vergabegesetz diskutiert. Den Unterschied zwischen uns möchte ich wie folgt klarmachen: Herr Hammer hat angeregt, einen regionalen Fonds für alle Kinder- und Schuleinrichtungen aufzulegen. Die Vergabe der Fondsmittel sollte mit Ausbildungsbereitschaft, Einhaltung der Frauenquote usw. konditioniert sein, das heißt, unter diesen Gesichtspunkten sollte die Vergabe organisiert werden.

Wie damals sage ich auch heute mit aller Klarheit: Eine solche vergaberechtliche Regelung kann es nicht geben. Sie ginge am Leben der Wirtschaft, insbesondere der Bauwirtschaft, in Brandenburg vorbei.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Ich halte es für vernünftig, das Minimalste zu regeln. Im Mittelpunkt steht das Preisdumping.

Im Antrag der PDS-Fraktion gibt es einen zweiten Punkt, den ich ablehne: die Verknüpfung mit dem Berliner Verfahren. Ich bin für alles, was wir irgendwie mit Berlin harmonisieren können. Das Berliner Gesetz wird aber wegen der in ihm enthaltenen Tariftreueregelung gegenwärtig auf seine Vereinbarkeit mit Bundesrecht geprüft. Ich möchte uns nicht die Abhängigkeit von einer solchen gesetzlichen Regelung auferlegen. Möglichkeiten der Harmonisierung sind dennoch gegeben.

Ich greife das Wort von Herrn Müller auf und empfehle Ihnen, den Weg über das Mittelstandsfördergesetz zu nehmen. Herr Christoffers, dabei sind zwei Gesichtspunkte zu beachten; nicht § 5 allein, sondern auch der dazugehörige § 10 spielt eine Rolle. Letzterer dient eventuell als Ermächtigungsgrundlage.

Der von uns vorgeschlagene Weg hat nicht die Qualität eines Gesetzes, bietet aber den Vorteil, dass kein neues Gesetz entsteht. Es handelt sich um eine Abwägung, die wir gemeinsam vornehmen wollen. Ich möchte von dieser Stelle aus klarstellen: Die Koalition arbeitet zielstrebig an diesen vergaberechtlichen Regelungen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine vernünftige, einfache Regelung finden werden, jedenfalls eine bessere als die von Ihnen vorgeschlagene Konditionierungsregelung. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Christoffers von der PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens: Unterschiedliche Interessenlagen bei der Entscheidung über ein Gesetzeswerk sind etwas Normales. Logischerweise gibt es die Befürchtung, damit könne neue Bürokratie entstehen.

Ich halte Ihnen entgegen: Sachsen hat ein entsprechendes Gesetz. Dort beklagen sich weder die Kommunen noch die Wirtschaftsverbände über zusätzliche Bürokratie; das Gesetz hat Sachsen nicht geschadet. Sachsen-Anhalt hat ein entsprechendes Gesetz. Auch dort ist die wirtschaftliche Entwicklung durch das Gesetz nicht beeinträchtigt worden.

Ich darf aus der Stellungnahme der Handwerkskammern Niedersachsens zur gegenwärtigen Diskussion über ein niedersächsisches Vergabegesetz zitieren. Darin heißt es:

„Wenn wir deshalb die Forderung nach Tariftreue unterstützen, dann in der Erwartung, überhaupt erst einmal faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Das entspricht auch unserer Definition von sozialer Marktwirtschaft.“

Meine Damen und Herren! Genau darum geht es. Wir reden sehr viel von Mittelstandsförderung. Aber die Marktchancen unserer Unternehmen sind schlecht. Wegen der Eigenkapitalsituation und vieler anderer Faktoren, über die hier bereits intensiv diskutiert worden ist, haben wir keine fairen Wettbewerbsbedingungen. Wenn wir schon einmal die Möglichkeit haben, ein Instrument zu schaffen, das faire Marktteilnehmerchancen eröffnet, sollten wir sie auch nutzen.

Zweitens: Herr Minister, die Interessenlagen, die sich in dem Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie zeigen und die auch der Bundesrat öffentlich kritisiert hat, sind schon lange da. Das wissen Sie. Ich habe den Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie erwähnt, um die Dringlichkeit des Handelns deutlich zu machen. Denn noch haben wir die Möglichkeit, auf Länderebene eine Entscheidung herbeizuführen. Ich glaube schlicht und ergreifend, dass das richtig ist.

Drittens: Herr Minister, Sie wiesen darauf hin, § 10 des Mittelstandsfördergesetzes würde Sie ermächtigen, eine Richtlinie zu erlassen. Herr Minister, Sie wissen ganz genau, dass die Erfolge, die andere Länder mit einem Vergabegesetz haben, genau deswegen eingetreten sind, weil es dort eine gesetzlich klare Struktur gibt. Eine Richtlinie ersetzt in der Rechtssicherheit nicht das Gesetz. Insofern halte ich hier ein Andocken an § 10 für nicht richtig.

Wenn das allerdings Ihre Intention ist, dann verstehe ich nicht, warum Sie den Antrag nicht an den Ausschuss überweisen wollen. Wir haben den Antrag ja gerade deswegen eingebracht, weil wir uns mit Ihnen verständigen wollen. Mir ist doch klar, dass die Festschreibung so genannter vergabefremder Kriterien nicht nur auf Begeisterung stößt.

Aber ich sage auch Folgendes: Wir haben erstens in unserem Antrag eine Reihe von Kriterien definiert, über die wir reden

wollen. Ich glaube, alle hier im Hause - zumindest habe ich die Veranstaltung heute Mittag vor dem Landtag so verstanden - haben ein Interesse daran zu prüfen, inwieweit Gleichberechtigung von Frauen auch durchgesetzt werden kann. Wenn es nicht möglich ist, dazu in einem Gesetzentwurf eine Regelung zu finden, dann werden wir uns einigen, dass wir es nicht aufnehmen können. Aber zumindest reden sollten wir darüber.

Ich glaube, kein Unternehmen sollte dafür bestraft werden, dass es tariftreu ist, und kein Unternehmen sollte dafür bestraft werden, dass es den gesetzlichen Mindestlohn zahlt, und kein Unternehmen sollte dafür bestraft werden, dass es die Ortsüblichkeit bei den Tarifen einhält. - Genau das steht in dem Antrag.

Ich bin der Überzeugung, wenn wir den Experten in den Fraktionen tatsächlich freie Hand ließen - ich sagte das vorhin schon -, könnten wir uns innerhalb von 14 Tagen oder drei Wochen tatsächlich auf einen Gesetzentwurf einigen.