Protocol of the Session on June 6, 2007

rung eines bundesweiten Mindestlohns an den Vorgaben der Europäischen Sozialcharta mit 8,80 Euro Mindeststundenentgelt, für Übergangsfristen für kleine und mittelständische Unternehmen von bis zu fünf Jahren bis zur Einführung des Mindestlohns, für staatliche Lohnkostenzuschüsse für kleine und mittlere Unternehmen, die die Höhe des Mindestlohns ökonomisch noch nicht tragen können, bis zur Erreichung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen durch die konsequente Kopplung des Mindestlohns mit einem staatlich bezuschussten Kombilohnmodell, für die Garantie der Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit des Mindestlohns und für die konsequente Anwendung aller erforderlichen legislativen, exekutiven und judikativen Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Ahndung des Verstoßes gegen die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns insbesondere gegenüber ausländischer Dumpinglohnkonkurrenz.

Dazu sind neben Übergangsfristen insbesondere befristete staatliche Lohnkostenregelungen in Form von Kombilohnmodellen in den mittleren und Niedriglohnbereichen parallel zur Einführung von Mindestlöhnen zu schaffen, wie es zum Beispiel in Frankreich der Fall ist. Die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der Mindestlöhne muss staatlich garantiert werden. Ich habe das bereits erwähnt, möchte es nur noch einmal unterstreichen.

Die Einführung eines branchenübergreifenden Mindestlohns in Deutschland ist also nur im Paket, so, wie wir es hier vorgeschlagen haben, möglich. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der DVU)

Wir setzen mit dem Beitrag der Koalitionsfraktionen fort. Es spricht die Abgeordnete Lehmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ach ja, es ist schon so. Frau Hesselbarth hat uns ja in der letzten Landtagssitzung auf den Antrag der DVU-Fraktion vorbereitet, und es war ganz klar, dass dieser Antrag kommen musste. Die NPD im Sächsischen Landtag hat ja ebenfalls einen solchen Antrag vorgelegt und, wie man der Presse entnehmen konnte, auch heftig und heiß darüber diskutiert.

Sie haben leider verabsäumt, zu sagen, obwohl Sie Ihren Antrag, Frau Hesselbarth, ja abgelesen haben, dass Sie einen Mindestlohn von 8,80 Euro vorschlagen.

(Frau Hesselbarth [DVU]: Das habe ich gesagt!)

Wenn man Ihren Antrag liest, dann spürt man so richtig, welche Freude Sie an diesem Betrag von 8,80 Euro haben, einer Zahl, die für Sie natürlich auch ein wichtiges Symbol ist. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie in Ihrem Antrag die 8,80 Euro fachlich und inhaltlich ordentlich und vernünftig begründet hätten; denn man kann das in der Tat begründen.

Was den Mindeslohn betrifft, gibt es mehrere Orientierungsdaten, die man zugrunde legen kann. Das ist zum einen die Pfändungsfreigrenze für Erwerbstätige, das kann zum anderen auch

die Grundsicherung sein - meines Erachtens wäre das nicht das beste Modell -, es kann die Europäische Sozialcharta sein - diese haben Sie leider bemüht -, aber es kann auch die Grenze zur Lohnarmut sein. Alle vier Säulen sind gesondert zu betrachten. Sie bringen hier die Europäische Sozialcharta ein Stück weit auch mit der Lohnarmut durcheinander. Sie beziehen sich bei Ihren 8,80 Euro auf die Sozialcharta, aber ein Stück weit orientieren Sie sich dabei auch an der Lohnarmut. Das hätten Sie, meine ich, doch besser herausarbeiten sollen, wenn es Ihnen um den Mindestlohn genau in dieser Höhe geht.

Die Sozialcharta hat eine Mindestlohnklausel formuliert. Ich möchte sie nicht weiter benennen und inhaltlich nicht darauf eingehen; es wäre einfach schade um die Zeit. Für Deutschland bedeutet dies derzeit 1 420 Euro im Monat. Dies wiederum umgerechnet sind 8,45 Euro pro Stunde. Wenn Sie sich also auf die Sozialcharta beziehen, wären es 8,48 Euro. Zieht man in der Tat die Lohnarmut heran, sind es derzeit, ausgehend vom Lohnniveau in Deutschland, 1 470 Euro. Dann kommen wir in der Tat auf 8,80 Euro. Aber das wird von Fachleuten, Wissenschaftlern und Experten lediglich als Fakt beschrieben, nicht mehr und nicht weniger.

Die 8,80 Euro - sage ich Ihnen klar und deutlich - sind für Sie ein wichtiges Symbol. Diesen Aha-Effekt werden wir in diesem Hause nicht dulden; diesen blauen Dunst werden wir heute aus den offenen Fenstern hinauspusten.

Was ich an Ihrem Antrag ebenfalls sehr „beeindruckend” finde, ist, dass Sie Lohndumping den ausländischen Unternehmen und den ausländischen Arbeitnehmern zuschreiben und meinen, diese seien daran schuld, dass es Lohndumping in Deutschland gibt. Damit kommen Sie dem Antrag der NPD in Sachsen sehr nahe; er ist damit fast deckungsgleich; man glaubt es kaum! Die NPD in Sachsen hat von einem „nationalen Mindestlohn“ gesprochen. In der Debatte ist dann deutlich geworden, was man damit meint: deutscher Mindestlohn für Deutsche. Das wurde in Ihrer Begründung und Ihrer Argumentation ebenfalls sehr deutlich.

Dieser Antrag ist mit aller Entschiedenheit und aller Konsequenz abzulehnen. Ich sage Ihnen aber auch ganz deutlich, und ich meine, da sind wir uns mit der Linkspartei.PDS, mit den Kollegen meiner eigenen Fraktion und natürlich auch mit der CDU sehr einig: Das Thema Mindestlohn - andere sprechen auch von Kombilohn - wird auch weiterhin eine wichtige Frage für uns alle sein. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD, CDU und der Linkspartei.PDS)

Der Abgeordnete Görke spricht für die Fraktion der Linkspartei.PDS.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin Lehmann, unsere Fraktion fühlt sich bei Ihren Äußerungen gut aufgehoben.

Gestatten Sie mir noch drei Anmerkungen zur DVU. Wir als Linkspartei empfinden Ihren Antrag als Zumutung. Er ist eine Art Trittbrettfahrerei oder der Versuch, braune Ideologie mit

sozialem Anstrich hier in Brandenburg zu versehen; die Anleihe bei der NPD in Sachsen ist deutlich geworden.

Ihr Bezug auf 8,80 Euro, Frau Hesselbarth, ist wirklich hanebüchen; jeder weiß, dass die Zahl 88 bei Ihnen als Symbol äußerst beliebt ist. Das ist einfach widerlich und verrät Ihre rechte Ideologie, die in diesem Haus nichts zu suchen hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und SPD)

Da die Landesregierung verzichtet, erhält noch einmal die DVU-Fraktion das Wort. Frau Hesselbarth, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Mittelstand braucht mehr Schutz vor Billiglöhnen. Da können Sie alle hundertmal das Gegenteil behaupten. Sie, Frau Lehmann von der SPD und Herr Görke von den Neokommunisten, können Ihre pseudomarxistische Propaganda ebenfalls hundertmal hier herunterspulen

(Beifall bei der DVU)

und betonen, dass gerade Ihre Parteien es sind, die sich für die Einführung von Mindestlöhnen einsetzen. Bei der SPD ist es in Wirklichkeit eine Mogelpackung, um bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Stimmenfang zu gehen. In der großen Koalition in Berlin hat man sich unter der Hand unter Federführung von Herrn Müntefering in Wirklichkeit längst darauf geeinigt, Mindestlöhne nur indirekt einzuführen, das heißt Löhne, die 20 bis 30 % unterhalb der tariflichen oder ortsüblichen Löhne liegen, für sittenwidrig zu erklären. Nach Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung wären danach aber in einer Reihe von Branchen Löhne im Bereich zwischen 2 und 5 Euro pro Stunde noch lange nicht sittenwidrig.

Auf die Stimmenfangstrategie der Linkspartei.PDS möchte ich überhaupt nicht näher eingehen.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Na Gott sei Dank!)

Denn Ihnen ist jedes Mittel, aber auch wirklich jedes Mittel recht, um die von Ihnen gewünschte „DDR light“ wieder zu erreichen.

(Beifall bei der DVU)

Während in Deutschland also Hungerlöhne von weit unter 2 Euro pro Stunde Schlagzeilen machten, kletterte über den Jahreswechsel der Mindestlohn in den meisten westeuropäischen Nachbarländern auf über 8 Euro pro Stunde. In Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Frankreich und Irland liegt dieser teilweise deutlich über 8 Euro, in Luxemburg sogar bei 9,08 Euro pro Stunde. All die genannten Länder weisen deutlich niedrigere Arbeitslosenquoten als Deutschland auf. Wird es also wirklich zu einer Abwanderungswelle von deutschen Unternehmen in Billiglohnländer kommen, wenn in Deutschland Mindestlöhne eingeführt werden? Ich behaupte nein. Denn während die multinationalen Konzerne bereits heute in Deutschland nur

mehr in geringem Maße produzieren, und zwar mit oder ohne Mindestlohn, sieht die Situation beim Mittelstand - und dies ist die große Masse der Unternehmen in Brandenburg, über 98 % - völlig anders aus. Es ist gerade der Mittelstand, der unter den für deutsche Verhältnisse unmöglichen Löhnen zu leiden hat. So mancher Handwerksmeister wird wohl schon aufgegeben haben, Angebote abzugeben, weil er von Billiganbietern immer wieder aus dem Rennen geworfen wurde. Gerade diese kleinen und mittelständischen Unternehmen werden durch Mindestlöhne vor Mitbewerbern geschützt, die das Lohngefälle zu ihren Gunsten ausnutzen und Angebote abliefern, die bei normalen Verhältnissen nicht verantwortet werden könnten.

Der Schutz durch Mindestlöhne könnte die Stimmung im Mittelstand verbessern, was langfristig zu einem Absinken der Arbeitslosenzahlen führen wird. Der deutsche Mittelstand benötigt zur Ankurbelung der Binnennachfrage das Vertrauen der Verbraucher. Erst wenn dieses Vertrauen wieder vorhanden ist, wird er sein Geld wieder ausgeben und nicht aus Angst auf der Bank horten. Die Einführung von Mindestlöhnen könnte auch hier ein wichtiges Signal setzen. Dazu kommt, dass dann die Chancen für die Erlangung von Aufträgen für die mittelständischen Unternehmen wieder steigen. Steigende Aufträge führen zu höheren Umsätzen, die sich wiederum in neuen Arbeitsplätzen niederschlagen.

Das sieht im Übrigen auch der Vorsitzende des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereinigerhandwerks, Johannes Bungart, so, der die Einführung des Mindestlohnes auf tariflicher Basis in der Gebäudereinigerbranche und für Deutschland einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn fordert. Herr Bungart führte als Vorteile des Mindestlohnes in seiner Branche unter anderem an, dass es auch für die mittelständischen Unternehmen wichtig sei, dass deren Mitarbeiter von ihren Löhnen auch ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Denn wenn dies nicht der Fall sei, so würden diese einerseits auf Zweit- und Drittarbeitsverhältnisse ausweichen, was die Arbeitsqualität schmälere und zum anderen zu noch mehr Schwarzarbeit führe. Und schließlich: Mindestlöhne seien geradezu zwingend nötig, um dem für die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso wie für die mittelständischen Unternehmen ruinösen Konkurrenzdruck und dem Lohndumping aufgrund der EUOsterweiterung einen Riegel vorzuschieben.

Wer also, meine Damen und Herren, wie unser Ministerpräsident durch Vorziehen der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf 2009 noch mehr polnische Lohndrücker in Brandenburg haben will, der sollte dann, bitte schön, auch sagen, wie er die mittelständische Wirtschaft und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier in Brandenburg vor den Folgen schützen will.

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Rednerliste zu diesem Tagesordnungspunkt erschöpft.

Die DVU-Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte alle Abgeordneten, ihre Plätze einzunehmen. Die Schriftführer bitte ich, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung)

Hatte jemand keine Gelegenheit, seine Stimme abzugeben?

(Die Abgeordneten Bischoff [SPD], Frau Böhnisch [Die Linkspartei.PDS] sowie Junghanns [CDU] geben ihr Vo- tum ab.)

Hatten weitere Abgeordnete keine Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? - Das ist nicht der Fall.

Ich bitte um Geduld für die Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: Für den Antrag in der Drucksache 4/4508 haben sechs Abgeordnete gestimmt, dagegen 62. Er ist damit deutlich abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 3608)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erhaltungskonzept für Landesstraßen und Landesstraßenbrücken

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/4632

Frau Abgeordnete Tack eröffnet für die Fraktion der Linkspartei.PDS die Debatte.