Protocol of the Session on April 26, 2007

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass Sie diesen Antrag ablehnen, war mir fast klar. Offensichtlich ist Ihnen wieder einmal Parteipolitik wichtiger als eine Bestrafung schwerwiegender Straftaten mit tat- und schuldangemessenen Sanktionen. Herr Sarrach, wenn Sie der Meinung sind, wir könnten nicht tanzen, dann entgegne ich Ihnen, dass

wir sehr wohl tanzen können. Wir tanzen Walzer und Polka, aber wir sind dagegen, ständig Kasatschok zu tanzen.

(Beifall bei der DVU - Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Ihnen ist es ganz egal, Herr Sarrach, ob bei den Bürgern der Eindruck entsteht „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“ und welche Auswirkungen dies letztlich auf die Akzeptanz strafrechtlicher Normen in der Bevölkerung hat. Sie haben Recht, Herr Sarrach, dass ich dabei besonders an Peter Hartz denke. Aus unserer Sicht ist es für den Rechtsstaat unter dem Gebot objektiver Gerechtigkeit unverzichtbar, dass strafrechtlich relevante Vorgehensweisen mit vergleichbarem Unrechtsgehalt und vergleichbarer krimineller Energie auch mit vergleichbaren Sanktionen belegt werden. Anders lässt sich das Strafrecht mit seinem Geltungsanspruch als allgemein gültiges Normensystem mit Ge- und Verboten letztlich nicht dauerhaft durchsetzen. Das ist der kriminalpolitische Hintergrund und das rechtspolitische Vorverständnis auch für unseren Antrag.

Es geht, wie schon gesagt, bei dem Normenkomplex der §§ 246 - Unterschlagung -, 266 - Untreue - und 263 - Betrug darum, zu einer Angleichung der strafrechtlichen Folgen zu kommen. Hierfür besteht ein konkretes kriminal- und rechtspolitisches Bedürfnis, welches auch für den juristischen Laien erkennbar ist. Es kann aus Gründen der Gerechtigkeit nicht sein, dass etwa Mehrfach-Schwarzfahrer wegen Betruges eingesperrt werden, während Täter, die womöglich bandenmäßig und fortgesetzt Millionenschäden verursachen, bei Anwendung des Untreueparagraphen oder des Unterschlagungsparagraphen laufengelassen werden. Bei den letztgenannten Fällen geht es nämlich vielfach um Erscheinungsformen der sogenannten Wirtschaftskriminalität und Korruption. Strafrechtlich tat- und schuldangemessene Reaktionen darauf sind aber nach dem gegenwärtigen Recht nur möglich, wenn der Tatbestand des Betruges gemäß § 263 StGB erfüllt wird.

Erstens ist der Versuch strafbar - Absatz 2.

Zweitens lösen fortgesetztes gewerbs- oder bandenmäßiges Handeln, große Vermögensschäden, wirtschaftliche Not einer anderen Person oder der Missbrauch einer Amtsträgerstellung den Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren aus. Hier hat zum Beispiel der Bundesgesetzgeber auf die Entwicklung der Wirtschaftskriminalität angemessen reagiert. Eine entsprechende Anpassung bei den §§ 246 und 266 ist aber nicht erfolgt.

Unser Antrag zielt darauf ab, diese Missstände im Interesse unseres Landes zu beheben. Die Bundesratsinitiative ist für uns alle der einzige Weg, dieses zu erreichen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deshalb bitte ich Sie nochmals: Hören Sie nicht auf das, was von der Linkspartei gekommen ist, sondern gehen Sie in sich, denken nach und sagen: Ja, diesem Antrag können wir, ja, müssen wir sogar zustimmen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Da die Aussprache beendet ist, kommen wir zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in Drucksache 4/4340 (Neudruck) - Änderung StGB - an den

Rechtsausschuss. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diese Überweisung? - Wer enthält sich der Stimme? - Mehrheitlich ist gegen diese Überweisung gestimmt worden.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 4/4340 (Neudruck) in der Sache. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Mit Mehrheit ist dieser Antrag abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Bundesratsinitiative zur Änderung der Strafprozessordnung (StPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7.April 1987 (BGBl. I S. 174, ber. S. 1319), zuletzt geändert durch Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreform- gesetz) vom 24.06.2004 (BGBl. I S. 1354) - StPO

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/4341

Die Aussprache wird erneut mit dem Beitrag des Abgeordneten Schuldt eröffnet. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Justiz kann nur dann funktionieren, wenn sie von unnötigen Formalien befreit wird. In Zeiten knapper Haushaltskassen sind Überlegungen zur Entlastung der chronisch überlasteten Justiz an der Tagesordnung. Justizentlastungs- und Modernisierungsgesetze werden in Deutschland teilweise heftig diskutiert und kritisiert. Dabei sind es oft kleine Änderungen, welche zu spürbaren und gleichzeitig rechtsstaatlich vertretbaren Entlastungen führen können.

Anders aber das Erste Justizmodernisierungsgesetz. Hier greifen gutgemeinte Forderungen zu kurz; denn etwa 60 % der beim Strafrichter zur Entscheidung anstehenden Fälle stellen Strafbefehlsanträge der Staatsanwaltschaft dar, und etwa 30 % der Angeschuldigten legen gegen einen Strafbefehl Einspruch ein, sodass es zu einer mündlichen Verhandlung kommt.

Nach § 411 Abs. 1 Satz 3 der Strafprozessordnung hat der Strafrichter jetzt die Möglichkeit, bei Beschränkung des Einspruchs auf die Höhe der Tagessätze mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten ohne Hauptverhandlung durch Beschluss zu entscheiden. Dahinter steht, dass dem ermittelnden Staatsanwalt bei Beantragung des Strafbefehls die persönliche und wirtschaftliche Situation des damals Beschuldigten oftmals nicht bekannt waren.

In solchen Fällen war früher die Durchführung einer Hauptverhandlung zwingend notwendig, in deren Rahmen lediglich kurz die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten zu erörtern waren - ein Verfahren, das sehr zeitaufwendig war und unnötige Verfahrenskosten produziert hat. Jetzt besteht die Möglichkeit, dieses durch eine Vorlage entsprechender Unterlagen elegant abzukürzen, und zwar dann, wenn sich die Verfahrens

beteiligten über die Herabsetzung der Tagessatzhöhe geeinigt haben.

Die Mehrzahl der Richter, Staatsanwälte und Verteidiger ist inzwischen der Ansicht, dass dieses Verfahren gleichermaßen auf die Dauer des Entzugs der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69 a StGB Anwendung finden kann. Auch hier ist die Sachlage regelmäßig identisch mit der der Tagessatzhöhe. Auch hier treffen Fragen der Sanktionshöhe mit persönlichen und wirtschaftlichen Erwägungen zusammen. In der Praxis sind die Fälle nicht selten, in denen es den Angeschuldigten bei einem Strafbefehl gar nicht um die Strafhöhe geht; meist wollen diese nur eine geringfügige Reduzierung der Entzugsdauer der Fahrerlaubnis erreichen, angepasst an die persönliche Situation, die der Staatsanwaltschaft bei der Beantragung des Strafbefehls nicht bekannt war.

Wenn man das bisher bereits bestehende Beschlussverfahren darauf ausweitet, erzielt man eine spürbare Entlastung der Justiz, aber auch der Betroffenen; denn damit kann angesichts der Menge an Verkehrsstrafverfahren, die regelmäßig mit einem Fahrerlaubnisentzug endeten, eine Vielzahl unnötiger Gerichtsverhandlungen vermieden werden.

Meine Damen und Herren, wir als DVU-Fraktion wollen eine effektive Entlastung unserer Justiz, damit diese in die Lage versetzt werden kann, endlich wieder ihre Kernaufgaben im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bürger zu erfüllen. Dazu gehört es, unnötigen Verfahrensaufwand abzuschaffen. Das von uns im vorliegenden Antrag geforderte erweiterte Beschlussverfahren ist hierzu ein wichtiger und sinnvoller Schritt in die richtige Richtung. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete von Arnim. Er spricht für die Koalitionsfraktionen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Justizmodernisierungsgesetz vom August 2004 hat in § 411 die Möglichkeit geschaffen, dass die dem Angeklagten auferlegten Tagessätze in einem Beschlussverfahren überprüft werden. Das Gleiche möchte die DVU auch für die Entziehung der Fahrerlaubnis einführen. Ich denke, das ist insofern nicht praktikabel, als gerade bei der Fahrerlaubnissperre die Persönlichkeit des Angeklagten eine maßgebliche Rolle spielt, die nur durch eine Beurteilung nachvollziehbar ist.

Deswegen halten wir diesen Antrag für nicht durchführbar und lehnen ihn ab. - Danke.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Sarrach.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wis

sen, die Anträge der DVU erfordern nicht selten kriminalistischen Spürsinn; denn oft ist es ja so, dass sich hinter einem vergleichsweise harmlos wirkenden Antragsbegehren ein gar nicht so harmloses Antragsziel verbirgt.

Aus welchem Grund - so fragte ich mich - setzt sich die DVU neuerdings für eine Zweckharmonisierung der Strafprozessordnung ein? Wenn der Bundesgesetzgeber bei der Gestaltung des Strafbefehlsverfahrens zwar an einen begrenzten Einspruch des Empfängers wegen der Höhe der angeordneten Tagessätze dachte, nicht aber an einen begrenzten Einspruch mit Blick auf einen anderen Anordnungsinhalt, hier: die Dauer des Entzugs einer Fahrerlaubnis, dann scheint es tatsächlich angebracht, über solche Art Erweiterung einmal nachzudenken.

Was aber bringt nun ausgerechnet die DVU dazu, diese feine juristische Kleinigkeit im Gewebe der bundesdeutschen Gesetzgebung a) auszumachen und uns b) heute im Landtag zu präsentieren? Vielleicht hat ja irgendein DVU-Oberer von Freys Gnaden gerade seine Fahrerlaubnis entzogen bekommen. Ärgerlich wäre das schon. Doch dazu kann ich Ihnen nichts Sicheres sagen.

Also begab ich mich am Nachmittag des 21. April auf die Website des DVU-Landesverbandes, um mich dort zu den weiteren Hintergründen des Antrags zu informieren. Eine direkte Antwort zu dieser Problematik fand ich dort nicht, doch ich fand andere Antworten, die mir dann auch genügten.

Ich erfuhr, dass am 25. Februar dieses Jahres zum Landesparteitag Herr Frey „mit gewohnter rhetorischer Brillanz seine von fulminantem Wissen geprägte Rede zum Thema ,Mit der DVU zu echter Volksherrschaft!’ spannte.“ Weiter hieß es: „Mit frenetischem Jubel und stehenden Ovationen bedankten sich die anwesenden Mitglieder und Gäste der Deutschen Volksunion für die allumfassende brillante Rede ihres Bundesvorsitzenden Dr. Gerhard Frey.“

Ich hatte gar keine Ahnung, dass die DVU über einen solchen echten Halbgott verfügt. Vielleicht hatte sich dieser Halbgott ja bereits zu dem hier gegenständlichen Antrag geäußert. So las ich weiter.

Ich erfuhr immerhin, wie die Veranstaltung schloss:

„Am Schluss der Veranstaltung fand noch eine beeindruckende Totenehrung für unsere unsterblichen Helden der deutschen Wehrmacht... statt.“

Ich las weiter und stieß auf eine Traueranzeige für den NPDHetzer Uwe Leichsenring, der in dieser als ein „aufrechter Nationalist“ und „standfester Kamerad“ besungen wurde.

(Schuldt [DVU]: Uwe Leichsenring war ein guter Freund von mir! Schämen Sie sich nicht?!)

Der Titel der Anzeige lautete übrigens: „Ewig lebt der Toten Tatenruhm“.

Kurz vor einem Beitrag der „National-Zeitung“ zu Rolf Michaelis’ Buch „Die Waffen-SS - Mythos und Wirklichkeit“ hielt ich dann endlich inne. Der Beitrag trug die sonderbare Überschrift „Im Kampf gegen alte Pauschalisierungen“.

Ich brach meine Recherche an dieser Stelle ab, allerdings mit einem sehr deutlichen Ergebnis: Es kann nicht richtig sein, mit der DVU in entspannter Atmosphäre über eine Neufassung der Einspruchsmöglichkeiten im Strafbefehlsverfahren der StPO zu diskutieren. - Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es gab während Ihres Redebeitrags den Wunsch, eine Zwischenfrage zu stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Sarrach [Die Linkspartei.PDS])

- Gut.