Protocol of the Session on April 26, 2007

Momentan ist es aber wahrscheinlich so, wenn ich die Diskussion hier verfolge - ich kann die Reaktion der Ministerin durchaus verstehen -, dass Ihnen die Koalitionstreue zu Ihrem Partner, der CDU, offensichtlich wichtiger ist als eine klare Positionierung heute an diesem Tag hier im Parlament.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Schulze [SPD]: Nehmen Sie eine Anleihe bei Ihren Regierungskollegen in Berlin. Die werden Ihnen sagen, was Regierungsfähigkeit heißt!)

- Sehr geehrter Herr Kollege Schulze, ich verstehe ja, dass Sie vor dem 1. Mai sehr aufgeregt sind. Ich möchte deutlich sagen: Wir wollen, dass eine akzeptierte Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, die in diesem Land mehrheitsfähig ist, als ein entsprechendes Signal aus diesem Landtag nach Berlin gesandt wird. Ich glaube, dass eine Bundesratsinitiative dafür der richtige Weg wäre. Wie gesagt, zu einer Beratung im zuständigen Fachausschuss sind wir natürlich bereit.

Ich möchte Ihnen zwei Dinge sagen. Ich glaube Ihnen gern, dass es für Sie schwierig ist, als Regierung gleichzeitig Opposition zu simulieren. Den neoliberalen Stallgeruch werden Sie natürlich nicht los. Wer ist eigentlich für diese Situation, die wir im Moment haben, verantwortlich? Wer ist verantwortlich für die prekären Arbeitsverhältnisse, die in einer Größenordnung unter Rot-Grün und jetzt unter Schwarz-Rot zugenommen haben? Die Zahlen hat Kollege Baaske deutlich genannt. Ich glaube, dass man hier seine Verantwortung wahrnehmen sollte.

Wie gesagt, wir stimmen Ihrem Antrag auf Überweisung zu. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es liegt bisher kein Antrag auf Überweisung vor. Herr Görke, Sie sind gefragt worden, ob Sie dem Verfahren zustimmen würden. Ich habe einen Antrag, in namentlicher Abstimmung abstimmen zu lassen. Das werde ich jetzt tun, solange kein anderslautender Antrag gestellt wird.

(Bischof [SPD]: Machen Sie das! - Dr. Klocksin [SPD]: Ihr seid richtige Parlamentsakrobaten! - Unruhe)

Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Namentliche Abstimmung)

Gibt es Abgeordnete im Plenarsaal, die keine Gelegenheit hatten, ihre Stimme abzugeben? - Das ist nicht der Fall.

Ich schließe die Abstimmung und bitte Sie um etwas Geduld für die Auszählung.

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS, Drucksache 4/4431, bekannt. Für den Antrag stimmten 27 Abgeordnete, gegen ihn stimmten 41 Abgeordnete. 6 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 3530)

Am Ende der Debatte und der Abstimmung gibt es die Möglichkeit, persönliche Erklärungen abzugeben. Persönliche Erklärungen haben zwei Abgeordnete angemeldet. Zunächst bitte der Abgeordnete Holzschuher.

Ich habe soeben diesen Antrag abgelehnt. Einige Argumente dafür sind in der Debatte genannt worden, aber für mich noch nicht das Hauptargument. Der Antrag geht mir nämlich nicht weit genug.

(Gelächter und Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich bin für die bundeseinheitliche Einführung eines Mindestlohnes in allen Branchen, und das steht nun gerade nicht in diesem Antrag.

(Gelächter bei der Linkspartei.PDS)

Ich weiß, dass die Linkspartei an sich diese These auch vertritt: bundeseinheitliche Mindestlöhne überall, für alle. Aber dann stellen Sie einen Antrag, wo Sie in vorauseilendem Kompromissgehorsam einer virtuellen Koalition mit uns eine Verwässerung Ihrer eigenen Position vornehmen. Sie verlangen dann von uns - ich weiß, dass viele in unserer Fraktion genau das sagen würden, was ich jetzt sage -, dass wir etwas unterstützen, was ich überhaupt nicht richtig finde, weil es nicht weit genug geht.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Erst die Einschränkung eines bundeseinheitlichen Mindestlohnes würde aus meiner Sicht die Tarifautonomie gefährden; denn wir würden dann sagen: In bestimmten Bereichen, wo die

Gewerkschaften schwach sind, müsste sich der Staat einklinken und für Mindestlöhne sorgen, in anderen Bereichen nicht. Genau das ist der falsche Weg. Wir brauchen einen Mindestlohn für alle. Dazu stehe ich, und ich dachte bisher, die Linkspartei auch. Ich bin jetzt eines Besseren belehrt worden. Es wird interessant am 1. Mai in Brandenburg an der Havel auf dem Marienberg. Bei der Maiveranstaltung mit der PDS und dem DGB werden wir das diskutieren. - Ich danke Ihnen.

(Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Dann stellen wir diesen Antrag doch gemeinsam!)

Eine hundertprozentig exakte Definition dafür, was eine persönliche Erklärung ist, gibt es nicht. Aber auch der Kollege Schippel möchte den Versuch unternehmen, sie zu treffen. Bitte, Herr Schippel.

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass es trotz aller Aufgeregtheit einen großen Konsens zwischen SPD und PDS gibt, was die Einführung der Mindestlöhne betrifft. Ich halte sie für notwendig, um ein weiteres Auseinanderdriften dieser Gesellschaft zu verhindern. Ich halte sie vor allen Dingen für notwendig, um die Würde der Menschen zu garantieren; denn es ist unwürdig, wenn ein Mensch durch seiner Hände Arbeit nicht seine Familie ernähren bzw. den entsprechenden Lebensstandard garantieren kann.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich hatte mein Abstimmungsverhalten - das hatte ich meiner Fraktion gesagt - bis zu dieser Debatte offen gehalten, weil ich wissen wollte, ob es in großen Teilen um die Sache oder um parteipolitische Rituale und strategische Spielchen geht. Ihr Verhalten, Frau Kaiser, am Dienstag vor laufenden Kameras, der Redebeginn von Frau Osten gestern zur Aktuellen Stunde, die Debatte jetzt, Ihre Zwischenbemerkungen und die Häme von Herrn Görke haben mich zu dem Schluss kommen lassen, es geht Ihnen in großen Teilen um genau diese parteipolitischen Spielchen, um strategische Erwägungen.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [Die Linkspartei.PDS])

Im Sinne der Betroffenen möchte ich mich an diesen Dingen nicht beteiligen. Das persönliche Ziel meiner politischen Arbeit ist und bleibt ein flächendeckender Mindestlohn in Deutschland. Dafür werde ich auch zukünftig eintreten.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube nicht, dass jemand realistischerweise die Hoffnung haben kann, bei einer persönlichen Erklärung Zwischenfragen stellen zu dürfen, Herr Schulze.

(Schulze [SPD]: Ich habe keine Zwischenfrage!)

Ich weiß nicht, was das soll. Den dafür zutreffenden Paragrafen suchen Sie mir bitte aus der Geschäftsordnung heraus, dann reden wir darüber.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 14 und rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Doppelter Abiturjahrgang - Chancen frühzeitig nutzen

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 4/4445

Die Debatte wird mit dem Beitrag der CDU-Fraktion eröffnet. Es spricht der Abgeordnete Senftleben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Sie beruhigen, es geht „nur“ um das Thema Bildung. Ich hoffe, dass sich die soeben hochgekommenen Emotionen nun wieder ein wenig beruhigen und wir in einer vernünftigen Art und Weise zum Thema des Antrags kommen können.

Sie alle wissen, dass wir im Rahmen der Schulgesetznovelle gesagt haben, Abitur nach zwölf Jahren bildet einen wesentlichen Schwerpunkt der Veränderung. Dass die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre Konsequenzen hat, ist, denke ich, unbestritten, unabhängig davon, wie die Auffassungen dazu sind.

Es gibt natürlich auch unterschiedliche Bedingungen am Ende der Schulzeit. Darüber wollen wir heute jedoch nicht sprechen, sondern über die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, und über andere Dinge.

Frau Geywitz, als wir am Dienstagnachmittag zusammen in einer Diskussionsrunde in einem Potsdamer Gymnasium waren, haben wir schon festgestellt, dass nicht alle Schüler über kürzere Schullaufbahnen erfreut sind. Vielleicht ist es ja auch ein gutes Signal, wenn die Schüler in Brandenburg gerne zur Schule gehen wollen. Insgesamt ist die Entscheidung, das Abitur nach zwölf Jahren zu ermöglichen, richtig, auch deshalb, weil wir diesen Weg nicht allein gehen, sondern 14 von 16 Bundesländern gehen ihn ebenfalls. Man ist sich auch unabhängig von der Farbkonstellation in den einzelnen Landesparlamenten über diesen Weg einig. Vielleicht gilt das am Ende auch für die PDS-Fraktion im Landtag Brandenburg. Der Hintergrund ist auch klar: Die Lebens- und Berufswege stellen andere Anforderungen, natürlich auch hinsichtlich eines kontinuierlichen lebenslangen Lernens. Deshalb ist folgender Ansatz sinnvoll: Schulzeit - so lang wie nötig und so kurz wie möglich.

Ich möchte einmal die internationalen Vergleiche bringen: In Deutschland ist ein Mensch im Durchschnitt 21 Jahre alt, wenn er ein Studium aufnimmt. In Frankreich und Großbritannien ist der Jugendliche zwei bis drei Jahre jünger. In Deutschland ist ein Jugendlicher im Durchschnitt 28 Jahre, wenn er eine Hochschule verlässt, in Frankreich und Großbritannien sind die jungen Leute vier bis sechs Jahre jünger. Ich glaube, allein schon aufgrund dieser Zahlen ist es wichtig zu sagen: Wir wollen ein Abitur nach zwölf Jahren, und wir wollen vor allen Dingen auch einen verantwortlichen Umgang mit der Lern- und Lebenszeit junger Menschen ermöglichen und garantieren.

Meine Damen und Herren, im Jahr 2012 wird in Brandenburg

zum ersten Mal ein junger Mensch nach der Regelabiturzeit von zwölf Jahren nach dem Modell 6 plus 6 den Schulabschluss erreichen. Gleichzeitig machen in diesem Jahrgang Schüler nach 13 Jahren Schule das Abitur. Deswegen haben wir nicht wie im Jahr zuvor, 2011, 6 600 Schüler, die das Abitur ablegen werden, sondern wir haben 3 000 mehr, wir haben 9 600 junge Menschen, die aus den allgemeinbildenden Schulen diesen Abschluss anstreben. Dazu kommt, dass nicht allein wir in Brandenburg 2012 diese Situation haben, nein, fünf andere Länder, unter anderem Nordrhein-Westfalen und Niedersachen, werden davon ebenfalls betroffen sein. Die jungen Leute werden am Ende dieses Doppelabiturjahrgangs dann versuchen, einen Studien- oder Ausbildungsplatz zu erhalten. Deshalb ist der Antrag, den wir heute vorlegen, wichtig. Dieser Sachverhalt hat auch schon auf der Ebene der Kultusministerkonferenz dazu geführt, sich auf der Grundlage statistischer Datenerhebungen mit den Auswirkungen, Schlussfolgerungen und Konsequenzen zu beschäftigen.

Vielleicht können wir auch einmal einen lehrreichen Blick auf Sachsen-Anhalt werfen; denn Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2007, also in diesem Jahr, einen Doppelabiturjahrgang. Dort hat man sich ganz gezielt darauf vorbereitet und bietet eine verstärkte Studienberatung an. Das ist innerhalb der Aktuellen Stunde heute Morgen schon einmal angesprochen worden. SachsenAnhalt will zusätzliche Lehraufträge an den Universitäten ermöglichen. Man hat dort auch mit Berechnungen der Kapazitäten versucht, auf diese neue Situation zu reagieren.

Wir glauben, dass der Weg, wie wir ihn heute vorschlagen, richtig ist. Wir müssen auch daran denken, dass wir innerhalb der Schulen einiges anders und neu organisieren wollen und müssen. Deswegen ist es wichtig, diesen Punkt anzusprechen.

Wir wollen mit diesem Konzept konkret hinterfragen: Wie ist die Situation an den Hochschulen mit entsprechenden Ausbildungs- und Studienplätzen? Wie kann man in abgestimmtem Vorgehen zusammen mit den Handwerks- und Handelskammern die Frage der Ausbildungsplätze ansprechen? Wie kann man es - drittens - erreichen, dass die Oberschulen in dem Jahrgang nicht benachteiligt werden, wenn doppelt so viele junge Leute nach dem Abitur auf dem Ausbildungsmarkt einen Ausbildungsplatz finden wollen?

Ich bitte an der Stelle um Ihre Zustimmung und hoffe, dass wir bei der Vorlage des Konzeptes Ende dieses Jahres gemeinsam über die Vorschläge der Regierung reden können. Ich hoffe, dass bis dahin das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und alle anderen Ministerien genügend Zeit und genügend gute Ideen finden, um das Konzept zu erarbeiten. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)