Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! So aufregend wie bei der Mindestlohndebatte ist es hinsichtlich
dieses Antrags nicht. Ich habe ohnehin das Gefühl, dass hier ein Wettbewerb darum, wer die meisten Bildungsanträge schreibt, ausgebrochen ist. Diesen gewinnen Sie ohnehin nicht. Ich hatte auch die Hoffnung, dass das Novemberfieber bei der Koalition vorbei ist. Damals gab es vier Anträge, die diesem Antrag gleichwertig waren. Offensichtlich scheint sich das jetzt zu einer Serie auszuweiten.
Nehmen wir einmal das Positive dieses Antrags. Die Koalition hat sich vorausblickend immerhin vier Jahre im Vorgriff Gedanken dazu gemacht, welche Folgen das von uns beschlossene Schulgesetz nach seinem Inkrafttreten bzw. in den Jahren 2011/2012 haben wird. Immerhin; denn vier Jahre Vorlauf hatten wir bisher selten. Man hätte sich bei der Erarbeitung dieses Gesetzes eigentlich auch über diesen Doppeljahrgang in den Jahren 2011/2012 Gedanken machen müssen. Aber vier Jahre Zeit sind ja nicht wenig.
Zweifellos - ich bin immer noch beim positiven Denken - ist es eine Herausforderung, wenn ein doppelter Abiturjahrgang auf den Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienmarkt - so heißt er gar nicht, gemeint ist zum Studium - stößt. Wenn Ihre größte Waffe, diese Herausforderung zu bewältigen, ein Bericht ist, wundere ich mich doch schon ein wenig. Sie fordern die Landesregierung auf bzw. treiben sie letztendlich dazu, Handlungen vorzunehmen, die sowieso notwendig sind.
Warum Sie, Herr Senftleben, in Ihrem Redebeitrag, den ich, wie Sie bemerkt haben, sehr aufmerksam verfolgt habe, eine richtig starke Verteidigungsrede für das zwölfjährige Abitur gehalten haben, bleibt Ihr Geheimnis. So leidenschaftlich Sie das getan haben, kann das nur mit Ihrem traumatischen Erlebnis in Hermannswerder zu tun haben, denn Schüler und Lehrer wollen das zwölfjährige Abitur nach wir vor nicht, und zwar nicht nur in Hermannswerder. Das hat ja wohl damit zu tun, dass die ganze Sache undurchlässiger wird, weil natürlich sehr viel Unterrichtszeit zusammengedrängt wird, weil es für Schüler sehr viel stressiger wird, weil sehr viel weniger Zeit, in der man an der Schule auch einmal eigene Interessen ausleben kann, zur Verfügung stehen wird.
Darum geht es in diesem Antrag nicht. Das Gesetz ist beschlossen. Mich wundert eigentlich, mit welcher Leidenschaft Sie im Nachhinein noch einmal für das zwölfjährige Abitur werben, gegen das wir auch nicht sind. Wir hätten es uns nur anders gewünscht.
Sie wollen also jetzt einen Bericht zu Zahlen von Abiturienten, von Ausbildungs- bzw. Studienplätzen haben. Sie möchten auch von der Landesregierung Vorschläge bekommen, wie man das alles handeln kann. Die Zahl der Siebenklässler ist bekannt. Bekannt ist auch, wie viele uns von der Jahrgangsstufe 7 bis zum Abitur verloren gehen.
Bekannt ist die Studienplatzsituation an den Hochschulen und auch, dass die Landesregierung - Ministerin Ziegler hat das heute Morgen schon deutlich gemacht -, natürlich mit den Handels- und Handwerkskammern agieren muss, um die Ausbildungsplatzsituation, die ja auch sehr kompliziert ist, miteinander zu besprechen.
Wenn Sie sich über das alles berichten lassen, schafft das doch noch keine neuen Ausbildungs- und Studienplätze.
Es werden mehr Studien- und Ausbildungsplätze gebraucht. Sie müssen geschaffen werden. Dabei geht es nicht nur um einmalige finanzielle Hilfen, aber ohne diese geht eben auch nichts. Sie sagen, dass es Verwaltungsvereinfachungen und administrative Unterstützungen geben solle. Ich meine, das ist etwas verwaschen. Meine Fantasie reicht nicht aus, um mir darunter etwas vorstellen zu können. Es fehlen schon jetzt - beim einfachen Abiturjahrgang - Ausbildungsplätze. Hörsäle, Seminarräume an Universitäten und Hochschulen sind schon jetzt überfüllt. Studenten können ihr Studium aufgrund der vorherrschenden Rahmenbedingungen schon jetzt oft nicht in der Regelstudienzeit beenden.
Der Numerus clausus an den Brandenburger Universitäten und Hochschulen führt schon jetzt dazu, dass viele junge Leute keinen Studienplatz bekommen und daher zum Studium in andere Bundesländer gehen, ohne wieder zurückzukommen. Das ist ja auch ein Stück weit normal, das wollen wir hier nicht dramatisieren. Dramatisch ist eher, dass die Situation in Berlin die gleiche sein wird. Junge Brandenburger, die in Berlin studieren wollen, werden mit der Situation konfrontiert, dass auch Berlin in diesem Zeitraum einen Abitur-Doppeljahrgang hat. Das wird sich auswirken. Dieses Problem haben Sie in Ihrem Antrag nicht einmal benannt.
Es fehlen also die notwendigen Kapazitäten. Diese gilt es zu schaffen. Dazu wird der geforderte Bericht wenig hilfreich sein. Der Knackpunkt liegt in den zu schaffenden Ressourcen. So lange Sie an dieser Stellschraube nicht drehen, können Sie noch etliche Berichte fordern. Das ist dann eher eine schöne beschäftigungstherapeutische Maßnahme für die Landesregierung. Die Probleme werden dadurch nicht gelöst. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Frau Große, es freut mich, dass Sie mit einer positiven Grundhaltung wieder unter uns weilen. Es freut mich auch, dass Sie gewillt sind, der Koalition positiv zu unterstellen, dass wir uns zumindest bemühen. Ob wir Ihren hohen Ansprüchen immer gerecht werden können, ist die zweite Frage.
Sie haben beschrieben, dass wir mehr Studien- und Ausbildungsplätze brauchten. Um dieses Problem rankt sich dieser Antrag. „Doppelter Abiturjahrgang“ klingt erst einmal so, als hätten wir im besagten Jahr doppelt so viele Schulabgänger wie heute. Das ist aber aufgrund der sinkenden Zahlen nicht der Fall. Das heißt, wir werden in etwa genauso viele Abiturienten wie in diesem Jahr haben. Nun kann man wiederum fragen, warum dazu ein Antrag geschrieben wurde. Wir haben zwei wesentliche Gründe dafür. Zum einen sinkt in den nächs
ten Jahren die Zahl der Abgänger, und es wäre nach dem Motto „Bau auf!“ und „Reiß nieder!“ nicht sinnvoll, die Kapazitäten zurückzubauen, um sie in den Jahren 2011/2012 wieder aufzubauen. - Das ist das eine.
Zweitens: Sie besuchen ja sicherlich genau wie ich auch Schulen. Eine der am häufigsten gestellten Fragen war, was mit dem doppelten Jahrgang passiere und ob genügend Kapazitäten vorhanden sein würden. Diesbezüglich herrscht auch bei den Eltern und Lehrern eine große Verunsicherung. Wir wollen bei den Menschen Klarheit schaffen und ihnen sagen, dass wir uns um dieses Problem kümmern. Die Zahlen entwickeln sich so. Natürlich sind einige Zahlen bekannt; das haben Sie, Frau Große, gesagt. Zum Beispiel kann man aufgrund der Anzahl der Siebenklässler abschätzen, wie viele Schüler das Abitur schaffen werden. Die spannende Frage ist aber, wie viele von unseren Abiturienten - Stichwort Bruttostudierquote - an die Hochschulen gehen und wie viele auf den Ausbildungsmarkt drängen. Diesbezüglich wird Kollege Jürgens sicherlich auch ganz gut vermitteln können, dass die Landesregierung sehr viel unternimmt, um die Studierquote deutlich zu erhöhen.
Zum anderen - das ist ökonomisch ganz spannend - bekommen wir natürlich für die Studienplätze Geld - Stichwort Hochschulpakt -, wenn die Hochschulen ausgelastet sind.
Alles in allem - das ist kein einfaches mathematisches System, sondern etwas komplizierter - sind wir gewillt, uns, wie Sie freundlicherweise festgestellt haben, perspektivisch bzw. langfristig darauf einzustellen, dass das Absinken der Schülerzahlen in den nächsten Jahren nicht dazu führen darf, Kapazitäten, die wir dringend brauchen, abzubauen. Das ist der Sinn des Antrags. Es geht auch darum, diejenigen, die im doppelten Abiturjahrgang 2011/2012 landen werden, aufzuklären, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchen, sondern motiviert studieren können. Sie können mit Blick auf einen Ausbildungsbzw. Studienplatz an der Schule ihr Bestes geben und unserem Land später als Hoffnungsträger zur Verfügung stehen. - Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Frau Große hat vieles gesagt, was wir auch so sehen bzw. auch sagen wollen. Ich brauche das hier nicht zu wiederholen.
Wir werden dem Antrag zustimmen. Ich sage Ihnen auch, warum. Selbstverständlich wissen auch wir, dass der Bericht an den Tatsachen nichts ändern wird, aber wir sind einfach viel zu neugierig darauf, zu erfahren, wie die Landesregierung die Misere, die sie uns hier eingebrockt hat, auslöffeln möchte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In der Tat - Holger Rupprecht hat vor kurzem darauf hingewiesen - wird der Geburtenknick der 90er Jahre dazu führen, dass sich die Zahl der Abiturienten in den nächsten Jahren halbieren wird. Vor diesem Hintergrund werden wir im besagten Jahr 2012 noch einmal „alte Verhältnisse“ haben. Wir werden genauso viel Abiturienten zu prüfen haben wie im Jahr 2006. Die Schülerinnen und Schüler, die sich im Schuljahr 2007/2008 in der 8. und 9. Jahrgangsstufe befinden, werden im Frühjahr 2012 in der Tat gemeinsam das Abitur ablegen. Wir erwarten aus den 9. Klassen 6 100 und aus den 8. Klassen 6 300 Abiturienten. Das sind 12 400. Die Zahl der Abiturienten im Jahr 2006 lag bei 12 393. Die gegenwärtigen Kapazitäten würden ausreichen, um die Herausforderungen dieses Doppeljahrgangs zu bewältigen. Wir werden dafür Sorge tragen müssen - das haben meine Vorredner deutlich gesagt -, dass die Kapazitäten nicht zurückgefahren werden.
Die erwartete Darstellung der regional aufgeschlüsselten Abiturientenzahlen für 2012 werden wir im Rahmen des Berichts dokumentieren. Die Abstimmung mit der Industrie- und Handelskammer werden wir auch unabhängig von dem Antrag vorzunehmen haben. Wir haben bereits damit begonnen; das ergibt sich aus der Notwendigkeit, dass wir den künftigen Fachkräftebedarf absichern müssen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank. - Ich schließe damit die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegt der Antrag in der Drucksache 4/4445 - Doppelter Abiturjahrgang - vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Diesem Antrag ist mehrheitlich zugestimmt worden.
Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen, sodass wir sofort zur Abstimmung kommen. Wer dem Antrag in Drucksache 4/4446 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen.
(Nur wenige Abgeordnete in den Reihen der Koalitions- fraktionen beteiligen sich an der Abstimmung.)
Wir sind in der Abstimmung, und ich teile noch einmal mit, dass wir jetzt über einen Antrag der Fraktionen der SPD und
Ich frage noch einmal: Wer dem Antrag in Drucksache 4/4446 Berufs- und Studienorientierung - seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Diesem Antrag wurde mehrheitlich zugestimmt.