Protocol of the Session on March 7, 2007

zukünftig Stadtverordnetenversammlungen und Kreistage unliebsame Entscheidungen der Jugendhilfeausschüsse vorher auf den Tisch ziehen können und damit die Fachlichkeit dieses Gremiums ausgehebelt werden kann.

Auch die überarbeitete Begründung zu diesem Paragraphen kann diese Vermutung nicht abmildern. Allein der Verweis in der Begründung, die Sie nach Gesprächen mit Ihrem Haus geändert haben, dass sich die Jugendhilfeausschüsse gegen eine pauschale Entmündigung gerichtlich zur Wehr setzen können, zeugt zumindest an diesem Punkt von Praxisferne.

Unserer Meinung nach sollte das Gesetz an dieser Stelle nicht verändert werden. Auch heute ist es bereits möglich, dass Stadtverordnetenversammlungen und Kreistage Beschlüsse von Jugendhilfeausschüssen überstimmen und somit verändern können. Dies kann aktuell aber nur im Nachhinein geschehen. Wenn also die Jugendhilfeausschüsse Entscheidungen getroffen haben, die dem übergeordneten Gremium missfallen, müssen diese durch Abstimmung revidiert werden. Dies ist vielleicht der aufwendigere Weg, auf jeden Fall jedoch einer, der die Demokratie stützt und stärkt;

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

denn nur auf diesem Wege ist eine Auseinandersetzung zwischen den Fachpersonen und den Abgeordneten möglich, können Entscheidungen diskutiert und getroffen werden.

Nach der neuen Regelung, die Sie anstreben, wird dem Fachpersonal untersagt, bestimmte Entscheidungen überhaupt zu diskutieren, geschweige denn zu beschließen.

Im Sinne des Mehr an Partizipation und Beteiligung, welchem Sie an den anderen Punkten des Gesetzes Rechnung tragen und die wir begrüßen, sollten Sie jedoch überlegen, wie viel Sinn es macht, wenn man in derselben Novelle die Kompetenzen derart einschränkt. - Schönen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Abgeordnete Lieske setzt die Debatte für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kinder schützen und Jugendliche beteiligen - so könnte auch die Überschrift zur entsprechenden Gesetzesnovelle heißen. Wir haben ja heute im Zuschauerraum viele Jugendliche sitzen, die sich Gedanken darüber machen können, von ihren Beteiligungsrechten in Zukunft vielleicht stärker als bisher Gebrauch zu machen.

Unter anderem in Reaktion auf die furchtbaren Fälle von Kindesmisshandlungen und Kindesvernachlässigung in Brandenburg werden die Schutzmaßnahmen für Kinder verstärkt. Die komplizierte Rechtslage hat es in der Vergangenheit mitunter erschwert, bei einem Verdacht der Verletzung des Kindeswohls schnell zu reagieren. Ein Antrag der Eltern war Voraussetzung für ein Eingreifen des Jugendamtes.

Kinderschutz muss Vorrang vor Elternrechten haben. Schnelle

res und sicheres Handeln der Jugendämter ist hier dringend erforderlich.

(Beifall der Abgeordneten Schier [CDU])

Ein weiterer Punkt ist: Wir stärken mit der Änderung dieses Gesetzes die Jugendämter, sie können demnächst bei Verdachtsfällen schneller handeln, da ein Antrag der Eltern nicht mehr erforderlich ist.

Weiterhin werden die Mitwirkungsrechte von Kindern und Jugendlichen beispielsweise im Jugendhilfeausschuss gestärkt. Kinder und Jugendliche sind die Experten bei Planungsvorhaben, wie beim Bau von Spielplätzen oder Jugendklubs. Wir wollen mit ihnen gemeinsam entscheiden und sie daran beteiligen. Gerade angesichts dieser Partizipation der Kinder und Jugendlichen sind die Jugendlichen und die Kinder gefordert, hieran mitzuwirken. Ich weiß aus Erfahrung, dass es nicht so einfach ist, auf kommunaler Ebene Jugendparlamente zu installieren. Wenn sie schließlich installiert worden sind, haben sie manchmal nur eine kurze Lebensdauer. Hier ergeht also auch der Ruf an Kinder und Jugendliche, vor allem an die Jugendlichen, sich in die Belange ihrer Selbstverwaltungskommune einzumischen, ihre Belange deutlich zu machen und sich auch bereitzuerklären, demokratisch mitzuwirken.

Weiterhin ist das Genehmigungsverfahren, wie von Herrn Krause hier angesprochen, im Bereich der Tagespflege vereinfacht worden. Unsere Fraktion begrüßt dieses Verfahren. Wir haben nicht ganz so viele Probleme damit, zu sagen, die Qualität in der Kinderbetreuung könnte dramatisch sinken, sondern hier wird eine Alternative in der Tagespflege entsprechend gestärkt. Gerade auch für den berlinnahen Raum ist das ein Instrument, das sehr gern in Anspruch genommen wird. An dieser Stelle möchten wir auch die Wahlfreiheit der Eltern gern gestärkt wissen.

Insgesamt möchte ich folgendes Resümee für diesen Gesetzentwurf ziehen: Mit diesem vereinfachten Verfahren und der insgesamt bundesweiten Vorreiterrolle des Landes Brandenburg in der Kita-Versorgung können wir zukünftig noch besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Eltern und der Kinder eingehen.

Ich freue mich auf die Diskussion hierzu wiederum im Ausschuss. Über die Kritikpunkte, die hier von Herrn Krause angesprochen worden sind, werden wir uns sicher entsprechend auseinandersetzen. Ich weiß, dass auch der Landkreistag zu bestimmten Regelungen im Ausführungsgesetz durchaus eine andere Meinung hat. Aber auch hier gilt es dann, sich entsprechend zu streiten und zum Wohle der Kinder und Jugendlichen zu handeln. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die DVU-Fraktion setzt die Abgeordnete Fechner die Beratungen fort.

Ich begrüße unsere Gäste, auf der linken Seite die Gruppe aus Cottbus. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Auf der rechten Seite nehmen Vertreter der CDU-Ortsverbände aus den Landkreisen Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz und des Gewerbevereins Vetschau Platz. Es sollte auch der Vorvorgänger meiner Stellvertreterin, Martin Habermann, dabei sein. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Nun hat Frau Fechner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesgesetzgeber hat das Achte Buch des Sozialgesetzbuches geändert. Deswegen muss auch das Land Brandenburg sein Ausführungsgesetz zum Achten Buch des Sozialgesetzbuchs ändern, damit Bundes- und Landesrecht wieder zusammenpassen. Außerdem hat der Landtag Brandenburg vor gut zwei Jahren beschlossen, dass unser Land endlich kinderfreundlich werden muss. Auch das schlägt sich in diesem Gesetz nieder. Dann hat die Landesregierung auch noch festgestellt, dass sich im alten Ausführungsgesetz noch Bestimmungen befinden, die seit 1999 überflüssig sind. Einen Kommentar dazu verkneife ich mir an dieser Stelle.

Wenn so viele Gründe für eine Änderung dieses Gesetzes sprechen, dann kann eine kleine Oppositionspartei wie die Deutsche Volksunion kaum nein sagen - oder?

(Beifall bei der DVU)

Deshalb wird die DVU-Fraktion einer Ausschussüberweisung zustimmen. Dort wird es nötig sein, den vorliegenden Gesetzentwurf an etlichen Stellen zu ändern. Aber vielleicht müssen manche Bestimmungen ja auch nur erklärt werden. Beispielsweise habe ich bisher noch nie davon gehört, dass ein Gremium besser und effektiver arbeitet, wenn man die Zahl seiner Mitglieder kräftig erhöht. Sicher wäre es schön demokratisch, wenn mehr Betroffenenvertreter in den Jugendhilfeausschüssen säßen. Aber besteht da nicht die Gefahr, dass sich diese Gremien mehr mit sich selbst als mit der Jugendhilfe beschäftigen?

Auch stellt sich mir die Frage, wie sich die Landesregierung ein paritätisches Geschlechterverhältnis vorstellt. Gibt es dann eine Drittelparität für Männlein, Weiblein und Transsexuelle? Oder soll verhindert werden, dass die Damen aufgrund ihres stärkeren sozialen Engagements die Herren der Schöpfung unterdrücken? Doch wir befinden uns heute in der 1. Lesung und werden noch reichlich Gelegenheit haben, uns über diesen Gesetzentwurf der Landesregierung zu unterhalten.

Wir stimmen einer Ausschussüberweisung zu.

(Beifall bei der DVU)

Nach dieser beruhigenden Auskunft setzt die Abgeordnete Hartfelder für die Fraktion der CDU fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das uns heute vorliegende Gesetz ändert unser Ausführungsgesetz zum Kinder

und Jugendhilfegesetz. Die Änderungen ergeben sich - das wurde bereits gesagt - aus bundesrechtlichen Regelungen wie dem Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz und dem Tagesbetreuungsausbaugesetz.

Tragische Vorfälle mit Kindern haben in den zurückliegenden Jahren mehrfach gezeigt, dass die Eingriffsmöglichkeiten der Jugendämter nicht ausgereicht haben. Die Verabschiedung des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes haben wir deshalb ausdrücklich begrüßt.

Die Tagesbetreuung ist inzwischen zum Dauerthema geworden. Dazu hat es vermutlich nicht die letzten Änderungen gegeben. Weitere Veränderungen ergeben sich auch aus unserem Landtagsbeschluss aus dem Jahre 2005. Wir werden uns im Ausschuss noch zu diesem Gesetz verständigen. Deshalb mache ich heute hierzu keine weiteren Ausführungen und schließe mich im Wesentlichen den Ausführungen meiner Kollegin Lieske an. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Damit sind wir am Ende der Debatte zum Tagesordnungspunkt 12 angekommen. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Antrages in der Drucksache 4/4218, Gesetz zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - und weiterer Rechtsvorschriften, an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisung in den genannten Ausschuss zugestimmt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Kinderarmut in Brandenburg

Große Anfrage 27 der Fraktion der DVU

Antwort der Landesregierung

Drucksache 4/4149

Die Debatte wird mit dem Beitrag der DVU-Fraktion eröffnet. Es spricht der Abgeordnete Nonninger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Arme Brandenburger Kinder - dies kann man wahrlich sagen, wenn man sich die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zum Thema „Kinderarmut in Brandenburg“ zu Gemüte führt. Ohne Frühstück aus dem Haus, mittags zur Armenküche, abends ein Fertiggericht, statt Erziehung gibt es Fernsehen, die Spielkonsole ersetzt das Kuscheln. Die Folge: soziale Verwahrlosung, Sprachlosigkeit, Aggressivität.

Armut in Brandenburg bedeutet heute nicht nur, kein Geld zu haben. Eltern sind völlig überfordert. Das, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, sind die Probleme in diesem Lande, die Sie als Politiker am liebsten gar nicht ansprechen, schon gar nicht im Wahlkampf.

Nach Ihren eigenen Antworten, meine Damen und Herren von der Landesregierung, beziehen derzeit im Land Brandenburg 352 919 Personen Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches, davon 278 594 Arbeitslosengeld II, im Volksmund auch Hartz IV genannt. Dazu kommen weitere 71 934 Personen, die Sozialgeld beziehen. Zum Stichtag 31.12.2004 dagegen nahmen 78 010 Brandenburgerinnen und Brandenburger laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Anspruch und 153 344 Personen Arbeitslosenhilfe, zusammen also „lediglich“ 231 354. Das heißt doch nichts anderes, meine Damen und Herren, als dass durch die unselige Hartz-IV-Gesetzgebung fast 150 000 Brandenburgerinnen und Brandenburger binnen zwei Jahren in Armut und Not gestürzt wurden, und zwar zusätzlich zu den 280 000 Personen, welchen man ihre bisherige wesentlich höhere Arbeitslosenhilfe auf das HartzIV-Hungerniveau herabkürzte.

Halten wir also fest: Fast eine halbe Million Brandenburgerinnen und Brandenburger leben heute in Armut und Not. Sie sind arm. Sie wissen sich selbst nicht mehr zu helfen. Ihre Kinder wachsen mit dem Vorbild auf, von Sozialhilfe und Suppenküchen abhängig zu sein. Diesen Familien wird die Agenda 2010 nicht helfen. Dasselbe trifft auf die Steuer- und Sozialversicherungsreformen der Bundesregierung zu.

(Beifall bei der DVU)