Protocol of the Session on September 13, 2006

(Dr. Klocksin [SPD]: Vorsicht, Vorsicht!)

Insofern ist es wieder der Fakt, mit dem man als LinksparteiPolitikerin umgehen muss, dass kein Antrag der Linkspartei eine Chance haben darf, in die Fachdiskussion zu gelangen. Herr Dr. Klocksin, denken Sie an den Bauernverbandspräsidenten, den Sie in Ihren Reihen haben. Ich sage Ihnen, es gibt Signale von draußen, die besagen: Wenn der Bauernverbands

präsident in der Opposition wäre, gäbe es hier ein bisschen mehr Beißerei, als gegenwärtig zu spüren ist. Insofern: Sie sind doch nicht der Juniorpartner, Herr Dr. Klocksin!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir setzen die Beratung mit dem Redebeitrag des Abgeordneten Folgart für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag auf Einführung einer Mehrgefahrenversicherung behandeln wir ein äußerst komplexes Thema. Lassen Sie mich eines vorwegschicken: Der Begriff „Agrarwirtschaftsinitiative“ des Landesbauernverbandes, den Frau Wehlan hier mehrfach benutzt hat, ein Begriff des Landesbauernverbandes und letztlich der in diesem Hause regierenden Koalition, umfasst ein ganzes Bündel von Maßnahmen, mit denen die Landwirtschaft in Brandenburg gestärkt werden kann. Ob dies mit einer Mehrgefahrenversicherung tatsächlich gelingen könnte, hängt schließlich von vielen Faktoren ab. Daher ist der Begriff „Agrarwirtschaftsinitiative“ in diesem Zusammenhang irreführend.

Meine Damen und Herren, die Höhe der Schadenssummen hat Frau Wehlan genannt. Ich kann mir auch aus Zeitgründen ersparen, diese noch einmal zu nennen. Angesichts dieser Schäden ist es auch für mich leicht zu sagen, dass etwas passieren sollte bzw. passieren muss. Ich stimme dem vollinhaltlich zu. Aber wenn wir hier von Mehrgefahrenversicherung reden, sollte uns zuallererst klar sein, was damit gemeint ist: eine Versicherung gegen Ertragsausfälle durch Frost, Hagel, Trockenheit und Dürre, Starkregen, Erosion oder Überschwemmung? Oder meinen wir auch Einnahmeausfälle durch Tierkrankheiten, Tierseuchen, Handelsverbote, aufgrund eingerichteter Sperrzonen oder Absatzeinbußen aufgrund anderer Marktstörungen, zum Beispiel Verluste durch Krankheiten in der Pflanzenproduktion, die mit Qualitätsmängeln einhergehen? Es kann aber auch sein, dass wir damit gedanklich eine Versicherung gegen Preisrisiken und Preisschwankungen einschließen. Darüber müssen wir uns im Vorfeld verständigen.

Verständigen müssen wir uns auch darüber, was mit den Tierseuchenkassen und den Tierversicherungskassen geschieht und wie bestehende Hagelversicherungen in dieses System eingebaut werden können; denn diese Versicherungsmöglichkeiten gibt es bereits, teils freiwillig, teils obligatorisch. Dass Lösungen gefunden werden können, zeigen Beispiele anderer Länder. Spanien, Griechenland und die Niederlande wurden genannt. Inzwischen gibt es das auch in Frankreich, nachdem dort ein überhasteter Versuch mit zu geringen staatlichen Beteiligungen gescheitert war. Die USA, Frau Wehlan, sind hier kein positives Beispiel. Dort bestehen verschiedene subventionierte Versicherungen. Zusätzlich gibt es dort auch einen Katastrophenhilfefonds. Dies sieht die EU für die Zukunft überhaupt nicht vor.

Wie stellt sich die Opposition eigentlich die Beteiligung der öffentlichen Hand vor? In anderen Ländern liegt die Beteiligung des Staates zwischen 20 und 85 %. Dies wären in Deutschland nach Schätzungen ungefähr 300 Millionen Euro, die bei einer 50%igen Beteiligung jährlich aufgebracht werden müssten.

Das war der Knackpunkt, der zum Scheitern des von Ihnen angesprochenen Pilotprojektes geführt hat.

Die Prämien, die der Landwirt zu zahlen hat, müssen so bemessen sein, dass für Standorte mit geringerer Ertragskraft, aber vergleichbar hohem Risiko keine Überbelastung eintritt. Diese Frage ist insbesondere für Brandenburg wichtig und muss im Vorfeld geklärt werden.

Die Versicherung muss attraktiv sein, damit sie möglichst viele Interessenten findet und somit die Prämien erträglich gestaltet werden können. Eine Mehrgefahrenversicherung begrüße ich unter bestimmten Bedingungen. Sollte sich jedoch abzeichnen, dass Bund und Land die Finanzierung dergestalt zuwege bringen wollen, dass den Landwirten erst die Direktzahlungen gekürzt werden, um damit die Prämie zu finanzieren, ist mein Ja dazu nicht vorhanden. Die Zustimmung zu einem solchen Vorhaben wäre Unfug und würde den Landwirten nicht helfen: Ich nehme Geld aus der einen Hosentasche, um es in die andere zu stecken, und merke dabei, wie es weniger wird. Die Versicherer wollen letztlich an dem Produkt „Mehrgefahrenversicherung“ verdienen.

Ich komme zum Ende. Eine Mehrgefahrenversicherung hat durchaus ihren Reiz; das leugne ich nicht. Ich halte es aber für verfrüht, dass Brandenburg im Sinne des Antrags der Opposition aktiv wird. Deshalb rate ich meinen Kollegen - das sage ich jetzt als persönliche Erklärung -, den Antrag heute abzulehnen, auch um den Koalitionsfrieden zu halten. Ich persönlich könnte dem Antrag folgen, um das Ziel zu erreichen, in den Ausschüssen tiefgründiger darüber zu debattieren.

Die beste Mehrgefahrenversicherung sind wirtschaftlich stabile Unternehmen - Frau Wehlan, insoweit gebe ich Ihnen völlig Recht -, die für ihre Produkte faire Preise erzielen, die mit Milch, Schweinen, Ackerbau und Bioenergie eine diversifizierte Produktion aufweisen, Zugang zu Neuerungen aus Wissenschaft und Forschung haben und die Produktionsfaktoren nutzen können.

Ich bedanke mich, dass Sie mir trotz der abgelaufenen Zeit noch zugehört haben.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei CDU und der Linkspartei.PDS)

Wir setzen mit dem Beitrag der DVU-Fraktion fort. Es spricht Herr Abgeordneter Norbert Schulze.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Jahre wieder tritt die PDS als Retter unserer Landwirte auf. Der vorliegende Antrag ist prinzipiell miserabel ausformuliert. Er geht einfach an den Realitäten vorbei - nicht vom Grundsatz, sondern vielmehr von der sachlichen Zuständigkeit der entsprechenden Fachleute her.

Unsere Fraktion sagt klipp und klar: Eine gute Politik ist nur mit dem Sachverstand von Fachleuten und den Erfahrungen von Betroffenen zu machen. In den Zeiten der furchtbaren BSE-Krise hat die Politik seinerzeit eingestanden, die Verbrei

tung von BSE auf dem Kontinent nicht verhindert zu haben, obwohl es bei Sachverstand und mutigem Handeln möglich gewesen wäre. Doch keiner der verantwortlichen Politiker wurde zur Rechenschaft gezogen. Dies war bitter, insbesondere für jene Landwirte, die trotz eigener sorgfältiger Arbeit in den absoluten Krisenstrudel gerissen wurden. In diesem Jahr waren es der heiße und trockene Sommer für die einen und verheerende Unwetter für die anderen.

Wenn sich der heutige Antrag auf die Einführung einer Mehrgefahrenversicherung bezieht, so stellt man sich unweigerlich die Frage: Weshalb wird dieses Problem schon seit mehreren Jahren von den verschiedensten Politikern nur diskutiert, und weshalb wird nicht endlich gehandelt? Es steht doch eindeutig fest, dass der Bund, die Länder und die Europäische Union gemeinsam zu einer Lösung zugunsten der Landwirte kommen müssten, und das nicht morgen, übermorgen oder in ein paar Jahren, sondern sofort.

Unsere DVU-Fraktion vertritt die Auffassung, dass ein einheitliches, von Bund, Ländern und EU gefördertes Mehrgefahrenversicherungssystem Vorteile sowohl für den Landwirt als auch für den Staat bietet. Aber: Unabhängig von dem bisher Gesagten wäre es unbedingt notwendig, dass sich der Berufsstand eindeutig über die Sinnhaftigkeit einer Mehrgefahrenversicherung äußert.

Aufgrund der von mir aufgezeigten Tatsachen wird unserer Fraktion einer Ausschussüberweisung nicht zustimmen. Den Antrag an sich lehnen wir ab.

(Beifall bei der DVU)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Helm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund erheblicher Ertragsausfälle liegt es nahe, dass wir uns wieder mit den natürlichen Feinden der Landwirte beschäftigen: den vier Jahreszeiten, der Agrarpolitik und - das muss ich hinzufügen - dem Unvermögen mancher Landwirte, die gute fachliche Praxis umzusetzen. Die Problematik einer Mehrgefahrenversicherung, mit der diese sechs Feinde bekämpft werden sollen, hat uns in der Vergangenheit mehrfach beschäftigt.

Ich möchte in Erinnerung rufen, was wir beim letzten Mal dazu ausgeführt und wie wir darüber diskutiert haben. Herr Präsident, ich darf aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses von 2003 zitieren.

Sie dürfen.

„In der Beratung wurde deutlich, dass aus der Sicht der Landwirte eine Versicherung gegen naturbedingte Risiken und katastrophale Großschadensereignisse, die zum Teil die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe bedro

hen, zwar wünschenswert ist, vor dem Hintergrund der Finanzlage des Bundes und der Länder aber über die mögliche Finanzierbarkeit weitgehend Unklarheit herrscht. Hinzu kommt, dass selbst dann, wenn Bund und Länder zur Finanzierung beitragen könnten, für den Berufsstand ein sehr hoher Beitrag zu übernehmen wäre. Die Möglichkeit und Bereitschaft für eine solche Kostenübernahme sei derzeit im Land eher eingeschränkt oder zumindest in Abhängigkeit von der Interessenlage diffus.“

Die heutige Diskussion hat gezeigt, dass die Interessenlage weiterhin diffus ist. Ich kann nicht erkennen, dass es zu dieser Einschätzung eine Änderung gibt - weder, was die Finanzlage von Bund und Ländern betrifft, noch dass es im Berufsstand eine einheitliche Auffassung dazu gäbe. Gegen eine Pflichtversicherung für alle Landwirte sprechen viele. Als freiwillige Versicherung ist sie für den Einzelnen nicht finanzierbar.

Damit wir wissen, wovon wir reden: Als Anschubfinanzierung wäre ein dreistelliger Millionenbetrag vorzufinanzieren. Betrachten wir die Finanzlage des Landes und der Betriebe, sehen wir sofort, dass dies gegenwärtig eine Utopie ist. Auch in anderen Bundesländern gibt es gegenwärtig keine Bereitschaft zur Einrichtung einer solchen Versicherung. Das ist jedenfalls die übereinstimmende Auffassung der agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie der CDU-Landtagsfraktionen.

Herr Minister Dr. Woidke wird das Maßnahmenpaket, das zur Minimierung der negativen Folgen aus den eingetretenen Schäden beitragen soll, sicherlich darlegen. Ich habe nichts dagegen, dass wir das Pro und das Kontra der Maßnahmen abwägen, obwohl zurzeit keine Diskussionsbasis erkennbar ist. Ich muss klar und deutlich sagen: Eine derartige Versicherung ist kein Mittel der Ursachenbekämpfung, sondern nur eine Reaktion auf die Ursachen.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Wie wollen Sie denn das Wetter bekämpfen?)

Das kann nur der unternehmerisch handelnde Landwirt, niemand anders.

(Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Das ist ein Irrtum!)

- Da täuschen Sie sich, Herr Vietze. Ich bin Landwirt und weiß, was Sache ist.

(Vietze [Die Linkspartei.PDS]: Arbeit unter freiem Himmel hat nicht nur etwas mit dem Unternehmer Bauer zu tun!)

Die Nichtlandwirte haben im Augenblick nicht das Wort, Herr Vietze.

(Erneuter Zuruf von der Linkspartei.PDS)

Das ist in Ordnung.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der PDS, in Ihrem Antrag gehen Sie mit einigen Begriffen sehr widersprüchlich um. Sie

stellen fest, dass bestimmte, gegen die Folgen der Trockenheit resistente Sorten nicht verfügbar sind. Postwendend lehnen Sie aber jede Gentechnik ab! Ob aus Unwissenheit oder Unkenntnis - ich weiß es nicht. Wir kommen dort aber nur mit Gentechnik weiter!

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der Linkspartei.PDS: Las- sen Sie uns den Antrag doch überweisen! - Dr. Klocksin [SPD]: Das ist doch Unsinn!)

- Herr Dr. Klocksin, die Unwissenheit lebe hoch, auch bei Ihnen!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ein anderes Problem: Sie sprachen die Wasserbewirtschaftung an. Was hat denn die Wasserbewirtschaftung im Land Brandenburg mit der Versicherung zu tun? Gar nichts. Sie hat mit Handeln im Sinne der Sache zu tun. Sie vergessen, dass der Landwirt selbst die entscheidende Grundlage legt, nämlich dadurch, wie er in Umsetzung einer guten fachlichen Praxis das Wasser im Boden hält.

Ich bin sehr viel im Lande herumgekommen und musste feststellen - was in den Schadensgebieten gravierend zutage trat -, dass ein stark geschädigter Schlag unmittelbar neben ungeschädigten steht. Daher muss man nachfragen, was denn die Ursachen dafür sind.

Es ist also kein Allheilmittel, alles in einer Art Rundum-Sorglos-Paket über die Versicherung zu regeln. Das fördert nicht die unternehmerische Initiative, die wir brauchen. Deshalb sage ich klar und deutlich, dass diese Versicherung für uns Landwirte keine Garantie ist, die Probleme in Zukunft zu meistern.

Herr Abgeordneter, ich kann leider keine Zwischenfrage zulassen, da Sie Ihre Redezeit bereits deutlich überschritten haben.

Entschuldigung, Herr Präsident. Ich hätte noch viel mehr dazu zu sagen, aber es soll nun reichen. - Vielen Dank.