Protocol of the Session on June 22, 2006

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Ich schlage vor, Sie fangen erst einmal bei sich selbst an. Wenn Sie und auch Ihr Umfeld sich zukünftig zu Gewaltfreiheit bekennen, würde solch ein Antrag, wie Sie ihn hier eingebracht haben, glaubhaft sein.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS - Beifall bei der DVU)

Für die Landesregierung erhält Minister Rupprecht das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die öffentliche Diskussion zur Gewalt an Schulen verläuft derzeit vor dem Hintergrund einzelner sehr dramatischer Vorfälle - wir kennen sie alle, weil sie durch die Medien gegangen sind -, die sich in verschiedenen Bundesländern in der jüngeren Vergangenheit ereignet haben. In der oft sehr emotional geführten öffentlichen Debatte werden häufig Verallgemeinerungen vorgenommen und auf dieser Basis schnelle Lösungen eingefordert. Tatsächliche Entwicklungen werden dabei zum Teil gar nicht beachtet oder mitunter auch falsch bewertet. So belegt beispielsweise eine empirische Untersuchung des Bundesverbandes der Unfallkassen aus dem Jahr 2005, dass die physische Gewalt an Schulen in den letzten zehn Jahren bundesweit abgenommen hat. Besonders deutlich ist der Rückgang nach dieser Studie das ist überraschend - an Hauptschulen.

Um hier nicht falsch verstanden zu werden: Ich will mit der Erwähnung dieser Studie keinen der aktuellen Fälle verharmlosen und natürlich muss auf jede Form von Gewalt an unseren Schulen konsequent reagiert bzw. alles darangesetzt werden, dass diese Gewalt gar nicht erst entstehen kann. Allerdings halte ich die Forderung nach immer neuen Untersuchungen - wie jetzt auch wieder in dem Antrag der Linkspartei.PDS zur Gewalt- und Mobbingsituation - für den falschen Weg.

Aufgrund der vielfältigen Ursachen und Motivlagen, die gewalttätigem Handeln zugrunde liegen, kann Schule nicht allein die notwendigen Korrekturen vornehmen. So spielen das Umfeld der Jugendlichen sowie das soziale Milieu eine außerordentlich wichtige Rolle. Gefordert sind neben der Schule daher alle Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft, insbesondere natürlich auch die Eltern.

Kurzfristige Aktionen werden zu keiner nachhaltigen Problemlösung führen. Es macht auch keinen Sinn, wenn man aus der Vielzahl der Handlungsfelder nur einen Bereich herausnimmt und diesen gesondert untersucht, um dann in der Position Handlungen zu planen und vorzunehmen. Vielmehr müssen

Kinder und Jugendliche mit all ihren Sorgen und Problemen ernst genommen werden.

Die Schulen haben jetzt schon viele Möglichkeiten, auf Gewalt angemessen zu reagieren. In diesem Prozess müssen sie auch künftig begleitet werden, das ist korrekt. Als Beispiel dafür möchte ich die hohe Nachfrage nach der Broschüre „Soziales Lernen“, die von der Landeskooperationsstelle Schule/Jugendhilfe erarbeitet wurde, nennen. Damit wird das Interesse der Lehrkräfte an neuen Handlungsansätzen deutlich. Die Schule blockt also nicht.

In der Broschüre werden die Themenbereiche Mobbing sowie Gewaltprävention in Konfliktkultur auf der theoretischen Ebene, vor allem aber auch umsetzungsbezogen dargestellt. Anhand von Praxismaterialien und verschiedenen Fragebögen werden den Schulen konkrete Handlungsansätze geboten. Das ist das, was sich die Kolleginnen und Kollegen wünschen.

Besonders hervorzuheben ist auch - trotz Ihrer Kritik, Herr Krause - die intensive Kooperation mit der Polizei. Ich habe hier in diesem Hause schon mehrmals darauf hingewiesen, dass ich das als Schulleiter noch am eigenen Leib und mit der eigenen Schule erlebt habe. Auf der Grundlage unseres gemeinsamen Runderlasses - das Ministerium des Innern und das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport haben am 10. September 2002 solch einen Erlass gemeinsam auf den Weg gebracht - ist es zu einer deutlich verbesserten Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der Polizei gekommen, natürlich mit dem Ziel, möglichst frühzeitig präventiv Einfluss auf das Entstehen von Kriminalität und Gewalt an der Schule zu nehmen und dabei auch das schulische Umfeld zu beachten.

Im September 2006 wird die Langzeituntersuchung „Jugend in Brandenburg 2005“ des Instituts für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung der Universität Potsdam veröffentlicht. Zu ersten Ergebnissen einer Vorabveröffentlichung habe ich hier bereits im Januar 2006 Stellung genommen. Diese Umfrage widerspricht dem allgemeinen Trend, dass es eine Zunahme von Gewaltbereitschaft gibt. Wir haben erfreut zur Kenntnis genommen, dass immer mehr Schüler Gewalt konsequent ablehnen und auch bereit sind, im Falle von Gewalt einzuschreiten und nicht wegzuschauen.

Lassen Sie uns nach Vorliegen der Ergebnisse der Studie im September darüber sprechen, welche weiteren gemeinsamen Schlussfolgerungen wir ziehen können, und nicht bereits jetzt eine neue Untersuchung auf den Weg bringen, die in Teilen der von mir genannten Untersuchung entspricht. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Der Abgeordnete Krause erhält noch einmal das Wort. - Er verzichtet. Damit können wir zur Abstimmung kommen.

Es liegt der Antrag in Drucksache 4/3021 vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Bundesratsinitiative für eine effektive Rußfilter-Förderung von Diesel-Kraftfahrzeugen

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/3022

Der Abgeordnete Schulze erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag unserer DVU-Fraktion ist prinzipiell nichts anderes als das zwingende Verlangen einer längst überfälligen Entscheidung. Meine Damen und Herren, durch Ihr heutiges Abstimmungsverhalten haben Sie die Möglichkeit, der Öffentlichkeit zu zeigen, wie ernst Sie die Umweltproblematik und die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger wirklich nehmen.

Uns allen ist die vom Feinstaub ausgehende gesundheitliche Gefährdung für die Menschen bekannt. Allein in Deutschland sterben laut einer EU-Studie jährlich rund 65 000 Menschen an durch Feinstaub verursachten Krankheiten. Mit anderen Worten - und das veranschaulicht den Ernst der Lage: Jedes Jahr stirbt eine Stadt wie Frankfurt (Oder) an den Folgen von Feinstaubpartikeln.

(Zuruf des Abgeordneten Baaske [SPD])

Man muss wissen, dass die Rußpartikel, die von Dieselfahrzeugen ausgestoßen werden, aufgrund ihrer Feinheit der gefährlichste Feinstaubbestandteil sind. Nicht ohne Grund sagt der Gesundheitsexperte - das sind nicht Sie, Herr Baaske, sondern Prof. Erich Wichmann vom Münchener Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit:

„Der eigentliche Übeltäter unter den Feinstauben sind die Dieselrußpartikel.“

Allein hieraus ist für jeden erkennbar, welche Bedeutung unserem Antrag zukommt. Mich jetzt weiter über technische Einzelheiten auszulassen würde den Umfang meiner Redezeit sprengen. Deshalb beschränkte ich mich auf die wesentlichen Fakten.

Seit Monaten wird in Fachkreisen die Problematik Rußpartikelfilter bei Dieselfahrzeugen diskutiert, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Obwohl der ADAC bereits im April des vergangenen Jahres eine Lösung parat hatte und nun erneut ein KfzSteuermodell für Nachrüster und Neuwagenkäufer vorschlägt, schieben Bund und Länder den Ball hin und her. Sagen wir es doch deutlich: Dieser ewige Hickhack zwischen Bund und Ländern ist ein gewissenloses Spiel mit der Gesundheit unserer Bürger.

(Beifall bei der DVU)

Unser vorliegender Antrag bedeutet grundsätzlich nichts anderes als eine Aufforderung an die Landesregierung, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Die brandenburgische Landes

regierung muss schnellstens in Verhandlungen mit den Landesregierungen der anderen Bundesländer treten und als Ergebnis eine Bundesratsinitiative erwirken.

Ziel einer solchen Initiative sollte die effektive staatliche Förderung des Einbaus von Rußpartikelfiltern in Dieselkraftfahrzeuge sein, wobei eine Benachteiligung der Halter bisheriger Dieselkraftfahrzeuge ohne entsprechenden Filter auszuschließen ist. Das heißt konkret: Die Kraftfahrzeugsteuer für Kraftfahrzeughalter, die ab dem 1. Januar 2006 nachträglich einen Rußpartikelfilter einbauen lassen, ist deutlich zu senken, ebenso die Kfz-Steuer für Erwerber neuer oder nachgerüsteter gebrauchter Dieselkraftfahrzeuge ab 1. Januar 2007. Gleichzeitig darf es keine steuerlichen Benachteiligungen der Halter insbesondere älterer Dieselkraftfahrzeuge, für die der Einbau nicht oder nur unter unzumutbaren Bedingungen möglich ist, geben. Das bedeutet, die Fahrzeughalter dürfen nicht mit einem Steueraufschlag bestraft werden.

Die bisher kursierenden Ideen der Bundesregierung wie einen 300-Euro-Zuschuss - ohne Steuervorteil - für den nachträglichen Einbau der Rußpartikelfilter und 40 Euro Steuerstrafe pro Jahr für nicht nachgerüstete Fahrzeuge sind aus wirtschaftlicher und sozialer Sicht schlichtweg unerträglich.

Mit dieser Auffassung befindet sich unsere DVU-Fraktion in guter und prominenter Gesellschaft, nämlich dem größten deutschen Automobilklub, dem ADAC.

Sie sehen, meine Damen und Herren, dem Antrag der DVUFraktion in seiner Bedeutung und Aktualität kann man nur zustimmen. Deshalb mein Appell an Sie: Tun Sie etwas für die Gesundheit unserer Menschen, tun Sie etwas für unsere Umwelt, tun Sie etwas für unsere Wirtschaft! Verweigern Sie dem vorliegenden Antrag nicht Ihre Zustimmung!

(Beifall bei der DVU)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Dombrowski das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion legt uns hier einen Antrag vor, der vor nicht einmal vier Wochen inhaltlich bereits Gegenstand einer Debatte im Deutschen Bundestag war. Grundlage der Debatte im Deutschen Bundestag war ein schlecht recherchierter Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Dass dieses Problem von der DVU-Fraktion noch einmal aufgegriffen wird, macht den Antrag vom Inhalt her nicht besser.

Die Diskussion um die Rußpartikelfilter ist vor etwa einem Jahr in der Feinstaubdebatte entbrannt. Auf der Grundlage der neuen EU-Grenzwerte für Emissionen wurde damals festgestellt, dass an einigen Standorten - Emissionsschutzmessstationen an innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen - die Grenzwerte überschritten worden sind. Mit der Einhaltung von Grenzwerten wird das Ziel verfolgt, dazu beizutragen, die Luftqualität kontinuierlich zu verbessern, um die menschliche Gesundheit zu schützen. Das ist ein sehr ehrenwertes und richtiges Anliegen. Jedoch ist es unzutreffend zu glauben, dass bis zur

34. Grenzüberschreitung am Tag die Luftqualität unbedenklich ist und bei der 35. Überschreitung die Situation lebensbedrohlich wird. Diese Werte realistisch zu betrachten und nicht in kurzfristigen Aktionismus zu verfallen hat nichts mit Verharmlosung zu tun.

Die Deutsche Gesellschaft für Lungenheilkunde sagt ganz deutlich, dass die natürlichen Quellen für Feinstaub die Bodenerosionen sanfter Vulkane, Pollen sowie Hausstaub quantitativ deutlich überwiegen. Mittlerweile haben wir auch Erfahrungen in Brandenburg gesammelt und einige Projekte, die vom Landesumweltamt federführend durchgeführt wurden, dokumentiert. Diese sind für die Kollegen einsehbar. Zumindest die Kollegen aus dem Umweltausschuss müssen diese kennen; denn darüber haben wir gesprochen. Zum Beispiel ist man dem Problem in der Stadt Nauen mit einer Ortsumfahrung und Ähnlichem mehr zu Leibe gerückt. Auch dort kann man gute Anhaltspunkte nehmen, wer die eigentlichen Verursacher und was die effektiven Maßnahmen sind, um Gesundheitsgefährdungen aufgrund von Feinstaubbelastungen zu vermeiden.

Schon heute besitzen mehr als 60 % aller neu zugelassenen Dieselfahrzeuge einen Partikelfilter. Die deutschen Automobilhersteller haben in einer Selbstverpflichtung zugesagt, ab dem Jahr 2008 alle Diesel-Pkws serienmäßig mit dem Partikelfilter auszustatten. Neue Diesel-Pkws sind ohne Filter kaum noch verkäuflich. Eine bessere Motivation für die Autohersteller, ihre Fahrzeuge auf den neuesten Stand zu bringen, kann es kaum geben.

Mit Ihrem Antrag beschränken Sie sich auf die steuerliche Seite des Problems. Herr Kollege, Sie haben zwar in Ihrer Begründung von Feinstaub und Gesundheit gesprochen, wenn Sie jedoch in Ihrem Antrag nachschauen, kommen nicht ein einziges Mal die Worte „Feinstaub“ oder „Gesundheit“ vor. Sie beschränken sich in Ihrem Antrag ausschließlich auf steuerliche Gründe und steuerliche Sachverhalte. Das ist einfach zu kurz gegriffen, weil sich die Problematik real, wissenschaftlich und in der Praxis völlig anders darstellt.

Wenn das so ist, sollte die gesamte Diskussion um das Thema Feinstaub und nicht nur um steuerliche Belange geführt werden. Das ist zwar auch ein Thema, diesbezüglich jedoch nicht das entscheidende.

Im Koalitionsvertrag der Regierungskoalitionen auf Bundesebene können Sie nachlesen, dass sich die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zum Ziel gesetzt haben, „die Nachrüstung von Kraftfahrzeugen mit Partikelfiltern aufkommensneutral steuerlich zu fördern und ab 2008 neue Kraftfahrzeuge ohne diesen Standard mit einem steuerlichen Malus zu belegen“.

Die Bundesregierung sucht nach einer möglichst einfachen Lösung, die Fahrzeuge so kennzeichnen zu lassen, dass Fahrzeuge mit geringem Schadstoffausstoß von Verkehrsbeschränkungen ausgenommen werden können und ein Anreiz zum Einsatz von Partikelfiltern gegeben wird.

Wir brauchen also nicht nur eine steuerpolitische Lösung der Frage, die zudem nichts von den Belastungen der Umwelt nehmen würde, sondern wir brauchen eine umweltpolitisch befriedigende Regelung, die finanzierbar, sozial verträglich und nachhaltig ist.

Aus diesen Gründen - da Ihrem Antrag ein solcher Ansatz nicht zu entnehmen ist - kann ich für die Koalitionsfraktionen nur die Ablehnung Ihres Antrags empfehlen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)