Protocol of the Session on May 17, 2006

(Schulze [SPD]: Und warum nicht?)

- Weil man weiterdenken und dann die Frage stellen müsste, ob nicht auch die Direktwahl der Bürgermeister, der Landtagsund der Bundestagskandidaten infrage zu stellen wäre.

(Schulze [SPD]: Das eine ist Exekutive, das andere Le- gislative; da gibt es doch einen kleinen Unterschied!)

- So kann man diese Person und das Amt nicht trennen. Ich komme noch einmal darauf zurück. Er hat auch andere Aufgaben, als nur der Leiter einer Behörde zu sein.

(Schulze [SPD]: Wieviel Prozent der Selbstverwaltung hat ein Landrat? 5 %?)

Wir sind hier nicht in der Fragestunde, Herr Abgeordneter Schulze.

Sie klauen mir die Zeit, Sie wollen doch nach Hause. Sie wollen zu den Handwerkern, habe ich auf dem Plan stehen.

Wenn der Wähler selbst stärker in Sachfragen und bei der Auswahl des politischen Personals mitwirken kann, dürfte er zumindest über einen längeren Zeitraum gegenüber Politik und Politikern nicht mehr so verdrossen sein, wie wir das heute erfahren. Bei direkt gewählten Landräten kommt es dann mehr auf die Persönlichkeit an und weniger auf die Parteizugehörigkeit.

Damit komme ich auf Ihr Thema. Sichere Landtagsposten gibt es dann allerdings nicht mehr. Auch in Mehrheitsparteien müssen Kandidaten gefunden werden, die der Wähler akzeptiert. Das heißt aber auch, dass der Landrat in Zukunft mehr als bisher politisch motivierter Gestalter im Landkreis sein muss und weniger reiner Chef einer Verwaltung oder Ordnungsbehörde.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

- Ja, deshalb sagen wir das ja auch und sind für Direktwahlen, weil wir das wahrscheinlich vielen sagen müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

- Ich bin dafür, dass das so ist.

Die möglicherweise gemeinsame Umsetzung der Direktwahl der Landräte mit der Einführung kürzerer Wahlperioden bei den Oberbürgermeistern und Landräten bedarf mit Sicherheit eines größeren logistischen und zeitlichen Aufwandes. Das steht zum einen unserem Antrag nicht entgegen, zum anderen hatten Sie genügend Zeit, sich auf dieses Thema vorzubereiten, denn Sie haben sich in der Koalitionsvereinbarung den Auftrag selbst gegeben. Nicht zuletzt: Wir reden seit 1993 über eine Direktwahl der Landräte.

Die CDU-Fraktion im Landtag Brandenburg hat bereits 2001 gefordert, die Direktwahl der Landräte einzuführen. Sie behauptete, es handele sich dabei um ureigenste Unionsprogrammatik. Im Sommer 2005 erneuerte sie ihre Forderung mit dem Ziel der Stärkung des Landrates gegenüber den Kreistagen und mehr Bürgernähe. Im Dezember des vergangenen Jahres ist der Antrag unserer Fraktion zur Einführung der Direktwahl der Landräte von Ihnen mit der Begründung abgelehnt worden, dass alles mit der Novellierung der Kommunalverfassung geregelt werden solle. So recht scheint die CDU-Fraktion ihrem größeren Partner zumindest in dieser Frage jedoch nicht zu trauen. Wie ist sonst zu erklären, dass ausgerechnet die CDU, insbesondere Mitglieder der Fraktion, unmittelbar nach diesem Termin eine Volksinitiative zur Einführung der Direktwahl der Landräte bereits ab 2008 gestartet hat?

Wer die unterschiedlichen Standpunkte der Koalitionspartner in den letzten Wochen zur Kenntnis genommen hat, muss ernsthaft Zweifel bekommen, ob es bei diesem Thema überhaupt noch zu einer Gemeinsamkeit kommen kann.

Sie müssen sich entscheiden, meine sehr geehrten Damen und Herren. Entweder stehen Sie zu Ihren Überzeugungen, die Sie den Bürgern auf vielen öffentlichen Veranstaltungen im Lande immer wieder kundtun, und stimmen für unseren Antrag, oder Sie geraten als kleiner Koalitionspartner in Erklärungsnöte, weil Sie entgegen eigener Überzeugung an fragwürdigen Beschlüssen festhalten, auf keinen Fall mit uns ein Thema gemeinsam zu bestimmen.

(Zuruf von Minister Schönbohm)

- Ich denke dabei an Sie und auch daran, dass alles besser funktioniert.

Die Direktwahl der Landräte zeitgleich mit der Novellierung der Kommunalverfassung einzuführen ist der beste und, wie ich finde, einzig richtige Weg, um diesen so wichtigen Punkt ohne Gesichtsverlust durchzusetzen. Wenn die SPD-Fraktion jetzt auf Zeit spielt und, wie zu lesen war, das Jahr 2010 als mögliches Jahr einer Gesetzesänderung benennen will, könnte sie sich dem Verdacht aussetzen, nur auf die Sicherung der Landratsposten für Mitglieder ihrer Partei hinzuarbeiten. Der bessere, ehrlichere Weg wäre, mit guter Politik und guten Kandidaten bereits im Wahljahr 2009 vor die Wählerinnen und Wähler zu treten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Heute ist der Sohn meiner Stadt schon mindestens dreimal mit dem Satz „Am Mute hängt der Erfolg“ zitiert worden; er war auch auf der gestrigen Geburtstagsfeier des ehemaligen Ministerpräsidenten zu hören. Sie ersparten sich viel Zeit bei den Volksinitiativen, wenn Sie den Mut hätten. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Der Abgeordnete Schippel spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Theel, Sie dürfen die Koalition im Landtag nicht mit einzelnen Kreisverbänden der Parteien verwechseln. Wir verwechseln ja auch nicht die Opposition im Landtag mit einzelnen Fraktionen in den Kreistagen.

Was Direktwahl, höhere Wahlbeteiligung, mehr Akzeptanz betrifft, so komme ich in meinem Vortrag darauf zurück. Sie werden anhand von Zahlen erfahren, wie es in Wirklichkeit aussieht.

Was den Landrat als politischen Gestalter betrifft, so ist er in erster Linie Leiter einer unteren Behörde und somit zu 80 % Verwaltungschef. Es steht dem Landrat nicht zu, mit dem berühmten Argument Bürgernähe die Bauordnung gegebenenfalls nach seinem Gutdünken auszulegen und zum einen eine solche und zum anderen eine andere Entscheidung zu treffen. Es ist, mit Verlaub gesagt, ein Märchen, das da erzählt wird.

Was die Sicherung der Landratswahl für die SPD betrifft, so haben wir es, Herr Theel, gerade durch. Im OSL-Kreis wurde ein CDU-Landrat in indirekter Wahl gewählt.

(Beifall der Abgeordneten Schier [CDU])

- Ich verstehe Ihre Begeisterung und sage an dieser Stelle: Hätte es dort unter der Prämisse,

(Genau! bei der SPD)

dass die Anforderungen an den Landrat, die der Kreistag per Beschluss selbst aufgestellt hat, erfüllt werden müssen, eine direkte Wahl gegeben, wäre dieser nie gewählt worden.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Über Vor- und Nachteile einer Direktwahl der Landräte kann man unterschiedlicher Meinung sein. Dies hat sich bereits in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU abgezeichnet und findet sich letzten Endes in der Formulierung des Koalitionsvertrags wieder.

Dort wurde ein Kompromiss vereinbart, der lautet: In der jetzigen Legislaturperiode, also bis 2009, sind die Voraussetzungen zu schaffen, um in der kommenden Legislaturperiode die Direktwahl der Landräte zu ermöglichen. - Wir stehen zu diesem Vertrag. Nach dem 01.01.2010 wird es die Direktwahl geben.

Es wird behauptet, dass durch die Direktwahl der Landräte die Demokratie und die Bürgernähe gestärkt werden.

Für diese Argumente finden sich genauso viele Gegenargumente. Ich habe einige genannt.

Wir als SPD-Fraktion sehen eine andere Gefahr, wenn es um Demokratie geht: Das ist die Wahlbeteiligung. Bezüglich Ihrer Argumente von mehr Wahlbeteiligung, von mehr Akzeptanz nenne ich Ihnen einige Zahlen: So lag die Wahlbeteiligung bei einer direkten Landratswahl in Schleswig-Holstein im Landkreis Dittmarschen bei 12,3 %, im Landkreis Schleswig-Flensburg bei 23,2 %, im Landkreis Jerichower Land bei 28,1 %, im Landkreis Bad Doberan bei 25,8 % und im Landkreis Mecklenburg bei 23,8 %. Wie hoch wollen Sie die Quoren eigentlich setzen, um dann Demokratie zu beweisen?

(Frau Osten [Die Linkspartei.PDS]: Daran ändern Sie aber nichts mit einer Pause!)

Den Parteien entstehen Kosten; es ist ein zusätzlicher Wahltermin. Parteien werden Landräte nominieren, Herr Theel, und nicht einzelne Bürgerinitiativen. Eine Landratswahl im Saarland kostet eine Partei ca. 250 000 Euro.

Gestatten Sie ein Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Herr Dr. Scharfenberg, bitte.

Herr Schippel, Sie nennen voller Inbrunst zahlreiche Gründe, die eigentlich gegen die Direktwahl der Landräte sprechen. Warum wollen Sie als Koalitionspartner der CDU dann die Direktwahl der Landräte?

Besser als heute früh der Ministerpräsident kann ich Ihnen das Wesen eines Kompromisses nicht erklären. Vielleicht lesen Sie dort noch einmal nach.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe Ihnen gesagt, wir sind einen Kompromiss eingegangen. Das ist das Wesen einer Koalition.

Zwei Kommunalwahltermine werden zwar sicher nicht den absoluten Stillstand der Rechtspflege auf kommunaler Ebene bedeuten, aber mit Sicherheit zur Verzögerung von vielleicht wichtigen - gegebenenfalls unpopulären - und notwendigen Entscheidungen führen. Wir sollten also im Zusammenhang mit der Änderung des Kommunalwahlrechts gleichzeitig über die Synchronisation der Kommunalwahltermine nachdenken.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann mir an der Stelle das bayerische Modell vorstellen, bei dem sowohl der Hauptverwaltungsbeamte und die kommunale Vertretung am gleichen Tag für sechs Jahre gewählt werden.