Die Aussprache wird mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion eröffnet. Herr Abgeordneter Jürgens, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Verhältnis von Staat und Hochschulen war schon immer ein Schwerpunkt politischer und wissenschaftlicher Debatten. Gerade hinsichtlich der herausgehobenen Position von Hochschulen gab und gibt es besondere Anforderungen an die Steuerung dieser Einrichtungen. Seit knapp zwei Jahrzehnten fallen immer öfter die Stichworte Hochschulsteuerung, Hochschulmanagement und Autonomie. Bekannte Institute wie das CHE, die HIS GmbH oder das Institut für Hochschulforschung in Wittenberg beschäftigen eigene Forscherteams nur für diese Themen. Nicht mehr der direkte Eingriff des Staates in die Hochschulen, sondern die gezielte Steuerung bei gleichzeitiger Stärkung der Autonomie ist nun das Credo von Wissenschaftspolitik. Dieser Weg ist richtig, und das sehen sicher alle Fraktionen hier so.
Wenn über Hochschulsteuerung geredet wird, sind drei Instrumente zentrale Bestandteile: erstens die Globalhaushalte im Zusammenhang mit leistungsbezogener Mittelvergabe, zweitens Hochschulpakte bzw. Hochschulverträge und drittens Zielvereinbarungen. Alle drei Instrumente werden in Brandenburg genutzt. Das zeigt nur, auf welch fortschrittlichem Weg wir uns befinden.
„Die Zielvereinbarung ist Ausdruck des neuen Verhältnisses von Staat und Hochschulen. Sie bindet Ministerium und Hochschule an die vereinbarten Ziele und bietet somit beiden Seiten eine zuverlässige Planungsgrundlage für die Hochschulentwicklung.“
Die Zielvereinbarungen zwischen der Landesregierung und den Hochschulen wurden erstmals für den Zeitraum 2004 bis 2006 abgeschlossen. Jede Hochschule kann demnach für speziell ausgehandelte Schwerpunkte zusätzliche Mittel erhalten. Eine abschließende Bewertung steht noch aus. Aber soweit ich von den Hochschulen gehört habe und soweit ich es selbst einschätzen kann, sind die Zielvereinbarungen ein anerkanntes und gut funktionierendes Instrument.
Auch Frau Ministerin Wanka spricht in der Antwort auf eine Mündliche Anfrage darüber, dass sowohl die Hochschulen als auch das Ministerium den laufenden Prozess evaluieren und dass die Zielerreichung bislang positiv zu bewerten ist. Weiter heißt es in der Antwort:
„Die positiven Merkmale betreffen sowohl die Inhalte, nämlich die Vorhaben, die der Profil- und Strukturbildung dienen, aber auch das Verfahren.“
Die Bedeutung solcher Vereinbarungen wird sicherlich noch zunehmen. Zumal wenn wir unsere Hochschulen noch stärker in die Autonomie entlassen wollen, wird die gezielte Steuerung noch wichtiger werden. Derzeit steht das MWFK mit den Hochschulen in Abstimmung über die Zielvereinbarungen für den Zeitraum 2007 bis 2009. Wir als Parlament sollten uns hieran aktiv beteiligen. Ich betone „beteiligen“, weil natürlich weiterhin das Aushandeln und der Prozess der Erstellung der Zielvereinbarungen zwischen den Hochschulen und dem MWFK geschehen müssen.
Indem wir aber hier im Landtag über die Vereinbarungen beraten, unterstreichen wir die herausgehobene Bedeutung der Zielvereinbarungen. Sie sind ein wichtiges Instrument für die Entwicklung und Steuerung unserer Hochschulen. Da sollten wir uns als Parlamentarier einmischen. Stimmen Sie unserem Antrag zu! - Vielen Dank.
Wir lehnen diesen Antrag ab, weil wir, wie Herr Jürgens ja gesagt hat, meinen, dass die Aushandlung des Abschlusses von Zielvereinbarungen zwischen den Hochschulen und der Landesregierung Sache des Wissenschaftsministeriums ist. Es ist sicherlich richtig, dass dieser Prozess von den Fachpolitikern begleitet wird. Das wird im Ausschuss geschehen. Das ist auch der bessere Platz. Hier im Plenum ist wenig Raum für eine Detaildebatte im Bereich der Feinsteuerung der Hochschulen. Es hält niemand Herrn Jürgens davon ab, dies dort zur Sprache zu bringen. Bis jetzt haben wir es im Wissenschaftsausschuss auch immer so gehalten: Wenn Gesprächsbedarf besteht, wird dies auch wahrgenommen. Dann gibt es die Möglichkeit, Nachfragen zu stellen. Dazu ist es aber nicht notwendig, dass wir einen Antrag beschließen. Der Rest ist Sache des zuständigen Ministeriums. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung soll aufgefordert werden, die Zielvereinbarung des Landes mit den Hochschulen für die Jahre 2007 bis 2009 vor Abschluss und Unterzeichnung im Plenum auf Grundlage einer schriftlichen Berichterstattung zu behandeln.
Die DVU-Fraktion betrachtet den im vorliegenden Antrag dargelegten Zeitpunkt zur Behandlung im Plenum als unzweckmäßig. Vor der Unterzeichnung erfolgte eine langwierige individuelle Aushandlung zwischen dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur und den Hochschulen über die Ausgestaltung der Zielvereinbarungen. Die Hochschulen haben sich mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur auf eine gemeinsame Zielvereinbarung verständigt.
Lassen Sie uns kritisch beobachten, wie sich die neuen Freiheiten der Hochschulen mittel- und langfristig auf deren Entwicklung auswirken werden. Nicht umsonst warnen Experten vor einer direkten Involvierung des Parlaments. Denn schließlich stellen die Zielvereinbarungen einen Ersatz für die Steuerung über Regulierung und Erlasse dar. Daran war das Parlament auch bisher nicht beteiligt.
Die DVU-Fraktion hält es für zweckmäßig, im Rahmen der jährlichen Berichterstattung der Hochschulen anschließend im
Fachausschuss über den jeweiligen Ergebnisstand zu berichten. Hier kann gegebenenfalls noch rechtzeitig Einfluss genommen und gegengesteuert werden. Die DVU-Fraktion wird den vorliegenden Antrag der Linkspartei.PDS ablehnen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch unsere Fraktion hält diesen Antrag für überflüssig. Wenn Sie den Haushaltsplan des Landes Brandenburg aufschlagen und in Titelgruppe 70 des Kapitels Wissenschaft, Forschung und Kultur schauen, sehen Sie, dass für Zielvereinbarungen zur Profilund Strukturbildung sowie für strukturelle Innovationen, die zwischen dem Ministerium und den Hochschulen geschlossen werden, ein relativ geringer Betrag zur Verfügung gestellt wird; in den Jahren 2004 und 2005 waren es jeweils knapp 4,5 Millionen Euro. Mittlerweile ist er um 1 Million Euro gestiegen. Die Mittel gehören dorthin, wo die beiden Ebenen, die beiden Partner sind, nämlich die Landesregierung als Exekutive und die jeweiligen Hochschulen. Wir sollten in dieser Hinsicht die Kirche wirklich im Dorf lassen.
Zielvereinbarungen werden zwischen wenigen Partnern geschlossen. Der Leistungsgedanke soll gestärkt und über intensive Kontakte eine bessere gemeinsame Verwaltung ausgebaut werden. Die Schwerpunkte, die wir im Parlament gesetzlich begleitet und mit vorbereitet haben, umfassen Qualitätssicherung und Verbesserungen in Lehre und Studium, die Erhöhung der Forschungskompetenz - ein sehr wichtiger Punkt - sowie die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Wirtschaft. Damit können auch hochschulübergreifende Ziele verfolgt werden. All diese Punkte können zwischen dem Wissenschaftsministerium und den Hochschulen selbstständig vereinbart werden. Um auf der prozentualen Ebene zu argumentieren: 75 % der Mittel werden nach klaren Indikatoren, zum Beispiel Regelstudienzeit und Zahl der Professoren, an die Hochschulen verteilt. 20 % werden nach Leistungsindikatoren vergeben. 3 % stehen für Sondertatbestände zur Verfügung. Nur 2 % dienen den Zielvereinbarungen. Das ist eine feine und effektive Stellschraube, mit der man Hochschulen und Universitäten besonders motivieren kann. Wir wollen aber in die Hochschulautonomie nicht eingreifen und streben eine effiziente Ausgestaltung an. Daher kann diese Sache vom Ministerium mit der jeweiligen Hochschule geregelt werden. Der Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur ist das richtige Gremium, um über diesen kleinen und feinen, aber nicht unwesentlichen Bereich zu reden und eventuell nachzusteuern oder unterschiedliche Schwerpunkte anzuregen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jürgens sprach an, dass es in den Bundesländern jeweils verschiedene Methoden zur Steuerung von Hochschulen gibt. Auch der Begriff „Zielvereinbarung“ wird unterschiedlich benutzt. Wir unterscheiden uns insoweit deutlich. Ich will unseren Ansatz charakterisieren.
In einigen Ländern werden Zielvereinbarungen über den gesamten Hochschuletat abgeschlossen. Das Ministerium verhandelt mit der Hochschule und geht dabei von der Position aus: Für dieses oder jenes Projekt gibt es die 20 Millionen Euro. Dann erfolgen Zielcharakterisierung und Abrechnung. Wir in Brandenburg verfahren anders und verhandeln mit dem Finanzminister im Rahmen der Haushaltsaufstellung über den Gesamtetat für die Hochschulen; er bewegt sich in der Größenordnung von 220 Millionen Euro. 98 % davon, also ein riesiger Anteil, werden nach klar messbaren Kriterien vergeben, zum Beispiel Zahl der Studenten und der Absolventen. Es handelt sich um wenige, klar messbare Leistungsindikatoren. 2 % werden für Zielvereinbarungen verwendet. Das ist so zu verstehen, dass die Hochschule sich um das Geld bewerben kann, wenn sie etwas Besonderes vorhat, zum Beispiel die Einrichtung eines neuen Studiengangs, die Etablierung eines neuen Forschungsfeldes oder die Gewinnung von Nachwuchsgruppen. Es geht aber auch um Wünsche von unserer Seite an die Hochschulen.
Wie kommt man zu Zielvereinbarungen? Sie entstehen in einem dialogischen Prozess. Zunächst ist zu klären, welche Punkte am wichtigsten sind, zum Beispiel die Bruttostudierquote. In den Hochschulen kann darüber diskutiert werden, ob einer oder mehrere dieser Punkte oder aber etwas ganz anderes realisiert werden soll. Auf dieser Grundlage unterbreitet uns die Hochschule einen Vorschlag, über den verhandelt wird. Die Diskussion in den Hochschulen ist notwendig, weil die zur Verfügung stehenden Summen begrenzt sind. Die Universität Potsdam muss beispielsweise entscheiden, ob die Mittel für die Existenzgründerbefähigung oder für die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät eingesetzt werden sollen. Das ist ein intensiver Dialog. Er ist erfolgreich verlaufen und wird jetzt evaluiert, was die Zielvereinbarung der letzten drei Jahre anbetrifft.
Wir haben mit den Hochschulen über eine mögliche Veränderung des Verfahrens diskutiert, wenn es um die kommenden drei Jahre geht. Es gibt die Bereitschaft, wie gehabt vorzugehen. Das Verfahren ist also erfolgreich. Ich denke, das ist eine typische exekutive Aufgabe, die in der Ressorthoheit meines Ministeriums liegt. Wir informieren im Ausschuss im Detail. Ich gehe davon aus, dass eine solche Information für das Landtagsplenum zu kleinteilig wäre. Die Entscheidungskompetenz würde ich an dieser Stelle eher bei uns sehen.
Herr Jürgens, Ihr Bedürfnis, Genaues zu erfahren, haben wir bis jetzt befriedigt. Ich habe fortlaufend im Ausschuss berichtet. Ihnen liegt alles vor. Sie werden auch über die Evaluation informiert. Dieser Punkt gehört in seiner Detailliertheit aber nicht in das Plenum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin noch nicht ganz befriedigt. Vor allem bin ich enttäuscht, auch von Ihnen, Frau Geywitz. Zum einen bin ich enttäuscht, weil Sie unseren Antrag ablehnen, zum anderen darüber, wie Sie die Rolle des Plenums herabwürdigen. Ich habe die Diskussion von heute Vormittag noch gut im Ohr. Zur Funktion des Parlaments hat Herr Schulze von der SPD in der Debatte zu den Diäten gesagt: Wir sollen die Regierung kontrollieren, und wir sollen mitregieren. - Herr Baaske hat in der Debatte über die Föderalismusreform ausgeführt: Wir wollen mehr Verantwortung übernehmen. Landtage wollen wir stärken. - Herr Platzeck hat in derselben Debatte gesagt: Wir sind ein Parlament der klugen Leute und können mehr Verantwortung ertragen.
Indem Sie unseren Antrag ablehnen, würdigen Sie das Parlament herab. Einerseits reden Sie von der wichtigen Rolle des Landtages. Andererseits lehnen Sie eine wirkliche Aufwertung des Hohen Hauses ab.
Mit Zustimmung von SPD und CDU - jetzt kommen wir zum Kernpunkt - findet im Plenum und damit in der Öffentlichkeit keine Debatte zu Planung und Entwicklung unserer Hochschulen statt. War es in der letzten Legislatur beispielsweise noch Usus, über die Hochschulentwicklungsplanung im Landtagsplenum zu diskutieren, wird dies nun in den Ausschuss verlagert. Frau Kollegin Geywitz, Sie werden mir Recht geben, dass im Ausschuss zwar eine fachgerechte, aber eine nicht öffentliche Debatte stattfindet. Auch über die Zielvereinbarungen werden wir nicht öffentlich debattieren. Das wird dem Anliegen, das wir mit den Zielvereinbarungen verfolgen, nicht gerecht. Ich finde das enttäuschend. Sie von SPD und CDU lassen es zu, dass Planung und Entwicklung in einem der Kernbereiche der Landespolitik und in einem der Politikschwerpunkte der Landesregierung am Parlamentsplenum vorbei geschehen. Andere Länder sind insoweit wesentlich weiter. Das oft so gescholtene MecklenburgVorpommern beispielsweise diskutiert über die Zielvereinbarungen nicht nur im Landtag. Der Landtag beschließt die Zielvereinbarungen sogar. Er hat sich das Heft des Handelns nicht aus der Hand nehmen lassen. Ich wünschte mir hier etwas mehr Mut zu einem starken Parlament, zu einem starken Plenum. - Vielen Dank.
Die Debatte zu Tagesordnungspunkt 16 ist damit beendet. Wer dem Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS in der Drucksache 4/2898 seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist der Antrag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden. Tagesordnungspunkt 16 ist damit geschlossen.
Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. Sie tauschen wieder. Wunderbar! Wer kommt denn? - Herr Abgeordneter Theel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt kommt als letzter Punkt die Einführung der Direktwahl der Landräte. Darüber ist in letzter Zeit so viel geredet worden wie all die Jahre zuvor nicht. Volksinitiativen und Unterschriftenaktionen sind selbst aus den Reihen der Koalition angekündigt. Das ist doch schon etwas.
Ihnen allen ist bekannt, dass in der Bundesrepublik Deutschland, außer in Brandenburg, nur noch das Bundesland Baden-Württemberg seine Landräte nicht direkt wählt. Landräte bekleiden ein wichtiges Amt, sie sind in der Öffentlichkeit überall sichtbar, genießen hohes Ansehen. All das ist nicht neu.
Ein Hauptargument dafür, die Direktwahl der Landräte einzuführen, ist die Verstärkung des direkt-demokratischen Elements. Dieses könnte tatsächlich gegen allgemeine Politverdrossenheit wirken. Direktwahlen der Landräte könnten durchaus eine höhere Wahlbeteiligung bewirken und die Identifikation der Wählerinnen und Wähler mit ihrer Region, ihrem Kreis, ihrem Landrat erhöhen. Die momentan mangelnde Wahlbeteiligung kann und darf kein Argument gegen die Einführung der Direktwahl sein.