Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann verstehen, dass Sie, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, nicht locker lassen. Ich sage es noch einmal: Wir sind für Nachbesserungen und werden alles, was in unserer Macht steht, für unsere Bürgerinnen und Bürger tun. Wir haben dies im Koalitionsvertrag so festgeschrieben und Sie können uns daran auch messen. Aber Sie wissen genauso gut wie alle anderen Parteien, dass Hartz IV notwendig ist, dass diese Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Sie wissen, dass die beiden nebeneinander bestehenden Fürsorgesysteme nicht mehr lebensfähig waren. Was ist die Alternative dazu? Eine Alternative dazu ist von Ihrer Seite nicht deutlich geworden. Eine solche ist im Wahlkampf nicht benannt worden und wurde auch in Ihrem - hoffentlich letzten - Antrag zu Hartz IV nicht genannt.
Wie war denn die Situation, die wir vorgefunden haben? Mit der anhaltend steigenden Arbeitslosigkeit wuchs auch die Zahl der Leistungsempfänger. Wir hatten Mitte 1990 ca. 55 000 Arbeitslosenhilfeempfänger in Brandenburg. Im Jahr 2003 stieg diese Zahl fast auf das Dreifache und lag bei 148 000. Auch die Zahl der Sozialhilfeempfänger verdoppelte sich fast: von rund 40 000 im Jahr 1994 auf ca. 76 000 im Jahr 2003. Diese Entwicklung ist nicht vom Himmel gefallen, sie war absehbar. Man musste schon mit Scheuklappen herumlaufen, um das nicht zu sehen, zumal im Osten die strukturellen und arbeitsmarktpolitischen Probleme viel größer als im Westen waren. Die Bundesregierung strebte dann die Vereinheitlichung der Leistungen an, was ja auch ein Stück Gerechtigkeit bedeutet; denn für die gleiche Lebenslage gibt es nun auch das Gleiche an Leistungen, alles aus einer Hand. Das ist nicht nur für die Staatskasse effizienter, zum Beispiel durch den Abbau der bestehenden Doppelstrukturen, sondern ist auch für den einzelnen Bürger freundlicher und transparenter.
Ich meine, Hartz IV wird von vielen noch missverstanden. Es ist keine sozialpolitische Reform; die Grundsicherung orientiert sich an der Sozialhilfe. Vielmehr ist Hartz IV eine arbeitsmarktpolitische Reform und von diesem Anspruch darf man diese Reform auch nicht entlassen. Es geht nicht darum, langzeitarbeitslose Menschen irgendwo zu „parken“, sondern darum, sie fit zu halten oder fit zu machen für den Arbeitsmarkt.
Man kann es nicht oft genug sagen: Es geht um ein ausgewogenes Fördern und Fordern. Das muss auf allen Seiten - von den Arbeitsagenturen, den Kommunen und den betroffenen Menschen - aktiv verwirklicht werden. Deshalb erwarte ich vom neuen Leistungssystem, dass Langzeitarbeitslose durch ein individuelles Fallmanagement besser betreut, schneller und passgenauer vermittelt werden. Das hat etwas mit dem angestrebten Betreuungsschlüssel zu tun, nämlich von 1 : 1 150 auf 1 : 75 herunterzugehen. Denn nur wenn der Vermittler erkennt, das ist sozusagen sein Arbeitsloser, um den er sich kümmern muss, läuft das Erfolg versprechend.
Für die Eingliederungsleistungen stellt uns der Bund für 2005 rund 381 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist mehr Geld, als für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bisher verfügbar war.
Alles in allem können damit mehr Menschen durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen begleitet werden. Das Ziel ist klar: Hilfsbedürftigkeit soll so schnell wie möglich durch Vermittlung in Arbeit verringert oder beendet werden. Ich sage es noch einmal: Dieser Anspruch muss aufrecht erhalten werden. Ebenso klar ist auch: Erfolg hat die Reform nur dann, wenn sie von einer aktiven Wirtschafts- und Strukturpolitik begleitet wird. Auch dafür steht der Koalitionsvertrag: dass bestehende Arbeitsplätze gesichert und nach Möglichkeit neue geschaffen werden.
Die Kommunen werden bundesweit durch Hartz IV um 2,5 Milliarden Euro entlastet. Auch das schafft schließlich Spielräume für regionale Wirtschaftsaufträge und damit für Beschäftigung. Einige Regelungen halten wir für änderungsbedürftig. Das ist im Koalitionsvertrag verankert. Sie brauchen uns nicht immer wieder zu sagen, worum wir uns zu kümmern haben. Wir haben es dargelegt und werden es auch umsetzen.
Nicht alles aber, was Sie fordern, ist auch durchsetzbar. Sie wollen die Regelsätze mit der Begründung, die jetzigen seien nicht armutsfest, auf 400 Euro heraufsetzen. Zum Beispiel ist das eine Illusion, denn die Festlegung der Regelleistungen basiert auf statistisch ermittelten tatsächlichen Ausgaben von Haushalten in unteren Einkommensgruppen. Sie berücksichtigt den Stand und die Entwicklung von Nettoeinnahmen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten. Wie Sie wissen, wird die Leistungshöhe regelmäßig überprüft. Das ist in § 20 SGB II vorgesehen.
Auch die Freiwilligkeit der Aufnahme von Arbeitsgelegenheiten bereitet Ihnen Sorge. Ich kann Ihnen versichern: Es wird kein Professor zum Straßenkehren, kein Lehrer zum Toilettenputzen gepresst; denn in aller Regel wird diese Eingliederungsvereinbarung nur mit Zustimmung des Hilfebedürftigen in einem kooperativen Gespräch zwischen Fallmanager und Betroffenen, und zwar möglichst einvernehmlich, geschlossen werden.
Die Landesregierung hat sich, wie ich heute Morgen bereits dargelegt habe, auch mit den Arbeitsgelegenheiten eingehend beschäftigt. Damit sollen reguläre Arbeitsverhältnisse nicht bedroht werden. Aber auch hier gilt: Es muss vor Ort entschieden und auch begleitet werden, dass der regionale Arbeitsmarkt durch diese Hartz-IV-Beschäftigungsverhältnisse keine Nachteile erfährt.
Alles in allem: Wir werden uns um die Menschen in unserem Lande kümmern. Wir brauchen dazu diesen Antrag der PDS in keinem Fall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Frau Minister! Wir sind in einer sachlich-fachlichen Debatte. Die SPD-Sprecherin war gestern und heute froh darüber, dass der Wahlkampf zum Thema Hartz IV hinter Ihnen liegt. Das kann
ich verstehen. Ich befürchte nur, dass absichtsvolle Missverständnisse in dieser Debatte, die hier heute auch zum Ausdruck kommen, offensichtlich nicht nur dem Tragen einer rosaroten Brille geschuldet sind, sondern hier schon zu Scheuklappen gegriffen wurde. Lassen Sie uns doch wirklich zum Thema zurückkommen!
Die Auswirkungen von Hartz IV liegen ganz klar noch vor uns. Sie sind für die Betroffenen unangenehm und sie werfen ihre Schatten auf den Binnenmarkt voraus. Als Koalitionäre sind Sie nun im zweiten Regierungsanlauf, Sie haben die Verantwortung und Sie könnten nun wenigstens die von Ihnen versprochenen Korrekturen ermöglichen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger will meine Fraktion mit dem vorliegenden Antrag erreichen.
Frau Minister Ziegler, Sie haben uns heute Morgen bestätigt, dass Sie in der Frage der Bundesratsinitiative noch nicht tätig geworden sind. Hätten Sie gesagt: „Wir haben diese und jene Aktivitäten eingeleitet“, hätten wir unseren Antrag glatt zurückgezogen.
Hartz IV - das steht im Koalitionsvertrag - soll verändert werden. Es soll eine Angleichung der Bedarfssätze und eine flexible Stichtagsregelung zum Umgang mit Schonvermögen für Menschen über 55 geben. Sie haben es in der Hand! Minister Schönbohm hat vor einigen Jahren eine wunderbare Karte herausgegeben - sie hing bei mir im Büro - auf der stand: „Nicht reden, handeln!“ Nun handeln Sie, Sie haben es in der Hand!
Um zur Aufklärung beizutragen, Folgendes: Es wird immer wieder argumentiert, Hartz IV sei nicht Armut per Gesetz. Jede Volkswirtin wird wissen, dass Armut in diesem Land nach der EU-Richtlinie definiert wird. Dafür gibt es ein Nettoäquivalenzeinkommen. Alle von Hartz IV Betroffenen fallen vom zweiten und spätestens vom dritten Jahr an und die Betroffenen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, fallen sofort unter die Armutsgrenze.
- Das sind Zahlen, die das Bundeswirtschaftsministerium und die Gewerkschaften errechnet haben; das sind keine PDS-Parolen oder Lügen.
dass Sie einfach wider besseres Wissen handeln. Sie wissen das alles und einige von Ihnen waren vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls noch gegen Hartz I bis III. Nun sind Sie nicht mehr absolut in der Kritik von links uns gegenüber, sondern absolut in der Zustimmung zu Hartz IV von rechts.
Das ist gewöhnungsbedürftig. Aber ich sage Ihnen, wenn Herr Baaske und auch Sie Alternativen nicht zur Kenntnis nehmen,
aber es gibt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die vor einem Jahr in der „Frankfurter Rundschau“ dazu aufgerufen haben, den Sozialstaat zu reformieren, die befürchteten, Hartz IV werde verheerende Auswirkungen haben,
Es ist wirklich mein letzter Satz. - Werfen Sie nicht ausgerechnet der Fraktion, die von Anfang an klar gegen Hartz IV war, Populismus vor.