Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Auffassung des Kollegen Holzschuher, die er in der 1. Lesung im Januar vertreten hat, taugte der vorliegende Beratungsgegenstand nicht zu einer streitbaren Diskussion. Nun ja, die Anhörung im Rechtsausschuss am 23. März 2006 zeichnete ein durchaus anderes, kontroverses, natürlich auch interessengeleitetes Bild zu einer durchaus nicht so simplen Angelegenheit.
Meine Kritik in der 1. Lesung ist vielleicht für Sie nicht nachvollziehbar, weil Sie sich nicht auf eine ergebnisoffene Diskussion und Argumente meiner Fraktion einlassen möchten. Unterschätzen Sie jedoch bitte nicht die Wirkung Ihrer Entscheidungen außerhalb dieses Raumes!
Also möchte ich Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, den Stoff für Ihren Redebeitrag geben, ihn auszufül
len. Ich möchte es freundlich formulieren: Es gibt nicht wenige in unserem Land, die erwarten, dass sich die Landesregierung im Rahmen der ansonsten halbherzigen Vorbereitungen der Hochzeit mit Berlin für die Schaffung von gemeinsamen Justizeinrichtungen in Brandenburg einsetzt. Dies gilt umso mehr, da gerade Amtsgerichte in Brandenburg von einer Schließung bedroht sind. Doch Fehlanzeige! Das gemeinsame Justizprüfungsamt steht in Berlin und das gemeinsame Mahngericht soll nach Ihrem Willen auch dorthin ziehen.
Entweder ist die Brandenburger Braut blind vor Liebe oder unerfahren in der Kunst der Verhandlung. Das zeigt der Staatsvertrag im Wortlaut. Artikel 2 Abs. 3 regelt, dass das Land Berlin zur Deckung des infolge dieses Vertrages entstehenden Personalmehrbedarfs im angemessenen Umfang Bedienstete des Landes Brandenburg übernimmt. In der Begründung zu Artikel 2 heißt es daher ausdrücklich, dass beim Mahngericht Wedding ein Personalmehrbedarf entsteht, der nicht allein durch Berliner Kräfte gedeckt werden soll.
Doch schon in der 1. Lesung verzichtete die Ministerin darauf, die errechneten 13,55 Stellen für Brandenburg mit Bediensteten Brandenburgs besetzen zu wollen. Was Sie damals im Landtag Brandenburg als Argumentation formulierten, war abenteuerlich und sehr unjuristisch. Ich zitiere:
„Es wird gefordert, die durch die Bearbeitung der Brandenburger Mahnanträge in Berlin erforderlichen 13 neuen Stellen müssten alle von Brandenburg besetzt werden. Die Forderung, dass die jetzigen 13 Stellen in Berlin von Brandenburgern besetzt werden müssen, obwohl Berlin sein nichtrichterliches Personal aus dem Finanzgericht ab Januar nächsten Jahres unterbringen muss und sein nichtrichterliches Personal aus dem Sozialgericht seit Juli letzten Jahres unterbringen musste, ist nicht sachgerecht. Wenn man eine gutnachbarliche Zusammenarbeit will, dann müssen beide Seiten von einem Vertrag profitieren. Es wäre zu kurz gesprungen, wenn wir versuchten, Berlin über den Tisch zu ziehen.“
Ich habe den von Ihnen ausgehandelten Wortlaut des Staatsvertrages zitiert. Es ist eine Forderung, die Sie ausgehandelt haben und die nicht einfach nur von außen erhoben wird. Pacta sunt servanda, Frau Blechinger! Dieser Staatsvertrag ist einzuhalten! Sie üben den Vertragsbruch schon vor der endgültigen Verabschiedung. Weshalb handeln Sie Regelungen aus, die Sie nicht einzuhalten gedenken? Sie schnüren Pakete, die in den Staatsverträgen nicht vorgesehen sind. Vielleicht lassen Sie sich darüber noch einmal von Fachleuten im Ministerium unterrichten.
Ein weiterer kritischer Aspekt in der Anhörung kam durch den Bund Deutscher Rechtspfleger zur Sprache. Es fehlt eine belastbare, transparente Wirtschaftlichkeitsberechnung, um entscheiden zu können, ob die wirtschaftlich günstigere Lösung gewählt wurde. Wir als Linksfraktion haben im Landtag die Vorlage dieser Wirtschaftlichkeitsberechnung für ein zentrales Mahngericht in Brandenburg erfolglos beantragt. Vermutlich gibt es diese Wirtschaftlichkeitsberechnung gar nicht, denn nach der Sitzung im Rechtsausschuss wurde uns das versprochene Zahlenmaterial nicht übergeben.
Die Ministerin sprach im Landtag im Januar auch nur von „hiesigen Kostenschätzungen“, woraus ich bis zum Gegenbeweis
Aus diesen Gründen kann die Linksfraktion diesem Mahngerichtsvertrag heute nicht zustimmen, auch wenn die Zentralisierung von Mahnverfahren bzw. ein maschinelles und später elektronisches Mahnverfahren vom Grundsatz her nicht abzulehnen ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Sarrach hat mich zitiert, als er sagte, dass sich dieser Tagesordnungspunkt nicht zu parteipolitischem Streit eigne. Er schafft es dann doch immer wieder, ein bisschen Streit reinzubringen. Immerhin will sich die „Linksfraktion“ - wie er sagte -, also die linke Linkspartei, der Stimme enthalten.
Ihre Stimmenthaltung zeigt, dass es auch aus Ihrer Sicht an diesem Punkt keinen Grund gibt, ein großes Fass aufzumachen.
Wir hatten bereits bei der 1. Lesung darauf hingewiesen, dass es aus unserer Sicht keine vernünftige Alternative zu der Regelung gibt, ein gemeinsames Mahngericht in Berlin einzurichten. Dort ist es bereits seit den 80er Jahren existent. Es funktioniert in einem viel größeren Umfang, als es ein einzelnes Mahngericht in Brandenburg jemals könnte. Es ist ohne großen technischen Aufwand in der Lage, die Brandenburger Mahnverfahren mit zu übernehmen. Der Staatsvertrag regelt die Kostenverteilung, die Brandenburg in keiner Weise benachteiligt; das kann ich jedenfalls nicht erkennen. Im Staatsvertrag ist auch geregelt, dass in angemessenem Umfang Brandenburger Personal zu übernehmen ist.
Sie rügen jetzt die Verletzung eines Vertrages, der noch nicht einmal geschlossen wurde. Das ist auch juristisch eine interessante Konstruktion. Lassen Sie uns doch erst einmal abwarten, wie es sich nach Abschluss des Staatsvertrages entwickelt!
Für mich sind die Argumente des Justizministeriums plausibel. Natürlich muss man eine Gesamtbetrachtung anstellen und dabei berücksichtigen, dass das gemeinsame Finanzgericht in Cottbus einen erheblich höheren Personalbedarf hat, und dort voraussichtlich wesentlich weniger Berliner tätig sein werden, als der Staatsvertrag voraussetzt.
Bei der Frage, wie viel Brandenburger nun in Berlin tätig werden - es geht ohnehin nur um eine relativ geringe Zahl von Stellen, 10 bis 15 -, muss man nicht übermäßig auf Branden
burger Landeskinder achten. Wir sind durch den Vertrag nicht benachteiligt, die Brandenburger Wirtschaft schon gar nicht; sie freut sich schon lange darauf, dass es ein gemeinsames Mahngericht geben wird, und wartet auf den Startschuss. Diesen können wir heute geben, indem wir diesem Gesetz, das aus meiner Sicht durch und durch vernünftig ist, zustimmen. Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere DVU-Fraktion begrüßt die Errichtung des gemeinsamen zentralen Mahngerichts Berlin-Brandenburg. Folglich werden wir dem dazu vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung unsere Zustimmung selbstverständlich nicht verweigern. Wir meinen, die im Rechtsausschuss durchgeführte Anhörung hat ergeben, dass dieses gemeinsame zentrale Mahngericht letztlich für alle Beteiligten vorteilhaft sein kann. Allenfalls in der Anfangsphase könnten vielleicht Verzögerungen auftreten, aber das haben Neuerungen nun einmal so an sich.
Herr Sarrach, was Sie hier eben der Öffentlichkeit schon wieder versuchten klarzumachen, ist typisch für die PDS; Sie sind bekanntlich gegen alles und gegen nichts. Jetzt wollen Sie auf einmal mit dem wichtigen Thema Personalabbau vorpreschen. Sie haben vergessen, was die Ministerin - ich glaube, was sie hier gesagt hat - uns allen klargemacht hatte: Einerseits geht es hierbei nicht um die 13,5 Stellen, die dort in Berlin eventuell nicht mit Brandenburgern besetzt werden. Andererseits geht es jedoch darum, dass in Cottbus beim Finanzgericht 60 Stellen des nichtrichterlichen Dienstes von Brandenburgern besetzt werden, das heißt viel mehr Nichtberliner hier in Brandenburg beschäftigt werden, die aber zur Hälfte von Berlin bezahlt werden. - Im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Sarrach, sagten, sind die Vorteile signifikant.
Erstens: Betrachtet man die Eingangszahlen, die Räumlichkeiten und die Infrastruktur im Amtsgericht Berlin-Wedding, so kommt als Standort für das gemeinsame zentrale Mahngericht Berlin-Brandenburg vernünftigerweise nur dieses Amtsgericht in Betracht. Im Amtsgericht Berlin-Wedding werden bereits heute zentral für das gesamte Land Berlin 430 000 Mahnverfahren pro Jahr bearbeitet. Hingegen werden im gesamten Land Brandenburg dezentral lediglich rund 90 000 Mahnverfahren jährlich bearbeitet. Schon dieses Zahlenverhältnis drängt die Übernahme der Mahnverfahren Brandenburgs durch das Amtsgericht Wedding als notwendig auf. Zudem sind dort ausreichende räumliche Kapazitäten vorhanden; zur Abdeckung des personellen Mehrbedarfs erhält das Amtsgericht Wedding nach bundeseinheitlichen Maßstäben zusätzlich eben diese 13,5 Personalstellen.
Zweitens: Ganz entscheidend sind die Vorteile für die Wirtschaft. Langwierige Gerichtsverfahren sind generell ein Standortnachteil, insbesondere wenn sie zur Durchsetzung von Geldforderungen geführt werden; zügige Gerichtsverfahren dagegen ein Standortvorteil. Das gilt in besonderem Maße für mittelständische Betriebe, denn eine schnelle Verfahrensführung vom Mahnbescheid bis zur Vollstreckung kann für deren wirtschaftliches Schicksal entscheidend sein. Bedenken Sie dabei immer die minimale Kapitaldecke unserer kleinen und mittelständischen Unternehmen!
Das sollte hier in diesem Gremium eigentlich jedem einleuchten, obgleich ich mir in diesem Punkt in Bezug auf die Vertreter des ideologischen Konstrukts Linkspartei.PDS im Rechtsausschuss gar nicht so sicher bin. Deshalb nenne ich noch einige Zahlen aus der Anhörung des Rechtsausschusses, die dies verdeutlichen: 80 % der von mittelständischen Betrieben eingeleiteten Mahnverfahren führen ohne streitiges gerichtliches Verfahren zum Titel und zur Zwangsvollstreckung. Beim herkömmlichen, auch in Brandenburg derzeit praktizierten Mahnverfahren vergehen bis zur Zustellung des Mahnbescheides drei bis vier Wochen, weil zunächst der Kostenvorschuss eingezahlt werden muss. Mit dem zentralen gemeinsamen Mahnverfahren mit Berlin, das maschinell erfolgen wird, vergehen aber nur ein bis zwei Tage bis zur Zustellung des Mahnbescheids.
Wir von der DVU-Fraktion meinen: Die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteile liegen auf der Hand und bedürfen keiner erneuten Erörterung. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete von Arnim.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den jetzt hier in Rede stehenden Sachverhalt und zahlreiche damit verbundene Aspekte haben wir in allen möglichen Gremien gesprochen, in Ausschusssitzungen, in der 1. Lesung hier im Plenum und in der Anhörung. Es ist wahrscheinlich eine ganz normale menschliche Schwäche, dass wir unterschiedliche Wahrnehmungen haben; das ist in der Tat so. Genau wie Herr Holzschuher sehe ich überhaupt keinen Grund, noch einmal in eine große Diskussion einzusteigen. Selbst die Anhörung hat für uns keine offenen Punkte ergeben. Ich war zwar nicht dabei, habe mir aber das Protokoll darüber zwei-, dreimal durchgelesen und nach einem Knackpunkt gesucht, der Anlass geben könnte, sich dieses Vorhaben noch einmal zu überlegen; ich habe ihn nicht gefunden.
Meine Schlussbemerkung gilt Ihnen, Herr Sarrach: Sie sagten gerade, nach Ihrem Empfinden werde die ganze Angelegenheit unjuristisch gestrickt