Protocol of the Session on February 23, 2006

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

ganz zu schweigen von menschenfeindlichen Auffassungen über die Alten als Kostenfaktor und gesellschaftlichen Ballast. 90 % der Älteren führen einen eigenen Haushalt, leben in der eigenen Wohnung. Eine im Landkreis Oder-Spree durchgeführte Befragung hatte das bemerkenswerte Ergebnis, dass nur 6,6 % der Befragten in ein Heim gehen würden, wenn sie Hilfe brauchten.

Die Alten bringen sich auf vielfältige Weise in die Gemeinschaft ein. Die Beteiligung der Alten an der ehrenamtlichen Arbeit in den Sport- und Kulturvereinen, der Feuerwehr, an Schulen, in der Ausländerintegration, in der Nachbarschaftshilfe, im Umweltschutz, in Heimbeiräten und als Zeitzeugen ist in Brandenburg überdurchschnittlich hoch. Ein Drittel der 60- bis 70-Jährigen engagiert sich im Ehrenamt. Von den über 70-Jährigen leistet fast ein Drittel ehrenamtliche Arbeit.

So wichtig wie die Großeltern für die Familie sind, so wenig kann zivilgesellschaftliches Engagement auf die Alten verzichten. Angesichts des demografischen Wandels wird dieses Engagement der Alten unverzichtbar.

Drittens: Unsere familienpolitischen Leitlinien blieben unvollständig, wenn wir die Großeltern außen vor ließen. Auch wenn die Generationen immer seltener gemeinsam unter einem Dach leben, gehören die meisten Großeltern doch zur Familie. Eine repräsentative Umfrage unter den 40- bis 90-Jährigen ergab, dass ein Viertel der 55- bis 69-Jährigen regelmäßig die Enkelkinder betreut. Die Summen, die Großeltern ihren Enkeln zukommen lassen, sind enorm.

Im Zusammenleben der Familien funktioniert die Beziehung von Großeltern und Enkeln oft besser als die zwischen Eltern und Kindern. Die Alten verfügen über mehr Gelassenheit, die aus der Lebenserfahrung resultiert. Ein lange gelebtes Leben hilft dazu, die Sorgen, Nöte und Wünsche der Enkel richtig einzuordnen, sie nach Gebühr ernst zu nehmen, aber auch Schwierigkeiten zu überwinden. Das Vorbild der Großeltern wirkt oft mehr als das der Eltern. Dass es nicht immer nur die leiblichen Großeltern sein müssen, beweisen die vielen guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit von vielen Seniorenbeiräten mit den Schulen etwa im Rahmen des gemeinsamen Projekts von Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und Seniorenrat „Senioren für Junioren“.

Viertens: Die wirtschaftlichen Folgen von Seniorenpolitik sind nicht nur steigende Kosten. Die ältere Generation wird zunehmend zu einem Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung. Frau Schier hat vorhin bereits sehr ausführlich dazu gesprochen.

In der Literatur wird mehr oder weniger exakt von Seniorenwirtschaft gesprochen. Werbung und Unternehmen haben die Alten als potente Konsumenten entdeckt. Seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen zielen nicht nur auf die Wirtschaftskraft der älteren Generation, sondern bieten auch mehr Komfort und erhöhen die Lebensqualität auch einer generationsübergreifenden Kundschaft. Zudem haben sie arbeitsmarktpolitische Effekte. Der Fachkräftemangel zwingt die Unternehmen, in zunehmendem Maße wieder auf die fachlich gut ausgebildeten, erfahrenen älteren Arbeitnehmer zurückzugreifen. Die IHK Potsdam zählt zu den verschiedenen Wegen, auf denen Unternehmen versuchen, dem Fachkräftemangel zu begegnen, zu 8 % auch die Einstellung älterer Arbeitnehmer. Nach meiner Einschätzung wird sich dieser Anteil noch erhöhen.

Alte Frauen und alte Männer stellen keine anderen Ansprüche an ihr Leben als junge Frauen und junge Männer. Bei noch so unterschiedlichen persönlichen Wünschen, Hoffnungen und Lebenszielen wollen Alte und Junge gesund alt werden. Sie fragen nach einem sinnvollen Leben in sozialer Sicherheit jetzt und in Zukunft. Für die Alten schließt das mit den Jahren zunehmend die Sorge ein, wie sie bei Krankheit und nachlassenden körperlichen und geistigen Kräften den Lebensabend bestehen werden. Sie brauchen die Zuversicht, dass sie die durch ein langes Leben gewonnenen Jahre für sich gut werden nutzen können. Das wird auch ihre Bereitschaft fördern, sich für die Allgemeinheit einzusetzen.

Hier müssen die seniorenpolitischen Grundsätze und Leitlinien der Landesregierung wirken. Wir brauchen sie sehr und wenn wir den demografischen Wandel als Chance gestalten wollen, brauchen wir sie jetzt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank. - Als Nächste spricht die Abgeordnete WolffMolorciuc für die Fraktion der Linkspartei.PDS. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen Sie sich für einen Augenblick vor, wir hätten diesen Antrag hier eingebracht! Sie hätten uns geantwortet: Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspar

tei.PDS, warum stellen Sie einen Antrag zu Dingen, die die Landesregierung ohnehin macht?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Holzschuher [SPD]: Genau! - Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist eine Be- hauptung!)

- Ja, behaupten kann ich das ohnehin erst einmal. Aber ich versuche gleich auch, das zu beweisen. - Die ganze Sache hat eine Vorgeschichte: Der Landesseniorenrat wird in dem entsprechenden Ausschuss angehört und bekommt die Zusage vom Ministerium, dass die Leitlinien bis zum Frühjahr vorliegen werden.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Jetzt schon? - Nein, ich habe ja noch gar nichts gesagt.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Gestatten Sie dennoch eine Zwischenfrage?

Bitte schön, Frau Prof. Heppener.

Frau Abgeordnete, Sie sind Mitglied der Volkssolidarität und die Volkssolidarität ist Mitglied des Landesseniorenrats. Von daher müssten Sie wissen - ich denke, Sie wissen das auch -, dass der Landesseniorenrat mindestens seit dem Jahre 2000 um die Ausarbeitung entsprechender Leitlinien zur Seniorenpolitik ringt. Es gibt dazu eine Zusage, die uns der Ministerpräsident im Januar 2004 gegeben hat.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Wie können Sie angesichts dessen hier sagen, dass wir einen entsprechenden Antrag, der von Ihnen gekommen wäre, abgelehnt hätten,

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Erfahrung, Frau Kolle- gin!)

zumal diese Leitlinien Ziel unserer und damit auch meiner langjährigen Arbeit sind?

(Beifall bei der SPD)

Bringen Sie mich bitte an dieser Stelle nicht in Kalamitäten; denn jetzt rede ich als Abgeordnete der Linkspartei.PDS.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wie wir heute schon gemerkt haben, ist es sehr schwierig, da immer zu differenzieren. Im Übrigen wollte ich genau zu der von Ihnen angesprochenen Frage jetzt ohnehin etwas sagen.

(Schippel [SPD]: Sie sind ja ein Chamäleon!)

- Nein, ich meine, das heißt irgendwie etwas mit „Multi“. Frau Präsidentin, das ist doch jetzt nicht von meiner Redezeit abgegangen, oder?

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Nein.

Die ganze Sache hat, wie gesagt, eine Vorgeschichte: Im Ausschuss wurde das zugesagt. Vor kurzem las ich in der Presse, die Ministerin habe erklärt, dass auf Hochtouren gearbeitet werde und dass auf den Antrag der Koalition gewartet werde.

(Zuruf der Abgeordneten Melior [SPD])

- Ja, genau.

(Zurufe von der SPD)

- Das war noch vor Ihrem Antrag.

(Dr. Scharfenberg [Die Linkspartei.PDS]: Das nennt man Arbeitsteilung!)

Nun liegt Ihr Antrag vor und wir sind darüber sehr froh. Ansonsten hätten wir den Sonderausschuss für Bürokratieabbau anrufen müssen, weil damit Arbeit geleistet worden ist, die eigentlich gar nicht notwendig war.

(Heiterkeit und Beifall bei der Linkspartei.PDS. - Frau Dr. Schröder [SPD]: Zum Thema!)

- Jetzt zum Thema, Frau Dr. Schröder. Das alles gehört aber dazu.

(Frau Dr. Schröder [SPD]: Naja! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Auch das kann man unterschiedlich bewerten.

Damit komme ich zu den Grundsätzen und Leitlinien, die Sie in Ihrem Antrag fordern. Sie dürfen trotz aller Wichtigkeit dieses Themas - die wir Ihnen auf keinen Fall absprechen - aber nicht so tun, als finge die Landesregierung jetzt erst mit der Seniorenpolitik an. Leitlinien und ein Leitbild sind letzten Endes nicht das Nonplusultra. Sie sind ein Instrument, Frau Prof. Heppener. Aber wir werden Ihren Wunsch, den Sie zu Beginn Ihres Redebeitrags ausgesprochen haben, erfüllen: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen. Das ist völlig klar.

Wir werden uns in die Diskussion einbringen und können uns vorstellen, auf welche Handlungsfelder, die wir in Ihrer Aufzählung hier vermissen, wir dann auch noch verstärkt aufmerk

sam machen werden. Wir können uns zum Beispiel vorstellen, dass man konkrete Vorschläge zur Bekämpfung von Altersarmut und Altersdiskriminierung macht, dass man auch über das Sterben in Würde nachdenkt und in den Leitlinien formuliert, wie mit diesem Thema umgegangen werden soll. Wir können uns auch vorstellen, dass das Thema der Seniorinnen und Senioren unter den Migrantinnen und Migranten in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen kann. Auch insoweit werden wir uns, wie gesagt, sicherlich in die Diskussion einbringen.

Noch einmal: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen.