Protocol of the Session on February 22, 2006

(Allgemeiner Beifall)

Die Aktuelle Stunde wird mit dem Beitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS fortgesetzt. Bitte, Frau Abgeordnete Wöllert.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, Dinge, die hier schon ausgeführt worden

froh darüber, heute in den Medien lesen zu können, dass sich die Gesundheitsministerkonferenz doch noch einmal neu verständigen wird. Ich hoffe, dass dann das, was die Wissenschaft uns hier empfiehlt - darauf sollten wir uns berufen; denn das ist fern aller politischen Auslegungen -, berücksichtigt wird und dass eine bundesweite Regelung gefunden wird. Die Bevorratung der Medikamente darf nämlich nicht davon abhängig sein, in welchem Land die eventuell betroffenen Menschen leben. Das ist also eine wichtige Voraussetzung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich trage jetzt einiges, was ich vorbereitet habe, nicht vor. Ich möchte aber noch auf etwas zurückkommen, was Minister Seehofer in der Talkrunde „Berlin Mitte“ in der vorigen Woche gesagt hat, nämlich dass die Gesundheit der Menschen vor allen ökonomischen Interessen stehe. Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und vereinzelt bei der SPD)

Frau Ministerin Ziegler, jetzt haben Sie die Chance.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich für die sachliche und sehr professionelle Diskussion in diesem Hause bedanken.

Ich finde es richtig, dass wir uns in der heutigen Aktuellen Stunde mit dem wichtigen Thema der Vogelgrippe und deren Bedeutung für die Brandenburger Bevölkerung beschäftigen. Mein Ministerkollege Dr. Woidke hat soeben die konkreten Maßnahmen in der Geflügelwirtschaft und die Schutzmaßnahmen für die Menschen angesprochen. Damit ist wohl deutlich geworden, dass die Regeln und Mechanismen vorhanden sind, die präventiv wirken sollen und die im Falle eines Falles auch ineinander greifen werden.

So sind zum Beispiel die Arbeitgeber und die Aufsichtsbehörden mit dem Merkblatt „Personenschutz bei Kontakt mit Vogelgrippe infizierten Tieren“ ausgerüstet. Neben den erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen und den arbeitsmedizinischen Vorsorgeangeboten sind auch die im Erkrankungsfall notwendigen Maßnahmen sehr konkret festgelegt. Die Landkreise und kreisfreien Städte haben von uns jetzt auch den ausführlichen Influenzapandemieplan für das Land Brandenburg mit sehr detaillierten Handlungsanweisungen bekommen.

Wir haben viel Verständnis für die Ängste und Sorgen der Bevölkerung. Es sollte Aufklärungsarbeit geleistet, jedoch keine Panik verbreitet werden; hierbei sehe ich auch die Medien in der Verantwortung. Der heutige Pressespiegel hat dieses Anliegen widergespiegelt.

Die Vogelgrippe ist eine Tierseuche; das kann man nicht oft genug wiederholen. Eine Erkrankung des Menschen setzt den unmittelbaren Kontakt mit infiziertem Geflügel voraus. Aufgrund der Haltungsbedingungen in Deutschland und der stringenten Anwendung der Schutzmaßnahmen - Herr Dr. Woidke hat es ausgeführt - ist eine Infizierung nahezu ausgeschlossen.

sind, und zwar vor allem von Ihnen, Frau Dr. Münch, nicht zu wiederholen. Dem ist einfach nichts hinzuzufügen. Ich schließe mich all denen an, die gesagt haben, dass Panikmache genau das falsche Signal sei, das von hier nicht ausgehen sollte.

In der Aktuellen Stunde des Bundestages am 19. Januar 2006 sagte der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Herr Seehofer, zu Beginn seiner Rede:

„Unsere Wissenschaftler sprechen aufgrund der Entwicklung von einer erhöhten Gefahrenlage.“

Weiter führte er aus:

„Tatsache ist auch: Die Öffentlichkeit bei uns in Deutschland ist in hohem Maße alarmiert und beunruhigt.“

Zum Schluss seiner Rede sagte der Minister:

„Noch haben wir Zeit. Lassen Sie uns weiter gemeinsam und in guter Zusammenarbeit dafür einsetzen, diese Zeit zu nutzen.“

Die Zeit ist dann sehr viel schneller vergangen, als die Bundesregierung und wir alle das gedacht haben, bis es in Mecklenburg-Vorpommern dann tatsächlich zum Ausbruch der Vogelgrippe gekommen ist. Das hat uns alle also eher, als wir es gedacht haben, eingeholt.

Nach den ersten Erfahrungen mit der Ausbreitung der Tierseuche - es ist immer wieder zu betonen, dass es sich hierbei um eine Tierseuche handelt - sollten wir uns jetzt aber auch möglichst schnell mit der Prävention für die Menschen befassen. Dies sollte eine Prävention sein - ich sage das noch einmal -, die weit entfernt ist von einer Panikmache, die den Menschen aber Sicherheit geben muss, und zwar Sicherheit dahin gehend, dass im Falle der Fälle für sie gesorgt bzw. vorgesorgt ist. Ich meine, dieses Signal muss von hier und von jedem anderen Bundesland ausgehen.

Gesundheitsministerin Schmidt sagte, und zwar auch in der Aktuellen Stunde des Bundestages am 19. Januar 2006, es gebe keine Hinweise auf eine neue Gefahrensituation. Wörtlich erklärte sie:

„Alle Experten sagen, dass es aktuell keine Gefährdung der Bevölkerung gibt.“

Insoweit hat sich die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts etwas geändert. Es erklärte nämlich am 20. Februar 2006, dass das Pandemierisiko derzeit so hoch sei wie seit Jahrzehnten nicht mehr und dass das Virus durch ständige Änderung seines Erbgutes oder auch schlagartig durch den Austausch ganzer Gene mit Humaninfluenzaviren die Fähigkeit erlangen könne, Menschen effektiver als bisher zu infizieren. Ich meine, diese Einschätzung, die überall öffentlich nachgelesen werden kann, hat nichts mit Panikmache zu tun, sondern sie belegt, warum das Robert-Koch-Institut empfiehlt, einen Vorrat von Medikamenten, die die beschriebene Wirkung haben - wie uns allen klar ist, können diese Medikamente die Art der Grippe natürlich nicht heilen, sondern damit kann nur eine Übergangssituation geschaffen, die Krankheit gelindert werden, bis ein entsprechender Impfstoff gefunden ist -, für mindestens 20 % der Bevölkerung anzulegen. In diesem Zusammenhang bin ich

Bisher gab es weltweit nachweislich keine Mensch-zuMensch-Übertragung des aktuellen Vogelgrippevirus. Drei Verdachtsfälle einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung wurden nicht bestätigt.

Bei Vermeidung eines ungeschützten Kontakts mit verendetem Geflügel und mit Wildvögeln besteht für Menschen kein Risiko. Gemäß den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes werden bei verdächtigen Personen eine umgehende Diagnostik sowie Schutzmaßnahmen eingeleitet. Im Land Brandenburg gewannen wir zwei Labors für die spezifische Diagnostik in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Referenzzentrum am RKI. Demnach erhielte jeder an Vogelgrippe Erkrankte sofort eine antivirale Therapie. Je nach Situation entscheidet das Gesundheitsamt dann über den Schutz von Kontaktpersonen.

Die enge Zusammenarbeit aller befassten Ämter und Behörden ist wichtig. Die so genannte Risikokommunikation muss funktionieren, um das Risiko jederzeit aktuell einschätzen bzw. notwendige Maßnahmen ergreifen zu können.

Das von mir bereits erwähnte Merkblatt - die Gesundheitsämter erhielten es bereits Ende Oktober 2005 - informiert über die Verfahrensweisen. Es ist auf der Internetseite der Landesregierung abrufbar.

Im Dezember 2005 wurde die Ärzteschaft über den Sachstand und die Maßnahmen bei Auftreten durch Vögel verursachter Influenza informiert. Die Kassenärztliche Vereinigung wurde diesbezüglich schriftlich unterrichtet. Wichtig ist die öffentliche Zusicherung, dass zur Therapie infizierter Menschen antivirale Medikamente zur Verfügung stehen.

Am dringend notwendigen Impfstoff sowie an einem Grundimpfstoff wird derzeit gearbeitet. Dafür hat die Bundesregierung 20 Millionen Euro Forschungsgelder zur Verfügung gestellt. Dieser Grundimpfstoff soll seine Zulassung schon so weit erlangen, dass er bei Identifizierung mit dem Virus sofort ergänzt werden kann, damit eine verkürzte Herstellungsdauer des Impfstoffes erreicht wird. Derzeit spricht man von etwa 15 Wochen bis zur Fertigstellung des Impfstoffes, die überbrückt werden müssen.

Mit steigender Ausbreitung der Vogelgrippe bei Tieren erhöht sich die latente Gefahr für Menschen, obwohl - das hat Frau Dr. Münch sehr gut dargestellt - die von den Influenzaviren ausgehende Gefahr für Menschen nicht bewiesen ist. Ob eine eventuelle Mutation die Gefahr für den Menschen erhöht, ist ebenfalls nicht bewiesen. Sicher ist, dass die Viren Verwandlungskünstler sind und eine latente Gefahr darstellen, weshalb die Planungen - bisher sind wir auf einem guten Stand - so dringlich sind.

Am Montag haben die Landkreise und kreisfreien Städte einen detaillierten, in unserem Haus erarbeiteten Rahmenplan vorgelegt bekommen. Es wurde mit den Gesundheitsämtern, der Kassenärztlichen Vereinigung, der Landesärztekammer, der Landeskrankenhausgesellschaft, der Apothekerkammer, dem Innenministerium und dem Gesundheitsministerium fachlich abgestimmt. In diesem Quartal beginnt die territoriale Planung auf den Kreisebenen.

Obwohl der Influenzapandemieplan mit seinen sechs Abschnitten erst am Montag fertig gestellt und sofort an die Kreise

weitergegeben wurde, wurde er als Geheimsache bezeichnet. Er wurde jedoch bereits dem Gesundheitsausschuss zugeleitet und wird auch ins Internet gestellt. Aber er stellt Handlungsanweisungen für die Behörden und nicht für die Bevölkerung dar.

Nach einer einheitlichen fachlichen Erläuterung von der Epidemie und der Pandemie schreibt er im zweiten Teil die Maßnahmen zur organisatorischen Vorbereitung sowie den Ablaufplan bei einer Influenzapandemie fest. Dazu gehören unter anderem die Integration der Influenzapandemieplanung in die Katastrophenschutzplanung der Landkreise, die Festlegung der Meldeund Informationswege auf der Grundlage des Seuchenalarmplans, die Information der Öffentlichkeit über seuchenhygienische Maßnahmen und die Entwicklung einer medizinischen Versorgungsstrategie.

Der dritte Teil des Planes widmet sich dem Auf- und Ausbau der Beobachtung und Diagnostik zur Bewertung der epidemischen Situation, wofür unter anderem in Kindergärten und ausgewählten Krankenhäusern entsprechende Daten erhoben werden sollen. Im Übrigen: Die Schulen wurden bereits informiert, die Schüler über ein entsprechendes Verhalten zu belehren. In den Kitas werden in dieser Woche Informationsveranstaltungen für Eltern stattfinden. Eine kindgerechte Aufarbeitung soll sichergestellt werden.

Im vierten Abschnitt geht es um die Aspekte der medizinischen Versorgung. Auf dieser Basis wird in Absprache mit den medizinischen Einrichtungen eine Strategie zur Sicherung der stationären Krankenversorgung entwickelt. Die Kapazitäten, die Bevorratung sowie die ambulante und pflegerische Versorgung müssen geplant werden; von Grippesprechstunden über Hausbesuche bis zu häuslichen Pflegediensten ist alles enthalten.

Im fünften Abschnitt wurden Festlegungen zur Organisation und Durchführung der Influenzaschutzimpfung getroffen. Das Prozedere wird dasselbe sein wie bei der damals befürchteten Pockenepidemie.

Im sechsten Abschnitt wird der Einsatz der antiviralen Arzneimittel im Fall einer Influenzapandemie geregelt.

Die Gesundheitsminister der Länder verständigten sich Mitte 2005 auf eine gemeinsame Beschaffungsquote antiviraler Arzneimittel und legten damals ein Erkrankungsszenario von 15 % zugrunde. Länderspezifisch wurde dann die gemeinsame Beschaffungsquote für medizinische Versorgung und Katastrophenschutz betreibende Organisationen - das sind Organisationen mit einer Schlüsselfunktion bei der Versorgung der Menschen - erhöht, weshalb sich unterschiedliche Versorgungsgrade der Bevölkerung ergeben. Unter anderem kann man nicht davon ausgehen, dass der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt - er ist Arzt und der Versorgungsgrad der Bevölkerung liegt dort bei 5,4 % - seine Bevölkerung absichtlich einer ungeschützten Situation aussetzen würde. Es wurde also sehr sorgfältig, sachlich und fachlich daran gearbeitet.

Da nicht überall zur selben Zeit die gleiche Erkrankungsrate in gleicher Schwere auftritt, haben wir einen Pool verabredet, nach dem sich die Länder im Fall der Verbreitung gegenseitig aushelfen.

Der politische und mediale Druck lastet nun auf uns. Beim morgigen Treffen der Gesundheitsminister der Länder und des

Bundes wird voraussichtlich ein Szenario mit einer 30%igen Erkrankungsrate - statt einer 15%igen - zugrunde gelegt. Sicher ist dies nicht. Auf jeden Fall werden wir die Tatsache vermitteln, dass unsere Bevölkerung keinen besonderen Risiken ausgesetzt wird.

(Beifall bei SPD und CDU)

Der Bund lässt den Föderalismus in diesem Punkt Föderalismus sein. Er initiierte eine zehnseitige Abfrage bei den Bundesländern zur Umsetzung des nationalen Pandemieplans in den Ländern sowie territorial in den Landkreisen und kreisfreien Städten, die innerhalb von zwei Tagen beantwortet werden musste. Sie sehen, hier greift ein Rad ins andere. Wir sind gut vorbereitet, haben alle Instrumente in der Hand und müssen alles parat haben, wenn der hoffentlich nicht eintretende Fall der Fälle eintritt. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Die antragstellende Fraktion hat noch einmal Gelegenheit zu sprechen. - Sie verzichtet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 4/2504