Protocol of the Session on November 9, 2005

Beim Thema Vereinbarkeit fällt mir auch sofort ein, dass ich es unverständlich finde, Mütter und Väter für maximal drei Jahre aus dem Arbeitsprozess zu nehmen, wenn man sich vor Augen führt, dass das Wissen eine Halbwertszeit von einem halben Jahr bis zu einem Jahr hat. Je früher wir beginnen, Möglichkeiten zu schaffen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, desto mehr haben alle Beteiligten davon, vor allem die Kinder. Natürlich müssen wir bei der Vereinbarkeitsthematik auch die Pflege von Angehörigen mit im Blick haben.

Zusätzlich will Brandenburg mit seiner Aussage „Familien und Kinder haben Vorrang“ auch innerhalb der Ressourcen dafür Sorge tragen, dass übergreifende Handlungsansätze und Handlungsziele die Politik bestimmen, also in der Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik, in der Bildung und Kinderbetreuung, in der Gesundheitspolitik und in der Städtepolitik.

Denken wir einmal an die Wirtschaftspolitik. Wenn ich allein daran denke, wie viele Familienbilder und wie viele Arten von kleinen und mittleren Unternehmen es gibt, dann kann eine betriebsnahe und bedarfsgerechte Lösung schon so einiges Kopfzerbrechen bereiten. Wie gelangt man zum beiderseitigen Vorteil? Dabei werden uns allein ein Plan A und ein Plan B auf Abruf nicht weiterbringen. Flexibilität ist gefragt, schnelles Handeln und pragmatisches Denken. Wir brauchen betriebsnahe Lösungen ebenso wie bedarfsgerechte Lösungen für die Kinderbetreuung und die Arbeitswelt von Eltern, der Mütter und der Väter.

Die SPD-Landtagsfraktion hat eine Umfrage zur Familienfreundlichkeit kleiner und mittlerer Unternehmen abgeschlossen. Wir haben die Unternehmen vor Ort angesprochen und nach ihren Möglichkeiten, Vorschlägen und Wünschen befragt. Zurzeit befinden wir uns in der Auswertung und ich bin auf die Endergebnisse gespannt. Allein die Arbeitszeit- und Betreuungsmodelle zeigen bereits ein vielfältiges Bild.

Neben der verständlichen Sorge, durch die Geburt eines Kindes in der beruflichen Entwicklung und Absicherung zurückzufallen, ja, sogar eine nicht gewollte Unterbrechung zu erfahren, sind es weitere unkalkulierbare Veränderungen, die Familien treffen können. Als Mitglied im Stiftungsrat der Landesstiftung „Familien in Not“ bin ich mir der für die Beteiligten oft nervenden, angespannten finanziellen Situation bewusst. Gerade deswegen ist es wichtig, dass soziale Notlagen durch soziale Leistungen vermieden werden.

In dem Bericht ist oft von den so genannten familien- und kinderbezogenen Dienstleistungen zu lesen. Aber was verbirgt sich dahinter? Ich will einige Beispiele aufzeigen: Kinderläden, Kitas und Tagesmütter, die auch außerhalb üblicher Öffnungszeiten Hilfe anbieten, das Babyschwimmen oder Krabbelgruppen, aber auch Selbsthilfegruppen, Jugendklubs oder Freizeitstätten - ein breites Angebot, allen voran unserer Spitzenverbände.

Die so genannte Familienberatung wirkt auf mich wie ein Etikett und wie eine unüberwindbare Hürde. Welcher Elternteil gibt sich schon die Blöße, die Tür einer Elternberatung zu öffnen? Unsere Angebote und Hilfestellungen sollten deswegen hürdenlos und niedrigschwellig sein. Das Angebot der Familienberatung kann überall anders heißen und woanders integriert sein. Jeder Ort oder jedes gesellschaftliche Zentrum kann die Hilfe für Mütter und Väter, aber auch Kinder anbieten. Eben weil wir keine Eingrenzung und Beschränkung vornehmen, können gelebte und gewachsene Strukturen oder Räumlichkeiten fortgenutzt werden, ob in der Kita, der Ganztagsschule, der Volkshochschule, dem Seniorentreff oder dem Feuerwehrhaus. Ihnen selbst sind sicherlich noch viele andere Angebote bekannt.

Meine jahrelange Arbeit richtet ihren Blick auch immer auf das Miteinander der Generationen. Gerade aufs Engste miteinander verbunden sind die Bedürfnisse und Lebensverhältnisse. Gerade deswegen ist das Mehrgenerationenwohnen zum Beispiel eine sehr wichtige Zukunftsform. Meine jahrelangen Erfahrungen mit der älteren Generation lassen mich Familien- und Kinderfreundlichkeit aber auch aus einer anderen Perspektive zur Kenntnis nehmen - die Klammer der Familie als generationsübergreifende Bindung. So kann es durchaus möglich sein, dass die eben abgeschlossene Kinderbetreuung durch die Pflege der Angehörigen abgelöst wird oder sich beide überschneiden.

Ich komme zum Schluss und nenne vielleicht noch ein Beispiel aus der Praxis, wie man Familien entlasten kann: In der Innenstadt Fürstenwaldes wird demnächst eine Ausstellung unter dem Motto „Kunst statt Leere“ in sieben leeren Geschäften zum Wandeln, Betrachten und zur kreativen Gestaltung stattfinden. Eltern mit Kindern werden es da schwer haben. Um dieses Kulturerlebnis aber zu ermöglichen, habe ich für die drei Wochenenden einen Geschäftsraum angemietet, in dem ich die Kinder mit Unterstützung anderer betreuen werde, damit sich die Eltern diese Kunstausstellung an diesen drei Wochenenden ansehen können. - Dies einmal als Praxishinweis.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Aussprache angelangt. Sie haben den Bericht der Landesregierung zur Kenntnis genommen.

Wir verlassen Tagesordnungspunkt 17 und ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Initiative für Ausbildung

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/2075

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Linkspartei.PDS. Es spricht der Abgeordnete Görke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Eineinhalb Jahre ist es her, dass die Bundesregierung mit den Wirtschaftsverbänden den Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs vereinbart hat. Damit wurde die Einführung der so genannten Ausbildungsumlage im Bundesrat auf Eis gelegt. Nicht nur für die Kritiker wurde im Pakt eine Klausel eingeführt, nach der im Herbst 2005 auf der Basis der Ausbildungsplatzzahlen des letzten und dieses Jahres Zwischenbilanz gezogen werden soll, um zu prüfen, „ob es ergänzender gesetzlicher oder sonstiger Initiativen bedarf und ob der Pakt zwischen den Beteiligten weitergeführt wird“. Etliche Abgeordnete der Koalition werden sicherlich in ihren Redebeiträgen über den Pakt Lobeshymnen anstimmen, und zwar unter dem Motto: Was will die Linkspartei.PDS, der Pakt wirkt doch?! - Aber vielleicht lassen Sie mich vorher noch einige Fragen stellen, die Sie sich selbst beantworten können.

Wenn der Pakt in Brandenburg wirkt - wie ist es dann zu erklären, dass im Geburtsjahr dieses Paktes ganze 97 betriebliche Ausbildungsplätze mehr in der Bilanz zu Buche schlagen, obwohl die Kammer - Sie können sich sicherlich entsinnen mehrere Hundert Interessenkampagnen bzw. Pressemeldungen verkündet hat?

Wenn er denn in Brandenburg wirkt - wie ist es dann zu erklären, dass im ersten Jahr des Ausbildungspaktes die Ausgaben im Landeshaushalt für die Schaffung zusätzlich geförderter Ausbildungsplätze massiv gestiegen sind - von 41 Millionen auf 44 Millionen Euro?

Wenn er denn wirkt - warum haben wir dann zum Abschluss des diesjährigen Ausbildungsjahres zum 30.09. bei den betrieblichen Ausbildungsplätzen wieder einen Rückgang von 12 % zu verzeichnen?

Wenn er denn wirkt - warum sind dann zum 1. Oktober - das neue Vermittlungsjahr hat schon begonnen - laut Statistik 2 400 junge Brandenburger noch immer unvermittelt geblieben, und das, obwohl die Bewerberzahl um 5,7 % zurückging?

Hinzu kommt, dass bei einer ehrlichen Bilanzierung auch die etwa 2 500 Jugendlichen hinzugezählt werden müssen, die in Warteschleifen wie BVJ, BVB, BGJ, BAV oder im neuen Modell Einstiegsqualifizierung in der Hoffnung verweilen, später doch einen qualifizierten betrieblichen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Wie kann es sein, dass in Deutschland zwar über jedes Hühnerei nach Ort und Legeart eine Statistik geführt wird, aber bei der Berufsbildungsstatistik keine klaren Angaben bezüglich der Jugendlichen gemacht werden, die nicht über einen Ausbildungsplatz verfügen?

Meine Damen und Herren, die Linkspartei.PDS kommt zu folgender Einschätzung: Mit einem unverbindlichen Ausbildungspakt - das hat die Bilanz nach eineinhalb Jahren gezeigt - kann die Ausbildungskrise in Brandenburg als dauerhaftes, strukturell bedingtes Problem nicht gelöst werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir räumen durchaus ein, dass die Ausbildungsumlage zwar nicht das Allheilmittel ist, aber ein ganz wichtiger Baustein, damit das betriebliche duale Ausbildungssystem nicht weiter austrocknet. Gerade Betriebe in Brandenburg mit einer kleinteiligen Wirtschaftsstruktur würden von diesem Ausbildungssicherungsgesetz profitieren, und zwar trotz aller Kinderkrankheiten, die es noch hat.

Wir sind auch der festen Überzeugung, dass sich in Brandenburg die Anzahl der ausbildenden Betriebe - es sind von 34 000 ausbildungsberechtigten Unternehmen in Brandenburg zurzeit 16 500 - nicht verschlechtern, sondern erhöhen würde. Warum sollten sich Unternehmen, die bereits jetzt unter diesen schwierigen Bedingungen freiwillig ausbilden, wegen der Umlage aus der Ausbildungsverantwortung zurückziehen? Das genaue Gegenteil wird der Fall sein.

Meine Damen und Herren, mit der Ausbildungsumlage wird der Unterschied zu heute darin bestehen, dass für den Lastenausgleich zwischen den ausbildenden und nicht ausbildenden Unternehmen nicht mehr der Staat zu sorgen hat, sondern die Unternehmen selbst.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie reden ständig von leeren Staatskassen, auch in unserem Land, und von Aufgabenkritik. Hier hätten Sie ein weites Betätigungsfeld.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es kommt noch ein zweiter wichtiger Aspekt hinzu. Allein in den letzten vier Ausbildungsjahren sind über 12 400 junge Brandenburger - wie heißt es so nüchtern in der Statistik? ausgependelt, davon allein im letzten Ausbildungsjahr fast 3 600, um - meist in den alten Bundesländern - einen der begehrten betrieblichen Ausbildungsplätze zu bekommen. Ich behaupte, ein deutliches Mehr an betrieblichen Ausbildungsplätzen kann für viele junge Brandenburger der Entscheidungsgrund sein, hier zu bleiben.

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren von der Landesregierung, Sie mahnen Tag für Tag in den unterschiedlichsten Farben, manchmal in Grautönen, die Probleme der Demografie und des drohenden Fachkräftemangels an. Von so manchen schwarzen Beschreibungen so manches diplomatischen Vertreters dieses Landtags - wie jüngst anlässlich eines Auslandsaufenthalts will ich gar nicht reden. Was tun Sie eigentlich? Sie legen zumindest bei der Frage der betrieblichen Ausbildungsumlage keine Konsequenz an den Tag. Ich glaube, mit unserem Antrag können Sie aktiv werden. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Dr. Schröder spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst vor sechs Wochen haben wir uns hier in einer Aktuellen Stunde detailliert mit der Ausbildungssituation in Brandenburg befasst. Damals

sprachen wir noch von 9 842 so genannten unversorgten Jugendlichen. Im Ergebnis der Nachvermittlungsaktion der letzten Monate konnten wir Ende Oktober immer noch 1 996 unvermittelte Bewerberinnen und Bewerber in der Statistik feststellen. Ihnen stehen aber ausreichend staatliche Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote zur Verfügung.

Brandenburg gibt ebenso wie die anderen Bundesländer zum einen Jahr für Jahr sehr viel Geld für vielseitige Initiativen gegen den Ausbildungsstellenmangel aus. Zum anderen - das habe ich schon in der August-Debatte betont - stößt staatliches Engagement jedoch zunehmend an Grenzen.

Die Forderung des vorliegenden Antrags, darüber hinaus wirksame staatliche Initiativen, wie es bei Ihnen heißt, gegen den Ausbildungsstellenmangel zu ergreifen, ist daher aus meiner Sicht entbehrlich. Auch dem Ansinnen, der Landtag Brandenburg möge beschließen, den nationalen Ausbildungspakt als gescheitert anzusehen, werden wir aus folgenden Gründen nicht folgen: Der Ausbildungspakt auf Bundesebene ist auf drei Jahre angelegt. Vereinbart ist, dass die Abrechnung nach Ablauf des dritten Jahres, also 2006, erfolgt. Im kommenden Jahr werden sich also alle Beteiligten ein abschließendes Urteil bilden und über das In-Kraft-Treten oder auch Nicht-In-KraftTreten des Berufsausbildungssicherungsgesetzes entscheiden.

Ich will noch einmal betonen: Der Ausbildungspakt ist unter Rot-Grün entstanden, entschieden werden muss unter Verantwortung der großen Koalition. Auch das bitte ich mit zu bedenken. In diese Debatte kann sich die Linkspartei.PDS dann unmittelbar und direkt über ihre Bundestagsfraktion einbringen. Dem Brandenburger Landtag steht es jedenfalls nicht zu, Herr Görke, allein über Erfolg oder Misserfolg des Ausbildungspakts auf Bundesebene zu befinden. Das können nur die auf dieser Ebene am Pakt beteiligten Partner am Ende des vereinbarten Zeitraums gemeinsam tun.

Wir in Brandenburg sollten uns auf den Erfolg unseres Ausbildungskonsens im Land konzentrieren. Davon habe ich kein Wort von Ihnen gehört. Schuster bleib bei deinem Leisten, rufe ich Ihnen zu, Herr Kollege Görke. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie uns heute darüber in Kenntnis gesetzt hätten, wie Sie konkret als Abgeordneter vor Ort den Brandenburger Ausbildungskonsens unterstützen. Zu Ihrem Wahlkreis, zu dem Rathenow gehört, fiele mir einiges ein, wovon Sie berichten könnten.

Den vorliegenden Antrag lehnen wir ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für die DVU-Fraktion setzt Frau Abgeordnete Fechner die Debatte fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen. Die PDS möchte, dass das Berufsausbildungssicherungsgesetz in Kraft gesetzt wird; das Gesetz sieht bekanntermaßen die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe vor. Warum wir gegen die Einführung sind, haben wir in diesem Hause mehrfach dargelegt. Ich erspare es mir, das zu wiederholen.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Sehr gut!)

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Die CDU-Fraktion wird durch den Abgeordneten Homeyer vertreten.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Linkspartei.PDS behauptet in Ihrem Antrag, der Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs sei als gescheitert anzusehen, weshalb das am 7. Mai 2004 im Deutschen Bundestag beschlossene Berufsausbildungssicherungsgesetz, sprich: die Ausbildungsplatzabgabe, umgehend in Kraft gesetzt werden müsse.

Das ist nicht neu. Die Linke.PDS fordert das in jedem Jahr zu dieser Jahreszeit. Das wissen wir, darauf haben wir uns mittlerweile eingestellt. Auch die Antwort ist immer dieselbe. Frau Kollegin Esther Schröder hat vorhin anhand der Zahlen nachgewiesen, dass der Konsens, den wir im Land Brandenburg erreicht haben, durchaus Erfolg zeigt. Deshalb ist eine Ausbildungsplatzabgabe schädlich. Wir würden unsere Wirtschaft belasten, obwohl wir genau wissen, dass wir alles andere als zusätzliche Belastungen brauchen. Wir brauchen Entlastungen! In einer solchen Situation fällt Ihnen, meine Damen und Herren von der Linke.PDS, nichts anderes ein, als neu zu belasten und immer wieder die gleiche Forderung zu erheben.