Protocol of the Session on August 31, 2005

Die zahlreichen Vorschläge, die die Lenkungsgruppen des Brandenburger Verkehrsforums insbesondere für einen besseren und sichereren Radverkehr ausgearbeitet haben, müssen nun in Verantwortung des Verkehrsministeriums, aber auch anderer Ministerien schrittweise umgesetzt werden. Dazu gehört beispielsweise die Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr in Gegenrichtung. Ich halte es auch für wichtig, gemeinsam die Helmpflicht beim Radfahren zu propagieren; zumindest für die Kinder sollte dies dazugehören.

Nun komme ich zu den Investitionen - hier bestehen immer sehr große Begehrlichkeiten - und zum Ausbaubedarf an Radwegen im Land Brandenburg. Dringender Nachholbedarf hinsichtlich der Anteile am Radwegebestand an Bundes- und Landesstraßen besteht nicht nur im Vergleich mit westdeutschen Flächenländern, sondern auch - das hören Sie immer besonders gern - im Vergleich mit dem rot-rot regierten Land Mecklenburg-Vorpommern. Auch in Bezug darauf scheint es Nachholbedarf zu geben. In Brandenburg gibt es straßenbegleitende Radwege an 16 % der Bundes- und Landesstraßen; in Mecklenburg-Vorpommern liegt dieser Anteil bei 22 %. - Sie suchen ja nach Beispielen für die rot-rote Regierung, Herr Junghanns.

Die Landesregierung hat in ihrer Analyse einen Ausbaubedarf von 1 500 km an Bundesstraßen und von 1 700 km an Landesstraßen ermittelt. Dafür gibt es Kriterien - Sie kennen sie -,

nämlich eine Belegung mit 2 500 bis 3 000 Kfz pro Tag, also pro 24 Stunden. Das ist ein Riesenbedarf. In diesem Zusammenhang stelle ich nur fest, dass der Ausbaubedarf jeweils bedeutend größer ist als der momentane Radwegebestand an Bundes- und Landesstraßen hier im Land Brandenburg. Es wird Sie interessieren, dass nur 9 % der Kreisstraßen im Land mit begleitenden Radwegen ausgebaut sind. Über Radwege an Gemeindestraßen haben wir leider keine Übersicht, Herr Verkehrsminister; das wäre aber spannend. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass wir im Land Brandenburg einen besonders privilegierten Radweg haben, der gerade durch alle Zeitungen geht: Das ist der Radweg zur Chipfabrik. Er ist gut ausgebaut, aber niemand kann ihn gebrauchen.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Nunmehr komme ich zur Aufgabe der interministeriellen Arbeitsgruppe Radverkehr, die 2004 gegründet worden ist. Wir bitten darum, dass diese interministerielle Arbeitsgruppe ihre Arbeit qualifiziert und Experten in die Arbeit einbezieht, beispielsweise Vertreter des ADFC oder von den Tourismusverbänden. Wir erwarten eine Zusammenarbeit mit dem Land Berlin, damit es zu einer gemeinsam abgestimmten Radverkehrsstrategie für Berlin und Brandenburg kommt, wie die Berliner sie schon haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die Fraktion der SPD spricht Herr Dr. Klocksin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Dank gilt zuförderst der Linkspartei.PDS. Ich gebe zu, dieser Terminus fällt mir so schwer,

(Frau Dr. Enkelmann [Die Linkspartei.PDS]: Daran ge- wöhnen Sie sich auch noch!)

weil ich mit Links etwas anderes assoziiere. Deswegen kommt das bei mir immer etwas schwer herüber.

Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich mich für die Initiative bedanke, die Sie hier gestartet haben. Wenn ich es richtig überblicke, haben die Koalitionsfraktionen vor vier Jahren einmal eine ähnliche Große Anfrage gestellt. Entscheidend ist, dass man dem Bereich Radverkehr mehr Aufmerksamkeit schenkt. Das kann das Land gebrauchen; das brauchen wir insgesamt, nicht nur Junge, sondern auch Alte. Wenn Sie dazu beigetragen haben, dann ist das sicherlich eine sinnvolle Sache.

Allerdings füge ich hinzu: Eine solche Große Anfrage, die einen Bereich so umfassend abdeckt, ist eine Fleißarbeit nicht nur des Fragestellers, sondern auch des Beantwortenden. Das darf man nicht außer Acht lassen.

(Beifall des Abgeordneten Vietze [Die Linkspartei.PDS])

Wenn wir an dieser Stelle schon beim Danken sind, dann gilt der Applaus auch dem Verkehrsministerium.

Dieses schöne Produkt, Frau Tack, könnte geradezu ein Nachschlagewerk in Bezug auf den aktuellen oder halbaktuellen

Zahlenstand sein, wenn es denn so systematisiert wäre, dass es auch genutzt werden könnte. Es sollte unser gemeinsamer Wunsch für die Zukunft sein, die Handhabbarkeit solcher Materialien zu optimieren, um zu vermeiden, dass sie nach kurzer Benutzung wieder in der Versenkung verschwinden.

Ich komme jetzt zu einigen Themen und anschließend zur politischen Bewertung. In der Tat ist bemerkenswert, in welchem Maße innerhalb des Landes in den vergangenen Jahren Radwege angelegt worden sind. Man darf auch den Ausgangsstand nicht unterschätzen; in Bezug darauf ist eine ganze Menge passiert. Deswegen hinkt der Vergleich mit westdeutschen Ländern, Frau Tack. Sie haben das schöne Mecklenburg-Vorpommern erwähnt, das zugegebenermaßen einen etwas größeren Anteil hat. Wir haben etwa 10 % Radwege entlang den Landstraßen, während es dort 17 % sind. Man muss dies genauer betrachten, um die Zahlen einordnen zu können. Dort gibt es traditionell ein ausgeprägteres touristisches Radverkehrsnetz, wie Sie wissen dürften. Insofern kann man vor diesem Hintergrund so nicht von Vergleichbarkeit sprechen.

Natürlich ist das Ziel erstrebenswert, ähnlich wie in SchleswigHolstein entlang den Landesstraßen Radwege von 57 % der Gesamtlänge und entlang den Bundesstraßen 78 % Radwege zu haben; denn das sind tolle Zahlen. Entsprechende Trassen muss also nicht nur das Land, sondern muss auch der Bund bei seinen Verkehrsmaßnahmen vorsehen. Das ist vorbildlich und kann auch Ziel sein, für ein Flächenland wie Brandenburg auf jeden Fall. Allerdings gehört dazu auch die Frage, was der Spaß kostet. Wenn Sie es genau gelesen haben, dann wissen Sie, dass für einen Kilometer frei stehende Strecke 90 000 Euro anzusetzen sind. Nach meinem Verständnis ist das sehr, sehr viel. Man kann einmal ausrechnen, wie viel dann 10 oder 50 Kilometer kosten. Wenn man innerörtlich von 115 000 bis 250 000 Euro pro Kilometer ausgeht, dann merkt man, wie schnell wir an Grenzen stoßen, wenn ein vernünftiges Netz in der Fläche hergestellt werden soll.

Ich will es Ihnen nicht unterstellen, Frau Tack, aber es bereitet mir immer Ärger, wenn man politische Forderungen mit der Aufzählung von Opfern vermischt. Natürlich ist Schulwegsicherung ein zentrales Thema. Aber keine Empörung an der falschen Stelle! Aber wenn ich das „Neue Deutschland“ aufschlage, was ich täglich tue

(Vereinzelt Beifall bei der Linkspartei.PDS)

- erst seit 15 Jahren; vielleicht haben Sie es schon ein bisschen länger drauf -, so lese ich dort: Bus neunmal sicherer als das Rad. - Das ist absoluter Kokolores. Natürlich ist ein Bus sicherer als ein Rad; darin sitzen aber auch mehr Kinder. Man kann keine Statistik schlecht genug machen, um sie nicht zu missbrauchen. Anstatt dass die Message Ihrer Darstellung im „Neuen Deutschland“ wäre, es sei toll, was Brandenburg tue und getan habe, sagen Sie...

(Zuruf von der Linkspartei.PDS: Schreiben Sie doch ei- nen Leserbrief!)

- Ich würde dem „Neuen Deutschland“ ein Interview geben. Können Sie das vielleicht organisieren? Dann stellen wir das klar. Danke für Ihre Mithilfe an dieser Stelle!

Ich fahre fort: Wir müssen feststellen, dass die Unfallhäufigkeit in der Tat gestiegen ist. Sie haben die Zahlen für die Jahre

1991 bis 2004 genannt. Sie können unter keinen Umständen befriedigen. Gleichwohl muss man in Kenntnis aller Faktoren sehen, dass mittlerweile in unserem Land mit 17 % ein sehr hoher Anteil von Radverkehr am Gesamtverkehr gewährleistet ist.

(Zuruf von der Linkspartei.PDS)

Dies stelle ich als Positivum heraus; wie ich Ihrem Zuruf entnehme, unterstützen Sie meine Worte. Allerdings müssen wir mehr als in den vergangenen Jahren die Kreise und Kommunen darin unterstützen, dass sie den Ausbau von Radwegen organisieren. Wenn Sie von Schülerverkehr sprechen, dann haben wir es natürlich überwiegend mit Verkehren im innerörtlichen Bereich zu tun.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

- Ich unterhalte mich gerne bei einer Tasse Kaffee mit Ihnen darüber. Lassen Sie mich aber zunächst den Gedanken zu Ende führen. Sie können natürlich auch eine Zwischenfrage stellen, wodurch sich meine Redezeit verlängerte.

Was in den letzten Jahren auf diesem Gebiet geschehen ist, war häufig gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Es geht nicht an, dass man Fuß- und Radwege auf ein Hochbord bringt und direkt daneben die Straße verläuft. Die Risiken sind zu hoch. Wir werden darüber nachdenken müssen, ob wir auch im Sinne des Schülerverkehrs - natürlich auch des Erwachsenenverkehrs bei breiten Straßen eine Abtrassierung, einen Angebotsradstreifen, wie er von der Straßenverkehrsordnung möglich gemacht wird, vorsehen. Das kostet nichts außer einer Schwarzdecke, die in der Gesamtfläche der Straße schon vorhanden ist.

Es gibt also viele Möglichkeiten zu einer schnellen Weiterentwicklung von Radverkehrsangeboten.

Da meine Redezeit zu Ende ist, kann ich nur an noch Auto fahrende Kolleginnen und Kollegen appellieren: Die Rücksichtnahme im Verkehr ist ein zentrales Moment für die Herstellung von Akzeptanz. Dies gilt auch für den touristischen Verkehr. Wer einmal auf schönen Strecken durchs Land fuhr, war froh, wenn er von der Landesstraße herunter war, weil ihm beinahe das Ohr abgefahren worden ist. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der DVU spricht die Abgeordnete Hesselbarth. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die DVU-Fraktion ergibt sich aus dieser Antwort, dass ein gut und sinnvoll ausgebautes Radwegenetz in unserem Flächenland sehr positiv ist. Es hat positive Auswirkungen auf die Tourismusbranche und somit auch auf die Arbeitsmarktsituation. Dies unterstützen wir natürlich.

Wir dürfen uns aber nicht im Vergleich der bisher angebotenen Streckenkilometer mit den alten Bundesländern messen. Im Bereich der Infrastruktur haben wir hier in Brandenburg ganz

andere Probleme als Niedersachsen oder Schleswig-Holstein. Wir investieren immer weniger und haben es vielerorts mit planerischen Fehlleistungen zu tun. Der Radweg an der Chipfabrik Frankurt (Oder) ist hier schon angesprochen worden. Wozu gerade jetzt? Sie werden wahrscheinlich antworten: wegen der Vermarktung. Aber in Henningsdorf und in Velten warten die Leute jetzt schon 15 Jahre auf einen Radweg. Ähnlich sieht es zwischen Hohenleipisch und Elsterwerda aus. Hier wären Investitionen wesentlich sinnvoller. Dies würde die Sicherheit der Bürger auf ihrem täglichen Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Arzt und zur Schule erhöhen. Aber Plan ist wohl Plan und der muss erfüllt werden. Hier muss die Landesregierung noch erheblich umdenken; denn wir leben schon 15 Jahre nicht mehr im Sozialismus.

(Beifall bei der DVU)

Beim Radverkehr spielt für die DVU-Fraktion der Sicherheitsaspekt eine maßgebliche Rolle. Solange in Brandenburg die Verkehrsinfrastruktur in ihrer Gesamtheit noch nicht dem Standard der alten Bundesländer entspricht, verbietet sich auch hier jeglicher Vergleich. Meine Damen und Herren von der Linkspartei, zur Sicherheit trägt meiner Meinung nach auch nicht bei, dass Radfahrer „verkehrt herum“ in der Einbahnstraße fahren dürfen.

(Dr. Klocksin [SPD]: Fahren Sie mal in die Niederlande!)

Zum Schluss eine Anmerkung zum Fahrrad als Verkehrsmittel für die Fahrt zur Arbeit. Gefragt wird, welche Unternehmerinitiativen der Landesregierung bekannt seien, mit denen das Radfahren zur Arbeit gefördert wird, und wie die Landesregierung solche Projekte unterstütze. Das ist doch völlig absurd: Die Linkspartei will große Teile der Bevölkerung von und zu der Arbeitsstelle aufs Rad bringen. Das ist völlig spekulativ, vor allem dann, wenn wir uns den hohen Anteil an getöteten und schwer verletzten Radfahrern am Gesamtunfallgeschehen ansehen. Für die Arbeitswelt ist dies auch nicht besonders hilfreich. Wir befürworten, diesem umweltfreundlichen Verkehrsmittel den Vorzug zu geben, wenn es Zeit und Strecke vom und zum Arbeitsplatz erlauben. Die Masse der Arbeitnehmer muss aber zunehmend flexibel sein, da die Wege zur Arbeit immer länger werden. Sie brauchen ein gutes Zeitmanagement als Grundvoraussetzung für die meisten Jobs. Hier zeigt schon die Fragestellung, dass die Linkspartei von völlig falschen Voraussetzungen ausgeht, Frau Tack. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Für die Fraktion der CDU spricht der Abgeordnete Schrey.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einer Umfrage zufolge haben im letzten Jahr 2,45 Millionen Deutsche ihren mehrtägigen Urlaub überwiegend im Sattel eines Fahrrades verbracht. Das sind fast 10 % mehr als im Jahre 2003. Dabei wird auch das Land Brandenburg immer mehr von Radtouristen entdeckt und erkundet. Dafür wurden in den letzten Jahren schon viele Maßnahmen und Projekte in Angriff genommen. Derzeit sind etwa 1 385 km Bundes- und Landesstra

ßen mit Radwegen versehen. Hinzu kommen vom Wirtschaftsministerium geförderte 2 500 km, die zum touristischen Radwanderwegenetz gehören. Damit steht Brandenburg im Vergleich der neuen Bundesländer relativ gut da. Allerdings gibt es noch einiges zu tun, wenn man die traditionellen Fahrradländer Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein betrachtet. Dort liegt der Anteil mit Radwegen versehener Bundes- und Landesstraßen bei bis zu 57 %. Der 10%ige Anteil von Brandenburg macht dagegen deutlich, dass es noch einiges zu tun gibt.

Allerdings sollte jedem klar sein, dass der Ausbau der Radwege nicht von heute auf morgen realisiert werden kann. Im Jahr 2004 standen für den Bau von Radwegen über 2 Millionen Euro zur Verfügung. Hinzu kamen noch einmal 2,7 Millionen Euro, die als Fördermittel für touristische Radwege sowie für die Errichtung von Service- und Beherbergungseinrichtungen eingesetzt wurden. Auch für das Jahr 2005 sind rund 2,3 Millionen Euro aus dem Zuschuss an den Landesbetrieb für Straßenplanung und Straßenbau vorgesehen. Für das kommende Jahr stehen etwa 2,8 Millionen Euro zur Verfügung. An diesen Zahlen ist deutlich zu erkennen, dass sich das Land Brandenburg auch in den nächsten Jahren eindeutig für den Ausbau der Radwege einsetzt.

Bei dem Einsatz dieser Mittel sollte eine schnelle Realisierung von Lückenschlussmaßnahmen Priorität erhalten, damit Projekte zeitnah vollendet werden und nicht, wie im Landkreis Elbe-Elster geschehen, drei Jahre vergehen, ehe eine 300 m lange Lücke geschlossen werden kann.

Wichtig für die Ermittlung von notwendigen Radwegen entlang von Bundes- und Landesstraßen ist zweifellos der Nutzen für den Schülerverkehr bzw. für den Verkehr von und zu den Arbeitsstätten. Der Ausbaubedarf für diese Strecken beträgt in den nächsten Jahren 1 535 km für Bundesstraßen und 1 693 km für Landesstraßen. Unser Ziel muss es sein, durch diesen Ausbau die Verkehrssicherheit auch für Fahrradfahrer weiter zu erhöhen und so die Unfallzahlen zu senken.

Alles in allem kann man feststellen, dass das Land Brandenburg und die Regierungskoalition in den letzten Jahren sehr viel für den Ausbau der Radwegenetze getan haben und auch in Zukunft noch tun werden. Nun muss man gerade in Zeiten von Mittelknappheit den Mut aufbringen, nicht aus jedem kleinen staubigen Feldweg einen modern ausgebauten Radweg zu machen und eine entsprechende Förderung zu versagen. Was notwendig ist, soll und wird auch in Zukunft von uns unterstützt werden. Für weiterreichende Träume ist in der Realität aber leider kein Platz. - Danke schön.