Zu drittens: Den Richtervorbehalt - unsere Fragen 1, 10 und 22 - beabsichtigt nunmehr auch die Landesregierung offenbar nicht mehr infrage zu stellen. Die verfassungsrechtlich für den Richtervorbehalt sicherlich relevanten Fragen legt die Landesregierung zu Frage 10 zutreffend dar und kommt nun zu vernünftigen Ergebnissen. Der so genannte Richtervorbehalt soll grundsätzlich beibehalten werden, eine Ausnahme soll bei wirksam erklärten Einwilligungen gelten und entbehrlich ist der Richtervorbehalt dann, wenn am Tatort oder am Tatobjekt Spuren genommen werden. Wir haben diese Meinung schon in den Fachausschüssen vertreten. Also, meine Damen und Herren, hat die DVU doch Recht. Somit können wir das Thema Richtervorbehalt endlich abschließen.
Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Koalitionsfraktionen fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Stark.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ausgehend von der Großen Anfrage der DVU-Fraktion beschäftigen wir uns heute nochmals mit dem Thema der Möglichkeiten der DNA-Analyse bzw. der Ausweitung derselben. Ich finde, Sie kommen damit etwas spät. Es ist eine Große Anfrage vom Februar dieses Jahres. Sie werden verfolgt haben - in Ihrem Beitrag sind Sie auch darauf eingegangen -, dass es hierzu eine Bundesratsinitiative der Länder Bayern und Hessen gab, die dieses Thema schon im Februar, also zeitgleich mit Ihrer Anfrage, auf die Tagesordnung des Bundesrats gesetzt haben.
Parallel dazu hat die SPD-Fraktion das sehr intensiv beraten, weil sich das Land Brandenburg für die Debatte im Bundesrat natürlich eine Meinung bilden musste. Wir haben uns dazu bekanntlich wie folgt positioniert:
Wir sind der Meinung, dass die nach geltender Rechtslage im Rahmen des Strafverfahrens schon jetzt durchgeführten DNAAnalysen ein erfolgreiches und wirkungsvolles Instrument der Verbrechensbekämpfung darstellen. § 81 der Strafprozessordnung benennt schon jetzt für die DNA-Identitätsfeststellung eindeutig Straftaten in Katalogform. Diese Vorschrift ist jetzt erweitert worden. Damit besteht auch jetzt schon nicht nur bei Straftaten, die von erheblicher Bedeutung sind, sondern darüber hinaus auch bei Straftaten, die zwar von nicht erheblicher Bedeutung sind, bei denen aber die Prognose zulässig ist, dass der Straftäter Wiederholungstäter wird, die Möglichkeit, bei dem Betreffenden eine DNA-Identitätsfeststellung durchzuführen.
Eine uneingeschränkte Ausweitung der DNA-Analyse auf alle Straftaten und alle Straftäter lehnen wir jedoch ab. Hier gilt es sicherlich, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen und die Möglichkeiten des Staates, die DNAIdentitätsfeststellung als Eingriffsnorm zu formulieren und damit einen doch sehr tief greifenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte vorzusehen, ins Verhältnis zu setzen.
Wir haben uns außerdem dafür ausgesprochen, den Richtervorbehalt beizubehalten. Dieser zieht sich wie ein roter Faden durch die Strafprozessordnung. Auch bei Wiederholungstaten wird der Richtervorbehalt praktiziert. Es gibt keinen guten Grund, genau in dem Fall auf den Richtervorbehalt zu verzichten.
Es gibt eine Ausnahme, und zwar in den Fällen, in denen eine anonyme Tatspur vorhanden ist. In diesen Fällen kann auf den Richtervorbehalt verzichtet werden, was meiner Meinung nach sehr sinnvoll ist.
Des Weiteren haben wir uns dafür ausgesprochen, dass das Instrument der Negativprognose beibehalten wird und dass eine DNA-Analyse nur dann durchgeführt werden darf, wenn konkrete Tatsachen die begründete Annahme rechtfertigen, dass der Betroffene in Zukunft weitere Straftaten begehen wird.
Der aktuelle Sachstand ist der folgende: Am 17. Juni wird im Bundestag über einen Gesetzentwurf debattiert werden, der vom Bundesjustizministerium eingebracht worden ist. Dieser Gesetzentwurf beinhaltet im Grunde genommen die Position, die ich gerade auch für die hiesige SPD-Fraktion dargestellt habe. Unserer Meinung nach ist das also ein sehr guter und ausgleichender Gesetzentwurf. Er enthält vom Grunde her zwei Schwerpunkte, und zwar zunächst einmal die Ausweitung der Möglichkeit der DNA-Analyse, indem die Vorschriften über den Richtervorbehalt den Bedürfnissen der Praxis angeglichen werden. Zudem soll eine DNA-Analyse für Zwecke künftiger Strafverfolgung auch bei der begründeten Annahme der wiederholten Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung zulässig sein.
Außerdem werden Regelungen eingeführt, die die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens absichern. Zum Beispiel wird der schon praktizierte Reihengentest hiermit auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
Beim Richtervorbehalt ist das hierbei genauso, wie ich es eben als Position der hiesigen SPD-Fraktion beschrieben habe. Diese Position findet sich in dem Gesetzentwurf wieder. Wir meinen, damit ist das in guten Händen. Die Initiative ist, wie gesagt, aufgegriffen worden. Das Thema wird im Juni im Bundestag diskutiert. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wiegt schwerer? Dass die DVU-Fraktion hier ihr Interesse im Zu
sammenhang mit der DNA-Analyse an komplexen verfassungsrechtlichen Fragestellungen heuchelt, obwohl der DVU mit ihrem rechtsextremen Hintergrund und der NPD-BündnisPolitik bekanntlich Grundrechte einer Vielzahl von Personengruppen wie Migrantinnen und Migranten oder Opfer rechtsextremer Gewalt egal sind, oder dass die Landesregierung in der Beantwortung der Großen Anfrage im Sinne der Einschränkung von Freiheitsrechten durch Abänderung der geltenden Rechtslage bei der DNA-Analyse argumentiert?
Für meine Fraktion muss ich im Sinne der Bürgerrechte noch einmal feststellen: Die Absenkung der rechtlichen Schranken für die Durchführung einer DNA-Analyse wird von uns abgelehnt. Deshalb sind der niedersächsische Antrag im Bundesrat und auch der aktuelle Beschluss der rot-grünen Bundesregierung keine vorzugswürdige Lösung.
Ich sage das, obwohl mir bekannt ist, dass sich insbesondere die Justizministerin nach dem Kabinettsbeschluss in Brandenburg zurücknehmen musste, weil sie für den Antrag Bayerns und anderer Länder mit der Streichung des Richtervorbehaltes, den Verzicht auf den Anlasstatenkatalog und die qualifizierte Negativprognose eintrat. Damit wäre der genetische Fingerabdruck mit dem normalen Fingerabdruck gleichgesetzt worden. Die Justizministerin wollte also bedenkenlos rechtsstaatliche Kontrollen gegenüber Exekutivorganen als „nicht veranlasst“ vom Tisch wischen.
Der genetische Fingerabdruck wird gern als neue Wunderwaffe bei der Aufklärung von Straftaten angesehen. Aber ist der DNA-Test wirklich geeignet, Kriminalität zu verhindern? Der DNA-Test ist sehr wohl geeignet, die Beschuldigtenrechte im Strafverfahren abzuschaffen. Es geht um das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, um die Unschuldsvermutung, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Persönlichkeitsrecht und die Menschenwürde in Summe. Der Preis für die Reformbestrebungen ist zu hoch. Wir erhalten nicht mehr Sicherheit vor Kriminalität, sondern Verunsicherung, Unfreiheit und Fremdbestimmung.
Keinesfalls sollten brutale Verbrechen ausgenutzt werden, um polizeiliche Befugnisse auszuweiten. Furchtbare Kriminalfälle beweisen, dass es nicht erforderlich ist, die Voraussetzungen für einen umfassenden und unkomplizierten Einsatz des genetischen Fingerabdrucks zu schaffen, wie es sich wohl vermutlich nach der Bundestagswahl abzeichnen wird.
Folgende Fälle, zitiert aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, möchte ich Ihnen hier nicht ersparen. Die schnelle Aufklärung des Mordfalls Mooshammer hat gezeigt, dass die geltenden rechtlichen Instrumente effektiv sind, wie der Bundesdatenschutzbeauftragte zu Recht darstellt.
Auch der Mörder der 12 Jahre alten Ulrike B. aus Eberswalde war beispielsweise mehrmals wegen Autodiebstahls verurteilt worden und stand zum Tatzeitpunkt 2001 unter Bewährung. Gefasst wurde er allerdings nicht wegen der genetischen Spuren am Leichnam des Kindes, sondern wegen eines Fingerabdrucks, den er am Tatort hinterlassen hatte.
Lassen Sie uns also die Ausweitung der DNA-Analyse mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit betrachten. Wunder darf man von der DNA-Analyse nicht erwarten. Sie kann Spuren zuordnen, von denen es viele von verschiedenen Personen stammen
Hat die DVU-Fraktion noch einmal Redebedarf? - Herr Abgeordneter Schuldt, bitte. - Die Landesregierung verzichtet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Übrigens wollen wir genau das, Frau Stark - Sie sind jetzt nicht da. Allgemeinaussagen, zum Beispiel „erhebliche Straftaten“, wollen wir konkretisiert haben.
Erstens: Es handelt sich bei der DNA-Analyse sicherlich um ein nützliches Verfahren, das sowohl repressiv zur Aufklärung von Straftaten als auch präventiv zu deren Vorbeugung anzuwenden ist. Das erfordert der effektive Schutz der Bürger vor Verbrechen. Zu Recht verlangen die Bürger von uns diesen effektiven Schutz.
Hinsichtlich Persönlichkeitsrechten müssen wir auf vieles hinweisen. Wir müssen die Sicherheit und die Freiheit unserer Bürgerinnen und Bürger möglichst optimal wahren. Zwischen Freiheit und Sicherheit besteht sozusagen eine Wechselbeziehung. Irgendein Vorrangprinzip gibt es hier nicht. Für PDSIdeologen mögen dies durchaus böhmische Dörfer sein. DNAAnalysen sind etwas anderes als Geruchsproben sammeln bei der Stasi.
Diese hinterlassen eher den Eindruck, dass Sie hierbei eine Strafverfolgungs- und Strafahndungsverhinderungsstrategie verfolgen.
Zweitens: Die Vorschläge unserer Fraktion für den Bereich DNA-Analyse basieren auf einer Lösung dieses Spannungsfeldes im Sinne der Wechselbeziehung, hier konkret zwischen Persönlichkeitsrechten und Sicherheit der Bürger.
Zu den Einzelheiten: Wir als DVU-Fraktion teilen nicht die Auffassung, dass der so genannte genetische Fingerabdruck mit dem herkömmlichen Fingerabdruck einfach gleichzusetzen ist. Was den rein körperlichen Eingriff angeht, sicherlich, aber, meine Damen und Herren, der herkömmliche Fingerabdruck ist von vornherein auf die Identitätsfeststellung beschränkt. Das DNA-Verfahren insgesamt von der Entnahme des Materials über Analyse und Speicherung bis zur Löschung lässt diesen Schluss nicht zu. Nicht umsonst führen auch die Antworten auf die Fragen 3 bis 7 zu den beiden Schlüssen.
Erstens ist der absolut geschützte Kernbereich des Persönlichkeitsrechts nicht betroffen, wenn sich der Eingriff nur auf den nicht codierten Anteil des DNA-Materials bezieht. Zweitens scheidet eine Speicherung von Körperzellen, also des entnommenen Materials, aus. Es ist unverzüglich zu vernichten.
ein zweistufiges Verfahren handelt. Zuerst wird Körpermaterial als Träger von DNA entnommen und dann wird durch die Analyse der nicht codierte Teil der DNA abgesondert und gespeichert. Daraus schließen wir als DVU-Fraktion: Mit diesem Material ist zumindest tendenziell mehr möglich als mit dem herkömmlichen Fingerabdruck.
Wir halten es deshalb für erforderlich, per Gesetz ausdrücklich zu bestimmen, in welchen Strafrechtsbereichen das DNA-Analyseverfahren zur Anwendung kommt. Nur so ist unseres Erachtens eine Ausdehnung verfassungs- und gerichtsfest zu machen. Der pauschale Hinweis auf Straftaten von erheblicher Bedeutung reicht, wie gesagt, hier nicht aus. Ich frage Sie: Was heißt das? Antwort: Es ist auslegungsbedürftig und unbestimmt. Diese Auslegungsbestimmung wollen wir nicht den Gerichten überlassen, sondern uns, dem Gesetzgeber. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Themenkomplex angelangt. Die Große Anfrage 2 der DVU-Fraktion ist von Ihnen zur Kenntnis genommen worden.
Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Das Thema lautet: Umsetzung der Reform der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik. - Die Große Anfrage wurde im Februar 2005 formuliert, zu einer Zeit, als diese Reform, kurz GAP-Reform, noch etwas anders diskutiert wurde und sich die Fragen und Probleme anders als gegenwärtig dargestellt haben.
Heute können wir sagen, dass der Kampf mit dem Antrag und dem bürokratischen Ungetüm hinter den Landwirten liegt. Wie erfolgreich dieser Kampf war, bleibt abzuwarten.