Protocol of the Session on May 19, 2005

be mussten wir uns seit langem stellen, denn was anderes als Anpassung an die Bevölkerungsveränderung sind zum Beispiel die Maßnahmen im Stadtumbau? Die Maßnahmen des Stadtumbaus Ost werden letztendlich noch ein Exportschlager, weil all das, was wir an Erfahrungen gesammelt haben, auch für andere Bundesländer, die jetzt davon wahrscheinlich noch gar nicht betroffen sind, nutzbar sein wird. Die Demografiefalle ist nicht nur ein typisches Brandenburger Problem, sondern betrifft ganz Deutschland. So gesehen wird der Westen einmal vom Osten lernen können.

Die Nahverkehrsleistungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs müssen in einem stetigen Prozess der Überprüfung von Pendlerströmen, Fahrgastaufkommen und Kosten-Nutzen-Betrachtung den im Land stattfindenden Entwicklungen angepasst werden. Das fällt weder Herrn Schrey noch mir, die wir aus peripheren Räumen kommen, leicht. Da haben Sie, Frau Tack, es relativ komfortabel, weil Sie immer mehr Leistungen verlangen können. Wir müssen in Kauf nehmen, dass bei uns Leistungen abbestellt werden; denn dem höheren Verkehrsaufkommen in dem Metropolenbereich Brandenburgs und den wachsenden Fahrgastzahlen steht die Abbestellung von Linien im Land gegenüber.

Politikgestaltung ist in unserem Politikfeld enorm schwierig; denn wir müssen die sich im Land völlig unterschiedliche Entwicklung zwischen engerem Verflechtungsraum und äußerem Entwicklungsraum gestalten. Das ist keine leichte Aufgabe. Wir wollen unseren Anteil an der ausgewogenen Landesentwicklung und der Neukonzeption eines Leitbildes leisten und werden uns deshalb aktiv in die Überarbeitung der Landesplanung einbringen.

Diesen Problemen, bei denen jedes für sich allein schon ein riesiges Aufgabenfeld darstellt und als Komplex betrachtet fast unlösbar erscheint, wollen wir uns als Koalition stellen und uns mit großem Engagement einbringen. Wir werden nicht ideenund verantwortungslos handeln, wie es uns immer unterstellt wird, sondern gemeinsam mit dem Ministerium nach besten Lösungen suchen.

Zum Ende meines Beitrags möchte ich den Mitgliedern des Ausschusses für die faire und konstruktive Diskussion herzlich danken, auch wenn die Anträge zum Beispiel hinsichtlich des Rußfilters nicht angenommen werden konnten. Wir haben das auch begründet. Wir hatten ein Förderprogramm, das die 80%ige Um- und Nachrüstung der Busse in den letzten Jahren hätte gewährleisten können. Es ist kein Geld abgefordert worden. Demzufolge sahen wir uns außerstande, dem Antrag zuzustimmen und nur vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion in Aktionismus zu verfallen. Man hätte vorher reagieren können und nicht immer erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Diese Verantwortung kommt auch den Verkehrsbetrieben und den Kommunen, die jetzt von dieser Problematik eventuell betroffen sind, zu.

Da ich ein hoffnungsloser Optimist bin, möchte ich uns allen auf den Weg mitgeben, dass es vielleicht befriedigender sein kann, aus weniger mehr zu machen, als ständig aus dem Vollen zu schöpfen.

In diesem Sinne wünsche ich uns für die Politikgestaltung in den nächsten zwei Jahren und die weitere Zukunft trotz einiger Unwegsamkeiten im Haushalt, die wir alle kennen - ob das die

Steuerschätzung ist oder die Gerichtsentscheidungen sind, die uns im Bereich Flughafen ins Haus stehen usw. -, gemeinsam mit den in der Regierung Verantwortung Tragenden eine vernünftige Arbeit, denn unser Land hat es verdient, dass wir uns der Probleme annehmen und Lösungen anbieten. In diesem Sinne: Glück auf!

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der DVU spricht die Abgeordnete Hesselbarth. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Infrastrukturpolitik, Rotstift, Abrissbirne - mit diesen drei Worten könnte man die Infrastrukturpolitik dieser Landesregierung als ungenügend - 6! Setzen! - abtun

(Lachen des Abgeordneten Schulze [SPD])

und den vorliegenden Haushalt einfach ablehnen, denn eine Diskussion darüber erübrigt sich eigentlich, Herr Minister.

(Schulze [SPD]: Dann können Sie ja aufhören!)

- Nein, ganz so leicht mache ich es mir nicht.

(Schulze [SPD]: Sie machen es sich sehr leicht!)

Wie bereits seit Beginn der letzten Legislaturperiode im Jahre 1999 soll auch diesmal wieder der Haushalt des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung die haushaltspolitische Milchkuh spielen, die man so lange aussaugt, bis von ihr nichts mehr übrig bleibt. Ja, es ist richtig: Fast 178 Millionen Euro sollen in diesem Ressort eingespart werden. Das ist der Einzelplan - auch das ist richtig -, dem am meisten abgezogen wurde.

Frau Funck, ja, das ist ein Investitionshaushalt. Warum tragen Sie, wenn Sie gestern davon gesprochen haben, dass wir Investitionen brauchen, diese Kürzungen mit?

Herr Minister Szymanski, Sie machen nicht einmal Anstalten, sich dagegen zu wehren. Sie haben es genau so akzeptiert, wie Frau Gregor es eben vortrug.

Von den Einsparmaßnahmen sind insbesondere die Baumaßnahmen mit knapp 109 Millionen Euro, und zwar bereits in diesem Jahr, betroffen. Ihr neues Leitbild mit der Förderung der berlinnahen Regionen und Ihr Zentrale-Orte-System, welches zwei Drittel des Landes von der Entwicklung und Infrastruktur abhängt

(Frau Gregor [SPD]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

- es stimmt! -, lassen in diesem Haushalt schön grüßen. Obwohl dieses Szenario nach der letzten Planung erst zum 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt werden soll, wirft es bereits jetzt seine langen schlimmen Schatten voraus. Nach diesem Ihrem Konzept, Herr Minister Szymanski, soll die Zahl der zentralen Orte mit speziellen Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen für ihr Umland von 152 auf 63 reduziert werden. Knapp

90 Orte haben damit keinen Anspruch mehr auf besondere Förderung öffentlicher Einrichtungen.

Im ganzen Land gibt es inzwischen scharfe Kritik an Ihren Plänen. Vor allem Gemeinden in den Randregionen fühlen sich vernachlässigt. Statt sieben Kategorien zentraler Orte soll es nunmehr vier geben. Die vier kreisfreien Städte Potsdam, Cottbus, Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder) bleiben Oberzentren. Bis jetzt existieren daneben 31 Mittel- und 28 Nahbereichszentren. In Zukunft soll jede Kreisstadt ein Mittelzentrum werden. Vor allem Regionen wie die Prignitz, die Uckermark, die Lausitz oder der Spreewald werden in Zukunft fördertechnisch fast leer ausgehen.

Daher ist es kein Wunder, dass aus den Brandenburger Randregionen immer mehr Menschen fluchtartig das Weite suchen und in andere Bundesländer gehen. Brandenburg hat im vergangenen Jahr weitere Einwohner verloren. Das geht aus dem statistischen Jahresbericht 2004 des Landesbetriebes für Datenverarbeitung und Statistik hervor. Ende September 2004 lebten 7 301 Personen weniger in Brandenburg als Ende 2003. Damit setzt sich der Abwärtstrend der vergangenen Jahre fort. Die verschiedenen Regionen des Landes entwickeln sich somit immer weiter auseinander. Während der so genannte Speckgürtel um Berlin zusehends wächst - um 7 370 Personen in den ersten drei Quartalen des Jahres 2004 -, verloren die Randregionen in diesem Zeitabschnitt 14 018 Einwohner.

Beim Bruttoinlandsprodukt, das mit der Bevölkerungsentwicklung in direktem Zusammenhang steht, belegte Brandenburg im Jahre 2004 mit einem Wachstum von 0,9 % vor Berlin bundesweit den vorletzten Platz. Der Bundesdurchschnitt lag bei 1,6 %.

Herr Minister Szymanski, Statistiken sind eine tolle Sache. So lässt sich dem neuesten Jahresbericht unseres Landesbetriebs für Datenverarbeitung und Statistik entnehmen, dass wir Brandenburger total im Trend liegen. Beim Single-Sein und beim Keine-Kinder-Kriegen ist es jedenfalls so. Schön zu erfahren, dass Brandenburg beim Wirtschaftswachstum vor Berlin liegt und damit Vorletzter in Deutschland ist.

Früher gehörte übrigens auch das Wetter zum Berichtsgegenstand solcher Statistiken. In heutigen Zeiten, in denen weite Teile unseres Landes langsam versteppen, wird darauf verzichtet.

(Frau Gregor [SPD]: So ein Blödsinn!)

Vielleicht, Herr Dr. Klocksin, weil in Single-Haushalten niemand da ist, mit dem man über das Wetter reden kann? Oder weil durch die Beschreibung schlechten Wetters das Wirtschaftswachstum noch trüber erscheint? Doch Spaß beiseite! Was Sie betreiben, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Anschlag auf das Lebensrecht und die Lebensumstände der Brandenburgerinnen und Brandenburger außerhalb des Berliner Umlandes.

(Beifall bei der DVU)

Wie Staatssekretär Dellmann vor kurzem unumwunden erklärte, zwinge die Haushaltslage bei den Landesstraßen zu Prioritäten. So hätten die Verkehrsprojekte sich an den noch festzulegenden Wirtschaftszentren und zentralen Orten zu orientie

ren. Bei einigen Stellen könnten Straßen nur noch unterhalten, nicht aber mehr ausgebaut werden. Notfalls käme sogar ein völliger Verzicht auf Landesstraßen in Betracht. Dies sei von der lokalen Situation abhängig.

Inzwischen erkundigen sich die ersten Kreise und Gemeinden nach den Konditionen für die Übernahme von Landesstraßen in kommunale Zuständigkeit. Daher herrschen bereits heute in vielen Teilen unseres Landes auf den Landesstraßen sozusagen osteuropäische Verhältnisse. Man könnte, wenn man darüber fährt, eher von Schlaglochakrobatik als von normalem Verkehrsfluss sprechen.

Im Bereich anderer Verkehrswege und Verkehrsträger sieht es nicht besser aus. Auch bei den Wasserstraßen soll gespart werden.

Die Streckenstilllegungen durch die Deutsche Bahn AG - ob im Personen- und Güterverkehr - gehen ebenfalls munter weiter.

Bleibt die Luftfahrt: Nachdem es Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS, mit den von Ihnen gesteuerten Bürgerinitiativen,

(Zuruf von der PDS: So ein Blödsinn!)

verbunden mit der Unfähigkeit dieser Landesregierung, gelungen ist, das einzig verbliebene Großprojekt des Landes, den Großflughafen BBI in Schönefeld, nach jahrelanger Verzögerungstaktik juristisch fast zum Stoppen zu bringen, sieht es bei den kleineren Flughäfen in Brandenburg nicht besser aus. Siehe Neuhardenberg.

(Homeyer [CDU]: Wie bitte?)

- Jetzt werden Sie hellhörig, Herr Homeyer. Hier wurde der irischen privaten Fluggesellschaft Ryanair, die vom Flughafen Neuhardenberg aus Osteuropaflüge durchführen will - diese Firma will keinen müden Cent Subventionen vom Land -, die Genehmigung für diese Unternehmung einfach versagt und dies, obwohl Ryanair in Neuhardenberg - in einer Region mit knapp 30 % Arbeitslosigkeit - 550 Arbeits- und 110 Ausbildungsplätze schaffen wollte. Die Begründung, dies schaffe eine Konkurrenzsituation für Schönefeld, ist im Übrigen lächerlich.

Wir als DVU-Fraktion jedenfalls machen bei einer solchen Landesplanungs- und Verkehrspolitik nicht mit und kündigen unseren schärfsten parlamentarischen Widerstand dagegen an.

Darüber hinaus möchten wir mit einem Änderungsantrag zum Titel Straßen- und Brückenbau erreichen, dass durch Erhöhung des Ansatzes um 10 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2005 und um 20 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2006 Ihre verkehrspolitischen Wahnsinnskürzungspläne bei den Landstraßen zumindest zum Teil rückgängig gemacht werden.

Die Personalverstärkungsmittel mit ihrer exorbitanten Steigerung im Einzelplan 20, bei denen es sich, wie Finanzminister Speer im Ausschuss indirekt zugab, um einen haushaltspolitischen Puffer handelt, sind hier besser angelegt als zum Löcherstopfen in anderen Bereichen. Deckungslücken, die den Haushalt noch zusätzlich belasten, wollen wir ebenfalls nicht. Deshalb decken wir die globalen Minderausgaben mit den Perso

nalverstärkungsmitteln. Das sorgt für Haushaltswahrheit und -klarheit.

Zum Schluss noch ein Wort zum Landeswohnungsbauvermögen. Als man in den 60er und 70er Jahren massenhaft Plattenbauten hochzog, wurden sie als Errungenschaften des sozialistischen Fortschritts gefeiert. Heute kommt vielen Wohnungsbauunternehmen die Abrissbirne nicht schnell genug. Die rund 165 000 im Land Brandenburg leer stehenden Wohnungen - allein im letzten Jahr wurden über 7 000 abgerissen - belasten die Bilanzen der betroffenen Wohnungsbauunternehmen in extremer Weise und machen das Leben in den betroffenen Städten noch unattraktiver, das heißt, dass die Landesregierung den Abriss, wo er nötig ist, finanziell weiter unterstützen muss, egal ob die Kommune im neuen Infrastrukturförderkonzept als zentraler Ort ausgewiesen ist oder nicht.

All dies stellt für das Landeswohnungsbauvermögen ein enormes Risiko angesichts der in den 90er Jahren ausgereichten Milliardenkredite für den sozialen Wohnungsbau dar. Daher kommt der Landesrechnungshof zu dem alarmierenden Schluss, dass das Land beim Wohnungsbausondervermögen den Überblick verloren hat. Frau Präsidentin von der Aue erklärte wörtlich:

„Ein Vermögen gibt es nicht, nur eine versteckte Schuldenbelastung, die bei rund 5 Milliarden Euro liegen dürfte und im regulären Haushalt nicht auftaucht.“

Zu Ende gedacht, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, heißt dies nichts anderes, als dass ein Platzen der großen Blase Landeswohnungsbauvermögen nicht nur den Landeshaushalt, sondern das ganze Land Brandenburg in den totalen Ruin treiben könnte. Auch deswegen und wegen Ihrer katastrophalen Politik zulasten unserer Bürgerinnen und Bürger und der bestehenden Infrastruktur lehnt die DVU-Fraktion den vorliegenden Haushalt selbstverständlich ab. Stecken Sie ihn in den Papierkorb, wohin er auch gehört! - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Für die Fraktion der CDU spricht der Abgeordnete Schrey. Bitte schön.