Protocol of the Session on June 18, 2004

Das ist offensichtlich Ihr Prinzip: Sie wollen Inhalte durch Empörung ersetzen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU - Vietze [PDS]: Sie produzieren Empörung, indem Sie regieren!)

Wenn man sich die Konzepte ansieht, die Sie vorzutragen versuchen, dann bleibt eines übrig: Es ist immer noch eine Wünsch-dir-was-Politik. Das hilft Brandenburg nicht weiter.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU - Zurufe von der PDS)

Sie haben natürlich in einem Recht: Wir haben in den vergangenen fünf Jahren nicht alle Ziele erreicht; nicht alle Hoffnungen sind erfüllt worden. Aber Wesentliches haben wir geschafft. Das übersehen Sie geflissentlich.

(Zuruf von der PDS: Zum Beispiel?)

Es ist völlig klar: Wir haben eine Situation, die darauf hinausläuft, dass wir die Konsolidierung des Haushalts immer in unsere Überlegungen einbeziehen müssen. Das ist von 1994 bis 1999 so gewesen; von 1999 bis 2004 war es noch stärker so. Im Bereich der Wirtschaftsförderung haben wir Programme aufgelegt, die durchaus sinnvoll und zielgenau waren. Einige Programme mussten wir einstellen, weil schlichtweg das Geld nicht mehr da war. Daraus müssen wir ableiten, künftig noch zielgenauer zu fördern. Wir müssen Mitnahmeeffekte zurückdrängen und uns stärker auf den einsetzenden Effekt konzentrieren. Das ist eingeleitet worden. Insoweit sind wir auf einem vernünftigem Weg.

(Zuruf von der PDS: 15 Jahre sind Sie an der Regierung!)

Was den Bürokratieabbau angeht, haben wir eine Menge erreicht. Wir haben das Naturschutzgesetz, das Denkmalschutzgesetz und die Bauordnung verändert. Auch die Wirtschaft sagt: Man würde sich immer mehr wünschen, aber viele Änderungen sind vernünftig gewesen. - Wir sind an dieser Stelle deutlich weiter als noch 1999.

Sie haben Recht, wenn Sie kritisieren, dass die Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung nicht mehr ganz so toll aussehen wie vorher. Von 1994 bis 1999 betrug das jährliche Wirtschaftswachstum im Durchschnitt 3,74 %, von 2000 bis 2003 waren es nur noch 0,39 % und von 2001 bis 2003 sogar minus 0,5 %.

Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Das ist kein Wunder; denn seit 2000 hat die CDU das Wirtschaftsministerium. - Aber so einfach will ich es mir nicht machen. Das wäre auch ein bisschen verkürzt.

Meine Damen und Herren von der PDS, Sie übersehen die äußeren Einwirkungen, die von uns in keiner Weise beeinflussbar waren. Die Globalisierung ist zwar seit vielen Jahren Thema; aber uns trifft es härter als viele andere, weil unsere Wirtschaftsstrukturen nicht so gefestigt sind wie jene in den westdeutschen Bundesländern oder in Westeuropa. Wir haben seit mindestens zwei Jahren de facto eine Weltwirtschaftskrise, und zwar auf allen Kontinenten, insbesondere in Europa, hier wiederum besonders in Deutschland. Das hängt auch ein bisschen mit den Rahmenbedingungen, die wir hier haben, zusammen.

Die Exportquote Brandenburgs ist nicht ausreichend, hat sich aber in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Auch das muss man sehen.

Als Strukturproblem haben wir nach wie vor eine Eigenkapi

talschwäche, insbesondere bei kleinen Unternehmen. An dieser Stelle ist eine Menge geschehen; aber für die Zukunft bleibt noch eine Menge zu tun. Das ist unsere Zielsetzung im Rahmen unserer Möglichkeiten.

Wir haben nach wie vor ein Problem mit der Marktdurchdringung. Der Marktzugang unserer Unternehmen ist nicht optimal, weil sie zu spät gekommen sind und sich Strukturen längst gefestigt hatten. In diese einzubrechen ist sehr schwierig, insbesondere für kleine Unternehmen wie die unsrigen.

Problematisch ist die Entwicklung der Bauwirtschaft. Sie hat zunächst eine Boomphase erlebt. Diese Entwicklung geht jetzt in einem Maße zurück, wie es in der Bundesrepublik kaum jemals irgendwo der Fall gewesen ist. Das hängt wiederum mit den Rahmenbedingungen zusammen und wirkt sich natürlich auf die Kennzahlen Produktivität, Produktionsausstoß, Wirtschaftswachstum usw. aus.

Wenn man sich die politische Begleitung dieser Entwicklung ansieht, stellt man fest, dass - auch im Wirtschaftsausschuss vier Themen dominiert haben: Sicherung der Investitionsmittel, ZAB-Neustrukturierung, Auslandsplattformen und Chipfabrik. Insbesondere Letzteres hatte erhebliche Auswirkungen auf die Effizienz und die Arbeitsfähigkeit des Wirtschaftsministeriums. Ich will es deutlich sagen: Es gab zum Teil fast eine Lähmung, insbesondere was die Hausspitze angeht. Ich will es noch deutlicher sagen: Der ehemalige Wirtschaftsminister Fürniß hat einen ziemlichen Scherbenhaufen hinterlassen. Die Kraft des neuen Wirtschaftsministers Junghanns wurde über lange Zeit dadurch gebunden, dass er diese Scherben zusammenfegen musste. Ich glaube, das ist eine Belastung für Brandenburg gewesen.

(Beifall des Abgeordneten Prof. Dr. Bisky [PDS])

Betrachten wir die Diskussion um die Großprojekte! Wir haben das Problem, dass von allen Großprojekten immer nur einige genannt werden, nämlich jene, die permanent in der Politik und der Presse präsent waren.

Wenn meine Vorredner fragen: „Welche anderen Großprojekte?“, dann antworte ich ihnen: Ich habe hier eine Liste, die Sie sich gern ansehen können. Sie können daraus zum Beispiel die Zahl der entstandenen Arbeitsplätze erkennen. Genau diese Angaben können Sie nicht übersehen haben.

(Zuruf von der PDS: Eine Milliarde ist versenkt worden!)

Dass darüber in der Öffentlichkeit nicht so viel diskutiert worden ist, ist der Grund, warum die Bewertung so problematisch erscheint und das Bild so schief ist. Diese Großprojekte haben nämlich funktioniert, ohne dass groß politisch darüber geredet worden ist, ohne dass sich die Presse eingemischt hat. Warum stand das nicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit? Weil es der Normalfall ist, dass sich die Politik nicht einmischt und die Projekte dennoch funktionieren. Das ist gut so und das soll auch so bleiben.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Vietze [PDS]: Wen ha- ben Sie jetzt kritisiert? Wer hat denn die Großprojekte po- litisch instrumentalisiert?)

Wir hatten genau bei den Projekten ein Problem, in die sich die

Politik stark einmischen musste, bei denen die Investitionen von der öffentlichen Hand abhängig waren und bei denen die Verwaltung Aufgaben des Investors übernommen hat. Deswegen war die Presse immerzu dran;

(Zuruf von der PDS: Deswegen sind sie schief gegan- gen?)

deswegen wurde darüber politisch diskutiert, deswegen wurde es hoch und runter dekliniert. Aus den Problemen, die wir bei diesen Projekten hatten, sollte man lernen; wir haben daraus gelernt.

Stellen Sie sich einmal die Frage, was mit den industriellen Kernen ist! Wir haben in den ersten Legislaturen darüber diskutiert, ob sie stabilisierbar seien. Heute wird nicht mehr darüber geredet, weil es an sehr vielen Orten funktioniert hat. Unser Wirtschaftsarbeitskreis und der Wirtschaftsausschuss waren immer wieder in Schwedt. Wenn man sich die dortige Entwicklung ansieht, sowohl was den industriellen Bereich angeht, als auch was den Stadtumbau angeht, dann stellen wir fest: Es hat viel stattgefunden. Das ist ein Erfolgsmodell. Hier hat sich etwas außerordentlich positiv entwickelt.

(Beifall bei der SPD)

Gleiches kann ich von Schwarzheide, Ludwigsfelde, Eisenhüttenstadt, Rathenow usw. sagen.

In Bezug auf den Bestand an kleinen und mittleren Unternehmen haben wir in den Bereichen Biotechnologie, Luftfahrtechnologie, Maschinenbau und Fahrzeugbau, aber auch im Tourismus im Laufe der Zeit eine gute Struktur entwickelt. Sie entspricht immer noch nicht dem, was wir uns wünschen - keine Frage: wir wünschen uns mehr -; aber es hat sich eine Menge an Positivem entwickelt. Das sollte man immer wieder deutlich sagen.

Wir haben ein Problem, was die Finanzausstattung angeht. Deswegen wird es in der näheren Zukunft darum gehen, die Investitionsquote auf hohem Niveau zu halten. Bei uns gibt es nach wie vor Nachholbedarf; die Lösung hängt oft mit Geld zusammen. Deswegen wird die Kofinanzierung der Investmittel aus EU und GA wichtig sein. Noch wichtiger ist aber, dass wir es schaffen, Brandenburg ein positives Image zu verleihen. Dazu müssen wir unsere Stärken deutlicher herausstellen; wir müssen uns aber auch intensiver auf unsere Stärken konzentrieren.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD - Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das habe ich gesagt!)

Die Zukunft beginnt in den Köpfen. Unternehmer müssen wieder stärker unternehmen. Das erfordert eine stärkere Konzentration auf Innovationen. Wir, die Politik, müssen versuchen, diese Entwicklung stärker zu unterstützen.

Verwaltungen müssen aber auch unternehmen lassen. Nicht die Gesetze, sondern die nicht ausreichende Nutzung von Spielräumen sind oftmals das Problem. Es muss klar sein: Wenn ein Verwaltungsbeamter im Rahmen seines Spielraums eine Entscheidung trifft, die nicht im Interesse der Arbeitsplätze im Unternehmen liegt, dann muss er unter Erklärungsdruck geraten und die Frage beantworten: Warum hast du nicht anders

entschieden? - Bisher wird sich oft zurückgelehnt und gesagt: Ich konnte ja so entscheiden. - Das darf nicht so bleiben, da muss mehr Druck gemacht werden.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Wir brauchen in den Unternehmen bessere Strategien für Personalentwicklung und Weiterentwicklung. Wir brauchen an den Hochschulen mehr Zeit zum Forschen, aber auch eine leistungsabhängige Bezahlung. Wir brauchen in den Verwaltungen weniger Hierarchie, dafür mehr Eigenverantwortung. Wir brauchen in der Politik weniger Regeln, dafür mehr Freiräume. Die Wirtschaft wird letztlich von der Wirtschaft gemacht. Wir sollten nicht versuchen, die besseren Unternehmer zu sein. Das wird uns nicht gelingen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Die Politik muss sich noch stärker als Dienstleister für die Wirtschaft verstehen. Wirtschaftspolitik muss Querschnittsaufgabe und nicht nur Aufgabe des Wirtschaftsministeriums sein. Ein Weiteres hat sich in den letzten Monaten und Jahren deutlich gezeigt: Wirtschaftspolitik ist Chefsache!

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Der Ministerpräsident steht mit seiner ganzen Person für eine positive Wirtschaftspolitik.

Wir müssen auf Kooperation setzen, vor allem zwischen Unternehmen und Hochschulen. Auf globalen Märkten können sich kleine Unternehmen nicht in dem Maße positionieren wie es größere Strukturen können. Deswegen muss dieser Aspekt in die Fördertechnologien stärker aufgenommen werden.

Die Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft muss ausgebaut werden, um den Übergang von der Schule ins Arbeitsleben zu verbessern. Auf diesem Gebiet ist schon einiges geschehen. Der Bildungsminister hat das „Netzwerk Zukunft“ auf den Weg gebracht, das unterdessen ordentlich funktioniert.

Wir müssen die Förderungen stärker auf regionale und branchenorientierte Schwerpunkte lenken, müssen aber auch zum Wettbewerb der Regionen herausfordern. Die Regionen müssen sich stärker zusammenfinden, die Arbeitgeber mit den Arbeitnehmern und alle zusammen mit den Verwaltungen, mit den Menschen in der Region, um ein Profil für die Region zu entwickeln; denn überregional wird man nur anerkannt, wenn man auch ein Profil hat. Deswegen ist das ein sehr wichtiger Punkt.

Was ich als weiteres Potenzial sehe, ist, dass Unternehmen stärker für Unternehmen werben. Das erlebe ich an manchen Standorten schon. Da gehen die Unternehmen selbst auf andere zu und sagen: Wir haben hier einen guten Standort. Ihr würdet gut hineinpassen; kommt in unsere Region!

Wir müssen eines stärker als bisher tun, nämlich den einzigen richtigen Standortvorteil nutzen, den wir haben: Wir sind die Hauptstadtregion. Das kann keine andere Region in Deutschland vorweisen. Wir müssen mit diesem Pfund wuchern, und zwar viel stärker als bisher, und können dies gerade im Bereich Wirtschaft tun. Da gibt es keine Landesgrenzen. Wir müssen dieses Engagement verstärken. Dazu gehört aus meiner Sicht

auch, dass die Wirtschaftsförderung zusammengebracht werden muss.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Wir haben bisher die Situation, dass auf der einen Seite Brandenburg für die Hauptstadtregion wirbt und auf der anderen Seite Berlin. Das muss zusammengefügt werden. Das gelingt am besten, wenn die handelnden Personen nicht ständig in Versuchung geraten, gegeneinander zu arbeiten, sondern miteinander an die Lösung dieser Aufgabe herangehen.