Protocol of the Session on June 16, 2004

Ich widerspreche der hier ausgesprochenen Vermutung, dass die Landesregierung eine neue Debatte um die Fortführung des Runge-Gymnasiums entfachen will, ausdrücklich. Das ist, und Sie wissen das, per Gesetz ausschließlich Sache des Kreistages. Die Auflagen des besagten Entscheides orientieren sich ausschließlich an den rechtlichen Vorgaben des § 102 Brandenburgisches Schulgesetz, wonach ein Schulentwicklungsplan ein in sich schlüssiges Planungskonzept sein muss, will er eine Genehmigung erfahren. Nur darum geht es an dieser Stelle.

Der Landkreis Oberhavel hat mit seinen abweichenden Beschlüssen zu den Gymnasialkapazitäten eine konkurrierende Beschlusslage herbeigeführt und mit den hier zitierten Auflagen wird der Landkreis lediglich zu einer Nachbesserung der Schulentwicklungsplanung aufgefordert. Ich bin gespannt, in welcher Weise das erfolgt.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Wir beginnen mit Frau Große.

Herr Minister, die erste Frage: Halten Sie den Übergang von 31 bzw. 32 % in Klasse 7 an die Gymnasien nicht auch noch für relativ moderat und sehen Sie nicht auch die Möglichkeit, die

sen Übergang zu erweitern? Sie selbst sprechen in der Regel auch von 40 bis 50 % der Schüler, die wir für ein Abitur haben müssen.

Zweite Frage: Herr Minister, welches Zeugnis meinen Sie verdient zu haben bezüglich der Schulentwicklung im Land Brandenburg?

Um dieser Frage vorzubeugen - aber das ist bei Ihnen anscheinend nicht angekommen -, habe ich darauf hingewiesen, dass wir eine Gymnasialkapazität, nicht aber eine Abiturkapazität haben. Die Abiturkapazität, auch im Landkreis Oberhavel, ist zum Glück wesentlich größer. Man kann natürlich die gymnasiale Übergangsquote auf 35, 45 oder gar 50 % nach oben treiben. Dies hat alles Auswirkungen auf die ansonsten von der PDS und auch Ihnen in besonderer Weise geschützten Gesamtschulen bzw. auch die gymnasialen Oberstufen an ihren Oberstufenzentren. Ich finde schizophrene Haltungen in der Schulentwicklungsplanung nicht sinnvoll und möchte in Hochachtung vor Ihrer sonstigen Position nicht zu einer solchen raten.

Zeugnisse, verehrte Kollegin Große - Sie wissen das als Lehrerin -, werden in Brandenburg - ich bedaure das - nicht von den Schülern selbst ausgestellt, sondern von den Lehrern. Insofern müssten Sie, wenn Sie schulgesetzkonform reden wollten, mit den Kollegen mir ein Zeugnis ausstellen. Wenn ich mir, was ich für modern halten würde, ein dann von Ihnen zu kritisierendes Selbstzeugnis geben müsste, würde ich sagen: in schwierigen Zeiten mit dem Parlament gute Arbeit geleistet.

(Zurufe)

Frau Hartfelder, bitte.

Herr Minister, wie beurteilen Sie, dass die PDS in Berlin, die ja dort mitregiert, nichts gegen die Schließung von Gymnasien tut, sodass zum Schuljahresbeginn 2004/05 im Osten Berlins neun Gymnasialstandorte wegfallen werden und die Schüler an anderen Standorten konzentriert werden?

Frau Kollegin Hartfelder, dagegen hilft nur eins: dass die PDS in Regierungsverantwortung klug wird.

(Beifall bei der PDS)

Das wünschen Sie vermutlich nicht.

Bevor ich dem Abgeordneten Nonninger das Wort für die Formulierung seiner Frage 2120 (Rechtschreibreform) erteile, begrüßen Sie mit mir junge Gäste aus Großglienicke. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Nonninger, bitte sehr.

Seit längerem wird in der Öffentlichkeit über die schwerwiegenden Mängel der Rechtschreibreform diskutiert. Anfang des Jahres forderten mehr als 50 deutsche und schweizerische Rechtsprofessoren in einem Appell an den Bundestag sowie an die Nationalräte von Österreich und der Schweiz die „sofortige Beendigung des Projekts Rechtschreibreform“. Ende Mai 2004 haben sich die Inhaber des Schulbuchverlages Stolz Verlags GmbH Düren als erste ihrer Zunft öffentlich gegen die Rechtschreibreform ausgesprochen, da sie sich als schlichtweg unbrauchbar erweise.

Für die Verlage entsteht nach Ansicht des Stolz Verlages ein unhaltbarer Zustand.

„Spätestens im nächsten Jahr werde aufgrund pausenloser Überarbeitung des Reformwerkes ein Großteil der jetzt aufgelegten Druckwerke wieder veraltet sein.“

Die Schulen werden mit ihren Schülerbibliotheken gar nicht nachkommen, mit der ständig nachgebesserten Rechtschreibung Schritt zu halten.

Ein Antrag der DVU-Fraktion auf eine Bundesratsinitiative zur Rücknahme dieser verfehlten Rechtschreibreform wurde von allen übrigen Fraktionen des Landtags abgelehnt.

Ich frage die Landesregierung: Werden den Schulen im Lande Brandenburg ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, damit sie alle Schüler stets mit Schulbüchern versorgen können, die der Rechtschreibreform in ihrer jeweils gültigen Fassung entsprechen?

Herr Minister Reiche, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Kollege Nonninger, ich habe mich auf diesen Appell hin in der Kultusministerkonferenz in besonderer Weise mit Erfolg dafür eingesetzt, dass wir nochmals sehr intensive und gute Gespräche führen. In diesem Prozess bin ich von der Kollegin Schavan aus Baden-Württemberg sehr unterstützt worden. Wir haben uns gemeinsam mit dem Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, aber auch mit Herrn Eisenberg von der Universität Potsdam und Herrn Hartmut von Hentig aus Berlin um eine Weiterentwicklung der Rechtschreibreform bemüht, und zwar an einigen kleinen Stellen mit Erfolg, wenn auch nicht mit dem von mir gewünschten großen Erfolg. Immerhin ist vor allem auch erreicht worden, dass die Rechtschreibreform in Zukunft unter Einbeziehung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der anderen Akademien in Deutschland, die sich um diese Frage kümmern, weiter betrieben wird.

Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder hat am 4. Juni dieses Jahres in Mainz einen Beschluss gefasst, in dem es unter anderem heißt - ich möchte daraus zitieren, weil das genau auf Ihre Frage eingeht -:

„Die im 4. sowie im ergänzenden Bericht enthaltenen Änderungen treten mit Ablauf der Übergangszeit zum

01.08.2005 in Kraft. Durch die hier vorgenommenen zusätzlichen Änderungen werden mit unwesentlichen Ausnahmen keine der bisher unterrichteten Schreibweisen falsch und es können alle Schulbücher, die der Neuregelung bisher schon folgen, weiter benutzt werden. Die Kultusministerkonferenz bittet die Präsidentin, eine entsprechende Vereinbarung mit der Bundesregierung sowie den Regierungen Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins und weiteren interessierten Staaten herbeizuführen und zu unterzeichnen.“

Da im Land Brandenburg bereits jetzt nur noch Schulbücher zugelassen sind, die den Regelungen der reformierten deutschen Rechtschreibung entsprechen, wird die Rechtschreibreform an der Ausstattung der Schulen mit aktuellen Lehrmitteln nichts ändern. Die beschlossenen Ergänzungen zur Rechtschreibreform werden keinen Mehrbedarf an Lehr- oder Lernmitteln auslösen. Wir haben schon jetzt eine gute Ausstattung mit Lehrmaterialien. Dies unterliegt nach Schulgesetz im Übrigen ausdrücklich allein der Zuständigkeit der Schulträger, also der Kreise, der kreisfreien Städte und der Gemeinden.

Ich möchte ergänzen, dass wir es gestern erreicht haben - das war eine Brandenburger Initiative -, dass zum neuen Schuljahr erstmals in Deutschland länderübergreifend für vier Länder gemeinsame Rahmenlehrpläne für die Grundschule gelten. Da das auch einer Forderung der Verlage entspricht, habe ich die Erwartung, dass die Verlage ihre Bücher für die Schülerinnen und Schüler deshalb auch preisgünstiger anbieten können und dass wir insofern eine noch bessere und zeitnähere Versorgung der Schülerinnen und Schüler mit Lehrmaterialien organisieren können.

Im Übrigen teile ich Ihre Einschätzung der Rechtschreibreform in keiner Weise. Diese Reform hat sichtlich zur Vereinfachung der Schriftsprache beigetragen und hat sich weitgehend bewährt. Deutschlehrer haben das auch in den deutschen Medien zur besten Sendezeit immer wieder gesagt und haben der Kultusministerkonferenz auf diese Weise auch dafür gedankt, dass sie an dem gemeinsam vereinbarten Kurs festgehalten hat.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, es gibt noch Klärungsbedarf. Bitte, Herr Nonninger.

Herr Minister, es ist aber bekannt, dass jetzt schon damit angefangen wird, der Reform eine Reform anzusetzen, dass bereits jetzt wieder Reformvorschläge rückgängig gemacht werden. Deshalb frage ich Sie: Besteht nicht die Gefahr, dass die Schulbücher für die deutschen Schulen zwar nach der neuen Rechtschreibung gemacht werden, dass diese Rechtschreibung aber von Jahrgang zu Jahrgang unterschiedlich ist?

Herr Nonninger, das ist nicht der Fall; denn der 4. Bericht daran sehen Sie, dass es bereits mehrfach Nachregulierungen gegeben hat -, den wir jetzt verabschiedet haben, lässt nur zusätzliche Formen zu. Keine einzige der in den nach der neuen Rechtschreibung veröffentlichten Lehrbüchern gefundene

Schreibweise - ich habe das schon gesagt - wird falsch; vielmehr werden nur weitere Schreibweisen zulässig.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr. - Ich finde es schön, dass es für diese Rechtschreibreform auch Beifall gibt. Das kommt selten genug vor.

Damit sind wir bei der Frage 2121 (Deutsch-polnische Schul- projekte), die von der Abgeordneten Siebke gestellt wird.

Im Rahmen einer Festveranstaltung am 24. Mai 2004 zur Ehrung von mehr als 600 deutsch-polnischen Partnerschaften und Projekten unter Beteiligung des EU-Kommissars Günter Verheugen und des polnischen Bildungsministers wurde auch angekündigt, dass insbesondere die deutsch-polnischen Projekte im Schulbereich intensiviert werden sollen. In diesem Zusammenhang wurde für den Ausbau weiterer schulischer Partnerschaften und Projekte zwischen dem Land Brandenburg und den neuen EU-Beitrittsländern geworben.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Welche Möglichkeiten zum weiteren Ausbau von Schulpartnerschaften und schulischen Begegnungen zwischen dem Land Brandenburg und den neuen EU-Beitrittsländern zeichnen sich ab?

Herr Minister Reiche, Sie müssen noch einmal ran.

Gern, Herr Präsident. Es gibt ja doch mehr zu berichten, als die PDS-Fraktion in ihrem Abgangszeugnis wahrhaben wollte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Kollegin Siebke, Brandenburg und Polen verbindet nicht nur eine 250 km lange gemeinsame Grenze; vielmehr verbindet beide Seiten seit Jahren auch das Bemühen, diese Grenze zu überwinden bzw. durchlässig zu gestalten, Trennendes so weit wie möglich durch Gemeinschaftliches zu ersetzen und vor allem Vorurteile, die es auf beiden Seiten der Oder leider gibt, zu überwinden. Wir sind in diesem Prozess, der mit der EU-Integration Polens hoffentlich eine weitere Dynamik erleben wird, einer der Vorreiter. Auf dem großen Fest, auf dem auch einige der Abgeordneten hier anwesend waren - Sie waren die ganze Zeit dabei -, ist das, was wir erreicht haben, gewürdigt worden, und zwar in Gegenwart von Günter Verheugen und dem polnischen Kollegen Sawicki, der das Bildungsressort in Warschau seit einigen Wochen leitet.

Es gibt zwei große Bereiche der Zusammenarbeit, in denen wir schon heute wirklich bundesweit Wegweisendes, Beeindruckendes vorweisen können. Zu keinem anderen Land unterhalten die Schulen unseres Landes so viele und gute, lebendige Partnerschaften wie zu Polen. Waren es vor etwa vier Jahren noch gut 150 brandenburgische Schulpartnerschaften, so sind es heute weit über 230, und zwar mit weiter steigender Tendenz. Die von mir ins Leben gerufenen deutsch-polnischen Schulpartnerbörsen waren meiner Meinung nach einer der

wichtigen Impulsgeber, weil sich die künftigen Partner dort auch haben kennen lernen können.

Die deutsch-polnischen Schulprojekte sind aus unserer Bildungslandschaft nicht mehr wegzudenken. In Brandenburg gibt es davon doppelt so viele wie in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen zusammen. Diese Projekte genießen einen guten Ruf und erfreuen sich ungebrochen lebendiger Nachfrage bei den polnischen Schülerinnen und Schülern. Derzeit gibt es sechs Projekte mit etwa 360 polnischen Schülerinnen und Schülern, die im gemeinsamen Lernen mit Brandenburger Schülerinnen und Schülern das Abitur anstreben. Wegen der intensiven Werbung ist in diesem Sommer ein erster kleiner Fortschritt dahin gehend sichtbar, dass auch mehr Brandenburger Schülerinnen und Schüler ein Auslandsjahr in Polen verbringen.

Dass diese Zuwächse trotz sich nicht verbessernder finanzieller Rahmenbedingungen erreicht werden konnten, ist nicht zuletzt dem gestiegenen Engagement und der zunehmenden Sensibilität unserer Schulen dafür zu verdanken, die Chancen der Nachbarschaft zu nutzen, die sich durch den Beitritt Polens zum europäischen Staatenbündnis noch verbessert haben. In erster Linie ist es jedoch die qualitative Entwicklung, auf die wir in den letzten Jahren den Hauptschwerpunkt in der grenzüberschreitenden Kooperation mit Polen gelegt haben.

Zwei Ziele, die sich gegenseitig bedingen, hatten wir dabei immer vor Augen. Zum einen ist es das Ziel einer stärkeren Ausgewogenheit und Parität der Leistungen der beiden Partner Brandenburg und Polen, allerdings ohne dass wir uns dafür nun Rechnungen ausstellen. Ich habe das immer in den kurzen Slogan gefasst: Partner und Freunde schreiben sich keine Rechnungen. - Zum anderen ist es das Ziel einer größeren Formenvielfalt bei der grenzüberschreitenden Bildungskooperation. Beiden Zielen sind wir in den vergangenen fünf Jahren ein großes Stück näher gekommen. Das ist in der Einschätzung der PDS-Fraktion leider auch nicht vorhanden, Internationalität, obwohl dies von ihr sonst immer gern gefordert wird. Insofern lassen auch Zeugnisformulare, die von der PDS-Fraktion in großer Freiheit entwickelt werden durften, viel zu wünschen übrig.

(Unruhe bei der PDS)

Verweisen möchte ich dabei insbesondere auch auf die Verabredungen, die ich zu Beginn dieses Jahres mit der seinerzeitigen polnischen Bildungsministerin Dr. Lybacka unterzeichnen konnte und die den genannten Prinzipien von Wechselseitigkeit und Symmetrie verpflichtet sind.