Protocol of the Session on March 31, 2004

Ich danke dem Abgeordneten Dellmann und gebe das Wort der Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Unsere Fraktion

hatte angenommen, mit dem Gesetz würde das undurchdringlich gewordene Gesetzesdickicht von allem überflüssigen Ballast entlastet. Das ist leider nicht der Fall.

Wir brauchen Freiräume und Ermessensspielräume, wenn wir modernen Naturschutz gemeinsam mit den Menschen unseres Landes gestalten und umsetzen wollen. Warum fehlen noch immer Weitsicht und Kraft für eine umfassende Straffung und Vereinfachung der Umweltvorschriften im Land Brandenburg? Durch den vorgelegten Gesetzentwurf der Landesregierung befürchtet unsere Fraktion mehr Planungsaufwand, mehr Verwaltungsaufwand, mehr Gutachten, das heißt im Klartext: mehr Bürokratie, mehr Arbeitsaufwand und mehr Kosten.

Wir dringen darauf, dass die Umweltverträglichkeit von Vorhaben in möglichst unbürokratischen Verwaltungsverfahren geprüft wird. Das Naturschutzgesetz darf nicht dazu missbraucht werden, unliebsame Maßnahmen unter dem Vorwand der nicht gegebenen Umweltverträglichkeit zu verhindern; denn genau dadurch wird die inzwischen ohnehin geringe gesellschaftliche Reputation des Umweltschutzes weiter geschädigt.

Der ursprüngliche Entwurf des Naturschutzgesetzes wurde oft als Investitionsbremse für die Wirtschaft kritisiert. Gestatten Sie mir, den IHK-Präsidenten Hubert Marbach kurz zu zitieren:

„Mit der Verschärfung der Umweltstandards sendet der Entwurf in der gegenwärtigen wirtschaftlich schwierigen Situation das völlig falsche Signal an investitionsbereite Unternehmen in Brandenburg aus. Wir fordern die Landesregierung auf, in ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik Prioritäten zu setzen. Bei knappen Kassen muss die wirtschaftliche Entwicklung gesichert werden, die Steuereinnahmen und Arbeitsplätze bringt. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, nicht nur Nachbesserungen, sondern eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfes vorzunehmen.“

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, es gibt auch keinen vernünftigen Grund dafür, dass das Land Brandenburg mit seinem Naturschutzgesetz über die Anforderungen des Bundesnaturschutzgesetzes hinausgeht. Hier stellt sich doch unser Land - so kann man sagen - selbst ein Bein.

Fakt ist, dass man auf der einen Seite wichtige Informationsvorhaben wie den Bau der A 114 möglichst schnell anschieben möchte und die Initiative zur Verlängerung des Bundesverkehrswegebeschleunigungsgesetzes unterstützt und dass man auf der anderen Seite den Umweltverbänden im Gesetz erweiterte Klagebefugnisse einräumen will. Da beißt sich doch etwas. Im Ergebnis konterkariert die Landesregierung damit ihre eigenen Bemühungen, zu einem raschen Ausbau wichtiger Verkehrs- und Infrastrukturprojekte zu kommen. Dieser Meinung des Geschäftsführers der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin und Brandenburg, Herrn Christian Amsick, schließt sich unsere Fraktion natürlich an.

Harte Kritik verdient auch das Festhalten an der Einvernehmensregelung, die einem Vetorecht der zuständigen Naturschutzbehörde gleichkommt. Wichtige Innovationen und Projekte könnten an der mangelnden Zustimmung der zuständigen Naturschutzbehörde scheitern. Es entsteht der Eindruck, das Gesetz werde jetzt mit dem Anspruch des novellierten Natur

schutzes in Form zahlreicher Ausnahmeregelungen manifestiert. Tatsache ist, dass der Gesetzentwurf keinen Ausgleich zwischen Industrie und Ansiedlungsindustrie auf der einen Seite und Umweltinteressen auf der anderen Seite schafft. Vielmehr versuchen Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, Belange des Umweltschutzes im Naturschutzrecht zu regeln und diesem dabei Vorrang gegenüber wirtschaftlichen und sozialen Aspekten einzuräumen.

Machen wir uns nichts vor: Es ist ein Irrglaube, dass noch mehr Vorschriften und Kontrollen gut für die Umwelt sind. Fakt ist doch, dass hier eine Chance vertan worden ist, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das sich an den Bundesregelungen orientiert, wie es beispielsweise Sachsen-Anhalt und Sachsen getan haben. Denen ist es auch ziemlich gut gelungen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Claus. - Ich gebe das Wort der Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Dombrowski.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das heute zur Beratung und Verabschiedung vorliegende novellierte Naturschutzgesetz ist kein Meilenstein, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es vereinfacht Verfahren, regelt Zuständigkeiten klarer und setzt in Teilen auf mehr Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt der Natur.

Dennoch sei klargestellt, dass dieser Gesetzentwurf in seinen Einschränkungen und Verboten in wichtigen Bereichen über Vorgaben des Bundes und der EU hinausgeht. Das hätten wir uns in Teilen auch anders vorstellen können, weil wir glauben, dass die Vorgaben eines grünen Bundesumweltministers schon recht hoch sind. Wenn wir noch darüber hinausgehen, ist das eine sehr beachtliche Angelegenheit.

Ich möchte einige Beispiele nennen, bei denen wir nach wie vor über Bundes- und EU-Recht hinausgehen. Das Verbandsklagerecht der anerkannten Naturschutzverbände erstreckt sich auf deutlich mehr Fälle, als dies das Bundesnaturschutzgesetz vorsieht.

Ein weiteres Beispiel sind die Einvernehmensregelungen. Die zuständige Behörde hat weiterhin bei Eingriffen nach dem Naturschutzgesetz schon bei der Frage, ob es sich um einen Eingriff handelt, das Einvernehmen mit der gleichgeordneten Naturschutzbehörde herzustellen.

Auch bei der Verträglichkeitsprüfung für Projekte nach der FFH-Richtlinie hat die nach dem jeweiligen Fachgesetz zuständige Zulassungsbehörde das Einvernehmen mit der zuständigen Naturschutzbehörde herzustellen.

Aber ich möchte auch die Vereinfachungen deutlich hervorheben. Bei Befreiungen von Vorschriften in Großschutzgebieten ist zukünftig nur noch das Benehmen mit der Fachbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege herzustellen. Das Einspruchsrecht der Naturschutzbeiräte besteht nicht mehr, wodurch Ansiedlungsvorhaben beschleunigt werden können und Verwaltungsabläufe einfacher werden.

Die Baumschutzverordnung gilt weiter. Sie soll aber nur noch Bäume mit einem Stammumfang von über 60 cm schützen. Selbst die Hausgärten werden von der Anwendung der Baumschutzverordnung freigestellt. Der Minister hat dies kürzlich auch bei der Vorstellung der Rechtsverordnung öffentlich gemacht.

Insgesamt bewertet - ich sagte es schon - geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung, ist uns aber in Teilen noch zu restriktiv. In Diskussionen haben wir oft vorgehalten bekommen: Schaut mal nach Bayern, da sind die Umwelt- und Naturschutzregelungen viel strenger.

Ich selbst bin kein Freund von Vergleichen mit anderen Bundesländern, weil es meist nie so ganz passt. Aber an dieser Stelle musste ich den Vergleich ziehen. Ich habe darauf geantwortet, dass nicht die Schärfe eines Gesetzes entscheidend ist, sondern seine Anwendung durch die Verwaltung. Während in Bayern die freiwilligen Umweltpartnerschaften zum Beispiel von kommunaler bis zur Landesebene exzellent funktionieren und Katalysatorwirkung haben, ist dies - so die einmütige Meinung der Industrie- und Handelskammern - bei uns in Brandenburg eben nicht so.

Um ein Beispiel für die Gesetzesanwendung in Brandenburg zu bringen: Wir haben hier sinnvollerweise schon lange eines der schärfsten Polizeigesetze in Deutschland. Der finale Rettungsschuss in extremen Situationen ist bei uns Gesetz. Dies hat jedoch nicht dazu geführt, dass unsere Polizistinnen und Polizisten jeden ertappten Kaninchendieb im Morgengrauen vom Zaun schießen, sondern unsere Beamtinnen und Beamten gehen sehr sorgfältig mit den Schutzmöglichkeiten des Rechtsstaates um. Ich will damit sagen, dass ein scharfes Schwert nicht unbedingt immer als Waffe erhoben und eingesetzt werden muss.

Die mangelnde Akzeptanz in der Bürgerschaft in Teilen unseres Landes und die zahlreichen Konflikte zwischen dem Naturschutz, anderen Nutzergruppen und Verbänden sind auch nicht vorrangig durch das bestehende Naturschutzgesetz - auch nicht durch das neue - verursacht, sondern durch deren Anwender insbesondere in den öffentlichen Verwaltungen auf allen Ebenen. Viel zu oft wird von den öffentlichen Verwaltungen, um ja keinen Fehler zu machen, vorsichtshalber das Maximum von Einschränkungen und Auflagen gefordert.

Das Verständnis dafür, dass der Mensch Bestandteil der Natur ist und somit auch seine Interessen zum Beispiel auf Erholung, auf wirtschaftliche Entwicklung und Bewegung in der Natur nicht nur schutzwürdig, sondern gerechtfertigt sind, ist in mancher Amtsstube noch nicht Allgemeingut. Vielmehr gilt allzu oft das Prinzip, lieber Nein sagen, lieber Aussperren.

Mit einem Gesetz können wir nur ein rechtliches Regelwerk schaffen. Wir können nicht das Denken und Handeln der Verantwortungsträger im Land Brandenburg verändern. Alle politisch Verantwortlichen in herausgehobener Position auf Landes-, Landkreis- und anderen kommunalen Ebenen sind aufgefordert, in ihren Verwaltungen den Geist von Vertrauen und Partnerschaft zu fördern und zu fordern.

Das unausgesprochene Misstrauen gegen Bürgerschaft und Wirtschaft beim Umgang mit unseren Naturressourcen muss aufgebrochen werden. Unsere Bürgerinnen und Bürger, unsere

Landwirte, Fischer und Forstwirte, unsere Unternehmer sind keine Naturfrevler.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Frau Dr. Enkelmann, Sie sind doch immer die Erste, die bei jedweder Bürgerinitiative, bei der es Proteste gibt, anwesend ist und allen das Gefühl gibt, dass sie mit ihrer Forderung Recht haben. Das tun wir nicht. Wir positionieren uns mit diesem Gesetz ganz eindeutig. Wir haben Verständnis dafür, dass jeder seine spezifischen Interessen vertritt.

Ich komme zum Schluss. Frau Dr. Enkelmann hat gesagt, einer will bei der CDU umgraben und nicht säen usw. und mit der Ernte wird es schlecht werden.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Unser Jörg Schönbohm hat gesagt: Umgraben, säen, ernten das ist unser Ziel. Da haben wir keinen Zweifel.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Ihnen, Frau Dr. Enkelmann, sage ich, es gibt in der Bibel etwas Vergleichbares: Sie säen nicht, sie ernten nicht und siehe, der liebe Gott ernährt sie doch. Das trifft auf Sie zu. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Zurufe von der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Dombrowski und gebe das Wort der Landesregierung. Herr Minister Birthler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zwölf Jahren wurde vom Landtag das erste Brandenburgische Naturschutzgesetz verabschiedet. Ziel war es, die brandenburgische Natur und Landschaft in einer von großen Umbrüchen und neuen Perspektiven gekennzeichneten Zeit zu erhalten und in konstruktiver Auseinandersetzung mit den neuen Bedingungen und Erfordernissen weiterzuentwickeln.

Seitdem gab es nur punktuelle Änderungen des Naturschutzgesetzes. Inzwischen hat sich das Naturschutzrecht sowohl des Bundes als auch der EU aber weiterentwickelt und damit Anpassungspflichten für das Landesrecht ausgelöst. Die intensiven Beratungen zu der Ihnen jetzt in 2. Lesung vorliegenden Gesetzesnovelle spiegeln nicht nur umfängliche und vielfältige Betroffenheit in Gremien, Körperschaften und der Öffentlichkeit wider, sondern sie zeigen auch die nach wie vor hohe Erwartungshaltung der interessierten und engagierten Bürgerinnen und Bürger und Verbände an der Entwicklung des Naturschutzrechts und an den praktischen Ergebnissen der Naturschutzarbeit.

Wesentliche Eckdaten der Gesetzesnovelle liefert als Rahmengesetz das nach vollständiger Überarbeitung am 4. April 2002 in Kraft getretene Bundesnaturschutzgesetz. Dessen Leitziel lautet, die Flächennutzung künftig natur-, umwelt- und land

schaftsverträglich zu gestalten, ein großflächiges Biotopverbundsystem auf mindestens 10 % der Landesfläche zu schaffen und die Artenvielfalt zu schützen.

Die vorliegende Novelle setzt aber nicht nur bundes- und EUrechtliche Vorgaben um, sondern sie ist auch Ergebnis einer Überprüfung der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit aller Regelungen unseres Naturschutzgesetzes aufgrund zehnjähriger Praxiserfahrung. Die in großer Breite und Tiefe geführte Diskussion des Entwurfs ergab vielfältige Vorschläge für Streichungen, Änderungen und Ergänzungen. Weitere Anregungen kamen aus der parallelen Diskussion der Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Verwaltungsoptimierung.

Übergeordnetes Entscheidungskriterium bei unterschiedlichen Zielen und Interessenlagen war ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag, also die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Aufwand der Behörden, der Bürger und der Unternehmen einerseits und der damit erreichbaren Schutzwirkung für Natur und Landschaft, für ihre Bewohner, Nutzer und Gäste andererseits. Beim Blick auf Detailregelungen sollten wir nämlich immer auch die Gesamtsicht im Kopf haben: Brandenburg ist ein Bundesland mit herausragender Naturausstattung und trägt unter allen Bundesländern Verantwortung für die größte Zahl vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Sich dieser politischen und naturschutzfachlichen Verantwortung zu stellen, ihr angemessene und geeignete Mittel und Wege zur Erhaltung der Naturgüter zu finden und festzulegen - auch um der Zukunft unseres Landes, seiner Bewohner und seiner Landschaft willen -, an diesem Maßstab bitte ich Sie die vorliegende Novelle zu messen.

Aufgrund dieser grundsätzlichen und weitreichenden Vorgaben steht die vorliegende Novellierung unter folgenden Leitgedanken: die Entschlackung von nicht zwingend notwendigen Detailregelungen, die Verbesserung und Vereinfachung von Verwaltungsverfahren, die Verlagerung von Aufgaben und Verantwortung vor Ort an die Kreise entsprechend der Funktionalreform und nicht zuletzt die Herausforderung und Stärkung der Eigenverantwortung aller Bürger.

Im Einzelnen heißt das:

Vollzugsaufgaben sollen grundsätzlich von der Ministerialverwaltung auf das Landesumweltamt oder die Landkreise und kreisfreien Städte als untere Naturschutzbehörden verlagert werden.

Einvernehmensregelungen werden fallweise durch das einfache Benehmen ersetzt, vor allen Dingen bei bestimmten Entscheidungen der unteren Naturschutzbehörden zu den Großschutzgebieten. Ziel dabei ist die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.

Das Ergebnis der Durchforstung zeigt eine spürbare Reduzierung des Aufwandes sowohl für die Verwaltung als auch für die Bürger. Daraus erhoffe ich mir insbesondere auch eine gesteigerte Akzeptanz in der Öffentlichkeit.

Der Umfang der gestrichenen Verwaltungsaufgaben übertrifft denjenigen der mit der Umsetzung der EU-FFH- und -ZooRichtlinie neu aufgegebenen Regelungen. Diese Tatsache beweist, dass wir mit der vorgelegten Novelle auf dem richtigen Weg sind. Die Aufgabenübertragung auf Landkreise und kreis

freie Städte löst so keine Erstattungsansprüche aus; vielmehr profitieren auch Letztere unterm Strich von einer Nettoentlastung von Verwaltungsaufgaben.