Protocol of the Session on March 4, 2004

Nach diesen Bemerkungen zu den Rahmenbedingungen nun zu einigen Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfs. Er verfolgt den Zweck, die beschriebene Entwicklung der Kosten für die Sozialhilfeträger dadurch aufzuhalten, dass geförderte Plätze mit Pflegebedürftigen belegt werden, bei denen der Sozialhilfeträger den Investitionsanteil finanzieren muss. Das Instrument dazu soll ein Belegungsrecht der Landkreise und kreisfreien Städte sein.

Ich habe einige Zweifel daran, ob diese planwirtschaftlichen Instrumente das erreichen können, was bisher durch öffentliche Förderung nicht im erwünschten Maße erreicht worden ist und was vor allem auch deshalb nicht erreicht worden ist, weil ambulante Strukturen vor allem im pflegeergänzenden Bereich nicht ausreichend entwickelt sind.

Der vernünftige Grundsatz „ambulant vor stationär“ wird auch im vorliegenden Gesetzentwurf als hehres Ziel benannt. Gestaltungsmöglichkeiten zu dessen Durchsetzung sind aber nicht vorhanden oder sind von der Landesregierung - wie im Fall der Förderung ambulanter sozialer Dienste - aufgegeben worden. Die daraus entstehenden Defizite und Probleme werden mit einem Belegungsrecht der Kreise nicht gelöst.

Alles in allem: Auch wenn die von der Landesregierung vorgeschlagene Regelung wenig bewirken kann, muss man angesichts der Finanzsituation der öffentlichen Haushalte jede Sparüberlegung sachlich diskutieren. Selbstverständlich sind auch die von den Trägern vorgebrachten Einwände und Alternativvorschläge, auf die ich jetzt nicht eingehen kann, einzubeziehen. Aus diesem Grund wird unsere Fraktion im Fachausschuss eine Anhörung beantragen. Die PDS-Fraktion stimmt einer Überweisung in den Ausschuss zu. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Konzack.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die geltende Fassung des Landespflegegesetzes hat ihren Regelungsschwerpunkt in den Vorschriften zur bedarfsorientierten Planung und Förderung von Pflegeeinrichtungen. Der Minister hat es einleitend auch so gesagt. Das Gesetz bildet die rechtliche Grundlage für das Pflegeinvestitionsprogramm, das für mich eine der größten sozialpolitischen Leistungen unsereres Landes ist. Diese Anerkennung hat sich das IVP redlich verdient; denn die Bedingungen zur Pflege älterer, behinderter und psychisch kranker Menschen waren bei der Gründung Brandenburgs vor fast 14 Jahren katastrophal. Die bestehenden Alten- und Pflegeheime wiesen gravierende bauliche Mängel auf. Dem Standard der so genannten Heimmindestbauverordnung entsprach fast keines von ihnen.

Ich habe nichts anderes erwartet, Frau Bednarsky, als das, was Sie jetzt wieder dargestellt haben. Sie werden nicht einmal achten, was hier in diesem Land auf diesem Gebiet getan worden ist. Wenn etwas gemacht worden ist, dann kommen Sie und auch die Kollegen Ihrer Fraktion ständig noch mit Bedenken, mit neuen Wünschen usw. Sie sind nicht in der Lage anzuerkennen, dass bis Ende des Jahres ca. 14 000 IVP-finanzierte Plätze in unserem Land vorhanden sein werden. Sie vergessen auch immer, dass wir das in der kurzen Zeit seit 1990 geschafft haben. Wer zu DDR-Zeiten in einem Pflege- oder Altenheim gewesen ist, wird wohl nicht die Augen davor verschließen können, dass jetzt eine 1 000-%ige Steigerung der Qualität erreicht worden ist. Jeder von Ihnen, verehrte Kolleginnen und

Kollegen, konnte sich in seinem Wahlkreis sicherlich schon von diesen Tatsachen überzeugen.

Durch das IVP wurde gewährleistet, dass im gesamten Land ausreichend geförderte Plätze zur Verfügung stehen. Somit ist eine gute Pflegeinfrastruktur entstanden, wie sie uns das SGB XI vorgibt. Jetzt bedarf es einer Neuausrichtung des Sicherstellungsauftrags. Nicht mehr Planung und Förderung, sondern Beobachtung und Analyse sollen ihn charakterisieren. Aufgabe des Landes wird es nunmehr sein, Defizite in der Versorgungsstruktur rechtzeitig zu erkennen, drohende Ungleichgewichte zu verhindern bzw. zu beseitigen, falls diese schon eingetreten sind.

Die SPD-Fraktion unterstützt diesen Systemwechsel und die damit verbundene komplette Neuformulierung des Landespflegegesetzes. Vor allem die Zielsetzung, Pflegebedürftigen mit geringer finanzieller Leistungsfähigkeit öffentlich geförderte Pflegeplätze zur Verfügung zu stellen, ist für uns Sozialdemokraten von großer Bedeutung.

Im Zusammenhang mit dieser Zielvorgabe steht das Belegungsrecht der Landkreise und kreisfreien Städte. Ich weiß nicht, weshalb da wieder das Horrorszenario in die Welt gesetzt wird, das werde nicht klappen. Das werden die Vertreter der Kommunen bei der Anhörung, die Sie beantragen wollen, sicherlich genauer darstellen. Die Ausgestaltung des Belegungsrechts als Kannbestimmung ist der Beachtung des Konnexitätsprinzips geschuldet und wird deshalb von uns so mitgetragen.

Ich weiß, dass viele kommunale Gebietskörperschaften bei der Belegung geförderter Plätze schon jetzt eng mit den Einrichtungsträgern zusammenarbeiten. Ich möchte von dieser Stelle aus appellieren: Tun Sie es weiterhin, auch und gerade unter den veränderten Bedingungen!

Von verschiedener Seite sind vor allem gegen das Belegungsrecht und gegen die so genannte Landeskinderregelung Einwände vorgebracht worden. Aber diese Vorschriften verstoßen wahrscheinlich nicht gegen Bundesrecht. Stellen sie gar unzulässige Grundrechtseingriffe dar? Sind sie praktisch durchführbar? - Diese Fragen habe ich jetzt auch, haben auch meine Kollegen. Darüber können wir in den Ausschusssitzungen gründlich beraten.

Allein das Land Brandenburg hat über 600 Millionen Euro in den Bau von Alten- und Pflegeheimen investiert, und zwar auch dort, wohin ein privater Träger mit einer frei finanzierten Einrichtung vielleicht nie gegangen wäre. Die Investition dieser hohen Summe wurde ja gerade mit der sozialpolitischen Zielsetzung verbunden, qualitativ hochwertige Einrichtungen auch für Brandenburginnen und Brandenburger mit geringem Einkommen wohnortnah zur Verfügung zu stellen.

Wir werden den Gesetzentwurf im weiteren parlamentarischen Verfahren sorgfältig zu beraten haben. Alle Einwände können dann ausgeräumt und alle Unklarheiten angesprochen werden. - Heute bedanke ich mich erst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Frau Fechner, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat uns einen Entwurf für ein Landespflegegesetz vorgelegt, dessen vollständiger Name lautet: Gesetz zur Umsetzung des Elften Buches Sozialgesetzbuch. Ein Gesetz mit nur zwölf Paragraphen - da lacht das Bürgerherz. Das ist klar, eindeutig und verständlich. Bei so wenigen Paragraphen kann man eigentlich keine Fehler machen.

Doch es gibt tatsächlich Leute, die das anders sehen - das mit den Fehlern, meine ich. So wird beispielsweise kritisiert, dass im § 8 Abs. 1 dieses Gesetzes als Zielgruppe Personen benannt werden, die ihren Wohnsitz vor Heimaufnahme im Land Brandenburg haben. In begründeten Fällen, so heißt es etwas später in diesem Absatz, können auch Personen aus anderen Bundesländern aufgenommen werden. Das lässt sich nach Meinung mancher Kritiker nicht so ganz mit dem Artikel 11 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbaren, in dem es heißt:

„Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet.“

Natürlich stimme ich mit Sozialminister Baaske darin überein, dass es sinnvoll und gerecht erscheint, wenn in Pflegeheimen, die mit brandenburgischen Steuergeldern errichtet wurden, vorrangig pflege- und unterstützungsbedürftige Brandenburger untergebracht werden.

Genauso sinnvoll und gerecht erschiene es mir aber auch, wenn das aus deutschen Steuergeldern aufgebrachte Kindergeld nur für deutsche Kinder gezahlt würde. Doch das Grundgesetz sieht es nun einmal anders. Damit muss ich leben und daran sollte sich auch das brandenburgische Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen bei seinem Gesetzentwurf orientieren.

Übrigens: Böse Zungen würden an dieser Stelle einflechten, dass der Anteil Brandenburgs an den Steuergeldern, mit denen der Neu- oder Umbau der fraglichen Pflegeheime gefördert wurde, nicht gerade überwältigend groß ist.

Es gibt noch weitere Kritik an den knapp zwölf Paragraphen. In § 11 Abs. 2 des XI. Sozialgesetzbuches heißt es unter der Überschrift „Rechte und Pflichten der Pflegeeinrichtungen“:

„Bei der Durchführung dieses Buches sind die Vielfalt der Träger von Pflegeeinrichtungen zu wahren sowie deren Selbstständigkeit, Selbstverständnis und Unabhängigkeit zu achten. Dem Auftrag kirchlicher und sonstiger Träger der Freien Wohlfahrtspflege, kranke, gebrechliche und pflegebedürftige Menschen zu pflegen, zu betreuen, zu trösten und sie im Sterben zu begleiten, ist Rechnung zu tragen. Freigemeinnützige und private Träger haben Vorrang gegenüber öffentlichen Trägern.“

Lässt es sich mit diesen übergeordneten Bestimmungen tatsächlich vereinbaren, wenn in § 9 des Gesetzentwurfs der Landesregierung die Landkreise und kreisfreien Städte ein Belegungsrecht erhalten? Wird damit wirklich die Unabhängigkeit der Träger der Pflegeeinrichtungen gewahrt?

Trotz der nur zwölf Paragraphen birgt dieser Gesetzentwurf allerlei Stoff für Rechtsstreitigkeiten. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Landesregierung vor Gericht durchsetzen wird, wenn dieser Entwurf nicht noch erhebliche Änderungen erfährt.

Hingegen habe ich den Eindruck, dass in der Landesregierung an Gesetzentwürfen immer noch Menschen beteiligt sind, die sich die kleine DDR des ehemaligen Ministerpräsidenten Stolpe zum Vorbild genommen haben.

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Sozialismus, Planwirtschaft und Zentralismus sollte es auch in Brandenburg nicht mehr geben, meine Damen und Herren.

(Zurufe)

Es wäre begrüßenswert, wenn diese Erkenntnis auch in das Landespflegegesetz einfließen würde.

Einer Ausschussüberweisung des Gesetzentwurfes stimmen wir selbstverständlich zu.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Marquardt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal wenden wir uns dem Problem der Alten, Kranken und Behinderten zu. Aber ich möchte dieses Thema unter einem anderen Gesichtspunkt beleuchten. Frau Konzack hat dazu das Sachlich-Fachliche beigetragen.

Erst wenn man sich die Ausgangslage von 1990 anguckt, unter der alte, behinderte, chronisch kranke und suchtmittelabhängige Menschen leben mussten, kann man verstehen, was in den letzten 14 Jahren gewachsen und umgesetzt worden ist. Das war ein unvergleichlicher Kraftakt, um für all diese Betroffenen menschenwürdige Verhältnisse zu schaffen. Durch materiell-technische Änderungen, durch die personellen Verstärkungen durch qualifiziertes Personal, aber auch durch strukturelle Änderungen in der Betreuung haben wir viel erreicht. Sicherlich kann man mit dem Erreichten nie zufrieden sein, aber ich meine, nach 14 Jahren ist angesagt, dass auch in den Häusern selbst Positionen neu bestimmt werden, dass sie nach qualitativ neuen Wegen suchen, ohne in jedem Fall noch die materielle und auch personelle Zuführung zu bekommen, die sie bis zum heutigen Zeitpunkt erfahren haben.

Da das Elfte Buch Sozialgesetzbuch den Wettbewerb regelt und auch europarechtliche Vorgaben bestehen, ist es notwendig, eine entsprechende Anpassung des Landespflegegesetzes vorzunehmen. Ich meine, es ist auch an der Zeit zu sagen, dass die Förderung durch die öffentliche Hand eingeschränkt wird. Das wird uns aber nicht daran hindern, weiter nach Wegen zu suchen, den Leitsatz - darin gehen wir sicherlich konform „ambulant vor stationär“ weiter zu verfolgen. Darüber hinaus sehe ich auch einen Riesendiskussionsbedarf, der uns vor dem Hintergrund der Studie, welche Folgen die demographische Entwicklung in den peripheren Räumen Brandenburgs haben wird, erwartet, um auch insofern möglicherweise nach völlig anderen Wegen zu suchen, als wir sie heute gehen. Ich meine, das ist auch ein Erarbeitungsgewinn, den wir im Fachausschuss

weiter verfolgen und begleiten werden. Ich bitte daher darum, diesen Gesetzentwurf an den Fachausschuss zu überweisen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, Drucksache 3/7052, an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen. Wer diesem Überweisungsansinnen folgen möchte, möge die Hand aufheben. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich schließe damit Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

1. Lesung des Gesetzes über die Strukturreform der Flurneuordnungsverwaltung

Gesetzentwurf der Landesregierung

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Birthler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Strukturreform der Flurneuordnungsverwaltung, insbesondere mit dessen Artikel 1, dem Brandenburgischen Landesentwicklungsgesetz, legt Ihnen die Landesregierung einen weiteren Baustein zur Optimierung der Verwaltung meines Geschäftsbereichs vor. Dieser Gesetzentwurf dies gleich vorweggenommen - ist gemessen an den Zielen des Haushaltssicherungsgesetzes beispielgebend; er erfüllt den an uns alle gerichteten Auftrag zur Verwaltungsmodernisierung ebenso vorbildlich, wie er den schwierigen finanzpolitischen Zwängen Rechnung trägt.

Durch Ausschöpfung eines glücklicherweise weiten bundesgesetzlichen Handlungsrahmens für die Flurbereinigung und der hier zur Verfügung stehenden Finanzierungsinstrumente ist es möglich, eine weitgehende Ausgliederung wesentlicher Aufgaben eines Verwaltungszweiges in eine Selbstverwaltung der Bürger unter Entlastung des Personalbudgets und Bündelung der verbleibenden Aufgaben in einer Behörde im guten Einvernehmen mit allen Betroffenen zu erreichen. In den Vorgesprächen hat sich auch hierbei schon ein großes Einvernehmen mit den Fraktionen angedeutet. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)