Protocol of the Session on March 3, 2004

Aber auch die CDU wollte damals, im Dezember, nicht abseits stehen, als es darum ging, das Theater, das man den Menschen in dieser Republik vorgespielt hat, ins rechte Licht zu setzen. Der CDU-Landesvorsitzende und für die Kommunen zuständige Innenminister Jörg Schönbohm erklärte:

„Der Kompromiss im Vermittlungsausschuss ist eine außerordentlich gute Nachricht für Brandenburg und ein großer Erfolg für die CDU/CSU.“

„Zugleich verschafft die Gemeindefinanzreform den Städten und Gemeinden mehr Freiraum für dringend notwendige Investitionen. Dies ist allerdings nur ein Schritt, dem angesichts der dramatischen Kassenlage vieler Kommunen weitere folgen müssen. Außerdem gelang es CDU und CSU sicherzustellen, dass die Übel Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit auch durch längst überfällige Reformen am Arbeitsmarkt bei ihren Wurzeln gepackt werden.“

So weit Herr Schönbohm.

Wenn man jetzt alle Presseerklärungen aneinander reiht, könnte man denken, dass die Gemeindefinanzreform und die Arbeitsmarktreform in Gestalt von Hartz IV Erfolge auf der ganzen Linie sind. Endlich mal Reformen ohne Verlierer! Doch

dem ist nicht so. Ein Teil der Verlierer dieser sozialen Grausamkeiten ist stumm, verunsichert und hilflos. Andere begehren auf und hoffentlich sind sie am 03.04. in Berlin zum europaweiten Aktionstag gegen Sozialabbau auf der Straße nicht zu übersehen und zu überhören.

(Beifall bei der PDS)

Eine Besserstellung der Kommunen durch diese Reformen kann ich nicht erkennen und eine wesentliche Verbesserung der Gemeindefinanzen, wie sie Frau Ziegler voraussagte, ist wohl vorweihnachtliche Träumerei gewesen. Die Erwartungen der Kommunen an die Reform des Gemeindesteuersystems sind durch die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses vom 16.12.2003 und durch die Beschlüsse des Deutschen Bundestages und des Bundesrates bitter enttäuscht worden. Von einer Modernisierung der Gewerbesteuer und einer damit verbundenen quantitativen und qualitativen Verbesserung der kommunalen Steuereinnahmen kann keine Rede sein. Noch im August 2003 ging selbst die Landesregierung in Person des Innenministers von Mehreinnahmen der Brandenburger Kommunen durch die Modernisierung der Gewerbesteuer in Höhe von 100 Millionen Euro aus. Jetzt werden von der Landesregierung für 2004 Mehreinnahmen in Höhe von ca. 40 Millionen Euro durch die Absenkung der Gewerbesteuerumlage erwartet.

Wo sind die Schritte der Landesregierung, von denen Herr Minister Schönbohm noch im Dezember gesprochen hat? Ich fordere die Landesregierung auf, sich nicht nur auf Verhandlungen im Hinterzimmer zu verlassen, sondern im Interesse der Kommunen auf die Bundesregierung Druck auszuüben. So darf es beispielsweise nur dann im Bundesrat eine Zustimmung zum Optionsgesetz geben, wenn eindeutig klargestellt ist, dass es nicht zu weiteren Belastungen für die Kommunen führt. Außerdem muss es den Kommunen Spielräume für kommunale Investitionen und für eine kommunale Arbeitsmarktpolitik eröffnen.

Die PDS hat mit dem vorgelegten Antrag einen Weg aufgezeigt, auch auf die Gefahr hin, dass uns Kollege Schippel wieder Scheinheiligkeit nachsagt und von der CDU der Vorwurf erhoben wird, wir malen nur schwarz und das, was wir fordern, würde doch schon von der Landesregierung gemacht. Ich finde, meine Damen und Herren, die Landesregierung sollte sich nicht weiter in Schweigen hüllen. Nicht nur ich frage, warum die Landesregierung diesem Gesetz überhaupt zugestimmt hat. Auf welcher Datengrundlage erfolgte beispielsweise die Zustimmung im Bundesrat? Fragen wurden bisher nur unzureichend und mit Ausflüchten beantwortet.

Hartz IV ist zwar Gesetz, aber in seinem Kern der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II und der Einbeziehung der so genannten erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger ist es noch nicht wirksam. Im Zuge der Überlegungen, wer entsprechend dem Hartz-IV-Gesetz die Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II künftig betreuen soll, wird immer deutlicher, dass der Einspareffekt für die Kommunen verpuffen wird. Vor allem in ostdeutschen Kommunen ist sogar mit erheblichen Mehrausgaben zu rechnen. Spätestens mit dieser Erkenntnis muss Hartz IV insgesamt noch einmal auf den Prüfstand.

Vernichtung von Kaufkraft und drohende Verarmung der Langzeitarbeitslosen, finanzielles Desaster für die Kommunen, Pro

bleme der Bundesagentur bei der umfassenden Betreuung, Druck auf das Lohnniveau, das alles ist Hartz IV. Deshalb hat die PDS-Fraktion diese Debatte angeregt und den Antrag eingebracht. Es geht also im Kern darum:

Erstens: Wir wollen, dass die Landesregierung im Mai einen Bericht über die Sicherstellung des für das Land Brandenburg vorgesehenen kommunalen Belastungsausgleichs vorlegt. Meine Damen und Herren, Sie sollten bei dieser Diskussion die parteipolitische Brille abnehmen. Ohne einen entsprechenden Belastungsausgleich wird sich die Lage der Landkreise und kreisfreien Städte weiter verschlechtern.

Zweitens: Wir wollen, dass sich die Landesregierung im Bundesrat für Regelungen einsetzt, die sicherstellen, dass die Kommunen durch Hartz IV nicht zusätzlich belastet werden. Dazu gehört eine Revisionsklausel, die sicherstellt, dass Mehrbelastungen für die Kommunen rückwirkend ausgeglichen werden. Es ist doch ein schlechter Witz, wenn eine Reform, die eigentlich zur Verbesserung der Gemeindefinanzierung beitragen sollte, im Ergebnis das Gegenteil bewirkt. Nach vorläufigen Berechnungen der kommunalen Spitzenverbände und einiger Landkreise werden die Kommunen durch die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nicht wie angekündigt entlastet, sondern zusätzlich belastet. Aus diesem Grund sind noch vor In-Kraft-Treten des Hartz-IV-Gesetzes am 01.01.2005 Regelungen zu treffen, die Mehrbelastungen der Kommunen ausschließen bzw. die entstehenden neuen Belastungen ausgleichen, damit die wiederholt angekündigten und zugesagten Entlastungen tatsächlich erreicht werden.

Die Verwaltung meines Landkreises Prignitz hat eine Mehrbelastung von ca. 4 bis 5 Millionen Euro errechnet, wenn es keine Nachbesserungen gibt. Mir ist bekannt, dass das MASGF diese Belastungen nicht nachvollziehen kann. Dass es sich hierbei nicht um ein grundsätzliches Problem handelt, zeigen Beispiele aus anderen Landkreisen wie auch aus der Landeshauptstadt Potsdam, die sogar von ca. 10 Millionen Euro Mehrbelastung ausgeht. Der Kreistag Prignitz hat erst am vergangenen Donnerstag über die Auswirkungen des Hartz-IV-Gesetzes beraten. Auf Initiative der CDU, Herr Schönbohm und Herr Petke, soll die Stadtverordnetenversammlung Werder am Donnerstag einer Entschließung zustimmen, in der die Landesregierung und der Landtag aufgefordert werden, die finanziellen Belastungen durch Hartz IV zu mindern. Sie können schon heute Ihren Parteifreunden signalisieren: Wir kennen das Problem, wir haben verstanden und wir sind an der Seite der Kommunalpolitiker.

Drittens: Wir fordern die Landesregierung auf, sich für eine wirkliche Reform der Gemeindefinanzen einzusetzen. Die Kommunen brauchen eine angemessene und aufgabengerechte Finanzausstattung, damit sie ihre originären Selbstverwaltungsaufgaben und die ihnen übertragenen Aufgaben wieder erfüllen können.

Die Reaktionen der kommunalen Spitzenverbände, vom Deutschen Landkreistag, vom Deutschen Städtetag und vom Brandenburger Städte- und Gemeindebund, auf die Gemeindefinanzreform des Bundes lassen es an Deutlichkeit nicht fehlen. Selten waren sich die kommunalen Spitzenverbände so einig wie bei der Bewertung dieser Reform.

Die Landesregierung muss im Interesse der Brandenburger Kommunen dafür sorgen, dass das Hartz-IV-Gesetz insgesamt

noch einmal auf den Prüfstand gestellt wird. Einige Gründe dafür habe ich ausgeführt.

Die Kommunen im Land sind in einer schwierigen Situation, die durch Hartz IV noch einmal verschärft wird. Mit Schönrederei und Sprücheklopfen, wie wir es jetzt beim FAG sehen müssen, ist den Kommunen nicht geholfen. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort erhält die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Kallenbach.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sinkende Einnahmen, steigende Ausgaben, die insbesondere aus sozialen Transfers resultieren, ein hoher und weiter wachsender Schuldenstand, Finanzierungsprobleme selbst bei pflichtigen Aufgaben, ein Rückgang der Investitionen - die Situation unserer Kommunen ist ernst und niemand bestreitet das. Bei einer komplexen Problemlage ist es freilich immer angeraten, solche Lösungsansätze zu entwickeln, die dieser Komplexität entsprechen. Es sind also viele Bausteine vonnöten, die zudem zueinander passen müssen.

Die Bundesregierung hat mit ihren Reformvorhaben wichtige Signale ausgesendet. Die positiven Folgen werden sich in vielen Fällen erst in Monaten oder Jahren einstellen, aber sie werden sich einstellen. Die Korrekturen an der Gewerbesteuer gehören dazu. Die Senkung der Gewerbesteuerumlage wird in Verbindung mit weiteren Änderungen des Gewerbesteuergesetzes die kommunalen Einnahmen beispielsweise um insgesamt 2,5 Milliarden Euro in diesem Jahr erhöhen.

Des Weiteren wird die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe den Anstieg der Sozialausgaben bremsen. In diesem Zusammenhang wurden die notwendigen Vorkehrungen dafür getroffen, dass es zu einer finanziellen Entlastung auf kommunaler Ebene kommen wird, auch wenn sich diese immer nur bis zu einem gewissen Grad exakt quantifizieren lässt.

An dieser Stelle kommt die brandenburgische Landespolitik ins Spiel. Am 12. Dezember vergangenen Jahres hat der Landtag beschlossen, dass im Falle einer deutlich geringeren Entlastung als angenommen eine Nachsteuerung in Höhe von bis zu 80 Millionen Euro vorgenommen werden wird. Da nunmehr von einer tatsächlichen Entlastung von 25 Millionen Euro ausgegangen werden kann, ergibt sich aus dem oben genannten Beschluss eine Nachsteuerung von 55 Millionen Euro. Die entsprechenden Gesetzesänderungen sind mit dem heutigen Tagesordnungspunkt 7 in die abschließenden parlamentarischen Beratungen gegeben worden.

Es ist der föderalen Verflechtung in Deutschland geschuldet, dass Reforminitiativen der Bundesregierung in den meisten Fällen nicht 1 : 1 wirksam werden können. Dies gilt für die Gewerbesteuerreform ebenso wie für die Hartz-Gesetze. Das muss nicht bis in alle Ewigkeit so bleiben; denn die Föderalismusreform ist nicht zufällig ein zentraler Bestandteil aller gegenwärtigen Reformbemühungen. Kurzfristig sind jedoch

mittlere oder kleinere Fortschritte besser als gar keine. Für die SPD-Fraktion zählt das Machbare jedenfalls mehr als das Wünschbare. Deshalb lehnen wir den Antrag der PDS-Fraktion ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort erhält die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Claus.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Die Gemeindefinanzreform kostet die Gemeinden Millionen. Statt einer deutlichen Entlastung durch die Gemeindefinanzreform des Bundes wird diese in Wirklichkeit zu einer geradezu katastrophalen Mehrbelastung führen. Bundesweit befürchten die Kommunen Einnahmeeinbrüche in Milliardenhöhe. Die Schuld daran geben sie den Reformgesetzen der Bundesregierung.

Die Mitte Dezember im Vermittlungsausschuss ausgehandelte Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nach Hartz-IV-Konzept sollte die Kommunen von 2005 an um 2,5 Milliarden Euro entlasten. Stattdessen gehen die Gemeinden nach ihren Berechnungen von erheblichen Einbußen aus, vor allem durch die Übernahme der Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Die Ausgaben dafür sind weit höher, als der Bund behauptet. Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, erklärte dazu gegenüber der Presse wörtlich:

„Die Finanzierung und Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist mangelhaft und absolut unakzeptabel. Die Kommunen werden nicht entlastet, sondern belastet. Jetzt zahlen wir auch noch drauf.“

Der Deutsche Städtetag will eine Gesamtberechnung über die finanziellen Folgen von Hartz IV aufstellen. Schon jetzt wird befürchtet, wie es bei den kommunalen Spitzenverbänden heißt, dass Mehrausgaben bis in den Milliardenbereich bundesweit entstehen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, beschuldigt den Bund und die Länder, im Vermittlungsausschuss mit den Zahlen von 2002 operiert zu haben. Durch den Anstieg der Arbeitslosigkeit seien auch die Unterkunftskosten gewachsen.

Die Bundesregierung erwartet nach ihren Aussagen die Entlastung von Kommunen um 11,3 Milliarden Euro, weil der Bund die Sozialhilfe für die erwerbsfähigen Empfänger übernimmt. Dafür sollen aber die Gemeinden die Kosten für Heizung und Unterkunft tragen, die sich nach Angaben der Bundesregierung auf 9,7 Milliarden Euro beliefen. Die Kommunen setzen die Summe deutlich höher an, weil sie auch für die Arbeitslosenhilfeempfänger zahlen müssen, die in den Berechnungen des Bundes einfach nicht berücksichtigt wurden. Dies trifft insbesondere Brandenburg mit seiner hohen Zahl an Langzeitarbeitslosen. Gleichzeitig ist in Brandenburg mit jährlichen Gewerbesteuermehreinnahmen von lediglich 40 Millionen Euro zu rechnen.

Das von der Landesregierung seit Beginn der Legislaturperiode geplante Finanzausgleichsgesetz lässt weiterhin auf sich

warten. Es sind erhebliche Zweifel angebracht, ob das neue Gesetz überhaupt noch innerhalb dieser Legislaturperiode kommt. Aber wie wir heute gehört haben, soll dieses Gesetz wohl bis Ende Juni hier vollzogen werden. Doch bereits jetzt sind die meisten Kommunen im Land Brandenburg finanziell buchstäblich verhungert. Die heute per Nachtragshaushalt und Änderung des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2004 beschlossenen Zusatzmittel in Höhe von 55 Millionen Euro ändern daran nur wenig.

Der Geschäftsführer des Landkreistags Brandenburg, Herr Humpert, setzt allein die Kosten für Heizung und Unterkunft für Sozialhilfeempfänger nur für die Landkreise mit zusätzlich 260 Millionen Euro jährlich an. Der Bund bietet jedoch lediglich 100 Millionen Euro als Kompensation an. Der Rest von 70 Millionen Euro bleibt bei den Landkreisen hängen. Rechnet man die entsprechenden Mehrkosten bei den kreisfreien Städten und kreisangehörigen Gemeinden dazu, kommt man leicht auf einen größeren dreistelligen Millionenbetrag.

Damit wäre der finanzpolitische Tod der brandenburgischen Kommunen, das Ende der kommunalen Selbstverwaltung endgültig erreicht. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Petke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist wieder einmal ein typischer Schaufensterantrag der PDS. Wenn man sich die Sache durchliest, fragt man sich: Wo ist der Sinn, der Zweck dieses Antrags? Dass die PDS die Landesregierung über den Landtag auffordern will, sich für die Belange des Landes und für die Belange der Kommunen einzusetzen, bezieht sich auf eine Selbstverständlichkeit. All das, was Sie dort zusammengeschrieben haben, haben wir heute bei der Debatte über die Novellierung des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2004 diskutiert. Insofern möchte ich mir nicht die Mühe machen, Näheres zu dem Antrag selbst zu sagen.

(Der Abgeordnete Domres [PDS] meldet sich zu Wort.)

- Ich gestatte eine Zwischenfrage.

Bitte sehr, Herr Domres.

Herr Kollege Petke, sind Sie der Meinung, dass sich die Landesregierung mit ihrer Zustimmung im Bundesrat ausreichend für die Interessen der Brandenburger Kommunen eingesetzt hat?

Herr Kollege Domres, ich kann ja nichts dafür, dass die Bürge

rinnen und Bürger 2002 die PDS nicht mehr in den Bundestag gewählt haben.

(Zuruf von der PDS: Das ist doch keine Antwort auf die Frage!)

Aber schön wäre es, wenn Sie die Debatten, die Sie dort gern führen wollten, aber nicht können, weil Sie dort nicht mehr in Fraktionsstärke vertreten sind, nicht hier hereintragen würden.