Derzeit sehen die Verfassungen von 17 der 25 Mitglieds- und Beitrittsstaaten der EU die Möglichkeit des Volksentscheids vor. Sechs weitere Länder führen bereits Plebiszite ohne Verfassungsgrundlage durch. Lediglich in Deutschland sowie in den Niederlanden fehlt es an beidem, nämlich an den rechtlichen Voraussetzungen und an der politischen Praxis. Aber, liebe Frau Kollegin Stobrawa, Deutschland deshalb als „demokratisches Entwicklungsland“ zu bezeichnen, wie Sie es hier formuliert haben, halte ich doch für etwas stark.
Aber unabhängig davon, ob der Verfassungsvertrag durch Volksentscheid oder durch die jeweils höchste Volksvertretung angenommen wird, ist wichtig, dass er überhaupt von allen jetzigen und künftigen Mitgliedern der Europäischen Union ratifiziert wird; denn der von uns allen begrüßte Entwurf der EUVerfassung ist trotz aller Kompromisse, die nun einmal eingegangen werden mussten, eine sehr gute Grundlage für ein vereintes Europa.
Die Vermittlung des Inhalts dieses Verfassungsentwurfs obliegt nun uns allen und erfordert erhebliche Anstrengungen, unabhängig davon, ob ein Volksentscheid durchgeführt wird oder nicht. Deswegen befürworte ich ausdrücklich eine Informationskampagne und meine, dass es wichtig ist, dass sich jeder Bürger in unserem Land und in Deutschland über die Grundzüge dieses Verfassungsvertrags im Klaren ist. Auf eine Wertung des Verfassungsvertrags muss ich aus Zeitgründen verzichten.
Meine Damen und Herren, ich glaube zwar nicht, dass eine Volksbefragung - jetzt zitiere ich - „sektiererischen Kräften, die Europa zu Fall bringen wollen, eine riesige Bühne bietet“, wie einer meiner Parteifreunde sich presseöffentlich äußerte, aber Sie müssen doch zugeben: Eine Gefahr ist es in jedem Fall. Und das ist es nicht allein. Der Verfassungsvertrag ist ein sehr komplexes Werk. Da teile ich durchaus die Meinung von Bundesjustizministerin Zypries, die in der „Frankfurter Rundschau“ vom 11.06.2003 äußerte:
„Wenn die Komplexität des Gegenstandes so groß ist wie bei einem europäischen Verfassungsvertrag, ist ein Referendum, bei dem man nur zustimmen oder ablehnen kann, sehr schwierig. Das reduziert sich schnell auf eine Frage wie: Brauchen wir mehr Europa, ja oder nein? und wird zum Vehikel entsprechender Vorurteile.“
Gerade wir in Brandenburg haben doch Ähnliches mit dem Staatsvertrag zum gemeinsamen Bundesland Berlin-Brandenburg erlebt. Wir brauchen doch nicht drum herum zu reden. Ein Volksentscheid zum Verfassungsvertrag würde uns allen auch die Verpflichtung auferlegen, intensiv zu informieren und für das geeinte Europa zu werben. Diese Aufgabe steht meiner Meinung nach ohnehin und davon unabhängig vor uns; denn sie hätten wir ohnehin.
Ich will aber noch eine Frage hinzufügen: Hätten wir, wenn wir so intensiv informierten, auch die Garantie, dass genügend Bürger an die Wahlurnen träten? Die letzte Europawahl oder die kürzlich durchgeführten Kommunalwahlen haben doch andere Realitäten offenbart und da ging es nicht um ferne europäische Themen, sondern um unsere ureigenen Probleme.
Lassen Sie mich noch eine Frage stellen, denn man sollte beim Beschreiten eines neuen Weges auch das mögliche Ende bedenken: Was für Folgen für Europa hätte eine Ablehnung des Verfassungsentwurfs bei einem Volksentscheid in Deutschland? Die plebiszitären Elemente überhaupt ins Grundgesetz aufzunehmen ist ein gesondertes Thema. Das würde ich hieran nicht festmachen wollen. Dazu wird es auch im Bundestag entsprechende Diskussionen geben. Das ist übrigens für die CDU kein Trauma, liebe Kollegin, sondern die CDU hat aus Verantwortung die Verankerung dieser Elemente im Grundgesetz bisher abgelehnt.
Ihrem Antrag kann man nicht zustimmen, und zwar aus zwei Gründen: Erstens ist dieses Thema schon auf der Bundesebene; wir brauchen es also nicht erst per Bundesratsinitiative dorthin zu transportieren. Zweitens ist es heute im Bundestag - gestern in den zuständigen Ausschüssen - behandelt und abgelehnt worden. Damit hat sich Ihr Antrag erledigt. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Der Antrag greift zu Recht die derzeitige Diskussion über die Annahme des Entwurfs eines Verfassungsvertrages der Europäischen Union auf, mit dem die Europäische Union handlungsfähiger, bürgernäher, aber auch demokratischer werden soll. Nachdem ich den Duktus Ihres Beitrages, Frau Stobrawa, anhöre, keimt bei mir fast der Verdacht, dass Sie, weil Sie auch massive Kritik am Inhalt des Verfassungsvertrages aufgeworfen haben, den Volksentscheid gerade wollen, damit es nicht zu einer Annahme des Verfassungsvertrages kommt.
Ich teile Ihre Auffassung, dass sich die Bürgerinnen und Bürger an der Reformdiskussion beteiligen sollen, und ich sehe in dem Antrag auch das Anliegen, den Bürgern des Landes den europäischen Integrationsprozess zu vermitteln und ihnen nahe zu bringen. Dieses Anliegen begrüße ich sehr und unterstütze es, gleichwohl empfehle ich die Ablehnung des Antrags aus folgenden Gründen:
Anders als die brandenburgische Landesverfassung sind Volksentscheide nach dem Grundgesetz nicht vorgesehen. Mit dieser Zurückhaltung bei der Schaffung plebiszitärer Elemente ist die Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen 50 Jahren ganz gut gefahren. Wir sollten dies daher nicht ohne Not und übereilt infrage stellen. Auch die Annahme eines europäischen Verfassungsvertrages ist, wie es sich im gegenwärtigen Verfassungsentwurf darstellt, nach meiner Ansicht kein Grund für eine Sonderregelung im Grundgesetz.
In Ihrer Antragsbegründung ist zu lesen, dass eine Verfassung zu den grundlegendsten politischen Entscheidungen gehört, die der Legitimation durch die Bürgerinnen und Bürger bedarf. Dies trifft in der Tat zu. Verfassungen bilden traditionell die Rechtsgrundlage von Staaten, sie bestimmen die inhaltliche, die innerstaatliche strukturelle Ordnung wie die Gewaltenteilung, die Gewaltenbeschränkung, den Grundrechtsschutz, aber auch die Kompetenzregelung. Um solch eine Verfassung geht es gerade bei dem europäischen Verfassungsvertrag jedoch nicht, obgleich Sie ihn in Ihrem Redebeitrag, Frau Stobrawa, immer sehr konsequent als Verfassung bezeichnet haben.
Die Europäische Union erhält durch den angestrebten Verfassungsvertrag zwar einen neuen Charakter, ist jedoch nach wie vor kein eigener Staat. Sie bleibt ein Staatenverbund, ebenso wie die souveränen Mitgliedsstaaten weiterhin Herren der Verträge sind, die auch die alleinige Zuständigkeit für Vertragsänderungen haben. Der Europäischen Union kommt gerade keine Allzuständigkeit zu. Vielmehr gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.
Sie greifen auf eine Äußerung in der „Berliner Zeitung“ zurück. Ich darf dazu anmerken, dass diese Äußerung in der „Berliner Zeitung“ verkürzt dargestellt wurde.
Hieraus folgt also - um fortzufahren -, dass es sich bei dem Verfassungsvertrag gerade nicht um eine Verfassung im staatsrechtlichen Sinne handelt. Damit will ich die Bedeutung des EU-Verfassungsvertrages nicht herabsetzen; denn er ist wirklich elementar für das weitere Gelingen des Integrationsprozesses in Europa und vor allen Dingen auch für die erfolgreiche Osterweiterung, wofür sich gerade Brandenburg stark einsetzt.
Ich warne aber vor dem Missverständnis, dass mit dem Verfassungsvertrag eine Verstaatlichung der Europäischen Union eintreten und gerade ihre Legitimationsgrundlage ausgewechselt werden würde. Diesem Missverständnis würde durch eine Volksabstimmung geradezu Vorschub geleistet werden. Es handelt sich hierbei ausdrücklich um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, der in Deutschland gemäß Artikel 59 Abs. 2 des Grundgesetzes von Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden muss.
Das Grundgesetz schreibt in Artikel 23 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 79 Abs. 2 in diesen Fällen vor, dass eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwendig ist. Ich denke, dass wir damit in Deutschland bereits über eine außerordentlich hohe Hürde verfügen, die gerade sicherstellen soll, dass ohne einen breiten gesellschaftlichen Konsens grundlegende Entscheidungen - wie über einen Europäischen Verfassungsvertrag - nicht getroffen werden können.
Lassen Sie mich noch eines ergänzen, nämlich dass die Verfassungsvertragsväter, die Konventsmitglieder, es gerade offen gelassen haben, ob mittels eines Volksentscheides abgestimmt werden soll. Artikel IV (8) sieht eine Ratifikation des Verfassungsvertrages durch die Mitgliedsstaaten gemäß ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften vor. Damit steht es jedem Mitgliedsstaat frei, an seine eigene Verfassungstradition anzuknüpfen. Ich denke, das sollte auch in der Bundesrepublik Deutschland geschehen. - Vielen Dank.
Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung. Die DVU-Fraktion hat die Überweisung des Antrags der PDS-Fraktion an den Hauptausschuss beantragt. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung mehrheitlich abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Wer dem Antrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist auch der Antrag in der Sache abgelehnt.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der antragstellenden Fraktion. Herr Abgeordneter Sarrach, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Thema Weiterentwicklung des Gemeindewirtschaftsrechts wären unparlamentarische Kraftausdrücke angebracht, um die rechtliche und politische Rahmensetzung für die Kommunalwirtschaft im Land zu beschreiben.
Während andere Bundesländer - ich erwähne nur NordrheinWestfalen, von diesem Land haben wir in Brandenburg jahrelang jedes Komma übernommen - bereits seit geraumer Zeit die Kommunalverfassungen novelliert haben, tut sich Brandenburg so schwer damit. Wenn es einen Fall des verfassungswidrigen Unterlassens einer Gesetzgebung gibt, dann wäre dies das Paradebeispiel dafür.
Seit Jahren ist der Landtag auf Initiative der PDS-Fraktion mit der berechtigten Forderung konfrontiert, den Kommunalunternehmen neue, moderne Strukturprinzipien an die Hand zu geben, mit denen die unfairen Startbedingungen im Wettbewerb beseitigt werden sollen. Aber selbst der sonst so durchsetzungsfähig erscheinen wollende Minister des Innern ist bei dieser Problematik ausnahmsweise ganz kleinlaut geworden. Haben Sie vergessen, dass die Kommunalwirtschaft ein starker Wirtschaftsfaktor ist, der als Arbeitgeber und Auftraggeber für die örtliche und regionale Wirtschaft von großer Bedeutung ist?
Es kann nicht sein, über Liberalisierung und Privatisierungsdruck im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge zu reden, diese Entwicklungen zu dulden und zu forcieren, aber das Örtlichkeitsprinzip, die kommunale Wirtschaftsklausel und die Organisationsform der Kommunalbetriebe unangetastet zu lassen.
Lassen Sie uns doch wenigstens darüber reden, ob eine Gemeinde mit ihren Kommunalunternehmen auch außerhalb ihres Gemeindegebietes tätig werden darf, ob also das Örtlichkeitsprinzip abgeschwächt werden soll! Lassen Sie uns doch wenigstens darüber reden, wie künftig der öffentliche Zweck zu definieren ist, der eine kommunale Wirtschaftstätigkeit erfordern könnte, und wie stark die Kommunen zur Privatisierung der Aufgaben gezwungen werden können, wie also die kommunale Wirtschaftsklausel ausgestaltet sein soll! Lassen Sie uns doch wenigstens darüber reden, ob es für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, eine neue, eigene Organisationsform Kommunalunternehmen geben soll!
besserte Steuerungsmöglichkeiten der Volksvertretungen in Unternehmen und die wirksamere Arbeit der Kommunalaufsicht. Herr Minister Schönbohm, ich verstehe, dass Sie Widerstände in der Koalition zu überwinden haben, aber es ist ein unhaltbarer Zustand, dass seit mehr als zwei Jahren ein Gesetzentwurf existiert, der nicht eingebracht wird.
Stattdessen gibt es Stückwerk, indem zum Beispiel im Zusammenhang mit dem ersten Entlastungsgesetz der Kommunen von pflichtigen Aufgaben punktuell Änderungen an den Vorschriften der Gemeindeordnung vorgenommen werden. Der Landtag muss endlich das Pro und Kontra der Weiterentwicklung des kommunalen Wirtschaftsrechts im Zusammenhang transparent und ehrlich diskutieren. Legen Sie den Gesetzentwurf vor, Herr Minister, den Sie in der Schublade haben, und sehen Sie nicht tatenlos zu, wenn Verwerfungen und Missstände in der wirtschaftlichen Betätigung, wie jüngst in der Stadt Fürstenwalde, auftreten!
Die Art der wirtschaftlichen Betätigung der Stadt Fürstenwalde ist ein Beispiel für den Handlungsdruck, dem wir ausgesetzt sind, wobei es nicht nur um ein Regelungs-, sondern auch um ein Vollzugsdefizit geht. Das kreisliche Rechnungsprüfungsamt Oder-Spree hat in Abstimmung mit dem Landesrechnungshof die wirtschaftliche Betätigung Fürstenwaldes geprüft und 28 Beanstandungen ausgesprochen, die den Bürgermeister und seinen Ersten Beigeordneten schwer belasten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Prüfer kamen zu dem vernichtenden Urteil, dass die Stadt Fürstenwalde als Gesellschafterin in städtischen Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Risiken eingegangen ist, deren Belastungen für den Haushalt für künftige Zeiträume nicht einschätzbar sind.
Bei einzelnen Gesellschaften war die wirtschaftliche Betätigung nicht durch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks begründet. Wie Sie sicher wissen, betreibt die Stadt beispielsweise mittelbar ein Kaufhaus. Bei der Gewährung von Darlehen in Größenordnungen wurde gegen Haushaltsrecht verstoßen, wurden keine Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung eingeholt und waren die Rückzahlungen nicht gesichert, weshalb Darlehen in Zuschüsse umgewandelt wurden, die die Rücklage aufzehrten. Der Erste Beigeordnete war zum Beispiel gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied, Geschäftsführer und Prokurist solcher Unternehmen.
Die Kommunalaufsicht Oder-Spree hat jahrelang zugesehen und nicht beanstandet, dass seitens der Stadt keine Beteiligungsberichte vorgelegt wurden, anhand derer Fehlentwicklungen hätten frühzeitig erkannt werden können. Jetzt hat die Stadt Fürstenwalde keinen ausgeglichenen Haushalt mehr. Die Verwaltungsspitze und die Kommunalaufsicht sind in Erklärungsnot. Das Ziel einer kraftvollen einnahmesichernden Kommunalwirtschaft wurde verfehlt.
Das Negativbeispiel Fürstenwalde zeigt, dass Handlungsbedarf besteht und der Landtag sich den Problemen der Kommunalwirtschaft mit allen positiven und negativen Seiten stellen muss. Vielleicht helfen veränderte Rahmenbedingungen auch der Stadt Fürstenwalde, aus dieser Misere herauszukommen; denn eines ist richtig: Die Grundsatzentscheidung für die Kommunalbetriebe bleibt auch in Fürstenwalde eine richtige Entscheidung.