Die SPD verzichtet, die PDS verzichtet, die CDU verzichtet. Damit sind wir bei der Landesregierung. - Sie verzichtet auch. Damit wird für den Fall, dass Sie eine Erweiterung Ihres Beitrags wünschen, der DVU noch einmal das Wort erteilt. - Bitte sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man nichts sagt, ist dies auch eine deutliche Antwort. Im September nächsten Jahres wird der Wähler darüber entscheiden, wie Sie das machen.
Zum zweiten Teil: Im Gegensatz zu Ihren Gesetzentwürfen, meine Damen und Herren von SPD, CDU und PDS - das wiederhole ich zum x-ten Male -, bedeutet einzig und allein unser Antrag eine Kongruenz zwischen der Zielsetzung einer Konsolidierung des Landeshaushalts und deren Umsetzung, und zwar in der Form, dass nicht nur kleine Angestellte des öffentlichen Dienstes und Beamte Opfer bringen müssen, sondern auch die wohl dotierten Abgeordneten dieses Hauses.
Trotz der Tatsache, dass die bisher für 2004 geplante Neuverschuldung von 1,17 Milliarden Euro nicht eingehalten wird, sondern wahrscheinlich erheblich größere Dimensionen erreichen wird und zudem die Vorziehung der letzten Stufe der Steuerreform sowie die geplante Zusammenlegung von Sozialund Arbeitslosenhilfe zu dem so genannten Arbeitslosengeld II aller Wahrscheinlichkeit nach keine Entlastung für den Landeshaushalt darstellen werden, prahlen Sie hier mit einer Beibehaltung des Status quo der Abgeordnetenentschädigung bei 4 399 Euro, also einer Entschädigung auf höchstem Niveau.
Während Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, die Steuer zahlenden Bürgerinnen und Bürger von Brandenburg an der Nase herumführen, versuchen Sie hier, diejenigen zu diskreditieren, die versuchen, in ethisch sauberer Weise Ausgabenpolitik zu betreiben, nämlich meine Fraktionskolle
ginnen und Fraktionskollegen. Wir fangen erst einmal bei uns selbst an, bevor wir bei anderen sparen.
Neben dem von uns hier und heute beantragten Verzicht auf knapp 600 Euro Grundentschädigung pro Monat waren schließlich wir die Einzigen, die in diesem Hause auch einen Verzicht auf die Erhöhung der Fraktionsmittel gefordert haben. Herr Homeyer, das werden Sie bestätigen können.
Trotz der Tatsache, dass zum Beispiel viele Schülerinnen und Schüler zukünftig mit erheblichen Mehrkosten für den Transfer von der Wohnung zur Schule und zurück zu rechnen haben, dass zum Beispiel nicht genügend Geld für die Betreuung von Kleinkindern in Kindertagesstätten zur Verfügung steht, dass zum Beispiel viele Kommunen im Lande Brandenburg nicht wissen, wie sie die ihnen durch die Gemeindeordnung bzw. durch die Verfassung auferlegten grundlegenden Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge finanzieren sollen, sind Sie nicht bereit, auf die von uns geforderten 599 Euro zu verzichten. Sie sind nicht bereit, damit vielleicht vielen gebeutelten Bürgerinnen und Bürgern im Lande Brandenburg zumindest ein Stück weit unter die Arme zu greifen.
Ich jedenfalls bin mir trotzdem nicht zu schade, Sie hier und jetzt noch einmal herzlich zu bitten, dem von uns beantragten Verzicht auf einen nennenswerten Bruchteil der Abgeordnetenentschädigung zuzustimmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Die DVU-Fraktion hat frist- und formgerecht namentliche Abstimmung über ihren Gesetzentwurf beantragt. Deshalb bitte ich die Schriftführer, die Namenslisten vorzubereiten und mit dem Namensaufruf zur Abstimmung zu beginnen. Ich bitte Sie um ein klar wahrnehmbares Votum. Die jeweils nicht aufgerufenen Abgeordneten bitte ich um die Wahrung der für den Namensaufruf notwendigen Ruhe.
(Die Abgeordneten Bochow [SPD], Dr. Hackel [CDU] und Frau Dr. Schröder [fraktionslos] geben ihr Votum ab.)
Für den Gesetzentwurf stimmten vier Abgeordnete, dagegen 58. Damit ist er mehrheitlich abgelehnt. Da es keinen Antrag auf Überweisung gibt, ist er in 1. Lesung abgelehnt. Der Entwurf hat sich erledigt.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Bitte sehr, Frau Kaiser-Nicht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man soll nicht immer gleich alles glauben. So habe ich es zunächst auch auf die Hitze geschoben, als mich in den ersten Juli-Tagen die Pressemeldung erreichte: „Länder wollen Schornsteinfeger als Helfer für Großen Lauschangriff“.
Aber es war dann doch keine Sommerloch-Ente. Es ist nicht nur so, dass sich Beamte des Staates wünschen, künftig bei Hausverwaltern, Stadtwerken und Schlüsseldiensten unkompliziert Unterstützung einfordern zu können, um in Wohnungen Verdächtiger leichter Wanzen installieren zu können. Sogar die Mehrheit der Landesjustizminister soll sich für das leichtere Abhören von Privatwohnungen ausgesprochen haben. Der Bayer Beckstein - natürlich, wer sonst? - fordert die umgehende Ausweitung des Großen Lauschangriffs zur verdeckten Videoüberwachung. Ich gehe davon aus, dass die CDU-Innenpolitiker dieses Landes das unterstützen, forderten sie doch kurz zuvor die vorzeitige Rund-um-die-Uhr-Videoaufzeichnung an öffentlichen Plätzen - dies immerhin, obwohl das brandenburgische Pilotprojekt an vier Bahnhofsvorplätzen gerade einmal die Hälfte der dafür veranschlagten fünf Jahre läuft. Aber hier sah die Mehrheit im Innenausschuss in der letzten Woche zum Glück keinen Handlungsbedarf.
Zurück zur Unantastbarkeit der Wohnung. Lassen Sie uns erinnern! Wegen des Großen Lauschangriffs ist immerhin eine liberale Bundesjustizministerin zurückgetreten. Derzeit befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit dem gesetzlich legitimierten Abhören von Wohnungen. Im Rahmen der kürzlich stattgefundenen mündlichen Anhörung gab es eine intensive Debatte über die Verfassungsmäßigkeit. Schwerpunkte dabei waren einerseits die verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Wohnung als privater Rückzugsraum gemäß Artikel 13 Grundgesetz Grundbestandteil der unteilbaren Privatsphäre des Menschen ist. Sie soll für die öffentliche Gewalt unantastbar sein. Zudem werde gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen und die Menschenwürde verletzt, wenn der Staat in die Schlafzimmer seiner Bürger lauscht. So lautet übrigens bereits eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1983.
Andererseits bezieht sich die Kritik am Lauschangriff auf die praktische Erfahrung in der akustischen Überwachung von Wohnräumen. Der Erfahrungsbericht der Bundesregierung zu den Wirkungen der Wohnungsüberwachung durch Einsatz technischer Mittel ist ein Beleg für das Versagen dieses staatlichen Bespitzelns. Mehr als die Hälfte der Maßnahmen brachte keinerlei Erkenntnisse für die Ermittlungsbehörden. Nahezu 90 % der verfolgten Tatbestände lagen außerhalb der organisierten Kriminalität.
Wir erinnern uns: Die Bekämpfung organisierter Kriminalität war das ausschlaggebende Argument für die Verfassungsänderung durch den Bundestag. Außerdem war der Einsatz von technischen Überwachungsanlagen mit einem derart großen Finanzaufwand verbunden, dass er in keinem ausgewogenen Verhältnis zu den Ermittlungserfolgen steht. Der Einsatz von Abhöranlagen in Wohnungen erfolgt ohne ausreichende und wirksame parlamentarische und öffentliche Kontrolle.
Wir unterstützen daher die Aussage des Bundesbeauftragten für Datenschutz und der Landesbeauftragten für Datenschutz aus sieben Bundesländern, welche die fehlende Rückkoppelung von Polizei und Innenministerien mit den Kontrollgremien kritisieren.
Trotz vehementer Forderungen nach Statistiken über Anzahl und Umfang der Abhörmaßnahmen mit ihren Auswirkungen auf unverdächtige Personen weigern sich die zuständigen Gremien weiterhin, ihre Arbeit offen zu legen. Wer traut denn da wem nicht?
Letztendlich steht die Frage vom Ende der Privatheit. Nach den Zugriffen auf die Telekommunikation, die Aufhebung des Briefgeheimnisses und staatliche Zugriffe auf öffentliche Gespräche bleibt dem Bürger keine Möglichkeit zum unbehelligten Rückzug. Hier müssen wir uns als Politiker die Frage stellen, was für uns die Individualrechte auf Privatsphäre gegenüber dem Interesse des Staates auf Ausübung seiner Staatsgewalt wiegen.
Das Land Brandenburg hat im Jahr 1996 mit den Änderungen zum Brandenburgischen Polizeigesetz den Großen Lauschangriff eingeführt und war leider einer der Vorreiter des Großen Lauschangriffs. Das Verfassungsgericht hat dies 1999 bestätigt. Die PDS-Fraktion schließt sich jedoch dem Minderheitenvotum an, dass es sich bei der Wohnraumüberwachung zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung unter den Voraussetzungen des Brandenburgischen Polizeigesetzes noch nicht um eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne der Landesverfassung handele bzw. dass es noch nicht um die Abwehr einer solchen Gefahr im Sinne des neu gefassten Artikels 13 des Grundgesetzes gehe, sondern um eine Vorfeldoperation, die in die Wohnung hinein nicht zulässig sei.
Es stimmt mindestens bedenklich, wenn gerade die Minister, welche den Rechtsstaat pflegen und ihn gegen die Interessen mancher Law-and-Order-Politiker verteidigen sollen, diejenigen sind, die dann aufgrund einer umstrittenen Effizienzlogik der Strafverfolgungsbehörden und trotz der laufenden Debatte vor dem Bundesverfassungsgericht mit einer Initiative vorpreschen und die Bürger zu zwangs- und amtsverpflichteten Gefolgsleuten der Sicherheitsbehörden machen möchten. Setzt man wirklich darauf, dass das Erinnerungsvermögen der Menschen hierzulande so kurzlebig ist wie das mancher Regierungspolitiker hinsichtlich ihrer Wahlversprechen?
Der Antrag meiner Fraktion zielt deshalb auf die Ablehnung der Absichten zur Ausdehnung der Lauschangriffaktivitäten auf unbeteiligte Dritte durch den Landtag Brandenburg. Als wenn es nicht reichen würde, Menschen die Privatsphäre zu nehmen, nein, es müssen auch noch Privatpersonen in ihren persönlichen Grundrechten verletzt werden, indem sie zur Bespitzelung zwangsverpflichtet werden und somit in ihrer Berufsfreiheit sowie im Schutz ihres eingerichteten Gewerbebetriebes gefährdet sind.
Die PDS-Fraktion unterstützt die einhellige Ablehnung dieses Vorhabens der Bundesländer, die von Polizei, Handwerksverbänden, Juristenverbänden und auch von der Bundesjustizministerin zum Ausdruck gebracht wurde. Wir wollen mit dieser Initiative für eine Mehrheit im Landtag werben, die den Rechtsstaat, die Grundrechte seiner Bürger in ein ausgewogenes Verhältnis zu den Interessen des Staates setzt. Der formalen Logik der Effizienzausrichtung von Abhörmaßnahmen folgend, wenn Recht und Gesetz die Grundrechte der Bürger weiter aushöhlen sollen, kämen wir mit Verlaub bei der allumfassenden Überwachung und Aufzeichnung an. Steht dann, frage ich, jedem Bürger nach zehn Jahren auch die Sicherheitskopie seines Lebens zu? Ich denke nicht, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass wir das wirklich wollen.
Zum Schluss sei noch gesagt: Meine Fraktion erwartet von der Landesregierung hier und heute auch eine Antwort auf die Frage, welche Position denn Brandenburg bei der genannten Umfrage des Bundesjustizministeriums bezogen hat. Mein Brief vom 8. Juli, der genau diese Frage gestellt hat, ist offensichtlich, wie wir inzwischen geklärt haben, vom Postwege abgekommen. Jedenfalls ist er im Justizministerium nicht eingegangen. Ich bin daher, sehr geehrte Frau Ministerin Richstein, sehr gespannt auf Ihre Stellungnahme.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Artikel 13 des Grundgesetzes und Artikel 15 der brandenburgischen Verfassung garantieren das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Der so genannte Große Lauschangriff ist ein schwerwiegender Eingriff in dieses Grundrecht und deshalb an hohe rechtliche Hürden gebunden. Voraussetzung ist erstens, dass sich der Beschuldigte vermutlich in der Wohnung aufhält, zweitens, dass bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, und drittens, dass die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos ist. Darüber hinaus steht diese Maßnahme unter richterlichem Vorbehalt und ist stets nur befristet zulässig.
Diese hohen Eingriffsvoraussetzungen haben gute Gründe, zum einen, weil Millionen Deutsche während zweier Diktaturen oft schmerzlich erfahren mussten, was totale staatliche Überwachung bedeutet, und zum anderen, weil aus diesen Erfahrungen eine Verfassungsordnung entstanden ist, welche die Garantie individueller Freiheitsrechte und den Schutz der Persönlichkeit zu ihren Grundwerten zählt.
Meine Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion bekennt sich zu diesen Verfassungswerten und ihre Einschränkung darf nur zur Verfolgung schwerster Straftaten und unter strengster Einhaltung der genannten Voraussetzungen erfolgen. Einer weiteren Ausdehnung des Großen Lauschangriffs, wie sie einige Bundesländer durch die Zwangsverpflichtung von Dritten anstreben wollen, stehen wir deshalb ablehnend gegenüber.
Wir befinden uns damit im Einklang mit der Bundesjustizministerin Zypries, die per Pressemitteilung vom 8. Juli dieses Jahres bekannt gab, dass keine gesetzliche Regelung erarbeitet wird, die Privatpersonen gewissermaßen als Amtshelfer bei der akustischen Wohnraumüberwachung zur Strafverfolgung verpflichtet. Weder die Dienste des Hausmeisters noch die des Schornsteinfegers sind zur Durchführung verdeckter Ermittlungen zwingend erforderlich.
Mit dieser Einschätzung teilen wir die verfassungsrechtlichen Bedenken der Bundesregierung und lehnen darüber hinaus den vorliegenden Antrag der PDS-Fraktion aus zwei Gründen ab. Erstens ist die für die Zwangsverpflichtung Dritter notwendige Änderung der Strafprozessordnung Sache der Bundesregierung und zweitens hat diese deutlich zum Ausdruck gebracht, in dieser Richtung nicht aktiv werden zu wollen.
Es macht also keinen Sinn, der Landesregierung zu empfehlen, sich gegen etwas auszusprechen, was es sowieso nicht geben wird. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Es geht in dem PDS-Antrag darum, in der aktuellen Diskussion um den Großen Lauschangriff Position zu beziehen. Es geht dabei um die Frage, ob dritte Personen zur Installation von Überwachungstechnik zwangsverpflichtet werden können. Hierfür in der Diskussion stehen etwa Schornsteinfeger und Handwerker. Es handelt sich also um Personen, denen nach aller Erfahrung bei der Beauftragung seitens des Auftraggebers Vertrauen in ihre Integrität entgegengebracht wird. Nur unter dieser Voraussetzung gelangen diese in den engeren Persönlichkeitsbereich des Auftraggebers. Mit hoheitlichen Aufgaben haben diese Personen ansonsten nichts zu tun, jedenfalls nicht mit den hoheitlichen Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Bekämpfung der Kriminalität.
Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass unsere Fraktion dieses auf Bundesebene diskutierte Ansinnen mit aller Entschiedenheit ablehnt. Nicht nur die Persönlichkeitsrechte der von der Überwachungsmaßnahme betroffenen Person sind ein hohes Gut, mit dem man nicht leichtfertig umgehen darf. Für uns wiegt noch viel schwerer, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ganz erheblicher Weise Schaden nehmen würde, insbesondere bei uns in Brandenburg als einem Land, das mit der erst vor wenigen Jahren zu Ende gegangenen SED-Diktatur gerade in Bezug auf Überwachungsmaßnahmen und Bespitzelungen seine leidvollen Erfahrungen gemacht hat.