- Ich gebe Ihnen Recht, Frau Tack. - Es gibt Bundesländer, zum Beispiel Baden-Württemberg, in denen das kleine Gläschen Alkohol fast zur Kultur gehört, die Unfallquote dennoch signifikant niedriger ist. Ich will nicht dem Gläschen Alkohol in der Mittagszeit das Wort reden, meine aber, dass wir uns noch wesentlich intensiver damit auseinander setzen müssen, was bei den Menschen - sowohl den Jugendlichen als auch den Menschen in meinem Alter - passiert, dass unser Land signifikant
höhere Unfallzahlen aufweist. Diese Frage ist auch durch die Antwort der Landesregierung nicht geklärt worden.
Wir haben es zum einen mit dem Faktor Technik, dem Stand der Infrastruktur zu tun, zum anderen - ich meine, das ist das Entscheidende - mit dem Faktor Mensch. Ich sprach davon, dass wir eine andere Einstellung bei denjenigen brauchen, die an irgendeiner Stelle etwas mit Verkehr zu tun haben. Das ist in den Bereichen Kita und Schule der Fall, betrifft aber auch die für den Straßenbau zuständigen Planer, die Eltern und die Polizei. Das Vorhaben, die Verkehrssicherheit in die Köpfe der Menschen zu bringen, muss gerade auf dieser Ebene mit noch mehr Verantwortung verfolgt werden.
Ich darf an dieser Stelle ein Beispiel aus meiner unmittelbaren Umgebung schildern. Der eine oder andere weiß, dass ich im kommunalen Bereich aktiv bin. In meiner Heimatgemeinde geht es um die Planung einer kommunalen Straße direkt vor der Kita.
Sie stellen fest, dass in diesem Bereich kaum Bereitschaft vorhanden ist - auch nicht bei den Kommunalvertretern -, sich intensiv mit der Frage auseinander zu setzen, wie die Verkehrsführung vor der Kita erfolgen soll. Auf der einen Seite steht die klassische Fraktion der Autofahrer, auf der anderen Seite die klassische Fraktion der Eltern. Letztere ist sich der Problematik aber nur so lange bewusst, wie ihre Kinder die Kita besuchen. Es muss intensiv darüber diskutiert werden, denn gerade im Bereich der Planung von Verkehrswegen - seien es Bundes-, Landes- oder kommunale Straßen, seien es Radwege - macht man das meiste falsch. Das heißt im Umkehrschluss: Man muss aufpassen, dass man es von Anfang an richtig macht.
Die Ergebnisse, die vom MSWV und den Straßenbauämtern zwischenzeitlich erreicht worden sind, machen mir Hoffnung, dass bereits während des Planungsprozesses intensiver darüber nachgedacht wird, wie sichere Straßen erreicht werden können.
Wer die Region Märkisch-Oderland kennt, weiß, dass die Ortsumgehung Müncheberg ein klassisches Beispiel ist. Dort hat man sehr deutlich festgestellt, dass die Planung von vornherein nicht so sehr auf Sicherheitsaspekte abgestellt war, sodass heftig nachgesteuert werden musste. Das heißt, auch in dieser Hinsicht unterstütze ich das sehr stark, was Minister Meyer auf den Weg gebracht hat: dass man auch bei Straßenplanungen ein Audit vornimmt. Kollege Schippel, das muss nicht mehr Geld kosten. Das kann im Einzelfall bedeuten, dass ich - ich sage es einmal etwas einfach - einen Schlenker mehr einbaue oder optische Einengungen vornehme, um insgesamt die Geschwindigkeit auf Straßen zu verringern.
Aber wir müssen auch ganz deutlich sagen, Frau Tack, dass wir leider in der Situation sind, gerade in den ländlichen Räumen nicht davon ausgehen zu können, dass wir geringere Verkehrsströme zu verzeichnen haben werden. Denn ob wir es wollen oder nicht: Die ländlichen Räume werden sich stärker ausdünnen, das heißt, die Entfernungen vom Wohnort zur Arbeit, aber auch von den Wohnorten beispielsweise zur Schule werden leider größer werden. Das heißt, wir werden dort längere Verkehrswege haben - also mehr Verkehr. Es geht im Umkehrschluss darum, uns genau zu überlegen, was wir im Bereich des ÖPNV tun werden.
Ich will an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen, dass das, was von verschiedenen Medien, leider aber auch von der PDS, in den letzten Tagen verkündet worden ist, dass das Land für den ÖPNV und für den Schülerverkehr weniger Geld gibt, falsch ist. Im GFG ist genau das gleiche Geld des Landes für Schülerverkehr enthalten. Im ÖPNV-Gesetz ist das gleiche Geld. Die Änderungen zum § 45 a, liebe Frau Tack, werden haushaltskassenmäßig in diesem Jahr nicht wirksam. Wer sich hinstellt und sagt, im Jahr 2003 bekommen die Landkreise und kreisfreien Städte weniger Geld, hat Unrecht. Es ist einfach falsch.
Wir müssen uns aber überlegen, wie wir auch im Bereich des ÖPNV das System insgesamt optimiert bekommen. Ich bin optimistisch, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen in eine intensive Diskussion einsteigen können. Es geht um die Frage, wie wir als Land vielleicht noch mehr als bisher tun können.
Ein Punkt, der hier anklang, ist das Spannungsverhältnis, welches bezüglich der Alleen besteht. Ich will dem Kollegen Senftleben nicht hundertprozentig zustimmen, denn ich glaube, dass der Alleenerlass, den wir gemeinsam erarbeitet haben ich zumindest habe ihn mit begleitet, er ist konkret durch das MSWV und das MLUR erarbeitet worden -, den Versuch machte, Dinge zu bündeln. Bezüglich der Alleen kann die Antwort nicht lauten: Um den Straßenverkehr sicher zu machen, werden Alleen einfach gefällt. Man muss sich jede Straße einzeln anschauen. Es kann im Einzelfall notwendig sein zu sagen, dass die Geschwindigkeit heruntergesetzt werden muss. Das ist ganz wichtig, denn der Eckpunkt lautet immer: Nicht der Baum verursacht den Unfall, sondern der Mensch verursacht ihn - niemand anderes. Das heißt, zunächst steht der Faktor Mensch im Mittelpunkt.
Aber, Herr Senftleben, ich gebe Ihnen in einem Punkt Recht: Es gibt Unfallschwerpunkte, wo es nicht anders gehen wird, als Alleebäume zu fällen. Ich plädiere sehr deutlich dafür, sich das im Detail anzuschauen, die Partner mit auf den Weg zu nehmen und zu sagen, dass Verkehrssicherheit notwendig ist, dass wir aber andererseits in Brandenburg auch den Erhalt der landschaftsprägenden Alleen brauchen.
Vielleicht macht es mir der eine oder andere nach. Ich bin Alleenpate an einer Bundesstraße. Herr von Arnim, Sie sind ja auch Uckermärker, dort gibt es fantastische Alleen. Ich sage Ihnen einmal, wie man das macht. Vielleicht werden auch Sie Alleenpate. Ich werde schauen, dass sowohl die Bundesstraße an dieser Stelle sicher ist, aber auch darauf achten, dass die Alleen erhalten bleiben.
Es stand die Frage nach dem Nachholbedarf. Ich will das unterstützen und ich sehe das jetzt auch als eine Folge der Gemeindegebietsreform. Das heißt, ich stehe trotzdem dazu, dass ich der Gemeindegebietsreform zugestimmt habe, aber wir werden auch infolge der Gemeindegebietsreform zum Teil neue Verkehrsströme haben. Das ist zweifelsohne so.
Wir brauchen eine deutliche Verstärkung der Anstrengungen im Bereich des Radwegebaus. Wir müssen auch überlegen der Kollege Senftleben sprach es an -, wie wir es mehr unter einen Hut bekommen, dass Radwege sowohl für die Einheimischen, gerade für unsere Schüler, gebaut werden als auch na
türlich von Touristen benutzt werden können. An vielen Stellen können wir es unseren Bürgern eigentlich nicht erklären, warum aus dem einen Topf des Landes oder der EU für den touristischen Radwegebau Mittel vorhanden sind, und einen Kilometer weiter ist kein Geld vorhanden, um an einer Bundesstraße, an der Schülerverkehr entlanggeht, einen Fahrradweg zu bauen.
Ich höre Ihnen gern zu, brauche aber dennoch zwei klare Aussagen. Die erste Frage: Sind Sie mit mir einer Meinung, dass die 0,0-Promille-Regelung und die Forderung, keine Drogen im Straßenverkehr, insbesondere in Brandenburg notwendig ist?
Die zweite Frage: Unterstützen Sie die fast bundesweite Empfehlung zum Fahren mit Licht am Tage, um das Unfallrisiko auf den Straßen zu senken?
Ich kann Ihnen zu beiden Fragen ein ganz klares Ja sagen. Ich persönlich wäre der Auffassung, dass die 0,0-Promille-Regelung gelten sollte.
Zum zweiten Punkt, dem Fahren mit Licht: Ich kann nur sagen, dass ich im Regelfall auf der Autobahn mit Licht fahre, weil ich feststelle, dass auf meinem Weg von Wandlitz...
- Nein, nicht zu schnell, ich fahre auf dem Außenring wirklich immer 120 km/h, weil die lieben Kollegen von Herrn Schönbohm dort regelmäßig stehen. Wer im Laufe von drei Jahren bisher zweimal geblitzt wurde, fährt dort wirklich immer straff die 120 km/h, die zulässig sind. Es ist ausgesprochen angenehm, mit Licht zu fahren, wie es auch angenehm ist, wenn einem Autos entgegenkommen, die beleuchtet sind, die am Tage Licht anhaben, denn dann sind sie besser zu sehen. Ich fühle mich als Entgegenkommender deutlich sicherer.
Ich wollte noch einmal auf den Nachholbedarf, der bestand, kommen. Der eine Punkt betraf die Radwege. Wir sollten aber auch noch einmal überlegen, in den Kreisen die Frage verstärkt auf die Tagesordnung zu setzen, wo Landkreise und Kommunen primär ihre Mittel einsetzen, nämlich im Bereich der
Schulwegesicherung. Denn das ist primär eine kommunale Aufgabe. Auf diesem Gebiet sollte deutlich mehr passieren.
Abschließend möchte ich an dieser Stelle zwei Personen aus unserem Gremium nennen, die sich aus meiner Sicht in den letzten Jahren in diesem Bereich sehr stark engagiert haben. Das ist zum einen Frau Tack, die ich wirklich von ganzem Herzen lobe. Ich finde richtig, dass Sie immer wieder an bestimmten Punkten hinsichtlich der Verkehrssicherheit den Finger auf die Wunde legen, denn das gehört bei der Funktion auf der kommunalen Ebene, die Sie wahrnehmen, dazu. Zum anderen möchte ich den Abgeordneten Bartsch lobend erwähnen. Diese Aufgabe kann man wirklich nur erfüllen, wenn man mitzieht, andererseits aber den Finger auf die Wunde legt und sagt, wo die noch zu erledigenden Aufgaben liegen.
Ich glaube, wir sollten eines tun: In der Regelmäßigkeit, wie wir die Verkehrssicherheit immer wieder in die Ausschüsse und ins Plenum bringen, sollten wir das auch zukünftig tun. Vielen herzlichen Dank für die Antwort. - Vielen Dank, liebes Gremium.
Ich danke dem Abgeordneten Dellmann und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, an die Abgeordnete Hesselbarth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Senftleben, es ist richtig: Jeden Tag stirbt auf Brandenburgs Straßen ein Mensch. Das war im Jahr 2001 nach den Durchschnittsberechnungen des MSWV so und daran hat sich auch im I. Quartal 2003 offensichtlich nichts geändert.
Trotz leichten Rückgangs bei der Zahl der Verkehrstoten bereits im III. Quartal des letzten Jahres nimmt Brandenburg immer noch einen vorderen Platz bei der Häufigkeit tödlicher Verkehrsunfälle ein. Das ist natürlich ein erschreckender Zustand.
Ich könnte mich natürlich bei Ihnen, Herr Minister Meyer, oder bei Ihren Mitarbeitern für die differenzierte und ausführliche Beantwortung der Großen Anfrage bedanken. Ich wundere mich sowieso, dass das niemand von den Koalitionsfraktionen getan hat. Aber was nutzt es den Eltern, deren minderjährige Kinder Verkehrsopfer geworden sind?
Dass die Zahl der Getöteten generell sinkt, ist einerseits ein erfreulicher Ausblick, verdeckt allerdings die Fakten. Tatsächlich findet dieser Rückgang hauptsächlich bei älteren Verkehrsteilnehmern, das heißt, bei den über 40-Jährigen, statt.
Gravierend ist und bleibt, dass jeder dritte Verunfallte ein Jugendlicher ist, obwohl der Anteil der Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung bei unter 10 % liegt. Und dass gerade die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen bei der Zahl der Opfer herausragt und im Jahr 2001 fast ein Drittel aller Verkehrsunfälle mit Personenschäden verursacht hat, kommt nicht von ungefähr. Diese Altersgruppe nimmt zumeist als Fahranfänger und aus schulischen und beruflichen Gründen - vor allem angesichts der langen Anfahrtswege im Flächenland - forciert am Straßenverkehr teil.
Das alles vermag aber nicht zu entschuldigen, dass 42 % aller Getöteten des Jahres 2001 nach den Angaben des Ministeriums Unfällen zum Opfer fielen, die gerade von dieser Altersgruppe verursacht wurden.
Umso grotesker muten da die Leitlinien der Landesregierung als Grundlage für Verkehrssicherheitsarbeit an, die Sie auf Seite 10 der Antwort nachlesen können. Dort ist von verkehrssparenden Strukturen, vom Vorrang für den öffentlichen Verkehr und vom Schutz der Schwächeren die Rede. Ergänzend dazu ist auf Seite 11 der Antwort von Maßnahmen der Landesregierung zur Erhöhung der Sicherheit auf Schul- und Spielwegen und insbesondere zur Entwicklung und kontinuierlichen Weiterbetreuung von Schul- und Spielwegeplänen für Schüler zu lesen.
Grotesk ist das auch dann, wenn man jetzt noch an das Gesetz der Landesregierung zur so genannten Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben denkt. In diesem Gesetz ist bekanntlich die Änderung des § 112 des Brandenburgischen Schulgesetzes vorgesehen. Danach sollen Landkreise und kreisfreie Städte von der Pflichtaufgabe der Finanzierung der Schülerbeförderung entbunden werden. Nach Auskunft des VBB würde der ÖPNV damit mit rund 45 Millionen Euro Unterdeckung ausgestattet und es ist damit zu rechnen, dass die Eltern zukünftig eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung zu tragen haben werden. Zu befürchten ist eine rigorose Ausdünnung des Schülerverkehrs und damit ein extrem verschlechtertes Angebot im ÖPNV-Bereich. Was ist daher die Konsequenz? Tausende von Schülern werden gezwungen, für weite Anfahrtswege das Fahrrad zu benutzen, wenn die Eltern sie nicht mit dem PKW zur Schule und zurückbringen können; denn das wird ja auch passieren.
Sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung, Sie sprechen vom Vorrang für den öffentlichen Verkehr, vom Schutz der Schwächeren und von Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit auf Schulwegen.
Auf der anderen Seite beabsichtigen Sie, durch solche Gesetzesvorhaben wie das eben genannte alle Verkehrssicherheitsbemühungen der letzten Jahre wieder zunichte zu machen - und das auf dem Rücken der Kinder und der jugendlichen Verkehrsteilnehmer. Umso lächerlicher wirkt es da, ein Vorhaben wie das Modell „Autofreier Kurort“ als beispielhaft und zukunftsweisend im Hinblick auf eine strategische, effektive und sichere Verkehrssicherheitsplanung herauszustellen.
Die Puppenbühnen in Kindergärten und Grundschulen, die Sie in Ihrer Antwort auf die Große Anfrage anführen, verringern auch nicht die Gefahr, auf schlecht ausgebauten Straßen und langen Wegen von LKWs und PKWs überfahren zu werden. Bereits in meiner Rede zum Verkehrssicherheitsprogramm des Landes im Dezember vorigen Jahres habe ich deshalb gefordert, dass das Anfang Juli letzten Jahres in Kraft gesetzte 10Punkte-Programm zur verschärften Verkehrsüberwachung konsequenter und lückenloser fortgesetzt werden muss, um gegen Rücksichtslosigkeit und Aggressivität auf Brandenburgs Straßen effektiv vorzugehen. Gehört hat man von diesem Programm, insbesondere von dessen Umsetzung, allerdings nicht mehr viel und auch in Ihrer 30-seitigen Antwort auf die Große Anfrage verschwenden Sie auf Seite 13 darauf lediglich drei
oder vier kleine Absätze. Sie treffen über Erfahrungen mit der Umsetzung dieses Programms keine Aussagen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und CDU, Sie sind an der Regierung und müssen zum Schutz unserer Kinder und Jugendlichen etwas tun. Zu der Licht-Debatte möchte ich darauf hinweisen, dass Sie nicht vergessen sollten, an die Zweiradfahrer zu denken.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hesselbarth. - Das Wort geht jetzt an die Landesregierung. Herr Minister Meyer, bitte.