Protocol of the Session on April 9, 2003

Die Ausstattung der Einrichtungen, die Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stehen - ob in öffentlicher oder freier Trägerschaft -, sowie die inhaltliche Ausgestaltung haben sich bedeutend verbessert. Einen wesentlichen Anteil daran haben vor allem die kirchlichen Einrichtungen Diakonie und Caritas.

Da wir heute über das Haushaltsstrukturgesetz und seine Veränderungen abgestimmt haben, möchte ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen, dass es richtig und vernünftig ist, auf die Schulen in freier Trägerschaft ein Auge zu haben. Gerade im Bereich der Schulen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen tun diese Träger sehr viel und sind von uns zu unterstützen.

Im Bereich der Behindertenpädagogik und -fürsorge war die DDR - außer in der Diasporakirche - Entwicklungsland. Das heißt nicht, dass heute in Brandenburg alles in Ordnung und so ist, wie wir es uns wünschen bzw. wie es sein sollte.

Die Beantwortung der Großen Anfrage zeigt dankenswerterweise auch Mängel schonungslos auf. Ich bin seit 1994 Mitglied des Landtages, habe viele Große Anfragen begleitet, habe die Antworten auf die Anfragen und Berichte gehört. Ich habe selten eine so ehrliche Diagnose und Einschätzung wie in diesem Bericht gehört, was ich als sehr wohltuend empfunden habe.

Ich sehe zwar wie Sie, Frau Große, dass es wünschenswert wäre, das psychologische Personal und die Schulsozialarbeit in Brandenburg auch - nicht nur - im Bereich der Schulen für Menschen mit Behinderungen auszuweiten und auszubauen, sehe hier auch Mängel, die wir in den nächsten Jahren werden beheben müssen, aber ein noch größeres Problem ist für mich der Ausbildungsstand der Lehrer an diesen Schulen. Wenn von 1 485 hauptberuflich tätigen Lehrkräften an Förderschulen nur die Hälfte, nämlich 794, einen sonderpädagogischen Abschluss hat, kann uns das nicht zufrieden stellen. Deshalb ist in diesem Bereich viel zu tun. Im Bereich der Schulen für geistig Behinderte sieht es noch problematischer aus; denn hier sind von 780 Pädagogen nur 290 fachspezifisch für diesen Bereich ausgebildet. Das heißt, Ausbildung, Weiterbildung und auch Fortbildung müssen im Fokus der Landesregierung stehen.

Brandenburg geht einen dualen Weg in der Bildung von behinderten Menschen. Wenn dieser Weg von Augenmaß begleitet ist, halte ich ihn für möglich und richtig. Wir haben Schulen für sonderpädagogische Förderbedarfe, Schulen für geistig und körperlich Behinderte und kooperative Einrichtungen. Darüber hinaus werden Schüler in Regelschulen integriert. Dies macht aber nur Sinn, wenn die Behinderten ohne Wenn und Aber davon profitieren.

Wenn das seelische und körperliche Wohlbefinden der Schüler beeinträchtigt ist, muss der Besuch von Regelschulen keine Alternative sein, unter Umständen, Frau Große, hat dann der Besuch von Förderschulen auch längere Fahrwege zur Folge.

Nicht hinnehmbar ist die Integration um jeden Preis, um Integrationsmodelle durchzusetzen, um Kosten zu sparen. Integration in Regelschulen ist nur dann sinnvoll, liebe Kollegen, wenn die Schule mit der Ausstattung und dem Personal auf die Behinderten eingestellt ist. Integration ist auch nur dann sinnvoll und nicht problembehaftet, wenn für alle Schüler ein Klima herrscht, das ihnen ein ordentliches Lernen ermöglicht. Deshalb müssen in Brandenburg bei sinkenden Schülerzahlen am Bedarf orientiert Förderschulen, also gesonderte Einrichtungen, und Plätze für Integration an Regelschulen gesichert werden. Für diese beiden Wege werden wir als CDU-Fraktion uns weiter einsetzen.

Die Erfahrungen der integrativ-kooperativen Modellschule Birkenwerder werden weiter Aufschluss darüber geben, welche Schritte im Bereich der Bildung behinderter Schülerinnen und Schüler nötig und gangbar sind. Wir wissen, dass diese Schritte, die wir in Zukunft gehen werden, mit erheblichem Mitteleinsatz verbunden sind. Wir wissen auch, dass manches Wünschenswerte nicht immer machbar sein wird.

Abschließend Folgendes: Es gibt ungenügend Erkenntnisse darüber, welchen Weg die Kinder mit Behinderungen nach Abschluss ihrer Schulzeit einschlagen. Es wäre gut, wenn man auch Erkenntnisse darüber hätte, ob sie danach in eine Behinderteneinrichtung, eine Behindertenwerkstatt gehen, auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Job finden oder auf dem zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt sind. Dies wäre ein wichtiger Schritt, den Evaluation von Bildung gehen müsste: nicht nur bis zum Schulabschluss zu vergleichen und zu prüfen, sondern auch nach Abschluss eines Ausbildungsweges nachzuforschen: Ist der Betreffende seinem Abschluss entsprechend weitergekommen und im Leben erfolgreich? Die Kenntnis darüber wäre wünschenswert, um im Endeffekt über die Qualität von Bildung eine Grundaussage treffen zu können. Dass das schwierig ist und unter Umständen der Datenschutz berührt wird, weiß ich, aber ich glaube, erst dann können wir sicher sagen, welche Bildungswege und Abschlüsse zu welchem Werdegang im Leben führen. Das ist nach meinem Verständnis gerade auch für die Bildung Behinderter wichtig. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke auch. - Das Wort geht an die Landesregierung. Minister Reiche, bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal von meiner Seite herzlichen Dank für den großen und guten Konsens, den wir in diesem Hause zu dieser Frage gefunden haben, und auch für das ungewohnte Lob vonseiten der Opposition.

(Unmut bei der DVU)

Das tut gut, weil damit auch die Bemühungen und Anstrengungen der Landesregierung in diesem Bereich gesehen und gewürdigt werden. Das ist, denke ich, auch eine gute Basis dafür, auf der gemeinsamen Ebene weiterzumachen. Für die Landesregierung ist es ein besonderes Anliegen, alle Chancen zu nutzen, um Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen eine optimale Förderung und schulische Bildung zu ermöglichen.

In der vorliegenden Antwort wird dazu ein umfassender Überblick über die Strukturen der allgemeinen Förderschulen und die innovativen Ansätze zur Realisierung des Vorrangs des integrativen Unterrichts von behinderten und nicht behinderten Schülerinnen und Schülern gegeben.

Im Jahr der Behinderten ist es, denke ich, unser aller Anliegen, hier Akzente zu setzen und auf diesem Weg noch einige Schritte weiterzugehen. Es gibt neue, innovative Ansätze. Einer der schönsten ist der Weg, den Herr Steininger in der Waldorfschule in Templin gehen will. Er ist nicht nur Mitglied des Bundeselternrates, sondern auch Leiter der dortigen Schule der Diakonie. Er möchte ein Modell verwirklichen, das heißt: Eine Schule für alle, in der geistig behinderte Kinder, körperlich behinderte Kinder und Kinder ohne jede Behinderung gemeinsam lernen. Dieser in Brandenburg ansonsten und auch in Deutschland noch nicht beschrittene Weg wird in Templin von so vielen gewünscht, dass sich diese Schule schon jetzt nicht vor Anmeldungen retten kann.

Zu den Schwerpunkten des für die Landesregierung wichtigen Bereiches weise ich stichpunktartig auf folgende mir besonders wichtigen Aspekte hin:

Im vergangenen Schuljahr gab es im Land Brandenburg 59 Allgemeine Förderschulen. Nach den vorliegenden Schulentwicklungsplänen der Kreise und kreisfreien Städte ist die Schaffung neuer Allgemeiner Förderschulen nicht vorgesehen. Der starke Rückgang der Schülerzahlen führt dazu, dass die Allgemeinen Förderschulen in der Regel kleiner werden. Wir können zurzeit aber noch nicht abschätzen, wie viele Allgemeine Förderschulen dadurch in ihrer Existenz bedroht sind. Auch wenn in einigen Fällen die Mindestbedingungen für die Fortführung Allgemeiner Förderschulen unterschritten werden und dann vielleicht auch eine Auflösung erfolgen muss, ist die flächendeckende Versorgung für Schülerinnen und Schüler mit Lernbehinderung nicht beeinträchtigt. Bitte halten Sie sich alle vor Augen: Was wir den besonders begabten Schülerinnen und Schülern mit einem weiten Schulweg zum Gymnasium bereits jetzt zumuten oder in Zukunft zumuten müssen, weil die Anzahl der Gymnasien im Land Brandenburg zurückgehen wird, das muten wir den behinderten Schülerinnen und Schülern schon längere Zeit zu. Für sie sind Schulwege von einer Stunde und länger keine Ausnahme.

An den öffentlichen Allgemeinen Förderschulen waren ins

gesamt 1 485 hauptberufliche Lehrkräfte beschäftigt, darunter 794 mit einem sonderpädagogischen Abschluss. Das entspricht einem Anteil von 53,5 %. Dieser wird sich in den nächsten Jahren verbessern, weil wir diejenigen, die einen sonderpädagogischen Abschluss haben, nicht nur entfristen, sondern ihnen auch ein 100%iges Beschäftigungsvolumen sichern wollen. Die Landesregierung wird mit gezielten Maßnahmen die Bemühungen zur Weiterqualifizierung geeigneter Lehrkräfte fortsetzen. Ab dem Wintersemester 2003/2004 stehen dem Land Brandenburg pro Kalenderjahr 30 Studienplätze für das Aufbaustudium im Bereich der Rehabilitationspädagogik an der HumboldtUniversität Berlin zur Verfügung.

Darüber hinaus bietet das WIB - Weiterqualifizierung im Bildungsbereich, ein Verein, den wir dafür an der Universität Potsdam gegründet haben - für interessierte Lehrkräfte entsprechende Studienangebote im Bereich der Sonderpädagogik an. Zur Sicherung eines fachgerechten Unterrichts an den Förderschulen und im gemeinsamen Unterricht hat das Ministerium dafür gesorgt, dass allen sonderpädagogisch Qualifizierten ab dem Schuljahr 2002/2003 der Beschäftigungsumfang von 100 % angeboten wird. Nehmen die Lehrkräfte dieses Angebot an, haben wir eine Entfristung, also eine 100%ige Beschäftigung auf Dauer.

Ich hoffe ferner, dass es mir gelingt, in den nächsten Jahren in den Jahrgangsstufen 9 und 10 der Allgemeinen Förderschulen eine Umstellung der Unterrichtsarbeit zu initiieren. Die traditionellen Unterrichtsfächer sollen durch Lernfelder ersetzt werden, die eine stärkere Zuwendung zu lebenspraktischen und berufsvorbereitenden Unterrichtskonzepten ermöglichen. Hierzu gehört die geplante Einrichtung von kooperativen Schülerfirmen und hierzu gehört auch das dankenswerterweise vom Kollegen Baaske mit Mitteln der Europäischen Union geförderte produktive Lernen.

Die Ausstattung von Allgemeinen Förderschulen mit Ganztagsangeboten ist mir besonders wichtig. Wir haben die Möglichkeit, die investiven Mittel des Bundes zu nutzen, um hier das Ganztagsangebot in seiner räumlichen Qualität erheblich zu verbessern. Zurzeit arbeiten 13 von 58 Allgemeinen Förderschulen in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 als Ganztagsschulen. Mein Ziel ist es, bis Mitte oder Ende der nächsten Legislaturperiode zu schaffen, dass die Hälfte aller Förderschulen - so sie es denn wollen und so sie ein entsprechendes Schulprogramm konzipieren - dann auch Ganztagsschule sein kann. Regional unterschiedlich werden die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 6 in den Horten, die der Schule angeschlossen sind, oder in den Horten der Heimatorte der Kinder betreut.

Zu den Förderschulen für geistig Behinderte möchte ich Folgendes sagen: Es gab im Land Brandenburg im vergangenen Schuljahr 42 solcher Förderschulen. Wir suchen zurzeit leider immer noch - bisher ohne Erfolg - nach einem anderen Namen, weil der Name „Förderschule für geistig Behinderte“ ein Etikett mit einem leicht pejorativen Klang ist. Ich hoffe, dass es uns bei der nächsten Novellierung des Schulgesetzes gelingt, einen Namen zu finden, der von einigen oder sogar allen akzeptiert wird und besser klingt.

Aufgrund der demographischen Entwicklung müssen auch Förderschulen für geistig Behinderte geschlossen werden. Es ist jedoch zu prüfen, ob einzelne Förderklassen für geistig Behin

derte an Regelschulen angegliedert werden können. Zurzeit sind weder die Errichtung noch die Auflösung von Förderschulen für geistig Behinderte geplant. An den Förderschulen für geistig Behinderte in öffentlicher Trägerschaft sind insgesamt 780 hauptberufliche Lehrkräfte, darunter 290 Lehrkräfte mit einer sonderpädagogischen Qualifizierung, tätig. Das entspricht in diesem Bereich leider nur einem Anteil von 37,2 % und damit nur einem reichlichen Drittel. Hier haben wir in besonderer Weise in der nächsten Zeit gemeinsam Akzente zu setzen. Darüber hinaus arbeiten 149 pädagogische Hilfskräfte an den öffentlichen Schulen für geistig Behinderte. Wie alle anderen Kinder bis zum Ende des 6. Schuljahres in der Förderschule für geistig Behinderte - in der Regel nach dem Besuch der Mittelstufe haben auch die geistig behinderten Kinder laut § 1 Abs. 2 des Kindertagesstättengesetzes einen Rechtsanspruch auf Tagesbetreuung. Das entsprechende Angebot muss nicht unbedingt Hortbetreuung sein, sondern kann auch in einer anderen geeigneten Form gestaltet werden. Manchmal ist das sogar die kostengünstigere Lösung und erspart den Kindern darüber hinaus einen Einrichtungswechsel.

Ich will abschließend etwas zur Integrationsarbeit sagen. Hier sind wir im bundesweiten Vergleich führend. Seit dem Schuljahr 1991/92 ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im gemeinsamen Unterricht kontinuierlich auf mittlerweile rund ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler angestiegen. Das Land nimmt damit einen vorderen Platz ein. Das ist eine Entwicklung, auf die wir zu Recht stolz sein können.

Lassen Sie mich an dieser Stelle danken für die Debatte und danken für das, was in den letzten Jahren gelungen ist. Danken möchte ich vor allem den Lehrkräften an den Schulen unseres Landes dafür, dass sie sich nicht nur im Jahr der Behinderten, sondern auch in den vielen Jahren zuvor um die Kinder, für die wir einen besonderen Verfassungsauftrag haben, nämlich Behinderte, Benachteiligte und Begabte in besonderer Weise zu fördern, in dieser Weise engagieren. Ich hoffe, dass es uns gelingt, mit ihnen gemeinsam auch in Zukunft die Menschen mit Behinderung in besonderer Weise zu integrieren und für das Leben in unserem Land vorzubereiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht noch einmal an die PDS-Fraktion. Für sie spricht nun die Abgeordnete Bednarsky.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, es tut mir aufrichtig Leid, aber ich kann in dieser Konsenssauce nicht mitrühren, weil ich noch einiges an Negativem aus der Praxis anführen möchte. Liebe Frau Förster, von parteipolitischer Instrumentalisierung kann bei weitem nicht die Rede sein.

(Zuruf der Abgeordneten Förster [SPD])

Wenn Sie aber meinen, dass sich die PDS-Fraktion den Problemen der behinderten Menschen annimmt und sie umsetzt, dann fühlen wir uns sehr geehrt. Wir werden das auch weiterhin tun.

Das werden wir Ihnen versprechen.

(Beifall bei der PDS - Frau Förster [SPD]: Das meine ich aber nicht!)

- Dann müssen Sie bitte sagen, was Sie meinen, wenn Sie von parteipolitischer Instrumentalisierung sprechen.

Ich möchte nunmehr zu meinem eigentlichen Text kommen. Für meine Fraktion möchte ich aus behindertenpolitischer Sicht grundsätzlich feststellen, dass die Landesregierung offensichtlich eine Gesamtverantwortung für diese jungen gehandicapten Menschen nicht sieht. Die Beantwortung unserer Fragen fällt immer dann aus, wenn die Antworten vom Bildungsministerium allein nicht mehr zu bewältigen sind.

Nun im Einzelnen: Es ist völlig unverständlich, dass die Landesregierung in der Beantwortung der Fragen 8, 9 und 17 behauptet, sie könne nach dem Schulabgang das weitere Ausbildungsschicksal der behinderten Jugendlichen nicht verfolgen. Frau Hartfelder ist bereits auf diesen Teil eingegangen.

In der Statistik, die Sie als Antwort auf die Frage 17 angeführt haben, fehlen pro Jahrgang einige Abgänger von Förderschulen für geistig Behinderte. Ich frage Sie: Wo sind diese jungen Menschen geblieben? Fühlt sich die Landesregierung für diese Menschen nicht verantwortlich? Sie haben laut Statistik weder einen Platz im Trainingsbereich einer WFB noch einen Platz im Förder- und Beschäftigungsbereich erhalten. Haben wir nun zu wenig Werkstattplätze und Plätze im Förder- und Beschäftigungsbereich, wie die Träger der Freien Wohlfahrtspflege immer wieder betonen?

Auf unsere Frage 18 zur Neufassung der Sonderpädagogikverordnung wurde das Verlassen der Werkstufe der Förderschule für geistig Behinderte nach dem zwölften Jahr des Schulbesuchs noch weiter unterhalb des 21. Lebensjahres befördert. Die Frage war aber, ob die Werkstätten auf die neue Situation vorbereitet sind. Ihre lapidare Antwort bezieht sich auf die Werkstättenverordnung und verweist auf das SGB IX.

Sie liegen mit Ihrem Investitionsprogramm zum Neubau von Werkstätten um Jahre zurück und kürzen dennoch den Förderzeitraum für Schulen geistig Behinderter. Sie sind also doch nicht bereit, für Ihr politisches Handeln die Verantwortung zu übernehmen.

Die Probleme, die die Eltern von behinderten Integrationsschülern bei Klassenfahrten und Projekttagen haben, werden von der Landesregierung dahin gehend beantwortet, dass sie davon ausgeht, dass alle Angebote von allen Schülerinnen und Schülern - mit oder ohne Behinderung - gleichermaßen in Anspruch genommen werden können. Ich frage mich nun schon: Weiß es die Landesregierung oder nimmt sie es nur an? Ich fordere, Herr Minister Reiche, dass Sie Ihrer Fürsorgepflicht nachkommen und Ihr Augenmerk auf die zukünftige Gestaltung dieses Problems legen, ganz abgesehen davon, dass die Schulämter dem Bildungsministerium unterstehen, also wohl auch für die personelle Ausstattung der Schulen und für die Schulzeiten verantwortlich sind.

Konzeptionslosigkeit zeigt sich bei der Beantwortung der Frage 30. Eine Schule für geistig Behinderte ist zwar offiziell eine

Ganztagsschule, aber die Praxis zeigt, dass die Kinder um 15 Uhr vom Fahrdienst nach Hause gebracht werden, wo oft noch keines der arbeitenden Elternteile anzutreffen ist.

Nun schlägt die Landesregierung in ihrer Antwort vor, familienentlastende Dienste einzuschalten. Jedoch müsste die Landesregierung, die ein Problem wieder einmal auf die Kreise und kreisfreien Städte abwälzt, wissen, wie wenige familienentlastende Dienste es in den Landkreisen gibt und in welchen Finanzierungsschwierigkeiten die dortigen Träger sind, vor allem was den § 16 a GFG betrifft, denn viele Träger werden darüber finanziert. In anderen Bundesländern tritt wenigstens der überörtliche Träger der Sozialhilfe für diese Eingliederungsmaßnahmen ein. In Brandenburg existieren die familienentlastenden Dienste oft genug allein aufgrund von AB-Maßnahmen und Finanzierung durch die Eltern. Es wäre schon ein Stück echter Gleichstellung, wenn sich das Land an der Finanzierung solcher Dienste beispielsweise in Form von Horten an Schulen für geistig Behinderte beteiligte.

Die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts - Antwort auf Frage 31 - ist für integrativ beschulte geistig behinderte Kinder und Jugendliche nicht gesichert, jedoch für die Bildungsfortschritte dieser Kinder wesentlich. Nach unserer Kenntnis sind verschiedene Verwaltungsgerichtsklagen anhängig, weil die Sozialämter die Meinung vertreten, es gehe nicht um Förderung, sondern allein um Betreuung dieser Kinder.

Hierbei sind auch andere Lösungen möglich und ich würde Ihnen ganz kurz ein Beispiel aus Cottbus nennen: Es wäre dort machbar, mit dem zuständigen Sozialhilfeträger eine Alternative mit einer Kostensatzvereinbarung über schulvorbereitende und -nachsorgende Maßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen. Leider ist dieser Vorschlag in Cottbus abgeschmettert worden. Es ist auch bisher so gewesen - ich habe es bereits erwähnt -, dass diese Betreuungsdienste über § 16 a GFG finanziert werden.

Es wäre auch möglich, ein Gruppenangebot für ca. acht Kinder mit mittlerem Hilfebedarf für durchschnittlich drei Stunden täglich einschließlich Ganztagsangeboten während der Ferien und der schulfreien Tage mit zwei Fachkräften und stundenweise arbeitenden Hilfskräften zu realisieren. Die Personalkosten für zwei Fachkräfte zu 75 % im Anstellungsverhältnis könnten sich auf ca. 40 000 Euro im Jahr belaufen. Die Honorarkosten der Hilfskräfte könnten von den Elternbeiträgen finanziert werden. Es wäre also, wenn man es wollte, auch machbar.

Gleichstellung für behinderte Kinder und Jugendliche müsste aber auch bedeuten, dass die Landesregierung mehr Augenmerk auf diesen Freizeitbereich und auf die Feriengestaltung richtet. Gerade in dieser Zeit sollten die sonst schon durch viele Hilfeleistungen sowie Förder- und Betreuungsaufgaben strapazierten Eltern dieser behinderten Kinder im Sinne einer wirklich ernst gemeinten Familienpolitik Entlastung finden. Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, behaupten doch in jedem Wahlkampf, die größten Förderer von Familien zu sein. Wenn es jedoch darauf ankommt, dieses in praktische Politik umzusetzen, zählt allein der schnöde Mammon.