Protocol of the Session on April 9, 2003

Die Auswirkungen der Haushaltslage des Landes auf den Arbeitsmarkt spricht die DVU-Fraktion ebenfalls an. Darauf kann knapp entgegnet werden, dass die Arbeitsmarktförderung in Brandenburg von den aktuellen Beratungen zum Nachtragshaushalt kaum betroffen ist. Die 500 000 Euro, die eingespart werden, hätten infolge fehlender Grundfinanzierung durch die Arbeitsämter wahrscheinlich sowieso nicht für die verstärkte Förderung von ABM zweckentsprechend verwendet werden können. Mittel aus dem Landeshaushalt für Maßnahmen zur Entlastung des Arbeitsmarktes stehen 2003 beinahe vollständig in der vorgesehenen Höhe zur Verfügung.

Grundsätzlich gilt, dass fast alle Förderungen überwiegend mit ESF-Mitteln realisiert werden, deren Höhe sich durch den Nachtragshaushalt sowieso nicht verändert. Landesarbeitsamt und Land streben gemeinsam an, dass 2003 in Brandenburg mindestens 15 000 ABM-, SAM- und BSI-Stellen gefördert werden.

Was will dagegen die DVU-Fraktion? Da hilft ein Blick in die Unterlagen der Haushaltsberatungen vergangener Jahre, als die finanzielle Lage des Landes Brandenburg im Vergleich zu heute noch nicht so dramatisch war. Sie wollten schon damals in Größenordnungen Mittel kürzen, die in irgendeiner Form für Minderheiten und Randgruppen oder gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit eingesetzt werden.

(Frau Hesselbarth [DVU]: Sie haben den falschen Rede- beitrag!)

Es ist momentan leider so, dass die wirtschaftliche Situation und die öffentliche Stimmung die Bürger beim Geldausgeben

(Frau Hesselbarth [DVU]: Kommen Sie zum Thema!)

und die Unternehmer beim Investieren besonders stark bremsen. In Richtung der DVU-Fraktion gesagt fällt mir hierzu aber lediglich ein, dass Ihre Partei und die dahinter stehenden Auffassungen in meinen Augen per se eine Investitionsbremse darstellen. Jeder ausländische Investor wird Ihre Präsenz in diesem Hause entweder, wenn er freundlich ist, ignorieren oder sogar als Makel einstufen, wenn es zu entscheiden gilt, ob er in Brandenburg investiert oder nicht. Was Brandenburg neben anderen Punkten auch braucht, um wirtschaftlich voranzukommen, ist mehr Weltoffenheit und interkulturelle Kompetenz.

(Zuruf des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Das klingt sehr theoretisch, aber wenn man den Handel mit anderen Ländern und Völkern ausweiten will, muss man sich mit ihnen nicht nur auf der sprachlichen Ebene verständigen können.

Niemand kann bestreiten, dass Brandenburg beim Export noch zulegen könnte und sollte. Aktuelle Daten, die am Wochenende der Presse zu entnehmen waren, unterstreichen dies. Die Höhe der Exporte hat sich im letzten Jahr schlechter entwickelt als die Wirtschaft insgesamt. Konkret ist ein Rückgang von 3,1 % zu beklagen.

Die Signale, die uns von der Bundesebene aus Berlin erreichen, sind insgesamt als positiv zu bewerten. Reformen sind unausweichlich. Die Gesamtausrichtung der Agenda 2010 stimmt. Für Ostdeutschland muss und wird die besondere wirtschaftliche Situation angemessen berücksichtigt werden. Bundeskanzler Schröder hat sich in der Regierungserklärung vom 14. März zum zweiten Arbeitsmarkt in Ostdeutschland bekannt. Das war kein Zufall, und die Menschen hier haben dies auch registriert.

Ich versichere den Mitgliedern der DVU-Fraktion: Ergänzende Hinweise Ihrerseits benötigen wir in diesen Fragen nicht.

(Schuldt [DVU]: Doch!)

Nicht viel sagen möchte ich zu den weltpolitischen Bezügen und Auswirkungen, die seitens der DVU-Fraktion auch noch angesprochen werden. Es ist für mich schwer zu ertragen, wie Sie sich ein friedensbewegtes Mäntelchen umhängen, um in der gegenwärtigen Situation Sympathien in der Bevölkerung abzustauben. Wir nehmen Ihnen Ihre pazifistische Grundhaltung nicht ab!

Ich kann nur zu dem Schluss kommen, dass sich die Anmerkungen und Vorschläge der DVU-Fraktion zum Thema Arbeitsmarkt von vornherein von selbst disqualifizieren. - Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Klein. - Nun erhält die Fraktion der PDS das Wort. Herr Abgeordneter Thiel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde bezieht sich auf Brandenburger Arbeitsmarktpolitik, auf die Haushaltspolitik des Landes sowie auf die Weltpolitik, womit ganz offensichtlich der Irak-Krieg gemeint ist. Ich stelle nicht in Abrede, dass dies alles sehr ernste Themen und Probleme sind, und stelle auch nicht in Abrede, dass es da Zusammenhänge gibt. Was mich allerdings an den derzeitigen Diskussionen und auch an der Begründung des Antrags ernsthaft stört, ist die Vermittlung des Eindrucks, die Frage nach der Führung von Kriegen könne man davon abhängig machen, ob sie Arbeitsplätze bringen oder nicht.

(Beifall bei der PDS)

Von einer solchen Betrachtungsweise grenzt sich meine Partei ausdrücklich ab. Kriege als Mittel der Politik sind abzulehnen ohne Wenn und Aber.

(Beifall bei der PDS sowie des Abgeordneten Dr. Wiebke [SPD])

Die Abschreckung von Investoren - da gebe ich dem Kollegen Klein Recht - durch das Wirken von rechtsextremen Kräften gegenüber ausländischen Investoren besonders im Osten ist erwiesen. Diesbezüglich braucht man nicht erst nach Begründungen zu suchen.

Ich will mich deshalb in der mir zur Verfügung stehenden Zeit vordergründig einigen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Problemen widmen.

(Zuruf des Abgeordneten Schuldt [DVU])

Die aktuellen Zahlen zur Arbeitslosigkeit muss ich nicht umfassend wiederholen; sie sind bekannt und ernüchternd genug. Zwei möchte ich jedoch noch einmal in Erinnerung rufen, weil sie besonders folgenschwer sind.

Die Langzeitarbeitslosigkeit liegt mit 38,5 % in Brandenburg im März noch gut 1 % höher als im Durchschnitt der Ostländer. Die Lehrstellensituation stellt sich derzeit noch dramatischer dar als in den Jahren zuvor. Ich weiß, dass Minister Baaske mit dieser Situation nicht glücklich ist. Die Möglichkeiten der Arbeitsmarktpolitik in den Ländern sind zudem in besonderem Maße von der Bundespolitik abhängig.

Meine Damen und Herren, die Antwort auf die Frage, wie eine konjunkturelle Belebung in Deutschland zur Entspannung des Arbeitsmarktes erreicht werden soll, ist Bundeskanzler Gerhard Schröder während seiner Regierungserklärung am 14. März dieses Jahres im Bundestag leider schuldig geblieben. Allerdings meint er, mittels einer höheren Eigenbeteiligung an den sozialen Leistungen sowie drastischen Verkürzungen von Bezugszeiten für Leistungen, auf die Beitragszahler bekanntlich einen Anspruch erworben haben, jene Lohnnebenkosten senken zu können, welche von den neuen Wirtschaftsliberalen bekanntlich als das Übel aller Übel bezeichnet wurden. - Eine Tatsache übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, die der arbeitsmarktpolitische Sprecher Ihrer Bundestagsfraktion, Ottmar Schreiner, erst kürzlich wieder als die politische Lebenslüge bezeichnete, mit der er sich in seiner langen Politikerlaufbahn konfrontiert sieht.

Wir haben im Osten nicht nur zu wenig Unternehmen, sondern den vorhandenen fehlen zugleich Aufträge. An Aufträgen mangelt es nicht nur, weil es an privaten und öffentlichen Investitionen fehlt, sondern auch deshalb, weil die Menschen auf den laufenden und den angekündigten Sozialabbau rational reagieren. Sie schränken sich ein, woraus für die Binnenwirtschaft eine weiter abnehmende Nachfrage folgt.

Minister Baaske hat kürzlich öffentlich auf die mit den Sozialabbauprojekten des Bundeskanzlers verbundenen Konsequenzen für die Kaufkraft sowie die wirtschaftliche und demographische Entwicklung im Lande hingewiesen. Unsere Kritik, Herr Minister, richtet sich auf die weiter vorangetriebene Demontage des Sozialstaates und nicht nur auf das Kaufkraftargument.

(Beifall bei der PDS)

Dies schließt selbstverständlich ein, dass zum Beispiel die vorgesehene Kürzung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau eine massive soziale Ungerechtigkeit darstellt und deshalb unseren Widerstand geradezu herausfordert.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, die Regierungserklärung des Kanzlers am 14. März hat zugleich mehr als deutlich gemacht: Der Bund beabsichtigt, mit seinen arbeitsmarktpolitischen Maßnah

men einen Weg zu gehen, auf dem die Probleme im Osten nicht gelöst, sondern massiv verschärft werden. Der Osten ist in der Bundespolitik offenbar - dieser Eindruck drängt sich letztlich regelrecht auf - nach der mehr als nur missglückten Chefsache der vergangenen Jahre gewissermaßen in der Versenkung verschwunden. Der Osten war dem Kanzler in seiner Regierungserklärung gerade mal einen Nebensatz wert.

Um im Bild von Ottmar Schreiner zu bleiben: Es gibt in dieser Bundesrepublik eine zweite große politische Lebenslüge, den angeblich permanenten Mangel an verfügbarem Geld auf allen Ebenen. Kanzler Schröder hätte am 14. März im Bundestag seinen Mut, der im Nein zum Irak-Krieg zum Ausdruck kam, ein weiteres Mal beweisen können, nämlich mit der Auflage einer befristeten Abgabe auf größere Vermögen, mit der Erhebung der ausgesetzten Vermögensteuer, mit der Besteuerung von Erlösen aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen, mit einer Neuregelung der Erbschaftsteuer oder der Einführung einer Wertschöpfungsabgabe für Arbeitgeber, um nur das Wichtigste zu nennen.

(Beifall bei der PDS und des Abgeordneten Kuhnert [SPD])

Nichts dergleichen ist jedoch geschehen oder wenigstens in Sicht.

Während die wirtschaftliche Erholung weiterhin auf sich warten lässt, verzeichnen wir einen geradezu dramatischen Einbruch auf dem so genannten zweiten Arbeitsmarkt. Auf Weisung der Zentrale der Bundesanstalt für Arbeit werden die Arbeitslosen zudem nun in gute und schlechte - im Klartext: in teure und billige - unterschieden. Die teuren sollen zuerst vermittelt werden. Doch selbst diese angestrebte schnellere Vermittlung erweist sich hier im Osten als frommer Wunsch. Wohin soll denn auch vermittelt werden, wenn die entsprechenden Arbeitsplätze fehlen? Bundesweit einheitliche Konzepte, wie das Mittelstandsprogramm „Kapital für Arbeit“ aus dem Hartz-Konzept, floppen vor allem auch deshalb in den neuen Ländern. Von den wenigen bisher auf diese Art geförderten Arbeitsplätzen entfallen ganze 12 % auf den Osten.

Auch die Veränderungen in der beruflichen Weiterbildung im Zuge des Paradigmenwechsels in der Politik der Bundesanstalt - Stichwort: 70 % Vermittlungseffekt pro Maßnahme - wirken sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt verheerend aus. Im März ist die Zahl der Arbeitslosen im Osten, die im gleichen Monat eine vom Arbeitsamt finanzierte Weiterbildungsmaßnahme begonnen haben, um 63 % im Vergleich zum Vorjahresmonat zurückgegangen. Gleichzeitig rechnet man mit dem Wegfall von über 20 000 Arbeitsplätzen in diesem Sektor. Kurzum: Hier werden den Betroffenen ein weiteres Mal Perspektiven und Chancen genommen bzw. vorenthalten.

Meine Damen und Herren, man kann es drehen und wenden, wie man will: Es gehört offenbar zur erklärten Absicht der jetzigen „Arbeitsmarkt-Reformer“, die gesamte Arbeitsförderung auf das ihrer Auffassung nach „notwendigste“ Maß herunterzufahren. Ziel ist dabei auch die Sanierung öffentlicher Haushalte, aber fast ausnahmslos zulasten der sozial Schwachen. Die Vermögenden in diesem Lande bleiben wieder einmal außen vor.

Was eigentlich, meine Damen und Herren, ist an der Zusam

menlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf niedrigstem Niveau sozial? Was ist an der Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien demokratisch? Was eigentlich ist an dem verschärften Druck gegenüber Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern sozialdemokratisch?

(Beifall bei der PDS)

Hartz wollte mit seinen Vorschlägen die Zahl der Arbeitslosen innerhalb von drei Jahren um zwei Millionen senken. Das ist löblich. Wenn aber in Berlin und Nürnberg weiterhin nur der Rotstift regiert, haben wir bald Hunderttausende Arbeitslose mehr.

Die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt ist politisch dutzendfach versprochen worden, verbunden mit massiven Steuerentlastungen für große Unternehmen, mit moderaten Tarifabschlüssen, mit dem Bündnis für Arbeit, mit der Verstärkung des Drucks auf Arbeitslose, mit Niedriglohnmodellen, mit dem Umbau der Bundesanstalt für Arbeit, zuletzt mit den Hartz-Gesetzen und nun mit den in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers am 14. März angekündigten weiteren ruckartigen Schritten. Aber, meine Damen und Herren, spektakuläre Ankündigungen interessieren die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr. Statt immer Großartigeres anzukündigen, sollte die Politik endlich etwas Richtiges und Überzeugendes tun, auch wenn sich daran das Eingeständnis knüpft, dass niemand die Massenarbeitslosigkeit im Lande derzeit beseitigen oder auch nur halbieren kann. Dieses Eingeständnis schließt allerdings ein, offensichtlich falsche Wege endlich zu verlassen und offensichtlich falsche Entscheidungen schnellstens zu korrigieren.

Entgegen anders lautender Gerüchte gibt es Alternativen.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS hat in der Vergangenheit eben nicht nur kritisiert, sondern auch immer wieder machbare und finanzierbare Vorschläge auf den Tisch gebracht und konstruktive Diskussionen angeboten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hackel [CDU])

- Stichpunkte dazu, Herr Hackel, lauteten: Arbeitszeitverkürzung, kommunales Infrastrukturprogramm, Weiterentwicklung des Landesprogramms für Qualifizierung und Arbeit, umlagefinanzierte Erstausbildung und anderes mehr.

(Beifall bei der PDS)