Protocol of the Session on March 5, 2003

Zu den Bedenken des Landkreises Potsdam-Mittelmark: Ja, der Landkreis verliert ungefähr 13 000 Einwohner. Auf der anderen Seite ist der Landkreis Potsdam-Mittelmark einer der stärksten Landkreise in Brandenburg, der in den letzten Jahren einen Aufwuchs von mehreren Zehntausend Einwohnern hatte. Das Klagen kann ich natürlich verstehen, es relativiert sich aber, wenn man sich die Entwicklung vor Ort anschaut.

Ein Wort an den Kollegen Sarrach, was den Umgang miteinander im Ausschuss betrifft. Der Ausschuss hat sich über mehrere Stunden hinweg ein Bild von den Gegebenheiten vor Ort gemacht, hat diskutiert und abgewogen, nicht immer einhellig, sondern auch strittig. Es ist - unter Kollegen gesagt - schon sehr enttäuschend, Herr Kollege Sarrach, wenn Sie hier ein Bild von unserer Ausschussarbeit zeichnen, als ob die Hunderte Stunden, die wir zusammengesessen haben, umsonst gewesen wären, als ob wir dort sozusagen in der undemokratischen Art und Weise früherer Regimes vorgegangen wären. Dem war nicht so. Ich sage ausdrücklich: Wir haben uns mit jedem der vorgebrachten Fälle auseinander gesetzt. Wir haben alles abgewogen und diskutiert. Wir haben insbesondere die Frage sehr sensibel diskutiert, wie nicht nur mit den Argumenten, sondern auch mit den Anzuhörenden umzugehen ist, und haben dort, wie ich glaube, ein Beispiel fairen Umgangs zwischen der Landesebene, dem Landtag, und der kommunalen Ebene gesetzt.

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrags.

Abschließend bitte ich um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind bei der Landesregierung. Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Dritten Gesetz geht es abermals um eine kreisfreie Stadt,

um unsere Landeshauptstadt Potsdam. Auch hier gab es widersprüchliche Bestrebungen.

Während Neu Fahrland und Groß Glienicke die Eingliederung ihrer Gemeinden in die Stadt vertraglich vereinbart hatten - das Wirksamwerden dieser Vereinbarung scheiterte am Widerstand des Landkreises Potsdam-Mittelmark -, waren die Gemeinden Golm, Fahrland, Marquardt, Satzkorn und Uetz-Paaren nicht zu Verhandlungen bereit. Insbesondere die Gemeindevertretung und die Bürger von Golm favorisieren die Eingliederung in die Stadt Werder/Havel. Ich habe an verschiedenen Diskussionen dazu teilgenommen. Ich kann mich erinnern, wie hoch die Emotionen gingen, und wiederhole es an dieser Stelle: Es gab zum Teil eine parteiübergreifende Front gegen die Eingliederung.

Bei den Anhörungen hat sich gleichwohl gezeigt, dass die Bindungen an Potsdam eng sind. Diese resultieren neben der baulichen Verflechtung insbesondere aus der Universität und den übrigen Forschungseinrichtungen. Aber auch für nahezu alle anderen Lebensbereiche gilt: Es geht kaum etwas ohne Potsdam. Das hat wohl auch die Gemeinde selbst so gesehen; denn sie hat überraschenderweise auf eine inhaltliche Stellungnahme verzichtet.

Dass auch die Gemeinden des Amtes Fahrland - mit Ausnahme von Seeburg - in die Landeshauptstadt eingegliedert werden sollen, resultiert aus einer Vielzahl von Gründen: Die Gemeinden haben einen engen Bezug zu Potsdam. Die Landeshauptstadt wiederum entwickelt sich gerade im Nordraum weiter, das heißt auf die betreffenden Gemeinden zu. Dies ist zugleich die einzig mögliche Entwicklungsrichtung der Stadt. Potsdam hat von allen kreisfreien Städten des Landes die kleinste Fläche und ist durch die Havelseen und die Bestimmungen zum Schutz des Weltkulturerbes in ihrer baulichen Ausdehnung erheblich eingeschränkt.

(Abgeordneter Dr. Hackel [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, Herr Präsident. - Es kommt hinzu, dass die Gemeinden des Amtes Fahrland keine von allen Gemeinden und ihren Einwohnern akzeptierte Neugliederungslösung finden konnten. Mit dieser Entwicklung wird die Verbindung zum Amt Fahrland noch gestärkt. Die Gemeinden Neu Fahrland und Groß Glienicke entschieden sich deshalb mit ihren Bürgern aus guten Gründen für die Eingliederung in die Landeshauptstadt. Die Verbindung der einzugliedernden Gemeinden zu Potsdam ist so eng, dass auch dort, wo gegenwärtig eher eine ablehnende Haltung vorherrscht, die gemeinsame Arbeit an der künftigen Entwicklung der Stadt identitätsbildend wirken kann und, wie ich hoffe, wirken wird. Wie bei den anderen kreisfreien Städten geht es auch hier darum, Wirkungs- und Entscheidungsstrukturen in Übereinstimmung zu bringen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein Wort zur Kreisgrenze sagen. Der Landkreis Potsdam-Mittelmark lehnt die Ausgliederung aus seinem Gebiet natürlich ab. Er verliert mit dem Ersten und dem Dritten Gesetz immerhin rund 13 000 Einwohner und damit

Steuer- und Landeszuweisungen. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass Potsdam-Mittelmark der Landkreis mit dem größten Einwohnerzuwachs - dieser beträgt 40 000 Einwohner und insgesamt betrachtet einer der leistungsstärksten Landkreise unseres Landes ist. Der Eingriff in die Grenzen des Landkreises ist also durchaus verhältnismäßig, zumal zahlreiche leistungsstarke Gemeinden und Städte mit erheblichem Entwicklungspotenzial im Landkreis verbleiben. Ich nenne beispielhaft die Stadt Werder/Havel sowie die Gemeinden Stahnsdorf, Schwielowsee, Kleinmachnow und Teltow.

Ich bitte Sie, dem Gesetz zuzustimmen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der DVU-Fraktion in der Drucksache 3/5586 abstimmen. Da form- und fristgemäß namentliche Abstimmung beantragt wurde, bitte ich die Schriftführer um die Vorbereitung der Namenslisten und Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, um ein unmissverständliches Votum.

(Namentliche Abstimmung)

Hatte jemand der Anwesenden keine Gelegenheit zu votieren?

(Die Abgeordnete Müller [SPD] gibt ihr Votum ab.)

Ich schließe die Abstimmung und bitte um einen Moment Geduld für die Auszählung.

Ich gebe Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der DVU-Fraktion bekannt: Für den Antrag stimmten vier Abgeordnete, gegen den Antrag stimmten 55 Abgeordnete. Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt.

(Abstimmungslisten siehe Anlage S. 4845)

Wir kommen zur Abstimmung über das Dritte Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform, Drucksache 3/5550 einschließlich zweier Korrekturblätter. Wer dem Gesetz zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist dem Gesetz mehrheitlich zugestimmt. Es ist in 2. Lesung angenommen worden.

Wir kommen zur Aussprache zum Vierten Gesetz zur landesweiten Gemeindegebietsreform, Drucksache 3/5550 einschließlich zweier Korrekturblätter.

Das Wort geht an die PDS-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Sarrach.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass die „Berliner Morgenpost“ vom 3. März der Öffentlichkeit mitteilte, dass die jüngste Koalitionskrise zwischen SPD und CDU nur deshalb noch nicht zum Bruch der Regierung führe, weil erst noch die unpopuläre Kommunalreform mit den Stimmen beider Parteien verabschiedet werden müsse. Mit der PDS,

so heißt es in dieser Zeitung weiter, müsste die Gesetzesänderung neu verhandelt werden - sehr richtig!

Wer wissen will, welche Landtagsparteien - ausgenommen einige Abweichler - heute vermutlich zu den Totengräbern der kommunalen Selbstverwaltung und der Eigenständigkeit von mehr als 300 Gemeinden im Land Brandenburg mutieren,

(Widerspruch bei SPD und CDU)

muss nicht viel Fantasie aufwenden und kann das auch im Fernsehen betrachten. Ich frage mich nur, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, wie Sie Ihr Abstimmungsverhalten heute - wir reden bald über den Fünften Gesetzentwurf - beispielsweise Ihren Parteifreunden in der Gemeindevertretung Hönow, Amt Hoppegarten, Landkreis Märkisch-Oderland, erklären wollen. Diese sind, wie wir alle wissen, in einen kommunalen Warnstreik eingetreten. Was sagen Sie ihnen? Weshalb folgen Sie so gefügig einem General a. D., der lange Diskussionen in einer Konsensdemokratie schnell satt hat und dann kurzerhand zu Gesetzesbefehlen greift?

Genug der Vorrede. Zu kritisieren hat die PDS-Fraktion nicht mehr und nicht weniger, als dass die Gesetzentwürfe materiellrechtlich mit der Verfassung nicht vereinbar sind und deshalb von uns abgelehnt werden.

Die konkreten Zielvorstellungen, die Sachabwägungen, die Wertungen und die Einschätzungen der vorgeschlagenen Neugliederungen sind offensichtlich überwiegend fehlerhaft, widerlegbar bzw. widersprechen der verfassungsmäßigen Werteordnung. Regelmäßig wird der relative Vorrang des Amtsmodells vor der Bildung amtsfreier Gemeinden verkannt. Der Lühsdorf-, Kreutzbruch- und Quappendorf-Entscheidung des Landesverfassungsgerichts zum Gemeindereformgesetz ist doch aber etwas anderes zu entnehmen.

Im Rahmen der gesetzgeberischen Abwägung ist im Interesse einer aufzulösenden Gemeinde der Bewahrung ihrer Selbstständigkeit in einem Amt ein relativer Vorrang zu gewähren, wenn bei landesweiten kommunalen Neugliederungen Gliederungsalternativen bereitgehalten werden, die unterschiedlich stark in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden eingreifen. Dies ist mit dem Amt und der amtsfreien Gemeinde der Fall. Der Amtserhalt wurde häufig jedoch gar nicht erst in Erwägung gezogen. Stattdessen wurde ein viel zu starres Leitbild wie eine Schablone über das Land gelegt.

Der in eindeutigen Ergebnissen von Bürgerentscheiden ausgedrückte Wille der Bürgerinnen und Bürger ist im Gesetzgebungsverfahren ebenfalls missachtet worden. Die Einordnung der Wirkung von Bürgerentscheiden im Abwägungsprozess ist erst sehr spät im Laufe des Verfahrens vorgenommen worden. Damit ist die vom damaligen Gesetzgeber als Sicherung für die kleinen Gemeinden gedachte Regelung in § 9 der Gemeindeordnung ausgehebelt worden.

Zudem hat die Kommunalaufsicht in zahlreichen Fällen die Durchführung von Bürgerentscheiden verhindert. Schließlich wäre bei mehreren leitbildgerechten Neugliederungsalternativen stets derjenigen Neugliederung der Vorzug zu geben, die durch Bürgerentscheid bestätigt wurde.

Mit Blick auf die Gemeinde Golm im Amt Werder können wir Ihnen das nicht durchgehen lassen. Außerdem werden wir bis

zum heutigen Tag mit neuen Stellungnahmen der Gemeinden zu einer veränderten Sach- oder Rechtslage konfrontiert. Bis zum Beschluss über die Gesetzentwürfe können die Gemeinden verfassungsrechtlich abgesichert - solche Stellungnahmen noch einreichen. Diese beachtlichen Stellungnahmen sind dann auch vom Innenausschuss vor dem Gesetzesbeschluss erneut zu bewerten. Darauf will ich hingewiesen haben. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Dr. Kallenbach.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Vierte Gesetz befasst sich mit Neugliederungen in westlichen Regionen des Landes Brandenburg. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Ämtern des Havellandes, Potsdam-Mittelmarks und Teltow-Flämings.

Hierzu wurden im Innenausschuss von den Koalitionsfraktionen mehrere Änderungsvorschläge vorgelegt und mehrheitlich beschlossen. Gestützt durch die Ausführungen von Rechtsexperten kam die Mehrheit des Ausschusses zu der Auffassung, dass es sich bei dem Leitbild nicht um ein starres, in sich geschlossenes System handelt. Der so vorgegebene Orientierungsmaßstab lässt im Einzelfall durchaus Abweichungen zu, solange der verfassungsrechtliche Aspekt der Gleichbehandlung beachtet wird.

Unter diesem Paradigma hat der Innenausschuss mehrheitlich in vier Fällen vom Gesetzentwurf abweichende Beschlussempfehlungen gegeben. So wurde für das Amt Nennhausen lediglich die Eingliederung der Gemeinden Gräningen, Mützlitz und Bamme in die Gemeinde Nennhausen empfohlen. Die Gemeinden Kotzen, Kriele und Landin sollten nach diesem Votum eine eigenständige amtsangehörige Gemeinde bilden, was neben der Erfüllung anderer Kriterien der Leitlinien - zum Beispiel mehr als 500 Einwohner - auch der Mehrheit des Bürgerwillens entsprach.

Der Bürgerwille war ebenfalls ausschlaggebendes Kriterium bei der abweichenden Beschlussempfehlung des Innenausschusses zur Neugliederung des Amtes Ziesar, nachdem die Gemeinde Rottstock in die Gemeinde Gräben anstatt in die Gemeinde Görzke eingegliedert werden soll.

Der Innenausschuss hat in den letzten Wochen permanent getagt, um durch die Anhörung eine wesentliche Entscheidungshilfe zu erhalten. Trotz des dafür aufgewendeten enormen Zeitvolumens - davon war heute schon mehrfach die Rede - haben reformunwillige Kritiker dieses Gremium gelegentlich als Alibiveranstaltung abqualifiziert. Lassen Sie mich an Beispielen nachweisen, wie unberechtigt dieser Vorwurf ist.

Da ist zum einen der § 20. In seiner Bewertung der Sach- und Rechtslage kam der Ausschuss zu der Auffassung, dass die vorgetragenen Sachverhalte der Gemeinde Niederer Fläming, insbesondere die freiwilligen Bemühungen zur Bildung einer amtsfreien Gemeinde gemeinsam mit der Gemeinde Herbersdorf durch den Gesetzentwurf der Landesregierung nicht ausreichend gewürdigt worden waren. Der Innenausschuss schloss

sich daraufhin mehrheitlich der Auffassung der betroffenen Gemeinden an und fasste eine Beschlussempfehlung, die dem Willen der Gemeinden entsprach und gleichzeitig sachgerecht ist.

Auch zu § 13 hat die Ausschussmehrheit nach Bewertung der vorgetragenen Argumente empfohlen, dem Bürgerwillen zu folgen und die freiwillige Eingliederung von Derwitz nach Werder zu genehmigen.

In jedem einzelnen Fall der Reform ging es dem Ausschuss um die Priorität der vorgetragenen Sachargumente unter Berücksichtigung zahlreicher Abwägungsfaktoren. Der Bürgerwille ist einer davon. Wir haben uns gerade bei dem Vierten Gesetz bemüht, diesem so weit wie möglich zu entsprechen. Deshalb darf ich namens meiner Fraktion um Ihre Zustimmung zu diesem Vierten Gesetz bitten.