Protocol of the Session on March 5, 2003

Meine Damen und Herren, die Lage im Lande ist wirklich hoch dramatisch, und dies nicht nur wegen der Schulden, sondern auch wegen der Absicht dieser Landesregierung, kurzfristige Lösungen eines gesamtgesellschaftlichen Problems, nämlich Entleerung staatlicher Kassen, rasant zunehmende Umverteilung des Reichtums dieser Bundesrepublik von unten nach oben, auf Kosten der Kinder, der Jugend, sozial Schwacher und Behinderter zu finden.

Ja, es ist Fakt, dass wir uns nicht mehr alles leisten können, zum Beispiel neue Verwaltungsgebäude für Polizeipräsidien oder Gerichte, überdimensionierte Prestigeobjekte, elf Ministerien und x Landesämter, zu hohe Besoldungen, riesige Versorgungsleistungen, vielleicht auch Spaßbäder und Straßen, die oft überaus schön gestaltet werden, auch Geschenke an die private Wirtschaft - damit meine ich nicht die Liquiditätshilfen -, Fehlinvestitionen, Fehlspekulationen, den lockeren Umgang mit Millionen, Fehleinschätzungen von Haushaltslöchern und auch einen zu großen Flughafen. Damit sollte Schluss sein.

Deshalb ist die Behauptung des Ministerpräsidenten, Brandenburgerinnen und Brandenburger hätten über ihre Verhältnisse gelebt, einfach falsch. Es ist eindeutig: Die Brandenburger SPD

hat 13 Jahre in Regierungsverantwortung über ihre Verhältnisse gelebt,

(Schippel [SPD]: Ihr wolltet doch immer noch mehr! Hö- ren Sie doch auf! Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, dann wäre es noch schlimmer! Sie waren doch maßlos!)

hat das Geld mit vollen Händen ausgegeben, ohne wirklich Vorsorge für eine nachhaltige Entwicklung zu treffen, und die CDU, die seit 1999 in Regierungsverantwortung ist, hat Gleiches getan, wobei Sie, meine Damen und Herren von der CDU, nicht einmal Ihre eigenen Wahlversprechen eingehalten haben. Damit meine ich zum Beispiel das Versprechen der Beibehaltung der Gebietsstruktur und die finanzielle Besserstellung der Kommunen, die Sie immer eingeklagt haben.

Herr Schönbohm, Sie gehören damit zu denjenigen mit den so genannten Wahllügen in Brandenburg, allerdings ohne Untersuchungsausschuss, und seit 1999 auch zu den Schuldenmachern; denn der Aufwuchs der Schulden verlief in den letzten Jahren rasant.

Seit Januar dieses Jahres ist nun zumindest im Finanzministerium hektische Betriebsamkeit ausgebrochen - wobei der vom Haushaltsausschuss verlangte Jahresabschluss für 2002, der ja auch eine Grundlage für neue Überlegungen für 2003 bildet, noch nicht vorliegt -; denn es werden Streichlisten zusammengeflickt, ohne Haushaltslöcher wirklich zu schließen, und eine Kabinettssitzung dauerte mehr als eine halbe Nacht, um den Handel abzuschließen, wobei dies weniger ein Streit um Politikschwerpunkte, sondern mehr ein Kräftemessen zwischen CDUund SPD-Ministern darstellt.

Das alles spricht nicht für eine solide Vorbereitung eines Nachtragshaushalts, der globale Minderausgaben, das heißt Haushaltslöcher, von mehr als 100 Millionen Euro enthält und mit dem die Schulden weiter erhöht werden.

Damit wird deutlich, dass hier die heiße Nadel der Koalition am Werk war, und die Brandenburgerinnen und Brandenburger sollen das nun schlucken. Erst Verunsicherungen mit Geheimlisten - nach Herrn Fritsch heißt es sogar: je länger, je besser -, jetzt Präsentation sozialer Grausamkeiten in Verbindung mit einem Kahlschlag durch verschiedene Gesetze, die im Landtag einstmals lange diskutiert und, wie man so schön sagt, hart erkämpft wurden, und zwar zu Zeiten der SPD-Alleinregierung. Ich nenne hier als Beispiel das Musikschulgesetz.

Es bleibt die Feststellung: Der Nachtragshaushalt trägt eindeutig CDU-Handschrift. Einschnitte in soziale Standards zulasten der Schwächeren, Zurückdrängen sozialdemokratischer Errungenschaften beim Bildungs- und Betreuungssystem für Kinder und Jugendliche sind unübersehbar. In dem so genannten Haushaltsstrukturgesetz geht es nicht um neue Strukturveränderungen oder um Lastenverschiebungen, sondern nur um Leistungsstreichungen bei Betreuung, Bildung und Fürsorge für Behinderte.

Der vorliegende Nachtragshaushalt ist in unseren Augen eine eindeutige SPD-Niederlage. Ich kann einfach nicht verstehen, dass zum Beispiel allein im Jahre 2003 die Ausgaben zur Versorgung von Beamten und Ministern auf 170 718 200 Euro wachsen, indes gleichzeitig kraft der Mehrheit von SPD und CDU Folgendes durchgesetzt werden soll:

Streichung beim Landesjugendplan um rund 2,5 Millionen Euro, wovon die Bereiche außerschulische Jugendbildung, internationale Jugendbegegnung, Projekt für konkrete Betreuung und Projekte der Jugendhilfe betroffen sind, sowie Kappung der präventiven Maßnahmen gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit, durch die bekanntlich Einsparungen in anderen Bereichen erzielt werden könnten.

(Beifall bei der PDS)

Für die Kita-Betreuung sollen rund 8,8 Millionen Euro weniger an Gemeinden gezahlt werden, und zwar mit der profanen Ausrede, dass es weniger Kinder gebe, wobei wir alle wohl wissen, dass sich fixe Kosten nicht nur an der Kinderzahl festmachen. Der eigentliche Plan der Schlechterstellung sozial bedürftiger Kinder bleibt dabei im Übrigen noch Koalitionsgeheimnis. Ich lese davon nur in der Zeitung. Dokumente sind mir nicht bekannt.

(Beifall bei der PDS)

Des Weiteren soll nach dem Vorschlag der Landesregierung bei der Bildung in den Schulen, in den Volkshochschulen, in den Weiterbildungseinrichtungen, in den Musikschulen und selbst bei der Verkehrserziehung - die Ministerin hat das alles schon erwähnt - einfach einmal so reduziert werden. Wir müssen uns dann schon fragen: Soll es noch eine Vorschulerziehung geben? Soll es Chancengleichheit für die Schwächsten der Gesellschaft geben? Soll es noch um Wohnortnähe gehen oder soll es den Eltern bzw. deren Kasse obliegen, ob ihre Kinder ihre Bildungschancen wahrnehmen können? Ist Ihnen die musische Erziehung noch wichtig? Sollen Volkshochschulen vielleicht abgeschafft werden? Ist Bildung aber nicht auch ein Standortfaktor?

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass wir seit 1990 sozialdemokratische Bildungsminister hier haben und trotzdem eine CDU-dominierte Bildungspolitik. Darüber sollten wir nachdenken.

(Beifall bei der PDS)

Soll durch SPD und CDU wirklich im Lande durchgesetzt werden, dass gesundheitliche Prävention, Suchtkrankenhilfe, Krankenhausförderung und Projekte im sozialen Bereich reduziert werden? Sollen die Blinden im Lande wirklich 38 Euro im Monat von ihrem schon jetzt nicht bezahlten Chancenausgleich verlieren, wobei es hier ja um Arbeitsmittel und nicht etwa um einen entbehrlichen Luxus geht?

(Beifall bei der PDS)

Wollen Sie Frauenhäuser und Frauennotwohnungen, das heißt Gewalt- und Opferschutz für bedrohte Familien, infrage stellen? Wollen Sie dieses soziale Gefüge wirklich zerstören und dann auch auf Grundlagen eines breiten ehrenamtlichen Engagements im Lande verzichten? Kita-Betreuung, Musikschulen und Bildungsangebote sind harte Standortfaktoren, die Sie auch nicht wegreden können, wenn Sie sie als konsumtive Ausgaben bezeichnen und damit der Beton über die Bildung siegen soll. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren von der Koalition.

(Beifall bei der PDS)

Der Nachtragshaushalt in dieser Form und zu diesem Zeitpunkt hat bewirkt, dass bei sozialen Projekten landesweit Kündigungen ausgesprochen wurden, Mietverhältnisse zum Beispiel für Notunterkünfte misshandelter Frauen beendet werden mussten und Sachmittel von ehrenamtlich Tätigen privat bezahlt wurden, und zwar in der Hoffnung auf staatliche Unterstützung. Das ist Chaos pur und kann in einem Land, in dem die Sozialdemokratie wohl immer noch was zu sagen hat, eigentlich nicht sein.

Für sehr bemerkenswert halte ich übrigens die Vorgehensweise im Innenministerium. Ganz nach militärischer Art, ohne langes demokratisches Hin und Her werden von dort schon mal Änderungsbescheide an die Kommunen versandt, in denen der Kabinettsbeschluss zum Nachtragshaushalt umgesetzt wird. Wenn das so läuft, dann können wir die Zahl der Abgeordneten im Landtag reduzieren oder den Landtag ganz abschaffen, brauchen wir keine Aktionen mehr vor Ort. Dann sollte das Wort Demokratie aber aus unserem Sprachschatz gestrichen werden.

(Schippel [SPD]: Sie wissen das besser!)

- Kennen Sie diese Dinge, die da an die Kommunen geschickt werden?

(Schippel [SPD]: Die Kommunen müssen doch informiert werden! Das wird, wie Sie wissen, in jedem Jahr gemacht! Was soll das denn?)

- Was hier gemacht wird, hat nichts mit Information zu tun. Herr Schippel, Sie stellen sich hier doch selbst infrage, falls Sie es noch merken sollten.

(Beifall bei der PDS - Schippel [SPD]: Ja, ja!)

Die PDS-Fraktion lehnt eine solche Vorgehensweise entschieden ab. Für uns sind die Beratungen vor Ort und dann die Beratungen in den Fachausschüssen des Landtages wichtige Grundlagen für ein Gesetzgebungsverfahren. Nach meiner Überzeugung werden wir dem Vorschlag des Kabinetts für einen Nachtragshaushalt in der vorgesehenen Form nicht folgen.

Die PDS-Fraktion fordert zumindest in drei Bereichen sofortige Veränderungen und wird dazu auch Änderungsvorschläge in die Fachausschüsse einbringen: Wir wollen den Landesjugendplan, die Kita-Betreuung und die Bildung sichern, um dem Land Zukunftspotenzial zu erhalten. Soziale Sicherungs- und Betreuungssysteme sowie Prävention, womit wir auch zum Beispiel das Blindengeld meinen, sind zu erhalten. Schließlich ist die Notfinanzierung der kommunalen Selbstverwaltung zu sichern, und zwar über die Erhöhung von Schlüsselzuweisungen, den Erhalt des § 16 a - Soziale Dienste - sowie über die Vorbereitung eines kommunalen Infrastrukturprogramms Ost, an dem Herr Stolpe wohl schon fleißig arbeitet.

Mit dem vorliegenden Nachtragshaushalt sollen den Kommunen mehr als 200 Millionen Euro entzogen werden - und das bei weiter sinkenden eigenen Steuereinnahmen und erhöhten Ausgaben. Das kann ja wohl auch nicht in Ihrem Sinne sein. Die Lösung heißt hier deswegen nicht, Aufgaben wegzunehmen, Demokratie infrage zu stellen, sondern heißt, regionale Entscheidungen zu favorisieren und finanziell möglich zu machen.

Wir stellen infrage: den Umfang und Effekt der Wirtschaftsförderung - damit meinen wir nicht die Liquiditätshilfe -, den Um

fang von Straßenbau, die Notwendigkeit eines Personalverstärkungsfonds, und zwar auch in Anbetracht globaler Minderausgaben bei Personal in fast jedem Einzelplan.

Frau Ministerin, Sie sprachen vorhin vom Auffangen tariflicher Lohnerhöhungen durch Absenkung der Zahl der Arbeitsplätze. Warum brauchen Sie dann einen Personalverstärkungsfonds von 290 Millionen Euro allein für dieses Jahr? Diese Frage ist noch zu beantworten. Vieles von dem, was jetzt in Bezug auf den Einsatz dieser Mittel diskutiert wird, könnten wir uns ersparen.

Wir fordern weniger teure Geschäftsbesorgungen, eine andere Verteilung von Lottomitteln und die Aussetzung bzw. zeitliche Streckung von Baumaßnahmen. Wir fordern Brandenburger Initiativen zur Veränderung bundespolitischer Rahmenbedingungen. Wir sind zu Gesprächen darüber bereit. Auch die PDS hat keine Wunderrezepte, aber Veränderungsvorschläge und soziales Gewissen. Es geht in dieser Diskussion nicht um kleingeistigen Koalitionsstreit, sondern um die Lebenssituation der Brandenburgerinnen und Brandenburger. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS - Schippel [SPD]: Das war doch die Rede von morgen!)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Osten. - Das Wort geht an die Fraktion der SPD, an Herrn Abgeordneten Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur kurz und auch sehr ruhig und gelassen zu einer der vielen Revolversalven, die in den letzten Minuten von hier abgeschossen worden sind: Sie haben gesagt, die Koalition vertage alles und entscheide nicht. Ich habe die Debatte von heute Morgen ganz anders wahrgenommen. Die Koalition hat die Gemeindegebietsreform, eine der größten Reformen in der Geschichte des neuen Landtages, beschlossen; Sie haben versucht, die Reform zu verzögern.

(Beifall bei SPD und CDU)

Sie haben auch Gesetz für Gesetz abgelehnt.

Wir befinden uns jetzt in der 1. Lesung des Nachtragshaushaltsgesetzes 2003, des Haushaltsstrukturgesetzes 2003 und des Haushaltssicherungsgesetzes 2003. Dem Landtag liegt ein sehr sorgfältig geschnürtes Haushaltspaket

(Die Beleuchtung im Plenarsaal wird schwächer.)

- schon sparen wir am Licht -

(Heiterkeit)

mit weiteren, keinesfalls letzten kurz- und mittelfristig wirksamen Konsolidierungsmaßnahmen vor. Es umfasst erstens Sparmaßnahmen innerhalb der eigenen Landesverwaltung und zweitens allgemeine, auch Leistungen gegenüber den Bürgern betreffende ganz konkrete Sparmaßnahmen im laufenden Landeshaushalt sowie für künftige Jahre.

Nicht nur bei Günter Baaske, mit Unterschriftensammlungen, auf Aktionen und Kundgebungen wie heute und morgen vor

dem Landtag melden sich derzeit Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Interessengruppen und Verbände zu Wort. Ich meine, wir haben Verständnis für die Sorgen. Ich nehme an, im Landtag stapeln sich die Protestbriefe. Wir werden die Protestbriefe von Vertretern aus Kitas, freien Schulen, Frauenhäusern, Musikschulen, von Gehörlosen und Blinden sehr ernst nehmen und deren angespannte Situation beachten.

In meiner Bürgersprechstunde in der vergangenen Woche war der Andrang übrigens ziemlich groß. Da wurden Informationen ausgetauscht, Zahlen und Daten vorgelegt, Szenarien diskutiert. Interessanterweise spielte allerdings eine Grundsatzfrage überhaupt keine Rolle: Ist der Sparkurs richtig? Auch wir selbst hatten uns diese Frage sehr oft gestellt; ich halte sie auch für berechtigt. Also habe ich gefragt: Ist der Sparkurs richtig? Immer habe ich darauf ein lautes Ja gehört.

Veränderungen, seien sie auch noch so klein, schmerzen die SPD-Fraktion vor allem, wenn sie den sozialen Bereich, aber auch vielerlei andere Felder betreffen. Wir wollen und werden denjenigen, die Hilfe nötig haben, Hilfe geben. Dazu gehört, dass wir an dem Rechtsanspruch der in Arbeit, Ausbildung bzw. Qualifizierung stehenden Väter und Mütter auf eine ganztägige Betreuung für Kinder von null bis zwölf Jahren nicht rütteln. Die Landeszuschüsse für die Kita-Finanzierung bleiben im Haushaltspaket bis auf den Cent genau gesichert. Wir müssen und werden aber in allen Bereichen jene stärker fordern, die aus eigener Kraft für oben genannte Dinge aufkommen können.