Protocol of the Session on January 17, 2003

(Beifall bei der PDS - Zurufe von der CDU)

Ich müsste jetzt noch auf die ZukunftsAgentur Brandenburg eingehen, auf brain-shell, auf die zusammengestrichene Verbundforschung, auf die fehlenden Mittel für Ausgründungen aus Institutionen und Hochschulen. Dazu fehlt mir leider die Zeit. Aber, Herr Niekisch, da Sie im Antrag zu dieser Aktuellen Stunde durchaus auch einen kritischen Blick hatten und womöglich in den Fokus nehmen, was von diesem Bereich überhaupt politisch zu steuern ist, dann wären das die Instrumente, um die es ginge. Nur, müssten Sie nicht, wenn Sie dies schon tun, zuerst Ihrer eigenen Ministerin, Ihrem eigenen Minister und der eigenen Landesregierung an die Nase fassen?

(Bartsch [CDU]: Wir fassen uns doch nicht an die Nase!)

- Na, wem denn sonst?

Herr Niekisch, Sie haben Prof. Rahmstorf vom Institut für Klimafolgenforschung erwähnt. Ich möchte Folgendes ergänzen: Bei seiner Eintragung in das Goldene Buch der Stadt Potsdam hat er angeführt, dass der Name Potsdam für einen international renommierten Forschungsstandort stehe, dies jedoch in der näheren Umgebung leider nicht so ganz bekannt sei. Ich füge hinzu: Das gilt sicherlich nicht nur für Potsdam, sondern für das gesamte Land Brandenburg.

Wir haben hier gute Forschung und täten gut daran, das weiter bekannt zu machen. Vor allen Dingen aber sind wir gehalten, die Punkte zu finden, wo wir politisch etwas bewegen können.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Hinzugefügt sei außerdem: Zu der näheren Umgebung, die das leider noch nicht richtig wahrhaben will, gehören trotz Regierungserklärung und trotz Ihrer Prioritätensetzung, Herr Ministerpräsident, auch Teile der Landesregierung. Wenn diese Aktuelle Stunde etwas leisten kann, dann sicherlich doch das, dass sich das ändert. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Trunschke. - Das Wort geht an die Fraktion der SPD. Herr Abgeordneter Dr. Sternagel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der wissenschaftliche Erfolg unseres Landes hängt in zunehmendem Maße davon ab, ob und wie schnell es uns gelingt, Ergebnisse aus Wissenschaft und Forschung in neue Produkte umzuwandeln. Dabei ist für eine erfolgreiche Innovation das effektive Zusammenspiel aller Partner in Wissenschaft und Wirtschaft oder - konkreter - zwischen Forschung, Entwicklung und Produktion unbedingt notwendig. Diese Kette gehört einfach zusammen und ich möchte sie in meinen Ausführungen daher auch im Komplex betrachten. Für meine Analyse und Bewertung unserer Forschungslandschaft möchte ich diese gliedern in - erstens - die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, zweitens in die Forschung an unseren Hochschulen und drittens in die F-und-E-Tätigkeit unserer Wirtschaft.

Die jährlichen Ausgaben an öffentlichen Mitteln für unsere Forschungslandschaften betragen nach meinen Schätzungen weit über eine halbe Milliarde Euro. Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass wir der Forschung bei der Haushaltsdebatte eine hohe Priorität eingeräumt haben und an dieser Stelle nicht streichen wollen und werden. Es muss heute aber auch die Frage erlaubt sein: Wie nachhaltig wirkt die Brandenburger Forschungslandschaft auf unsere Wirtschaft?

Unter diesem Gesichtspunkt beginne ich mit unseren außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Mit Befriedigung können wir feststellen, dass Brandenburg mit 28 außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine sehr dichte Forschungslandschaft aufzuweisen hat. Die Einrichtungen verfügen über ein jährliches Budget von ca. 350 Millionen Euro. Betrachten wir die Ausgaben für unsere Forschungseinrichtungen im Ländervergleich auf der Basis der Zahlen von 1999, so liegen wir an der vierten Stelle. Vor uns liegen lediglich Berlin mit Ausgaben von 225 Euro/Einwohner, Bremen mit 182 Euro/Einwohner, Hamburg mit 136 Euro/Einwohner. Dann folgt das Land Brandenburg mit 124 Euro/Einwohner. Das sind doch beträchtliche Summen, meine Damen und Herren.

Unsere Forschungseinrichtungen sind zum Teil auf sehr speziellen Gebieten der Grundlagenforschung angesiedelt. Es gibt natürlich Ausnahmen; ich denke hier an die Fraunhofer-Institute, die überwiegend auf dem Gebiet der anwendungsorientierten Forschung tätig sind.

Die Ergebnisse unserer Forschungsinstitute finden in den meisten Fällen - was hier auch mehrfach hervorgehoben wurde international höchste Anerkennung, was für unser Land durchaus von Nutzen ist. Ihre Vernetzung mit der Brandenburger Wirtschaft ist bei den meisten Einrichtungen aber leider sehr gering ausgeprägt. Auch sind die bisher erzielten Einnahmen aus Patenten vernachlässigbar gering. Es gibt auch Ausnahmen, wenn ich an das IHP oder an das Großforschungszentrum Geesthacht, Außenstelle Teltow, denke, die im Zeitraum von 1997 bis 2001 4,1 Millionen DM einspielen konnten.

Hier liegen für unser Land erhebliche Reserven. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir diese Reserven in Zukunft in stärkerem Maße für unsere Wirtschaft nutzen können. In diesem Sinne sollten wir die Möglichkeiten der Mitsprache in den wissenschaftlichen Gremien intensiver wahrnehmen, um die Forschungsschwerpunkte mehr den Bedürfnissen unserer einheimischen Wirtschaft anzupassen, und somit die Forschungseinrichtungen enger an unsere Wirtschaft heranführen. Auch stär

kere Anreize für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnten bei erfolgreichem Wissenschaftstransfer durchaus zur Erhöhung der Praxiswirksamkeit beitragen.

Damit komme ich zur Hochschulforschung. Für die F-und-EAusgaben unserer Hochschulen werden im „Faktenbericht Forschung 2000“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in einem Ländervergleich für das Jahr 1999 114 Millionen Euro angegeben. Das sind 44 Euro pro Einwohner. Damit haben wir im Ländervergleich das Schlusslicht. Der Durchschnitt aller Bundesländer liegt bei 97 Euro pro Einwohner.

Erfreulich ist, dass unsere neun Hochschulen beim Einwerben von Drittmitteln auch im Ländervergleich sehr erfolgreich sind. Im Jahre 2001 haben sie 46,5 Millionen Euro Drittmittel einwerben können, von denen immerhin 20 % aus der Wirtschaft stammen, was einen sehr guten Wert darstellt. Bedauerlicherweise kommen aus der Brandenburger Wirtschaft aber nur 7,5 % aller Drittmittel. Betrachtet man diesen Wert als einen Gradmesser für die Vernetzung unserer Hochschulen mit der Brandenburger Wirtschaft, so erkennt man auch hier wieder beträchtliche Reserven. Meine Damen und Herren, ich fordere nicht mehr Geld,

(Dr. Trunschke [PDS]: Warum denn nicht?)

sondern wir müssen hier an den Nahtstellen mehr tun.

(Beifall bei der SPD)

Die Ursachen liegen einerseits in der Kapitalschwäche der einheimischen Wirtschaft und andererseits in dem zu geringen Anteil an Großbetrieben. Aber auch die materiellen und ideellen Anreize funktionieren nicht in genügendem Maße. Ich verspreche mir von der Einführung der leistungsabhängigen Mittelvergabe an unsere Hochschulen in Zukunft hier einige Verbesserungen.

Natürlich gibt es viele positive Beispiele für erfolgreiche Forschungscluster und entstandene Netzwerke etwa auf dem Gebiet der Biotechnologie. Auch die Ausgründungen aus der Technischen Universität Cottbus, die in der Region Cottbus zu zahlreichen zusätzlichen Firmenneugründungen führten, sollen an dieser Stelle hervorgehoben werden. Hier wurden bereits viele positive Beispiele genannt. Deshalb kann ich darauf verzichten, die Aufzählung fortzuführen.

Ich komme zur F-und-E-Tätigkeit unserer Wirtschaft. Im Rahmen des erwähnten Ländervergleichs werden als F-und-E-Ausgaben der Brandenburger Wirtschaft 235 Millionen Euro jährlich genannt. Hier liegen wir mit nur 90 Euro pro Einwohner unter dem Durchschnitt der neuen Bundesländer. Die neuen Bundesländer liegen bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Industrie bei 118 Euro pro Einwohner, die alten Bundesländer sogar bei 475 Euro pro Einwohner. Das ist fünfmal so viel, wie in Brandenburg ausgegeben wird.

Der Bundestagspräsident stellte hierzu bereits im Jahre 2001 Folgendes fest: Nach Abwicklung der ostdeutschen Industrieforschung - personell ist sie seit 1990 auf 20 % geschrumpft - besteht keine Hoffnung, dass sich im Umfeld von vorwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen in Ostdeutschland F-und-E-Kapazitäten von selbst etablieren. Hier kann nur, so Herr Thierse weiter, mithilfe des Bundes und durch verschiedene Maßnahmen der neuen Länder das vorhandene Strukturdefizit beseitigt werden.

Deshalb sollten wir in Brandenburg unsere Förderpolitik noch mehr auf den innovativen Mittelstand konzentrieren, um ihn zu stärken und ihn als Kooperationspartner für unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu befähigen.

(Beifall bei der SPD)

Dabei sollte die Landesregierung die Förderprogramme des Bundes, mit denen ebenfalls dieses Ziel verfolgt wird, noch stärker als bisher unterstützen und durch eigene Aktivitäten fördern. Auch hier gilt es, mehr Netzwerke zwischen den staatlich geförderten Forschungseinrichtungen und Hochschulen auf der einen Seite und den innovativen Betrieben auf der anderen Seite aufzubauen sowie Kompetenzzentren und virtuelle Fabriken zu schaffen und diese maximal zu fördern. In diesem Zusammenhang ist auch eine engere Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ministerien insbesondere bei der Evaluierungskonzipierung und Finanzierung unserer Förderprogramme unbedingt notwendig.

Wir müssen versuchen, den Prozess der Forschung, Entwicklung und Produktion durch Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen ständig zu optimieren und den sich verändernden Bedingungen anzupassen. Auch hier gilt der Grundsatz: Wer aufhört, besser werden zu wollen, hört auf, gut zu sein.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Sternagel, und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Firneburg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wird eine Aktuelle Stunde anberaumt, so fragt man zunächst einmal nach der Aktualität. Wenn man „aktuell“ im Sinne von „zeitnah“ versteht, dann ist zu sagen, dass das Thema natürlich zeitnah und somit aktuell ist. Versteht man „aktuell“ aber im Sinne von „neu“ oder „Neuigkeit“, so haben Sie das falsche Thema gewählt; denn neu ist das Thema ja nun wirklich nicht. Es ist typisch für die Koalitions-CDU in diesem Lande, dass sie sich immer eine irgendwie positive Meldung herausgreift, um von der bestehenden Misere abzulenken.

Vor der außeruniversitären Forschung wird die verfehlte Finanzpolitik nicht Halt machen. Tatsache im Lande Brandenburg ist: Es gibt Umsatzrückgänge in der Ernährungsindustrie. Die Wertschöpfung in der Landwirtschaft wird weiter auf niedrigem Niveau fahren. Das Gastgewerbe hat einen erheblichen Rückgang durch Tourismusprobleme zu verzeichnen. Die Investitionsfreude der Unternehmen, ob groß oder klein, ist fast bei null angelangt. Die Gründe dafür sind uns allen bekannt.

Das ist die wirkliche Lage in Brandenburg. Was der kleine Mann in der Tasche hat, das wird ihm durch Ökosteuer und andere hausgemachte Belastungen wieder herausgeholt.

Natürlich ist die außeruniversitäre Forschung wichtig für unser Land Brandenburg. Das hat unsere DVU-Fraktion in den vergangenen Jahren immer wieder betont. Neue Technologien verändern bisherige Strukturen. Gerade den für Brandenburg wichtigen kleinen und mittleren Unternehmen bieten sich durch

neue Kommunikationstechnologien Chancen, auf internationalen Märkten neue Zielgruppen zu erschließen.

Ziel der Forschungs- und Technologiepolitik des Landes muss es also sein, die Innovationskraft der brandenburgischen Unternehmen zu stärken und sie für den internationalen Markt fit zu machen. Das muss Ziel, Aufgabe und Pflicht der Landesregierung sein. Dafür sollten wir in Brandenburg ein System von Förderinstrumenten zur Verfügung haben. Das sind nicht nur Förderprogramme, die den Unternehmen direkt zur Verfügung stehen, sondern ist auch eine Reihe von flankierenden Maßnahmen, das heißt: Unterstützung bei der Bildung von Netzwerken im Bereich der Forschung, in der Ausbildung und beim Wissenschaftstransfer. Die brandenburgische Forschungs- und Technologiepolitik muss auf die Schaffung regionaler Cluster von Hochtechnologieschwerpunkten setzen. Der Erfolg wird dann nicht ausbleiben.

Für unsere DVU-Fraktion ist es nahe liegend, an dieser Stelle auf die geplante Chipfabrik in Frankfurt (Oder) hinzuweisen, die sich zu einem solchen anerkannten Mikrotechnologiestandort entwickeln soll. Entwicklung und Stand des geplanten Vorhabens sind uns allen hinreichend bekannt.

Unsere DVU-Fraktion wäre froh, wenn wir diese Aktuelle Stunde mit einem gemeinsamen Aufruf beenden könnten, nämlich dem Aufruf, dass wir gemeinsam für den Forschungs- und Wissenschaftsstandort Brandenburg eintreten wollen; denn angesichts des Damoklesschwerts der jetzigen Finanzmisere des Landes, das über uns hängt, wird Brandenburg bald kein Land mehr sein, das Zukunft atmet. Als Forschungs- und Wissenschaftsstandort gerät unser Land zunehmend ins Abseits. Daran kann auch die Auszeichnung von zwei brandenburgischen Forschern mit dem Leibniz-Preis nichts ändern. Gleichwohl auch von dieser Stelle aus nochmals herzliche Glückwünsche an die beiden Forscher und ihre Teams. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Firneburg. - Das Wort geht an die Landesregierung, Frau Ministerin Prof. Wanka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Trunschke, ich würde gern zu dem, was Sie gesagt haben, detailliert antworten. Aber das geht nicht, denn dann würde ich in dasselbe Fahrwasser wie Sie kommen und nicht über das reden, worüber wir heute sprechen wollen, nämlich über die außeruniversitären Einrichtungen. Zwei Ihrer Bemerkungen kann ich aber nicht im Raum stehen lassen, sondern muss dazu etwas richtig stellen bzw. ausführen.

Zum Ersten: Sie müssen im Ausschuss zuhören. Ich habe nicht gesagt - das würde ich nie tun -, dass die Mittel für die Hochschulen gekürzt werden müssen bzw. dass die Hochschulen von Kürzungen nicht ausgenommen werden können. Ich habe über etwas ganz anderes gesprochen. Wir haben über Rahmenbedingungen dafür geredet, wie die Hochschulen ihr Geld bekommen. Sie brauchen lange Zeiträume und sie brauchen Verlässlichkeit. Ich bin strikt gegen die Modelle, die zum Teil in ande

ren Ländern gefahren werden, indem man die Hochschulen für einige Jahre völlig aus dem Landeshaushalt nimmt und dann der Crash - wie 2006 in Berlin - kommt.

Ich habe gesagt: Es ist notwendig, gerade weil man es schlecht prognostizieren kann, dass Hochschulhaushalte an Landeshaushalte gekoppelt sind. Man kann vorher abklären, was maximal im Hochschulhaushalt möglich bzw. minimal erforderlich ist. Man kann Sicherheiten geben. Das ist etwas ganz anderes, als das, was Sie eben behaupteten.

Zum Zweiten: Wir reden jetzt zwar immer über den Haushalt, es gibt aber noch keine abgesegneten Listen. Ihre Behauptung, wir würden bei den außeruniversitären Einrichtungen streichen, ist falsch. Die Finanzministerin hat das gemacht, was alle Finanzminister der Bundesrepublik tun: In dem Moment, in dem der Bund seine Mittel an einer Stelle kürzt - das tut er gerade -, muss das Land mitziehen. Nur um diese Summen geht es an dieser Stelle. Es ist also etwas anderes.

(Frau Osten [PDS]: Wissen Sie das genau?)

- Ja, aber ich spreche jetzt über außeruniversitäre Einrichtungen. - Ansonsten liegen Sie völlig falsch, was die These anbetrifft, dass die Landespolitik bei außeruniversitären Einrichtungen kein Einfluss habe.

(Vietze [PDS]: Das hat er nicht gesagt!)

- Er sagte: weniger Einfluss. - Das ist der Mangel, den ich insgesamt sehe. Ich habe von der Opposition keinen qualifizierten Vorschlag dazu gehört, wie unsere außeruniversitäre Landschaft weiterzuentwickeln sei. Wir sind auf gute Ratschläge ja immer gespannt. Vielmehr ging es ihr um einen anderen Schauplatz bei den Hochschulen, weil sie sich mit den außeruniversitären Einrichtungen wahrscheinlich zu wenig beschäftigt hat.