Protocol of the Session on January 29, 2003

Zu den laufenden Twinning-Projekten möchte ich mich nach ausführlicher Befassung im Landtag und im Ausschuss nicht mehr äußern. Trotz begrenzter Kapazitäten sollte das Land Brandenburg um weitere Twinning-Projekte bemüht sein. Neben der erwünschten Hilfe für das Beitrittsland bleibt stets ein nicht zu unterschätzender Nutzen für das Entsenderland.

Den Zwillingsstädten Frankfurt und Guben obliegt eine besondere Aufgabe. Trotz der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Staaten und separater Gemeindevertretungen sollen diese Städte gemeinsam wachsen. Hierzu ist eine enge Zusammenarbeit der Stadtplaner zwingend notwendig. Projekte wie der Europagarten 2003 in Frankfurt (Oder) und Subice, von der EU gefördert, tragen verstärkt zu einem Zusammenwachsen bei.

Das vom Bund geplante und vom Land Brandenburg unterstützte Abkommen über die grenzüberschreitende kommunale Zusammenarbeit zwischen Polen und Deutschland wird ausdrücklich begrüßt. Wir können nur hoffen, dass Polen den Vertragsentwurf akzeptiert und es hier bald zu Lösungen kommt.

Meine Damen und Herren, im Ergebnis einer Standortkonferenz in der uckermärkischen Stadt Schwedt wurde ein Ländergrenzen übergreifender Arbeitskreis gebildet. Abgeordnete der Landtage Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben sich in den Jahren 2001 und 2002 in vier Sitzungen in Neustrelitz mit dem Stand der Vorbereitung der beiden Länder auf die EU-Osterweiterung befasst. Mitarbeiter aller Ministerien, der DeutschPolnischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft und der Euroregion standen den Abgeordneten Rede und Antwort. Die Sitzungsprotokolle liegen mit weiteren Materialien als Broschüre vor. Auch hier können sich die Abgeordneten neben der vorliegenden, heute diskutierten Antwort der Landesregierung über Probleme und deren Lösung bzw. Lösungsansätze im Zusammenhang mit der Erweiterung informieren. Ich habe ein Exemplar davon mitgebracht.

Nun noch ein Wort zur PDS-Fraktion: Wie ich eingangs bereits sagte, hatte die Landesregierung in den Jahren 2001 und 2002 jeweils einen Bericht zur Vorbereitung des Landes Brandenburg auf die EU-Osterweiterung vorgelegt. Der Landtag hat darüber, wie es üblich ist, debattiert. Auch für 2003 wird ein solcher Bericht folgen. Dazu kommt heute die Antwort der Landesregierung auf Ihre Große Anfrage. Eines ist bei all diesen Diskussionen deutlich erkennbar: Jede Chance birgt ein Risiko. Lassen Sie uns dieses minimieren und helfen Sie dabei aktiv mit! - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD, CDU und PDS)

Für die DVU-Fraktion spricht der Abgeordnete Firneburg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während die Altparteien die EU-Osterweiterung in rasender Geschwindigkeit vollziehen wollen und sogar schon die Türkei ins Visier genommen haben, einen Staat, der eigentlich gar nicht zu Europa passt,

(Lachen und Zurufe von SPD, CDU und PDS)

mehren sich in Deutschland auch die kritischen Stimmen.

Die DVU-Fraktion begrüßt die Zusammenarbeit mit anderen Völkern im Sinne des Artikels 2 Abs. 1 der Landesverfassung. Zusammenarbeit heißt aber nicht Aufgabe von Souveränität. Jeder Staat in Europa muss sich eigenständig entwickeln können. Auf diesem Kontinent leben historisch gewachsene Völker, deren Einmaligkeit gewahrt werden muss. Das gilt besonders dann, wenn sich die EU unaufhaltsam nach Osten und Südosten erweitert.

Der bisher erfolgreichste Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard - würde er heute noch leben, hätte er seine politische Heimat sicherlich in der DVU

(Beifall bei der DVU - Lachen bei SPD und CDU)

schrieb einmal folgende Worte:

„Europa ist uns lieb, warum muss es auch so teuer sein? Der Wasserkopf von Brüssel - überflüssig. Die obskure Agrarpolitik - überflüssig. Die Subventionswirtschaft und der ganze Umverteilungsapparat - auch überflüssig.“

Erhard warnte frühzeitig vor einem bürokratisch manipulierten Europa, das mehr gegenseitiges Misstrauen als Gemeinsamkeit atmet. Erhard war entsetzt über die Vorstellung, in Europa müsse alles harmonisiert, das heißt gleichgeschaltet werden. Er sah klarsichtig voraus, dass die Gleichmacherei, die Harmonisierungstheorie zu einer gigantischen Subventionswirtschaft führen müsse. Erhard erklärte in seinem Buch „Wohlstand für alle“:

„Wer der Harmonisierungstheorie folgt, darf nicht der Frage ausweichen, wer die Opfer bringt und womit die Zeche bezahlt werden soll.“

Genau zu dieser Frage unterbreitet die Landesregierung in ihrem Bericht meistens keine konkreten Angaben. Bei rund 200 verschiedenen EU-Förderprogrammen und Tausenden von Projekten kann kein Rechnungsprüfer mehr feststellen, wie viel Geld insgesamt zu Unrecht kassiert oder verschwendet wird, wie viel in dunkle Kanäle fließt und sogar in den Taschen der Mafia landet.

Die Landesregierung erwähnt in ihrer Antwort eine Vielzahl von Projekten. Doch warum schreibt sie nicht gleich hinzu, was der Spaß kostet? Kommen die EU-Mittel überhaupt dort an, wo sie vorgesehen sind, und welche Wirkung entfalten sie? Es gibt noch nicht einmal eine EU-einheitliche Definition für Subventionsbetrug. In gewissen Teilen der europäischen Gesellschaft

sind die Grenzen zwischen privater, organisierter und staatlicher Kriminalität, besonders im Subventionsbereich, fließend.

Je mehr Fördertöpfe jetzt für Osteuropa eingerichtet werden, umso umfangreicher wird die EU-Bürokratie, und vor allem wächst das Paragraphendickicht. Der Europäische Rechnungshof steht heute schon vor fast unlösbaren Aufgaben.

Im Rahmen der Osterweiterung kommt schrittweise auch die Freizügigkeitsregelung für Arbeitnehmer. Offenbar hat die Landesregierung noch gar nicht mitbekommen, dass schon heute unzählig viele Billiglohnanbieter aus Osteuropa, sei es legal oder halb legal, im Land Brandenburg einen Verdrängungswettbewerb gegen deutsche Arbeitnehmer herbeiführen. Wollen Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, die Schlangen vor den Arbeitsämtern noch länger machen?

Die in der Antwort genannten Bildungsprojekte lassen leider vermissen, dass Brandenburg im Bereich der Bildung selbst ein Notstandsgebiet ist, wie jüngst in der PISA-Studie erkennbar wurde. Die Bildung als das wichtigste Kapital für unser Land kann die Landesregierung nicht nachvollziehen. Deshalb haben Sie, Frau Ministerin Ziegler - sie ist leider nicht hier -, in Ihrer Streichliste auch die Bereiche der Bildung und der Kindertagesstätten nicht ausgespart.

Überhaupt nicht vorbereitet ist Brandenburg auf den drastisch ansteigenden Grenzverkehr insbesondere im Bereich der Güterbeförderung. Alle Ankündigungen der rot-grünen Bundesregierung dahin gehend, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, haben sich als bloße Worthülsen entpuppt.

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Redebeitrags!

Ja, Herr Präsident. - Die Bundesregierung ist im Bereich des Schienengüterverkehrs genauso konzeptionslos wie die Landesregierung.

Die wachsenden Umweltprobleme spielen für die Landesregierung keine Rolle. Sie werden der nächsten Generation überlassen.

Von einer Fleißarbeit, meine Damen und Herren von der Landesregierung, kann bei Ihrer Antwort auf die Große Anfrage wirklich nicht die Rede sein. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Habermann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin etwas erstaunt über die Äußerungen von Herrn Firneburg bezüglich eines Sinnbildes von freiheitlicher Ordnung und

Recht in Deutschland von Herrn Erhard. Wenn Herr Erhard diese Unterstellung hörte, dann würde er sich nicht nur im Grabe umdrehen, sondern er würde dort rotieren, wenn ich das einmal so despektierlich sagen darf.

(Beifall bei CDU, SPD und PDS)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, liebe Frau Stobrawa, natürlich habe ich auch mit Ihren Ausführungen Probleme, wie Sie sich wahrscheinlich vorstellen können. Wenn Sie sagen, die Antworten auf die Große Anfrage - ich komme darauf gleich noch im Einzelnen zu sprechen - stellten vielfach Sprechblasen dar, dann halte ich Ihnen entgegen, dass Sie sich fragen sollten, ob nicht vielleicht Ihre Fragestellung so gestaltet ist, dass auf die Fragen nicht anders geantwortet werden konnte. Ich werde das gleich noch belegen.

Wenn Sie der Landesregierung dann unterstellen, dass die Zusammenarbeit mit Polen nicht einen Schwerpunkt ihres Handelns darstellt, dann glauben Sie das im Grunde genommen selber nicht,

(Zurufe von der PDS)

und zwar nicht bloß wegen Artikel 2 der Verfassung, sondern grundsätzlich, das heißt wegen der vielen Aktivitäten Brandenburgs gegenüber den polnischen Woiwodschaften. Es ist schade, dass die PDS-Fraktion bei der Aussprache mit den Kollegen von der Woiwodschaft Wielkopolski am Freitag nicht dabei war. Bei dieser Aussprache hätten Sie die Einschätzung dieser Zusammenarbeit durch unsere polnischen Kollegen gehört, hätten Sie vernehmen können, wie dankbar die Kollegen für die Aktivitäten Brandenburgs sind und wie hoch sie die Qualität dieser Zusammenarbeit einschätzen. Ihre Einschätzung ist aus PDSSicht sicherlich gerechtfertigt, aber die Beteiligten sehen das doch etwas anders.

Meine Damen und Herren, ich komme auf die Große Anfrage zurück. Ich muss gestehen, dass es mir sehr schwer fällt, zu dieser Großen Anfrage der PDS-Fraktion eine fundierte Stellungnahme abzugeben. Frau Stobrawa, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört - das gilt übrigens auch für meinen Kollegen Lenz, dem ich die Freude darüber angemerkt habe, dass er für Ausführungen zu einem europapolitischen Thema endlich einmal reichlich Zeit hatte und alles im Einzelnen darlegen konnte - und dabei festgestellt, dass in Ihren Darlegungen wichtige Faktoren fehlten. So geht es mir jetzt auch. Der Grund dafür ist nicht das Thema als solches, sondern das liegt daran, wie das, was Sie in die Große Anfrage aufgenommen haben und worüber wir jetzt diskutieren, in dem Fragenkatalog abgehandelt worden ist und dann zwangsläufig dementsprechend von der Landesregierung beantwortet wurde. In die Große Anfrage haben Sie nämlich fast alle gegenwärtig diskutierten europapolitischen Themenkreise aufgenommen. Wenn Sie auch noch die Arbeit des Konvents und den Einsatz unserer Experten in Brüssel hineingenommen hätten, dann wären wirklich alle europapolitischen Themen mit der Diskussion des heutigen Tages abgehandelt und wir - so sage ich einmal - hauptamtlichen Europäer brauchten das Plenum bis zum Ende der Legislaturperiode damit nicht mehr zu behelligen. - Schade, es gibt eben nichts Vollkommenes.

131 Fragen mit 45 Unterfragen wurden gestellt; ich habe mir die Mühe gemacht, das zu zählen. Es ist fast alles angefragt worden,

selbst das, was uns in anderen Landtagsdrucksachen als Antwort der Landesregierung auf Kleine Anfragen, auf Anträge und auf Berichtsbeauftragungen bereits aktuell vorliegt. Besonders aufgefallen sind mir in diesem Zusammenhang Fragen, die die Landesregierung in ihrem letzten Bericht zur Vorbereitung des Landes auf die Erweiterung der Europäischen Union - Landtagsdrucksache 3/4505 - oder im Twinning-Bericht, den wir in der letzten Landtagssitzung behandelt haben, bereits beantwortet hat.

Sie, liebe Kollegen von der PDS, fordern sonst immer mehr Effizienz im Verwaltungshandeln oder, wie kürzlich erst, die Zusammenlegung von Ministerien, um Doppelarbeit zu vermeiden. Damit bin ich ja völlig einverstanden, aber provozieren Sie dann bitte auch nicht durch Große Anfragen Doppelarbeit, zumal Sie wissen, dass Ihnen kaum etwas abgelehnt werden kann, wenn Sie eine Große Anfrage stellen. Oder wollten Sie vielleicht eine geschlossene Dokumentation über den Komplex haben, damit Sie es leichter haben nachzuschlagen, Sie also nicht in viele Einzeldokumentationen zu schauen brauchen?

(Zurufe von der PDS)

- Bei Zusatzbeanspruchungen durch eine Bürgermeistertätigkeit sehe ich ein, dass eine solche Dokumentation durchaus von Vorteil ist.

(Heiterkeit)

Ich bin mir sicher, dass mit der Beantwortung Ihrer 131 Fragen und 45 Unterfragen - Sie merken, wie ich mich an dieser Zahl berausche - ein gut qualifizierter und gut bezahlter Beamter einige Monate beschäftigt war. Was hätte der für unser gemeinsames Anliegen Gutes leisten können, wenn er diese Zeit in Zielona Gora zugebracht und unsere polnischen Kollegen in Vorbereitung auf ihren EU-Beitritt beraten hätte! Das wäre eine wirklich gute Sache gewesen.

(Dr. Trunschke [PDS]: Hätte er denn gedurft?)

- Selbstverständlich hätte er gedurft. Bei Twinning gibt es eine Menge Möglichkeiten, Herr Trunschke. - In der jetzigen Phase kommt es nämlich auf praktische Hilfe an und nicht auf Fragen, die von der Landesregierung entweder nicht beantwortet werden können - wie etwa die Frage 30.2, wie viele Polen in den Grenzwoiwodschaften Deutsch sprechen; wie gesagt, es ist auch ein Problem der Fragestellung, welche Antworten man provoziert oder nur einen zweifelhaften statistischen Wert haben.

Meine Damen und Herren, ich habe mich im Zusammenhang mit dieser Großen Anfrage auch ausgiebig mit der Geschäftsordnung des Landtages beschäftigt und dabei Folgendes festgestellt: Nur bei Kleinen Anfragen bestimmt die Geschäftsordnung die Konzentration auf einen bestimmten Sachverhalt. Bei Großen Anfragen gibt es also keine Beschränkung. Insoweit sind Sie, liebe Kollegen von der PDS-Fraktion, auf der sicheren Seite.

(Zurufe von der PDS)

Aber meinen nicht auch Sie, dass einzelne Abschnitte Ihrer Großen Anfrage so komplex und wichtig sind, dass daraus eigenständige Große Anfragen hätten werden können? - Schade,

dass Sie mich nicht vorher gefragt haben. Ich hätte Ihnen zum Beispiel Große Anfragen zu folgenden Themen vorgeschlagen: