Protocol of the Session on January 29, 2003

(Minister Schönbohm: Ich vertrete ihn!)

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung im Dezember bekräftigt, dass die Vorbereitung Brandenburgs auf die EU-Erweiterung eine der politischen Prioritäten der Landesregierung bleibt. Wir werden das Vorhaben weiterhin kritisch begleiten und die Fortschritte auf parlamentarischem Wege kontrollieren. Wir werden Sie gerade angesichts der drängenden Zeit beim Wort nehmen. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Große, und beende damit die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt.

Ich stelle fest, dass Sie die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 48, Drucksache 3/5282, zur Kenntnis genommen haben.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Lernen - ein Leben lang! - Weiterbildungsbericht 1997 bis 2001 Land Brandenburg

Bericht der Landesregierung

Drucksache 3/5223

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der Landesregierung. Herr Minister Reiche, bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans immer mehr. - „Lernen ein Leben lang!“, das ist die große Überschrift unseres Weiterbildungsberichts. Wenn ich in Schulen zu Besuch bin - manchmal kommen die Schulen ja auch zu uns in den Landtag; nämlich neulich zum 313. Mal -, sage ich den Schülern fast immer, dass sie in der Schule im Wesentlichen zwei Dinge lernen müssen. Die Schüler gucken immer ganz erleichtert, die Lehrer ganz entsetzt. Das eine ist das lebenslange Lernen und das andere ist das lebenslange Sporttreiben. Die Schulen, die Weiterbildungseinrichtungen im Land und vor allem auch unsere Volkshochschulen, die das größte und wichtigste flächendeckende Angebot im Land Brandenburg unterbreiten, sind an dieser Stelle in besonderer Weise aktiv.

Der nunmehr zweite Weiterbildungsbericht zeigt die Entwicklung der Weiterbildung im Land Brandenburg von 1997 bis 2001 auf. Er stellt Weiterbildung in den Kontext des lebenslangen Lernens und verdeutlicht, dass die Weiterbildung Erwachsener integraler Bestandteil eines Kontinuums von Lernaktivitäten ist, das den gesamten Lebenslauf begleitet und alle zentralen Lebensbereiche erfasst: Beruf, Staat, Gemeinschaft, Familie und Freizeit.

Im ersten Weiterbildungsbericht von 1996 wurden Strukturen und Rahmenbedingungen der Weiterbildung grundlegend dargestellt. Der zweite Weiterbildungsbericht baut nun auf diesen grundlegenden Informationen auf. Er stellt den erreichten Status quo dar und dokumentiert zugleich die Entwicklung der letzten fünf Jahre. Er informiert auf der Basis von Daten und Fakten zum Beispiel über die Grundversorgung, über die Bildungsfreistellung, über den zweiten Bildungsweg und über Entwicklungsprozesse. Er benennt die verschiedenen Ansprechpartner der Weiterbildung, die es im ganzen Land Brandenburg gibt. Er lässt sich somit erstmals - dafür bin ich meinen Mitarbeitern und insbesondere auch der zuständigen Referatsleiterin Frau Bosch sehr dankbar - dauerhaft für die nächsten Jahre als Nachschlagewerk nutzen. Vor allem aber zeigt der Bericht modellhafte Beispiele innovativer Praxis und skizziert die zukünftigen Entwicklungslinien des lebenslangen Lernens in Brandenburg.

Das Parlament war, glaube ich, klug und gut beraten, dass es drei Jahre in Folge die immer wieder von der Landesregierung - sicher unter Schmerzen - vorgeschlagenen Kürzungen im Weiterbildungsbereich abgelehnt und die Mittel wieder in voller Hö

he in den Landeshaushalt eingestellt hat. Das wird uns aller Voraussicht nach bei den jetzt anstehenden Haushaltsverhandlungen zum Nachtragshaushalt erheblich schwerer fallen als bisher, macht aber deutlich, wie wichtig Ihnen im Parlament die Weiterbildung in den letzten Jahren gewesen ist.

Die Entwicklung der Weiterbildung im Land Brandenburg folgt den landesspezifischen Erfordernissen. Sie verläuft aber - darüber bin ich froh - nicht regional isoliert, sondern geschieht im Kontext einer bundesweiten und europäischen Diskussion um lebenslanges Lernen. Wir haben das erste Mal auch ganz intensive Benchmarking-Prozesse. Was passiert eigentlich beim lebenslangen Lernen? Was sind die Standards für lebenslanges Lernen? Was muss eigentlich gelernt werden? - Ich bin froh, dass ich Sie alle während meiner Rede im Parlament so intensiv vertieft in Form des lebenslangen Lernens sehe.

(Lachen des Abgeordneten Klein [SPD])

Ich rede trotzdem und hoffe, Sie nicht zu stören, denn sonst könnten diese wichtigen Prozesse des lebenslangen Lernens von mir unterbrochen werden. Das möchte ich nicht.

(Klein [SPD]: Ich meine, sie sind ja rot geworden, inso- fern kann man das akzeptieren!)

Wandlungsprozesse, die in allen europäischen Ländern zu permanenten Veränderungen im relevanten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Bereich führen, fordern von ihren Bürgern eine zunehmende Offenheit, eine lebenslange Bereitschaft zur lernenden Auseinandersetzung mit Veränderungen in den verschiedenen Lebensbereichen, in denen wir tätig werden.

Um ein lebenslanges Lernen im Land Brandenburg publik zu machen und die Weiterbildungsbereitschaft der Bevölkerung zu erhöhen, muss Weiterbildung mehr als bisher öffentlich auftreten. Der Weiterbildungsbericht informiert daher über erfolgreich durchgeführte Lernfeste, zum Beispiel in Potsdam, denn Lernen muss auch Freude machen, ebenso wie über das Modell „Bildungssommer“. Weiterbildungseinrichtungen mehrerer Landkreise haben in der sonst veranstaltungsarmen Sommerzeit Programme angeboten, um den Bedürfnissen der Menschen vor Ort, die nicht in den Urlaub gefahren sind, zu entsprechen und um die touristische Infrastruktur zu stärken.

Der Bericht schildert ebenfalls als wesentliche Neuerung die erstmalige Verleihung des brandenburgischen Weiterbildungspreises. Ich bin froh, dass es - zum ersten Mal in der Bundesrepublik Deutschland - meinen Kollegen und mir gelungen ist, einen Weiterbildungspreis zu verleihen. Ein Land, das in diesem Bereich fast genauso weit wie wir ist, nämlich Rheinland-Pfalz, hat dies kurze Zeit nach uns auch getan. Wir haben damit diejenigen, die sich um Weiterbildung in besonders kreativer Weise bemüht haben, öffentlich hervorgehoben und ausgezeichnet. Es wurden gelungene Beispiele von Weiterbildung herausgestellt. Damit wurde zugleich die Qualitätsentwicklung in diesem Bereich nachdrücklich unterstützt.

In Kooperation mit Bund und Ländern ist noch in diesem Jahr die Einführung - endlich, sage ich - eines Modellprojektes zur Qualitätstestierung geplant. Es gibt also nicht nur die Stiftung Warentest, sondern endlich auch im Bereich der Bildung einen Test der erreichten Qualität.

Die freiwillige Teilnahme an der Testierung gibt Weiterbildungseinrichungen die Möglichkeit, deutlich zu machen, dass Qualitätsstandards sowohl eingehalten als auch kontrolliert werden. Sie erleichtert dem Verbraucher die Orientierung und die Auswahl und flankiert die Qualitätsentwicklungsprozesse in den Institutionen. Wir werden dieses Modellprojekt in enger Kooperation mit dem Land Berlin durchführen und in einer gemeinsamen regionalen Qualitätsagentur den zunächst auf drei Jahre angelegten Qualitätsentwicklungsprozess organisieren und auch fachlich begleiten. Die regionale Qualitätsagentur soll ihre Arbeit im Land Brandenburg möglichst bald aufnehmen.

Im Rahmen der Bund-Länder-Modellprogramme zum lebenslangen Lernen beteiligt sich das Land Brandenburg an einem weiteren für mich ganz wichtigen zukunftsorientierten Modellprojekt, das die Einführung eines bundesweiten Weiterbildungspasses vorbereitet und in den nächsten Jahren erproben will. Ich möchte alle, die den Weiterbildungsbericht lesen, darauf hinweisen, dass sie das auf der Seite 48 finden. Diese systematische Dokumentation von Lernleistung trägt zur Erhöhung der Weiterbildungsbereitschaft ebenso wie zur Verbesserung von Chancen in den Bewerbungsverfahren bei.

Der Weiterbildungsbericht belegt auch für die Bereiche der beruflichen, politischen und wissenschaftlichen Weiterbildung, dass sich dieser Bildungsbereich in den letzten fünf Jahren konsolidiert hat, und zeigt konkret, dass mit relativ geringem Mitteleinsatz Innovationen angestoßen werden konnten und zugleich eine Grundversorgung der Bevölkerung gesichert werden kann.

Die äußerst schwierige Haushaltssituation, die nahezu alle Bereiche tangiert, will ich an dieser Stelle nicht verschweigen und Ihnen auch sagen, dass ich derzeit nicht weiß, ob wir es schaffen, das, was wir im Parlament drei Jahre lang immer von Kürzungen ausgenommen haben, auch dieses Mal unangetastet zu lassen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Angebote in vertretbarer Weise reduziert werden müssen. Ich möchte aber sagen, dass die Hauptbotschaft dieses Weiterbildungsberichtes, nämlich „Lernen - ein Leben lang!“, auch in Zukunft gilt und dass die entstandenen verschiedenen innovativen Bildungsregionen, die vom Bund unterstützt werden, in der nächsten Zeit nach Kräften sowohl personell als auch materiell und finanziell unterstützt werden. Ich denke, dass die auf uns zukommenden Forderungen wie Beseitigung des Fachkräftemangels, Osterweiterung der EU und Stärkung der Familien ohne eine gut funktionierende Weiterbildung nicht zu bewältigen sein werden.

Der Bericht zeigt, dass die Voraussetzungen für die Entwicklung des lebenslangen Lernens sowohl vonseiten des Landes als auch vonseiten der verschiedenen Weiterbildungsakteure im Land Brandenburg intensiv genutzt werden, dass wir eine breite, gut ausgeprägte Weiterbildungslandschaft im Land Brandenburg haben und dass wir als Parlament auch in Zukunft alles dafür tun sollten, die Weiterbildung im Land Brandenburg im Sinne des lebenslangen Lernens groß zu machen, damit die Schülerinnen und Schüler merken: Wenn sie die Schule verlassen, heißt dies nicht, dass sie ausgelernt haben, sondern dass sie einen wichtigen Bereich, eine wichtige Etappe in einem Leben des lebenslangen Lernens vollendet haben und es jetzt weitergeht - „Lernen - ein Leben lang!“ - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD, CDU und PDS)

Ich danke Herrn Minister Reiche und gebe das Wort an die Fraktion der PDS. Frau Abgeordnete Große, bitte.

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich stolpere immer noch ein bisschen über den inzwischen gebräuchlichen Begriff vom lebenslangen Lernen, der semantisch doch mit Strafe zu tun hat. Eine solche soll es ja wohl nicht sein.

Ich stolpere des Weiteren über das im Bericht benannte, aus dem Memorandum übernommene Ziel, wonach die Grundbildung und die anschließende berufliche Erstausbildung allen jungen Menschen neue Basisqualifikationen vermitteln sollten, die in einer auf Wissen basierenden Wirtschaft verlangt werden. Hier kann ich nur auf die wunderbare Berliner Rede „Bildung ist mehr - wider den Nützlichkeitszwang“ von Bundespräsident Johannes Rau verweisen:

„Wir sollten deshalb Bildung wieder stärker ganzheitlich verstehen. In der Bildung vergewissern wir uns unserer selbst und finden unsere Identität. Bildung ist, wie jede Kultur, die menschliche Form der Weltaneignung und zugleich ihr Ergebnis.... Wer ausschließlich vom 'Bedarf' her denkt, hat schon verfehlt, was mit Bildung eigentlich gemeint ist.... Die drei bleibenden Ziele von Bildung sind: die Entwicklung der Persönlichkeit, die Teilhabe an der Gesellschaft, die Vorbereitung auf den Beruf. Sie stehen nicht unverbunden nebeneinander.“

Genau dort muss auch Weiterbildung ansetzen, wenn sie nicht in eine Schieflage geraten will.

Zum Bericht: Das Hymnische hat Herr Minister bereits gesagt, ich komme zu dem, was fehlt. Die Landesregierung gesteht im Bericht ein, dass die Inanspruchnahme der Bildungsfreistellung hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Es gibt dafür empirisch nicht belegte Erklärungsversuche. Schlussfolgerungen allerdings zieht die Landesregierung nicht.

Im Bericht völlig unterbelichtet sind die beiden Abschnitte Chancengleichheit und Benachteiligte. Das Problem der nicht vorhandenen Chancengleichheit, gleichwertige Lebensbedingungen in allen Landesteilen zu schaffen, ist immerhin Verfassungsauftrag. Das Problem der unzureichenden Angebote für Benachteiligte wird lediglich angesprochen und sehr allgemein abgehandelt.

Im Bericht wird ein Rückgang der Zahl der an der Grundversorgung beteiligten Weiterbildungseinrichtungen konstatiert. Ursprünglich landesweite Träger sind daher nicht mehr landesweit tätig, zum Beispiel die evangelische Erwachsenenbildung, die AWO, die ländliche Erwachsenenbildung. Ursachen dafür benennt der Bericht nicht.

Auch die Zahl der Teilnehmer an der Grundversorgung ist landesweit trotz steigender Einwohnerzahlen rückläufig. Besonders bedenklich ist der Rückgang im Bereich der politischen Bildung. Eine Erklärung für dessen Ursachen hat die Landesregierung nicht.

Allein diese Beispiele zeigen, dass der Landesverband der Volkshochschulen seit Jahren völlig zu Recht eine Evaluation des Weiterbildungssystems fordert.

Problematisch ist, dass der Bericht nicht sauber die Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Weiterbildungsgesetz von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung durch die Arbeitsämter trennt, was zwar zur Verbesserung der Statistik, nicht aber zu einem realistischen Bild beiträgt.

Die Zahlen für die finanzielle Förderung der Weiterbildung - Seite 71 - lassen erkennen, dass die Entwicklung der Förderung nicht den Zielen entspricht, die bei der Verabschiedung des Gesetzes genannt worden sind. Das Gesetz sollte ein Aufbaugesetz sein, dessen dritte Ausbaustufe 2 400 Unterrichtsstunden je 23 000 Einwohner betragen sollte. Damit sollte ein Finanzbedarf von 12 Millionen DM einhergehen. Erreicht wurden wegen der globalen Minderausgabe nicht einmal die in die Haushaltsgesetze der einzelnen Jahre eingestellten 8 Millionen DM.

Der Bericht nimmt zudem nicht Stellung zu der Frage, inwieweit sich die Förderpraxis der letzten Jahre bewährt hat. Aus unserer Sicht ist hierbei besonders problematisch, dass die Grundversorgung pro Unterrichtsstunde mit 15,85 Euro gefördert wird, und zwar ohne Beachtung der Tarifentwicklung und der allgemeinen Kostenentwicklung.

Überhaupt nicht Gegenstand des Berichtes ist die spannende Frage, inwieweit der Umfang der geförderten Grundversorgung dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Das MBJS verfährt hier offensichtlich nach der Methode: Das Finanzierbare ist der Bedarf.

Leider nimmt der Weiterbildungsbericht auch nicht Stellung zu den notwendigen Investitionen in diesem Bereich. Im Übrigen hätte es der Landesregierung gut zu Gesicht gestanden, sich bei den Kommunen und den freien Trägern für die Leistungen zu bedanken, die diese erbracht haben, ohne dass das Land seinen gesetzlichen Verpflichtungen gerecht geworden ist. Wir regen an, alle offen gebliebenen Fragen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung zu thematisieren. Den Bericht nehmen wir zur Kenntnis. - Danke

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Große. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der SPD. Frau Abgeordnete Siebke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister hat sich schon dafür bedankt, dass so viel Weiterbildung betrieben wird. Im Bericht steht geschrieben, dass besonders das informelle Lernen in der nächsten Zeit ganz wichtig sein wird. Ich denke, hierbei sind wir allen ein Stück voraus. Das betreiben wir bereits eine ganze Weile, was beispielgebend ist.

Ich beginne mit einem Zitat aus dem Weiterbildungsbericht:

„Tief greifender Strukturwandel, Wissensexplosion und Zukunftsfähigkeit fordern Gesellschaften, in denen Men

schen kontinuierlich ihr Wissen und ihre Fähigkeiten erweitern. Lebenslanges Lernen ist heute ein zentrales Thema der internationalen und nationalen Bildungspolitik.“