Protocol of the Session on December 19, 2002

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischen dem Frühjahr 2001 und dem Frühjahr dieses Jahres fanden insgesamt fünf Fachwerkstätten zum Thema Verkehrssicherheit und zu den einzelnen Handlungsfeldern statt. Ich halte das für einen wichtigen Ansatz, denn aus diesen Fachkonferenzen heraus ist die Grundlage für ein neues Verkehrssicherheitssystem geschaffen worden. Am 31. August 2002 fand in Potsdam die Abschlusskonferenz unter dem Motto „Verkehrssicherheitsprogramm für Brandenburg“ statt. Es ist also nachvollziehbar, Frau Tack, dass Sie diesen Antrag formulieren, aber meiner Ansicht nach ist er unrealistisch. Ich nehme an, dass uns Herr Meyer heute noch sagen wird, welcher Zeitpunkt dafür aus seiner Sicht realistischer ist. Auch Herr Appel sagte auf der Abschlussveranstaltung, es gebe noch Zielkonflikte zwischen einzelnen Ministerien im Land Brandenburg.

Ich nutze die Gelegenheit, um erneut einige Grundpositionen der CDU zu verdeutlichen, die wir auch in den letzten Jahren immer wieder in den Vordergrund gestellt haben. Herr Dellmann, Sie haben es schon gesagt: In den letzten Jahren konnten wir erstaunliche Ansätze hinsichtlich der Verkehrssicherheit ermöglichen. Nicht ohne Grund ist die Zahl der Verkehrstoten gesunken, obwohl natürlich - darüber sind wir uns in diesem hohen Haus alle einig - 341 Unfalltote im Jahr 2001 341 Tote zu viel sind. Insofern ist die Statistik traurig. Ich glaube allerdings nicht, Frau Tack, dass Sie mit der Aussage Recht haben, dass die Gesellschaft diesen Trend akzeptiert oder sich daran gewöhnt habe. Das ist nicht der Fall. Wenn ich am Sonntagabend im Videotext lese, wie viele Opfer gerade am Wochenende zu beklagen sind, bin ich immer wieder schockiert. Eine solche Einstellung sollten wir auch den Menschen im Land Brandenburg nicht absprechen.

Aus unserer Sicht gibt es mehrere inhaltliche Punkte, die aufgenommen werden sollten. Darüber zu diskutieren gibt es noch Gelegenheit, wenn das Verkehrskonzept vorliegt. Zum Ersten gibt es einen sehr starken Zusammenhang zwischen der Struktur und der Verkehrsunfallstatistik. Das zeigt sich beim Vergleich zwischen den Bundesländern. Die ländlich strukturierten Länder haben wesentlich höhere Verkehrsunfallzahlen zu beklagen. Ebenso zeigt ein Vergleich innerhalb Brandenburgs, dass in den kreisfreien Städten wesentlich weniger Verkehrsunfälle geschehen als in den Landkreisen. Deshalb haben wir eine entschieden andere Auffassung als Sie, Frau Tack.

Erstens: Verkehrsausbau, Infrastrukturausbau, das ist ein wichtiger Ansatz, zu mehr Verkehrssicherheit zu gelangen, wenn alle wissenschaftlichen Erkenntnisse mit betrachtet werden. Das wird auch getan. Deswegen heißt Verkehrsausbau auch sinnvolle Verkehrssicherheit.

Zweitens - und das ist eigentlich der traurigste Punkt bei der ganzen Angelegenheit -: Wenn wir uns die Entwicklung der Zahl der Verkehrstoten nach Altersgruppen ansehen, fällt auf, dass die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen besonders gefährdet ist, gerade auch die Fahranfänger. Deshalb haben wir als große Koalition darum gekämpft, dass wir den Modellversuch in Brandenburg durchführen können, eine zweite Ausbildungsphase im Bereich der Führerscheinprüfung einzuführen, in der auch ein Fahrsicherheitstraining enthalten ist.

Ich meine, Herr Meyer, hier haben wir gemeinsam einen wichti

gen Ansatz geschaffen, und das werden wir auch im nächsten Jahr fortführen. Ich persönlich und sicherlich viele mit mir halten die 0,0-Promille-Grenze für Fahranfänger zwischen 18 und 25 Jahren für ein geeignetes Mittel. Dass der Bundesrat anderer Meinung ist, muss ich akzeptieren. Aber ich meine, wir können im Verkehrskonzept diesen Punkt wiederum aufgreifen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Auch der Drogenkonsum im Straßenverkehr ist ein wichtiges Arbeitsgebiet für den nächsten Zeitraum; denn es ist festzustellen, dass sich immer mehr junge Leute nach Drogenkonsum ans Steuer setzen. Deshalb ist der Einsatz von Drogentestgeräten, der insbesondere auch durch das Engagement von Herrn Schönbohm gefördert wurde, ein wichtiger und sinnvoller Umgang mit diesem Thema.

Drittens möchte ich über die Radfahrer sprechen. Wir haben im Unfallbericht 2001 abnehmende Verkehrsdeliktzahlen feststellen können. Aber gerade unter den Radfahrern haben wir eine steigende Zahl von Opfern zu beklagen. Dadurch wird meine These bestärkt: Wir brauchen mehr straßenbegleitende Radwege als touristische Radwege, mit denen wir bei den Touristen Eindruck machen wollen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich meine, auch hier gibt es eine Übereinstimmung.

Viertens: Meine Damen und Herren, angesichts der trüben Jahreszeit wird eines klar: Das Thema Lichtpflicht ist auch für Brandenburg aktuell, insbesondere in den Brandenburger Alleen. Es gibt momentan elf europäische Länder, die diese Möglichkeit nutzen. Wenn die Automobilindustrie ab Oktober nächsten Jahres alle Neuwagen mit entsprechender Technik ausstattet, sollten wir als Politiker handeln und für das nächste Jahr eine Lichtpflichtregelung in Deutschland einführen.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Fünftens, Thema Alleen: Im Jahre 2001 sind allein auf den Brandenburger Alleen 183 Menschen durch Verkehrsunfälle ums Leben gekommen. Es gibt mit Sicherheit unterschiedliche Auffassungen zu diesem Problem. Aber ich sage: Ein Baum kann auch im größeren Abstand von der Straße überleben, ein Verkehrsunfallopfer, das an einem Straßenbaum ums Leben gekommen ist, kann nicht überleben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ist der Punkt. Deswegen müssen wir Überlegungen anstellen.

Herr Abgeordneter Senftleben, kommen Sie bitte zum Schluss!

Meine Damen und Herren, es geht am Ende auch darum - wie gesagt, die Große Anfrage ist noch abzuwarten -, dass wir mehr Akzeptanz für die Verkehrssicherheit erreichen. Ich meine, das kann uns gemeinsam gelingen. Ich habe festgestellt, dass es beim Thema Verkehrssicherheit eine große Übereinstimmung

gibt. Daran sollten wir im nächsten Jahr weiterarbeiten. - In diesem Sinne alles Gute und herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Senftleben. - Das Wort erhält die Landesregierung, Herr Minister Meyer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, wir können sehr schnell übereinstimmen: Der Baum ist an diesem Unfall nicht schuld,

(Vereinzelt Beifall bei SPD und PDS)

sondern da hat jemand einen Fehler gemacht. Aber dieser Fehler, so klein er auch ist, kann sehr schwer bestraft werden, weil die Alleen eine erhöhte Gefahr darstellen. Wenn wir uns darauf einigen können, werden wir uns auch einig, wie wir Straßenbau zukunftsorientiert betreiben, um die Mobilität nicht zu gefährden und an die Umwelt zu denken.

(Beifall bei SPD und CDU)

Aber ich möchte hier nicht oberlehrerhaft dozieren, sondern mich zu allererst ganz herzlich bei den Fraktionen bedanken. Denn ich sehe doch bei allen Fraktionen ein wachsendes Interesse an der Verkehrssicherheit. Das betrachte ich als Unterstützung dieser Arbeit, der jahrelangen Bemühungen auf diesem Gebiet.

Ich erinnere wirklich gern daran, dass unser ehemaliger Ministerpräsident Dr. Stolpe für die jahrelange Arbeit im Land Brandenburg vom ADAC die höchste Auszeichnung zur Verkehrssicherheit erhalten hat. Das ist eine Auszeichnung für all diejenigen, die in diesem Land an dieser Stelle dafür gekämpft haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen uns über die Basis überhaupt nicht zu streiten. Was die Gesellschaft braucht, ist ein leistungsfähiges Verkehrssystem. Was diese Gesellschaft genauso braucht, ist ein sicheres Verkehrssystem. Wir brauchen also eine verantwortbare Mobilität. Das ist einerseits eine politische Aufgabe, andererseits aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Frau Tack, ich gebe Ihnen Recht: Die Gewöhnung der Gesellschaft an die alltäglichen Unfallzahlen, an die Zahl der Getöteten, die Gewöhnung der Gesellschaft an die Zahl der Unfälle am Wochenende, die Herr Senftleben genannt hat, müssen wir bekämpfen.

Wir verlangen zu Recht messbare Ergebnisse. Diese erreichen wir jedoch nur durch ein Bündel von Maßnahmen. Wir konnten die Zahl der Unfalltoten von 931 im Jahr 1991 auf 375 im Jahr 2001 senken. Aber wir brauchen hier nicht über Prozente zu sprechen, sondern das sind 375 Schicksale, die die Betroffenen, ihre Familien und Freunde erleiden. Deshalb wollen wir gemeinsam ein neues Verkehrssicherheitsprogramm erstellen. Das ist notwendig. Voraussetzungen dafür sind die Fachkonferenzen - Herr Senftleben hat sie angeführt -, bei denen Vertreter der verschiedenen Disziplinen, aus Wissenschaft, Praxis und Polizei, mitgesprochen haben.

Wir werden über unterschiedliche Verfahren weiter diskutieren müssen, zum Beispiel darüber, ob ein Tempolimit auf der A 24 richtig ist, ob Tempo 80 auf den Alleen richtig ist, ob die touristischen oder die straßenbegleitenden Radwege für Schüler in ausreichender Zahl vorhanden sind oder ob wir in diesem Bereich den ÖPNV nicht noch verstärken müssen.

Wir werden also das Programm von 1992 novellieren. Das wird in Zusammenarbeit mit den Behörden, den Institutionen, den Verbänden und auch, Frau Tack, mit der Verkehrswacht geschehen. Ich möchte mich bei Ihnen als der Präsidentin dieser Institution bedanken. Ich meine, seit Ihrem Wirken hat sich auch die Zusammenarbeit verbessert.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Enkelmann [PDS])

Ich freue mich, dass wir das Einverständnis aller Beteiligten haben, dass die neuesten Erkenntnisse der Polizei, aus Forschung und Technik einfließen. Dazu gehört auch die wiederholte, weil notwendige Prüfung der 0,0-Promille-Grenze, die Prüfung der Einführung des Mit-Licht-Fahrens am Tage und vieles andere mehr. Das Ziel ist klar: eine deutliche Senkung der Zahl der Getöteten. Wir müssen die hohen Unfallzahlen reduzieren.

Wir werden Vorschläge unterbreiten, die Handlungsanleitung für alle, für die Schulen, die Kindertagesstätten, die Fahranfänger und die selbst ernannten Fahrprofis sind. Darüber haben wir dann gemeinsam im Ausschuss zu diskutieren und abzuwägen. Ich bitte um Verständnis: Mir geht es bei der Frage nicht um einen populistischen Erfolg, dass ich hier irgendwann mit einem Programm in der Hand dastehe, sondern darum, dass wirklich Gründlichkeit und Qualität - auch Qualität in der Abstimmung vor Schnelligkeit gehen. Ich bedanke mich bei Ihnen für die gezeigte Geduld.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Meyer. Wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angekommen.

Ich rufe zur Abstimmung den Antrag der Fraktion der PDS auf, der Ihnen in Drucksache 3/5229 vorliegt. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Ablehnung des Beitragssatzsicherungsgesetzes

Antrag der Fraktion der PDS

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Frau Abgeordnete Birkholz, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die rot-grüne Bundesregierung startet zum zweiten Mal mit so genannten Vorschaltgesetzen für das Gesundheitswesen in eine neue Wahlperiode. 1998 war das durchaus noch nachvollziehbar. Es ging darum, einige von der CDU-geführten Vorgängerregierung verursachten Fehlentwicklungen möglichst rasch zu korrigieren. Ich denke da vor allem an die Absenkung der Zuzahlungen. Wenn man allerdings selbst vier Jahre regiert hat, dann ist solch eine Denkpause, die über ein Vorschaltgesetz eingelegt wird, sicher kein Beleg für vier Jahre solide Arbeit.

Meine Damen und Herren, der Bundesrat hatte zum Beitragssatzsicherungsgesetz und zum Zwölften SGB V-Änderungsgesetz den Vermittlungsausschuss angerufen. Im Ergebnis sind die Gesetze unverändert geblieben. Sie stehen für den 20.12.2002 erneut auf der Tagesordnung des Bundesrates. Der Bundesrat kann jetzt nur noch über einen Einspruch entscheiden, der wiederum vom Deutschen Bundestag mit der so genannten Kanzlermehrheit überstimmt werden kann.

Dass die PDS-Fraktion von der Landesregierung erwartet, dass sie sich für einen Einspruch gegen das Beitragssatzsicherungsgesetz einsetzen bzw. einem solchen Einspruch zustimmen möge, macht der vorliegende Antrag deutlich. Ich möchte aber kein undifferenziertes Bild zeichnen. Maßnahmen wie der Anhebung der Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung, der Positivliste für Arzneimittel und dem Einfrieren der Verwaltungsausgaben der Krankenkassen kann die PDS durchaus zustimmen. Allerdings gibt es jetzt keine Möglichkeit mehr, das Paket aufzuschnüren und einzelne Punkte neu zu diskutieren. Unter diesen Bedingungen ist abzuwägen, ob man um einiger vernünftiger Regelungen willen auch die unverträglichen Elemente des Gesetzespaketes schlucken kann. Wenn ich dies aus der Sicht des Landes Brandenburg tue, dann kann man die für 2003 vorgesehene Nullrunde bei der Finanzierung der ambulanten und stationären Versorgung schlichtweg nicht akzeptieren.

Wir diskutieren doch in diesem Haus schon seit Monaten über Versorgungslücken speziell in ländlichen Regionen Brandenburgs und über fehlende Ärzte im ambulanten Bereich und an den Krankenhäusern. Über die Ursachen dafür sind wir uns weitgehend einig. Eine hohe Arbeitsbelastung, weniger Einkommen als in anderen Regionen Deutschlands oder in anderen Branchen, Infrastrukturdefizite machen eine Niederlassung nicht besonders attraktiv.

Man wird diesen Ursachen nicht beikommen, ohne angemessene Finanzmittel dafür bereitzustellen. Es geht dabei zum Beispiel um so genannte Buschzulagen und eine angemessene Vergütung für Fahrten. Wenn ein Arzt mitunter 30 Kilometer und weiter zum Hausbesuch fahren muss, weil er der einzige Kollege im Umkreis ist, dann muss dieser Aufwand wenigstens gedeckt werden.

Ich will noch einmal deutlich machen: Es geht nicht darum, für ein Jahr auf Zuwächse und damit auch auf ein Stück Angleichung an den Westen der Republik zu verzichten. Nein, wenn man aus dem Kuchen noch ein Stück mehr verteilen muss, weil es für die Versorgung nötig ist, dann wird die Nullrunde zur Minusrunde. Dass Minister Baaske in diesem Zusammenhang

von einem verheerenden Signal gesprochen hat, dem kann ich nur zustimmen. Allerdings knüpfen wir daran die Erwartung, dass sich diese Kritik auch im Abstimmungsverhalten der Landesregierung widerspiegelt. Dies sehe ich allerdings nach der Beantwortung meiner gestern in der Fragestunde gestellten Frage nach den negativen Folgen für die gesundheitliche Versorgung für das Land Brandenburg nicht mehr. Ich bedaure das sehr. Dass ich die Reaktionen einer Reihe von Ärztefunktionären für verfehlt halte, will ich hier nur erwähnen. Es ändert am Sachverhalt aber nichts.

Den Krankenhäusern lässt das Gesetz eine Tür offen, die Nullrunde zu umgehen, nämlich dann, wenn sie sich für das Optionsmodell zur Fallpauschalenvergütung entscheiden. Dies bedeutet eine radikale Umstellung, auf die man sich betriebswirtschaftlich, organisatorisch und medizinisch gründlich vorbereiten muss. Es ist zu befürchten, dass wegen dieses Anreizes einige Häuser ohne ausreichende Vorbereitung in die Fallpauschalen einsteigen.