Protocol of the Session on December 18, 2002

Das Herzstück der Autonomie ist für mich jedoch die Finanzautonomie. Frau Müller erwähnte es: Die Hochschulen arbeiten mit Kosten- und Leistungsrechnungen, Globalhaushalten, Budgetierungen. Darum geht es, aber nicht nur, sondern vor allem um die Frage: Wie kann man, wenn man keine Detailsteuerung mehr will, die Hochschulen steuern? Das heißt: Nach welchen Kriterien bekommen die Hochschulen die Steuergelder? Dies muss durchdacht werden. Wenn dieser Prozess transparent und vernünftig geregelt wird, kann man die Hochschulen autonom agieren lassen. Dafür haben wir in diesem Jahr zusammen mit den Hochschulen unter Einbeziehung fremder Fachkompetenz

Modelle entwickelt, die noch nicht ganz fertig sind. Im Januar werden wir die Diskussion intern abschließen. Dann gibt es Leistungsanreize für die Hochschulen und es gibt auch Sanktionen.

Herr Trunschke, ich bin etwas enttäuscht, wenn Sie sagen: Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Demnach haben Sie nicht kapiert, was ich an dieser Stelle will. Mehr Geld ist immer gut, das wollen wir alle. Darum geht es aber nicht. Wenn man zum Beispiel Absolventenzahlen bewertet, passiert etwas, was in Deutschland nicht die Regel ist. Ein Professor in Deutschland hat das größte Image, wenn er gut in der Forschung ist. Dann kann er sich irgendwo bewerben etc. Das wird gelobt. Die Lehre hat nicht denselben Stellenwert. Wenn wir Absolventenzahlen honorieren, verändern wir etwas, und die Hochschule kann und wird dann umsteuern. Die Katze beißt sich also nicht in den Schwanz, sondern das sind Veränderungen auch zugunsten der Studenten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wenn wir das, was jetzt als Modell entwickelt ist, 2004 und in den Folgejahren entsprechend umsetzen können, sind wir bundesweit in der 1. Liga, was derartige Versuche und Möglichkeiten betrifft, weil dies überhaupt nicht die Regel ist. Das würde mich sehr freuen und würde auch meine Grundposition, dass der Staat sich auf seine ordnungspolitische Rolle als Gestalter zurückziehen und nicht im Detail regeln muss, unterstützen und ist deswegen strukturell für die Zukunftsfähigkeit der Hochschulen außerordentlich wichtig. Man kann die Problematik nicht nur auf die Forderung nach mehr Geld reduzieren, sondern muss auch überlegen, wie man die Hochschulen in den nächsten Jahren wirklich wettbewerbsfähig macht.

Fünfter und letzter Punkt - die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Es darf nicht unterschätzt werden, wie wesentlich es ist, unter welchen gesellschaftlich-klimatischen Rahmenbedingungen Hochschulen arbeiten und sich wissenschaftliche Arbeit vollzieht. Auf diesem Gebiet haben wir in den letzten Jahren eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Wenn ich zum Beispiel die Akzeptanz der Hochschulen im Parlament betrachte, so kann ich feststellen: Es ist einiges geschehen. Ob es die Anträge der Koalitionsfraktionen oder Ausnahmen bei Finanzrestriktionen sind, ob es die Flexibilität der Stellenbewirtschaftung ist - das alles sind Dinge, die das Parlament zugunsten der Hochschulen angeregt und realisiert hat. Der Stellenwert, den die Hochschulen in der Landesregierung haben, spiegelt sich zum Beispiel in dem Kabinettsbeschluss wider, nämlich darin, dass das Kabinett bei der globalen Minderausgabe in diesem Jahr eine einzige Ausnahme unter allen Ressorts gemacht hat, indem die Berechnungsgrundlage der Hochschulen anders gewertet wurde. Das spiegelt sich auch in der Trendwende der Finanzierung wider, auch wenn es mehr sein könnte. Das wurde schließlich auch in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten deutlich.

Wir haben erfreulicherweise auch eine höhere Akzeptanz der Hochschulen in der Gesellschaft. Dabei hat sicher auch die Diskussion um Bildung, um PISA eine Rolle gespielt. Je besser die Hochschulen in der Gesellschaft verankert sind - deswegen habe ich diesen Punkt aufgenommen -, desto größer sind die Chancen, dass wir die begonnenen Reformen auch in Brandenburg zum Erfolg führen können. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Wanka. - Das Wort erhält noch einmal die Fraktion der SPD, Herr Abgeordneter Dr. Sternagel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in meinen Ausführungen auf die Hochschulforschung konzentrieren, denn sie muss zum Rückgrat unserer Forschungs- und Entwicklungslandschaft werden. Nicht zu Unrecht werden die Hochschulen als Transmissionsriemen zwischen der Grundlagenforschung und der Industrieforschung verstanden.

Brandenburger Wissenschaftler haben der internationalen Fachwelt in den letzten Jahren hervorragende Ergebnisse vorstellen können. Doch heute gilt mehr denn je, Forschungsergebnisse möglichst zeitnah in der industriellen Produktion zu verwerten, das heißt, sie durch eine schnelle Adaption für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes zu nutzen. Spitzenforschung allein genügt nicht; wir müssen verstärkt das Thema „Verwertung der Forschungsergebnisse“ auf die Tagesordnung setzen.

Die Finanzierung der Hochschulforschung erfolgt, wie erwähnt, weitestgehend über Drittmittel, wobei ich hervorheben möchte, dass unsere Hochschulen hier auch im Ländervergleich sehr gut positioniert sind. Um jedoch die Einbindung unserer Hochschulen in die regionale Wirtschaft und die Vernetzung mit den Betrieben richtig einschätzen zu können, müssen wir wissen, dass nur ein kleiner Teil der Drittmittel aus der brandenburgischen Wirtschaft kommt. Die TFH Wildau, welche zu den Fachhochschulen gehört, die die meisten Drittmittel einwerben, hat zum Beispiel im Jahr 2001 rund 3,7 Millionen Euro Drittmittel eingeworben. Allerdings kommen davon nur 16 % aus der Wirtschaft und lediglich 6,6 % davon aus der brandenburgischen Wirtschaft. Hier liegen noch große Reserven für unsere einheimischen Betriebe, die es auszuschöpfen gilt.

Ziel unserer Forschungspolitik muss es deshalb sein, die Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, zwischen FuE und Anwendung zu stärken und die Lücken bei der Umsetzung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse zu schließen.

In Brandenburg existieren überwiegend Klein- und Kleinstbetriebe, deren Grundmangel die Kapitalschwäche ist. Wir brauchen entsprechende Rahmenbedingungen, damit diese Unternehmen Ergebnisse der öffentlich geförderten Forschung in neue Produkte, Verfahren und Dienste umwandeln können. Hier sind neue Ideen und Verantwortungsbewusstsein aller Wissenschafts- und Wirtschaftspolitiker für unser Land gefragt.

Wie schon erwähnt, sollten wir in den entsprechenden Ausschüssen unseres Landtages die Thematik „Forschung und Verwertung“ verstärkt auf die Tagesordnung setzen. Ich bin davon überzeugt, dass hierzu sowohl von den Abgeordneten als auch von den Spezialisten eine Vielzahl von Vorstellungen eingebracht wird, die von Nutzen für unsere Wirtschaft sein werden. Wir haben im Arbeitskreis Wissenschaft, Forschung und Kultur damit bereits begonnen.

Dazu stichpunktartig noch einige Vorschläge:

Erstens: Der weitere Ausbau der anwendungsbezogenen For

schung an unseren Hochschulen, insbesondere an unseren Fachhochschulen, ist dringend geboten; denn die Fachhochschulen sind die prädestinierten Partner der regionalen Wirtschaft.

Zweitens: Mit dem Aufbau von Forschungsclustern muss gezielt begonnen werden, Frau Prof. Wanka hat darüber gesprochen. Das heißt, Zentren, an denen mehrere Institute an einem gemeinsamen Oberthema arbeiten, müssen gestärkt werden.

Drittens: Mobilitätshemmnisse zur Intensivierung des Personalaustauschs zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft müssen beseitigt werden.

Viertens: Hochschulmitarbeitern müssen stärkere Anreize für den Technologietransfer geboten werden.

Fünftens: Wir brauchen ein spezielles Programm zur Förderung der Kooperation zwischen Klein- und Kleinstunternehmen und den Hochschulen. Das entspricht auch dem Beschluss des Landtags vom Mai letzten Jahres, in dem die Landesregierung aufgefordert wurde - jetzt wörtlich -, „diejenigen Unternehmen bei der Vergabe von Fördermitteln vorrangig zu berücksichtigen, die intensive Kooperationsbeziehungen mit Hochschulen pflegen bzw. anstreben“.

Sechstens: Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ministerien muss intensiviert werden, und zwar insbesondere bei der Konzipierung und Finanzierung von Förderprogrammen, aber auch bei der Verwertung der Forschungsergebnisse.

(Beifall bei der PDS)

Hier schaue ich nach beiden Seiten, sowohl nach links zur Wissenschaftsministerin als auch nach rechts zu unserem Wirtschaftsminister.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Nicht nur anschauen!)

Siebtens: Die Erarbeitung einer Innovationsstrategie für unser Land ist längst überfällig.

Achtens: Die Forschungsschwerpunkte müssen in stärkerem Maße an den Bedürfnissen der einheimischen Wirtschaft orientiert werden. Ich erinnere hierzu daran, dass der Anteil unserer brandenburgischen Wirtschaft an den Drittmitteln lediglich 6,6 % beträgt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei CDU und PDS)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Sternagel, und gebe das Wort noch einmal an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Dr. Niekisch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar aktuelle Aspekte ansprechen.

Wir haben unter den neuen Bundesländern nicht die meisten Studenten. Schauen Sie sich Berlin an mit 138 000 Studenten, Sachsen mit 92 000 Studenten oder Sachsen-Anhalt und Thüringen mit jeweils weit über 40 000 Studenten. Dem müssen wir

nicht unbedingt nacheifern. Es gibt bereits viele Studentinnen und Studenten, die sagen: In Brandenburg war es chic und exklusiv, gab es kleine Gruppen in Laboren und bei Seminaren. Weitet das bloß nicht aus, sondern setzt weiterhin auf Qualität. Das haben wir gemacht, indem wir zum Beispiel Zulassungsbeschränkungen ausgesprochen haben.

Eine weitere Maßnahme ist darin zu sehen - das geht das Ministerium jetzt gerade an -, die Universitäten leistungsbezogen mit Finanzmitteln auszustatten. Jede Universität bekommt eine Grundausstattung. Dass die Universitäten und die Fachhochschulen im Übrigen dafür, dass die Studentinnen und Studenten Zwischenexamina und gute Abschlüsse machen, besonders honoriert werden, ist eine hervorragende Sache, und das wird, abgesehen von der Werbung und der Forderung nach Geldmitteln, die Qualität und auch die Quantität der Arbeit unserer Forschungs- und Wissenschaftslandschaft stark erhöhen. Frau Ministerin Wanka spricht in diesem Zusammenhang davon, dass wir hier dann in der 1. Liga spielen. Ich möchte dies aufgreifen und sagen: Wenn Energie Cottbus vielleicht einmal nicht mehr in der 1. Liga spielt und die Brandenburgische Technische Universität Cottbus an diese Stelle tritt, dann hätten wir für eine Übergangszeit einen hervorragenden Ausgleich durch besonders gute Leistungen in Wissenschaft und Forschung geschaffen.

(Zurufe von der PDS)

Außerdem könnten wir als Land prüfen, ob wir uns weiterhin an der zentralen Studienplatzvergabe in Deutschland beteiligen oder vielleicht konsequent dazu übergehen, uns die Studentinnen und Studenten selbst auszusuchen, weil wir mit dieser Verfahrensweise in noch stärkerem Maße auf Qualität setzen könnten.

Auch in puncto Straffung des Studiums könnte noch einiges getan werden. Ich selbst habe acht Semester studiert, im neunten Semester Examen gemacht und gleichwohl ein fröhliches Studentenleben geführt.

(Zurufe von der PDS)

Auch wir haben mal etwas getrunken und Ferien gehabt. Deshalb sollten wir das mit den Langzeitstudenten vor allem aus den westdeutschen Bundesländern nicht einreißen lassen, sondern uns hier weiter konzentrieren. Zum Beispiel mit Semesterabschlussklausuren könnte man in fast jedem Fach zur Straffung des Studiums einiges beitragen.

Mein letztes Stichwort ist der Norden Brandenburgs. Die Ministerin sieht das mit gemischten Gefühlen, weil wir konzentrieren und konsolidieren und die vorhandenen Hochschulen und Universitäten erhalten und weiter ausbauen müssen. Aber wir haben es in den 90er Jahren nicht geschafft, in der Prignitz oder in der Uckermark einen akademischen Schwerpunkt zu setzen. Wir sollten doch noch einmal darüber nachdenken, ob wir in den alten Industrieregionen von Schwedt bis Wittenberge vielleicht eine Fachhochschule oder eine Berufsakademie einrichten können - natürlich gemeinsam mit Berlin - mit dem Ziel, dort praxisnah auszubilden, eine Initialzündung zu geben und für diese geschundene Region, den dortigen Landkreis, der jetzt schon weniger als 100 000 Einwohner hat, ein Hoffnungszeichen zu setzen.

Das sind die wichtigsten Aspekte. Wenn wir daran weiter arbeiten, und zwar klein, fein, konzentriert, mit vielen Ideen, aber auch mit einer kontinuierlichen Finanzierung, dann wird Brandenburg seine Wissenschafts- und Universitätstradition nicht nur begründet, sondern auch ausgebaut und attraktiv gestaltet haben. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Dr. Niekisch. - Damit sind wir am Ende der Rednerliste zu Tagesordnungspunkt 2, Aktuelle Stunde. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 2.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Ihnen eine Mitteilung machen. Der Ministerpräsident hat mir schriftlich angezeigt, dass aufgrund des heute ergangenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts die Landesregierung das Erste Gesetz zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes - das ist in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung der Punkt 7 - und das Zweite Gesetz zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes - das ist der Tagesordnungspunkt 9 - zurückzieht. Diese beiden Tagesordnungspunkte entfallen also. Wir werden jetzt keine neue Tagesordnung ausdrucken, sondern die Nummerierung der anderen Tagesordnungspunkte verschiebt sich entsprechend. Das dürfte kein Problem sein.

Nun habe ich die Freude, wieder Gäste im Landtag Brandenburg zu begrüßen. Es sind Schüler der Realschule Spremberg. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

2. Lesung des Gesetzes zur Änderung des Wahlprüfungsgesetzes und des Verfassungsgerichtsgesetzes Brandenburg

Gesetzentwurf des Hauptausschusses

Drucksache 3/4811

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses