Protocol of the Session on December 18, 2002

Sie, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, sind nicht in der Lage, auch nur einen einzigen Beweis dafür zu liefern, dass im Zuge der Osterweiterung die brandenburgische Wirtschaft wieder anspringt und investiert, Arbeitskräfte einstellt oder gar Wachstumsraten verzeichnet. Aber umgekehrt werden die meisten Beitrittsstaaten von EU-Mitteln profitieren, die zu einem Viertel von Deutschland beigesteuert werden. Durch den wirtschaftlichen Aufbau in Osteuropa holen wir uns die Konkurrenz ins Land. Wo sollen da die Vorteile für die brandenburgische Wirtschaft liegen, die in Ihrem TwinningProgramm angeführt werden?

Offenbar hat diese Regierung noch nicht begriffen, dass das Bildungsniveau im Land Brandenburg fast auf der Ebene dessen Brasiliens liegt, wie die PISA-Studie beweist. Bildung, Wissenschaft und Forschung waren in der Vergangenheit das wichtigste Kapital, das Deutschland hervorgebracht hatte. Heute überholen uns in der EDV-Technik bereits die Esten. Brandenburg hat erheblichen Nachholbedarf.

Meine Damen und Herren, ist es denn wirklich wünschenswert, dass die EU im Bereich der Landwirtschaft auch die Kleinbauern in Polen und anderswo vernichtet, damit am Ende nur noch Großagrarbetriebe übrig bleiben? Wollen Sie diesen Unsinn auch noch durch so genannte Heranführungsberater unterstützen?

Wir werden in Deutschland ständig mit neuen Lebensmittelskandalen konfrontiert. Die Landwirtschaft wurde auf Monokulturen umgestellt mit dem Ergebnis, dass die Artenvielfalt zerstört wurde und immer mehr Chemie in der Landwirtschaft Verwendung findet. Ich kann diese negative Entwicklung nicht als Vorbild für Osteuropa sehen.

Warum teilt uns die Landesregierung nicht mit, welche konkreten Aufgaben die Heranführungsberater in Osteuropa wahrnehmen, damit wir als Gesetzgebungsorgan die Maßnahmen im Einzelnen überprüfen können?

Die so genannten Heranführungsberater sollen laut Bericht der Landesregierung für eine reibungslose und möglichst fruchtbare und gewinnbringende Zusammenarbeit auf politischer, gesellschaftlicher und auch wirtschaftlicher Ebene sorgen. Die Landesregierung verbirgt ihre Absichten hinter einem Nebelschleier, da sie offenbar selbst nicht weiß, welche „segensreichen“ Taten von Heranführungsberatern und Projektmanagern zu erwarten sind. Es wäre gut, wenn die Landesregierung in Zukunft auf Allgemeinplätze verzichten und für jedermann verständlich unter Beachtung des Kosten-Nutzen-Effektes ihr politisches Wollen offen legen würde.

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrages!

Die DVU-Fraktion kann jedenfalls einem derart unverbindlichen Bericht keine Sympathie entgegenbringen. Deutschland wird sich mit der Osterweiterung der zehn Staaten plus Türkei und Rumänien schwerwiegende Probleme aufladen, die nicht mehr zu bewältigen sein werden. Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, tragen dazu bei, dass diese EU keine dauerhafte Überlebenschance hat. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Habermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Stobra

wa, auf Ihren Beitrag muss ich zuerst zu sprechen kommen. Sie haben ihn mit der Frage begonnen: Was wollte uns die Landesregierung damit sagen? - Sie müssen doch fairerweise zugeben, dass der Bericht, was die Aufgabenstellung zu Twinning-Projekten betrifft, ausführlich und aussagekräftig ist. Ich bin froh, dass ich von der Landesregierung einmal einen Bericht ohne „Lyrik“ bekommen habe, der sich auf das Wesentliche konzentriert. Das tut er in diesem Fall: Er zeigt die Ziele auf, er zeigt, wie man sie erreicht. Er leitet Handlungsalgorithmen ab. Das finde ich sehr positiv.

Wenn Sie, Frau Stobrawa, immer wieder - in Ihrem Redebeitrag ist mir das aufgefallen - darauf Bezug nehmen, was das Land Brandenburg primär davon hat, muss ich Sie darauf hinweisen, dass die Twinning-Projekte eigentlich nicht für das Land Brandenburg gemacht worden sind, sondern die Europäische Union sie als „Vorbeitrittshilfe“ für die Länder eingerichtet hat, die wir nach dem Gipfel von Kopenhagen dankenswerterweise in der CDU begrüßen können. Also geht es primär um deren Nutzen und nicht primär um den Nutzen, den wir daraus ziehen können.

Dass man aus dieser Sache Nutzen ziehen kann, wird von niemandem bestritten. Frau Ministerin Richstein hat schon darauf Bezug genommen, dass man die Erfahrungen der in diesen Projekten Tätigen durchaus nutzen sollte, um weiter daran zu arbeiten. Wenn man zudem weiß, dass lediglich eine einzige Kraft aus den Landesbehörden in den Langzeiteinsätzen tätig ist, setzt man auch den Bezug zu den Erfahrungswerten und den Datenbanken, die wir dabei aufbauen wollen, in die entsprechende Relation und schraubt seine Erwartungen nicht ganz so hoch.

Eine Bemerkung dazu, warum sich das Land Brandenburg auf diesem Gebiet so stark engagiert. Ich finde das ausgezeichnet. In Sachsen wird dies analog gehandhabt, da sich die Verhältnisse ähneln. Die osteuropäischen Länder schauen gern zu uns, weil wir solche Transformationsprozesse seit 1990 durchlaufen haben und in diesem Zusammenhang vieles mit den Verhältnissen absolut vergleichbar ist, die in jenen Ländern zum Teil noch herrschen. Insoweit sind wir natürlich gute Berater. Diese Tätigkeit begrüße ich durchaus.

Ihrem Entschließungsantrag, liebe Frau Stobrawa - ich bin ein höflicher Mensch, muss dies jedoch sagen - kann ich nicht viel abgewinnen, und zwar aus dem einfachen Grund: Sie haben im Punkt a) ausdrücklich von der Landesregierung verlangt, den Nutzen der einzelnen Projekte für die Vorbereitung der Beitrittsländer darzustellen. Ich bin ein alter Ingenieur. Schreiben Sie doch bitte einmal auf, wie der Nutzen zu beziffern wäre, wenn ich jemanden berate, wie er mit Gesetzgebungsvorhaben oder Förderanträgen umgehen sollte! Wie quantifiziert man da den Nutzen? Damit hätte ich echte Probleme.

Frau Stobrawa will Ihnen vielleicht schon die Antwort geben.

Nein, sie wollte sicherlich etwas fragen.

Wollen wir doch einmal hören. Bitte.

Herr Präsident, ich habe an Herrn Habermann zwei Fragen. Die erste Frage: Hatten Sie mich richtig verstanden, dass ich meinen Beitrag damit begonnen hatte zu betonen, dass das TwinningProgramm der EU eine besondere Form der Verwaltungshilfe für die Beitrittsländer ist, damit sich diese auf die Bedingungen der EU einstellen können? Deshalb möchte ich, was Sie gesagt haben, etwas entkräften. Haben Sie mich diesbezüglich richtig verstanden?

Ich habe Sie richtig verstanden, stelle aber beim Lesen Ihres Entschließungsantrags, in dem immer wieder vom Nutzen für Brandenburg die Rede ist, fest, dass Sie sich in Ihrer Argumentation widersprechen.

Die zweite Frage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die Bürgerinnen und Bürger Osteuropas in der CDU begrüßen wollen? Oder wollen Sie sie in der EU begrüßen?

In der EU natürlich.

(Frau Stobrawa [PDS]: Danke schön, gut.)

Das andere würde ich auch begrüßen, aber der Anspruch wäre wohl etwas zu hoch.

(Allgemeine Heiterkeit)

Was den zweiten Punkt Ihres Entschließungsantrags betrifft, liebe Frau Stobrawa, möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir Ähnliches vorhaben. Wir haben einiges, was Sie die Handlungsempfehlungen im Punkt 6 betreffend anmahnen, schon erfasst. Ich glaube, dass Sie das von Herrn Lenz Gesagte im Grunde genommen unterstützen. Wir liegen bei Europathemen ja selten weit auseinander. Wir sollten uns also im Ausschuss noch einmal damit befassen. Dann kämen die noch fehlenden konkreten Beschreibungen der 17 Twinning-Projekte zum Tragen. Damit werden wir uns sicherlich noch im Einzelnen beschäftigen, das ist eine interessante Angelegenheit. Man sollte dieses Thema vielleicht halbjährlich aufrufen, weil sich hier auch die Verhältnisse stark ändern und Twinning-Einsätze vor allem im kurzfristigen Bereich gefahren werden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir sind am Ende der Rednerliste und beenden die Aussprache. Damit ist der Bericht der Landesregierung, Drucksache 3/5101, zur Kenntnis genommen worden.

Abzustimmen wäre nun der Entschließungsantrag, Drucksache 3/5245, von dem mehrfach die Rede gewesen ist. Wer dem Entschließungsantrag der PDS-Fraktion folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist er mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 13 und rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Änderung des Sonn- und Feiertagsgesetzes

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Drucksache 3/920

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 3/5173

Da vereinbart wurde, auf eine Debatte zu verzichten, kommen wir direkt zur Abstimmung. Wer dieser Beschlussempfehlung folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist ohne Stimmenthaltung der Beschlussempfehlung einstimmig gefolgt worden.

Ich kann den Punkt 14 schließen und rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Weiterentwicklung des brandenburgischen Ganztagsschulkonzepts

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/5157

Die Aussprache wird eröffnet mit dem Beitrag der beantragenden Fraktion. Frau Abgeordnete Große, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Suche nach Wegen aus der durch die PISA-Studie zutage getretenen deutschen Bildungsmisere brachte ein handfestes Ergebnis. Die Bundesregierung stellt den Ländern mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ in den Jahren 2003 bis 2007 4 Milliarden Euro zum Aus- und Aufbau von Ganztagsschulen bereit. Damit wird das Ziel verfolgt, die Qualität von Bildung zu stärken, benachteiligte Kinder besser zu fördern und neue Wege bei der Verknüpfung von fachlichem und sozialem Lernen zu eröffnen. Darüber hinaus soll für die Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert werden.

Brandenburg wird aus diesem Topf 130 Millionen Euro in Jahresscheiben von 9,7 Millionen Euro im Jahr 2003, je 32,5 Millionen Euro von 2004 bis 2006 und noch einmal 22,7 Millionen Euro im Jahr 2007 erhalten. Sehr viel Geld also, das sinnvoll eingesetzt werden muss.

Die Förderanträge sind an die Länder zu richten. Diese wiederum treffen die Auswahl und bestimmen die Regeln zur Durchführung des Verfahrens. Bis zum 30.06.2003 sollen die Anträge beim Bund vorliegen. Das allein erfordert zwingend eine Konzeption. Da die Zuwendungen des Bundes aber nur für investive

Maßnahmen vorgesehen sind, bedarf es aus Sicht der PDS dringend und zügig eines Konzeptes, das auch inhaltliche, personelle und strukturelle Vorgaben aufzeigt

(Beifall bei der PDS)

und auch ausgehend von einer gründlichen Analyse des Vorhandenen den Weg beschreibt, wie mit der Erweiterung und Präzisierung der Ganztagsangebote bessere Qualität erreicht werden kann.

Ganztagsschulen sind nicht nur verlängerte Halbtagsschulen, sondern nach Holtappel

„Lern- und Lebensorte, die den starren Vormittagsunterricht im üblichen Unterrichtsstundentakt überwinden, Lernprozesse rhythmisieren, außerschulische Lernorte und Freizeitaktivitäten einbeziehen, alternative Lernformen wie Projektarbeit, Lernen in altersgemischten Lern- und Freizeitgruppen ermöglichen, selbstständige und eigenverantwortliche Lernprozesse fördern, zusätzliche Interessengebiete erschließen sowie“

- und das halten wir für besonders wichtig -