Protocol of the Session on June 27, 2002

(Zuruf von der PDS: Das ist aber schwach!)

Mit der Forderung nach Herabsetzung des Wahlalters suggerieren Sie, dass sich Ihre Politik dann auch mit dem neuen Wählerpotenzial auseinander setzt.

(Zurufe von der PDS)

Das ist trügerisch und auch falsch. Es geht Ihnen nicht um die Inhalte, sondern allein uni die Akquise.

(Beifall hei CDU und SPD - Zurrte von der PDS)

Eine große Gesellschaftsschicht, deren Angehörige das Wahlrecht bereits haben, nämlich unsere Senioren, wird von llmen politisch nicht erkannt. Ich habe mir einmal die Zeit genommen. auf der Internetseite Ihrer Fraktion nach entsprechenden Begriffen zu suchen. Dabei habe ich den Eintrag bekommen: „Sie

haben nach Senioren und Seniorenpolitik gesucht: es wurden null Einträge gefunden."

(Zurufe von der PDS)

Ich sehe nicht, dass sich der Eintrag änderte, wenn man nach Einführung des Jugendwahlrechts auf Ihrer Internetseite nach dem Begriff „Ju gendpolitik" suchte.

Frau Ahg,eordnete Richstein. gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Vizepräsiden! Hahermann:

Bitte schön, Herr Abgeordneter Vietze.

Frau Abgeordnete. Sie haben darauf abgestellt, dass insbesondere junge Leute auf die Idee kommen könnten, PDS zu wählen, Ist Ihnen entgangen, dass dort, wo die PDS wirklich noch in einem Aufbaustadium begriffen ist, wie etwa in NordrheinWestfalen, dem einwohnerstärksten Bundesland, dieses kommunale Wahlrecht eingeführt wurde, ohne dass ein Grund bestanden hätte, in der Argumentation darauf hinzuweisen, dass es irgendwo im Osten eine PDS gibt, und halten Sie dieses Argument deshalb immer noch für stichhaltig?

Soweit ich mich erinnere, ist die Beteiligung der PDS in Nordrhein-Westfalen so gering, dass man darauf keine Rücksicht zu nehmen brauchte.

(Lachen und Beifall hei der PDS - Frau Dr. Enkelmann [PDS]: So ist das also! - Weitere Zurufe von der PDS)

Es gab andere politische Gruppierungen, die das dort einführen wollten.

Bei der Anhörung im Hauptausschuss herrschte über zwei Dinge Einigkeit. Erstens: Jugendliche sollten ermutigt werden. ihre gesetzlich garantierten Rechte auszuüben und aktiv politisch tätig zu werden. Zweituns: Die Absenkun g des Kommunalwahlalters ist hierfür kein Allheilmittel.

Es gibt bereits eine Vielzahl von politischen Betätigungsfeldern, die wir Jugendlichen einräumen. Ich denke dabei an das Recht zur Einberufung einer Einwohnerversammlung, an die Möglichkeit des Einwohnerantrags oder an die Einwohnerfragestunde. Bei der Einwohnerfragestunde gewähren wir in der Gemeindeordnung sogar den Kindern das Rederecht. Daneben gibt es in vielen Gemeinden auch noch Kinder- und Jugendparlamente, die häufig vor Ort gefördert und unterstützt werden. Wie Sie wissen, ist die Beteiligun g von Kindern und Jugendlichen an diesen Möglichkeiten leider sehr gering.

Jugendliche haben im Übrigen die Möglichkeit, in Jugendorganisationen der Parteien mitzuwirken. Ich stelle fest, dass es insoweit auch gerade in Ihrer Partei noch wenig Aktivitäten gibt.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Sie haben doch gar keine Ahnung? - Ge genrufe von der SPD)

Es gab hei der Anhörung viele inhaltliche Kritikpunkte an der Absenkung des Wahlalters. Es stellte sich beispielsweise die Frage, oh die Differenzierung zwischen dem Kommunalwahlrecht für unter 18-Jährige. das Sie gefordert haben, und dem Wahlrecht für die Landes- und Bundesebene für über 1 8-Jährige nicht den Schluss zulässt, dass seihst die PDS die Verantwortun g davor scheut, Jugendlichen die Möglichkeit der Wahl für das Landesparlament zu eröffnen.

(Zurufe von der PDS)

Lässt das nicht etwa den Umkehrschluss zu, dass Sie die Kommunalvertretung nicht ernst genug nehmen? Wie wollen Sie rechtfertigen, dass man Jugendliche einerseits vor leichtsinnig gefällten Entscheidungen dadurch schützt. dass sie zivilrechtlich erst ah 18 Jahren voll geschäftsfähig sind, dass sie sogar hestimmte Filme erst ah 18 Jahren sehen dürfen, dass man aber andererseits bei den Jugendlichen ab 16 Jahren generell die Fähigkeit unterstellt. wichtige politische Entscheidungen per Stimmabgabe zu treffen'?

(Zurufe von der PDS)

Ich will das ja gar nicht auf jeden Einzelfall beziehen, aber Ihr Antrag richtet sich ja auf die Gesamtheit.

Frau Abgeordnete Richstein, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Nein. jetzt möchte ich erst einmal fortfahren.

(Zurufe von der PDS)

Auch der Staatssekretär im Ministerium des Innern des Landes Schleswig-Holstein, wo es das kommunale Jugendwahlrecht gibt, konnte lediglich von der Hoffnung seiner Landesregierung berichten, dass durch die Herabsetzung des kommunalen Wahlalters Jugendliche an die Politik herangeführt würden und dadurch Politikverdrossenheit entgegengewirkt werde. Er konnte trotz des Wahlalters ab 16 in Schleswig-Holstein dieses nicht mit Zahlen untermauern.

Meine Damen und Herren, wir sind bemüht, Politik für alle Menschen und nicht nur für potenzielle Wähler zu machen. für all diejenigen. die politische Unterstützung und Hilfe benötigen. Wir werden der jungen Generation die für sie wichtigen Signale geben. aber diese liegen nicht vorrangig in der Absenkung des Wahlalters. Wir schließen uns daher der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses an und lehnen Ihren Gesetzentwurf ah. Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Richstein. Ihnen steht noch Redezeit zur Verfügung. Es ist eine Frage angemeldet worden. Wollen Sie diese noch beantworten? - Danke.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zum Beitrag der Fraktion der DVU. Herr Abgeordneter Schuldt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren? Wie lange sollen wir hier im Hause noch darüber diskutieren, ob Pennäler wählen sollen oder nicht? Die damit befassten Ausschüsse. so denke ich, meine Damen und Herren, haben sich hierzu eindeutig ausgesprochen. Wir als Fraktion der DVU haben in diesem Hause wiederholt zum Ausdruck gebracht. dass es nicht die geringste Veranlassung gibt, im Sinne der PDSFraktion irgendetwas an der bestehenden Rechtslage zu ändern.

Wir haben uns auch im Hauptausschuss dazu eindeutig positioniert. Der sachverständige Jurist der CDU-Fraktion hat uns hierbei fast aus der Seele gesprochen. Die §§ 104 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches regeln die Geschäftsfähigkeit. das heißt die Fähigkeit, rechtswirksam Willenserklärungen abzugeben. Dabei handelt es sich nur um rein zivilrechtliche Willenserklärungen. Bei 14- bis 17-Jähri gen sind solche rechtsbedeutsamen Erklärungen schwebend unwirksam. Das heißt, sie hängen von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, in aller Rege] des Erziehungsberechtigten. ab.

Meine Damen und Herren, was sind Wahlstimmen? Das sind nicht nur rechtsbedeutsame Willenserklärungen. die auf einen minimalen Rechtskreis Auswirkungen haben, nein, dabei handelt es sich um politische Willenserklärungen. die in ihrer Auswirkung über das Schicksal eines ganzen Staatswesens entscheiden.

Und noch eine Verständnisfrage. Was ist für das Staatsgefüge nun bedeutsamer - zivilrechtliche Willenserklärungen oder verfassungsrelevante, das heißt staatsrechtliche Willenserklärungen? Diese Logik scheint der PDS völlig abzugehen. Die Abgeordneten der PDS hätten gut daran getan, im Januar am rechtspolitischen Arbeitskreis des Justizministeriums teilzunehmen. Dort hätten sie die Einschätzungen von Jugendrichtern und hochrangi gen Juristen, die sich mit der Frage altersbedingter Reife professionell beschäftigen, hören können. Sie haben unsere Auffassung voll bestätigt. Die betreffende Altersgruppe der 16- und 17-Jährigen weist danach in aller Regel noch nicht die erforderliche Verantwortungsreife auf, tun die Folgen tragfähiger politischer Entscheidungen in jeder Hinsicht beurteilen zu können.

(Unruhe hei der PDS)

Hierzu tritt aber auch noch die in aller Regel bis zum 18. Lebensjahr andauernde Schulpflicht. die jedenfalls im Bereich der Berufsschule vor allem im Hinblick auf die allgemein bildenden Fächer davon zeugt, dass die Entwicklung der Jugendlichen zur Erwachsenenreife bei 16- und 17-Jährigen in aller Regel noch nicht voll ausgeprägt ist. Die PISA-Studie spricht hier für sich.

Die Reifedefizite drücken sich nicht mir im. Bereich der Geschäftsfähigkeit aus, sondern, wie Sie alle wissen, auch im Bereich der Strafmündigkeit.

Es gibt übrigens genügend Möglichkeiten. junge Menschen an die Politik heranzuführen, ihr Politikverständnis zu wecken. Frau Kollegin Richstein hat bereits einige Beispiele aufgezählt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren. die Schizophrenie der PDS zeigt sich im Übrigen darin. dass sie am lautesten schreit, wenn es darum geht, zum Beispiel die Abschaffung des Jugendstrafrechtes für 18- bis 21-Jährige zu diskutieren - das ist wieder voll daneben, meine Damen und Herren -, obwohl es sich uni Erwachsene handelt. Darin zeigt sich die eigentliche politische Unreife der PDS.

(Unmutsäußerungen hei der PDS)

Mehr ist dazu nicht zu sagen. Wir lehnen den Gesetzentwurf selbstverständlich ab. meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der DVU - Zurufe von der PDS und Unruhe)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt und gebe das Wort an die Landesregierung, an Herrn Minister Schönbohm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren? Das Thema, über welches wir heute debattieren, ist nicht neu. aber es hat weiterhin eine weitreichende Bedeutung, geht es doch um die Einbeziehung unserer Jugendlichen in das demokratische Gemeinwesen und um die Meinungsbildung und politische Entscheidung in unserem Gemeinwesen.

Die Zukunft unseres Landes und unserer Demokratie hängt davon ab, ob und wie wir unsere Werte, die viel beschworene demokratische Grundordnung unseren Kindern und Enkeln vermitteln können. Eine frühe Beteiligung an Wahlen kann muss aber nicht - theoretisch ein Mittel auf diesem Wege sein. Wir sollten daher dieses Mittel auf seine Tauglichkeit hin prüfen, ob wir damit das erreichen können, was Sie hier vorschlagen. Es geht dabei nicht um Schnellschüsse.

Zuletzt ist 1996 und 1997 hier im Landtag umfassend über die Herabsetzung der Altersgrenze für das aktive Kommunalwahlrecht auf das 16. Lebensjahr beraten worden. Diese parlamentarischen Beratungen wurden von einer breiten öffentlichen und intensiven Diskussion begleitet.

In dieser Diskussion wurden und werden auch heute noch Argumente gegen die Absenkung des Wahlalters für das aktive kommunale Wahlrecht aus folgenden Gründen angeführt: