Protocol of the Session on June 26, 2002

Diese Grauzonen haben zur Folge, dass der Kompromiss, wie Frau Blechinger betonte, lediglich als eine Übergangslösung angesehen wird. Nach Herrn Fritsch hat die Landesregierung damit ihre Hausaufgaben gemacht. Sicher, was die Beendigung des laufenden Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht angeht, mag er Recht haben. Das Ende des Streits insgesamt ist damit aber wohl in weite Ferne gerückt.

Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass der Konflikt weiter schwelen wird. Die Kirchen werden weiter um die Aufwertung des Religionsunterrichtes kämpfen und auch das Ringen um die weitere zügige flächendeckende Einführung von LER wird fortgesetzt werden müssen. Daher ist die Lösung in der LER-Frage, die Herr Stolpe in den letzten Tagen mehrfach als Erfolg der Landesregierung gepriesen hat, aus unserer Sicht mehr als fragwürdig.

Gestatten Sie mir eine letzte Bemerkung. Diese Gesetzesänderung sollte sich von Anfang an auf die Frage LER/Religionsunterricht beziehen. Neben einigen kleinen redaktionellen Veränderungen schlichen sich plötzlich - gewissermaßen klammheimlich - zwei gravierende Änderungsvorschläge ein, die wir ebenfalls nicht mittragen können. In § 71 soll dem Schulleiter das Recht eingeräumt werden, über die Gewährung der der Schule zur Verfügung stehenden Anrechnungsstunden zu entscheiden. Diese Kompetenz lag bisher bei der Konferenz der Lehrkräfte, die nach den Vorstellungen der Landesregierung künftig aber nur noch über die Grundsätze der Aufteilung entscheiden soll.

Ich werbe für die Zustimmung zu unseren Änderungsanträgen und vor allem zu unserem Entschließungsantrag. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Hartfelder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kaum ein Unterrichtsfach, kaum ein Thema hat im vergangenen Jahrzehnt die bildungspolitischen Debatten in unserem Land so beherrscht wie die sehr emotional ausgetragene Kontroverse um den Status des Religionsunterrichts in Brandenburg und um die Einführung und Ausgestaltung des stets umstrittenen Lehrfaches Lebensgestaltung - Ethik - Religionskunde.

Dabei sind all die Ängste unbegründet, dass nach der uns allen noch gegenwärtigen ideologischen Überfrachtung der Schulen in der DDR mit dem Religionsunterricht nun ein neues Element der Beeinflussung Einzug in unsere Schulen halten könnte. Denn wir hatten nie das Ziel, Religion zum Pflichtfach für alle Schüler zu machen. Es ging uns immer darum, ein ordentliches, aber freiwilliges Unterrichtsangebot zu schaffen.

Viele erkennen in zunehmendem Maße, meine Damen und Herren: Unsere Verantwortung als Eltern, als Pädagogen, als Politiker, aber auch als Bürger gebietet uns, die nachfolgende Generation optimal und umfassend auf all jene Herausforderungen vorzubereiten, die ihr Leben in der Welt der Erwachsenen mit sich bringt. Dies beschränkt sich eben nicht nur auf Wissensvermittlung. Wir alle stehen in der Verantwortung, die Überzeugungen, auf deren Grundlagen wir unseren Mitmenschen begegnen, auch an unsere Kinder und Enkel weiterzugeben, ihnen Werte zu vermitteln und sie zu prägen. Dabei kommt dem Elternwahlrecht ein besonderer Stellenwert zu. Denn wenn es um die Entscheidung geht, wie und welche Werte ihren Kindern auch in den Schulen vermittelt werden, dann obliegt das in erster Linie den Eltern und nicht dem Staat.

(Beifall des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Darum ist es richtig, dass Religionsunterricht einen festen Platz in unseren Schulen erhält. Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, brauchen wir auch ein Schulfach wie LER, im Rahmen dessen auch jene Schüler Gelegenheit zum Nachdenken, zur Diskussion über Wertvorstellungen, über eigene Ideale, Lebensbilder, aber auch über Gott und die Welt erhalten, die keinen Religionsunterricht besuchen möchten. Beide Schulfächer sind legitimer und wichtiger Bestandteil staatlichen Bildungsauftrages.

Daher hat sich die CDU-Fraktion stets dafür eingesetzt, beide Angebote gleichberechtigt im Rahmen eines Wahlpflichtbereiches an Brandenburger Schulen zu etablieren. Gerade noch rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahres liegt dieser Gesetzentwurf nun vor. Frau Große hat zu Recht das Prozedere dabei beklagt. Dennoch bin ich froh darüber, dass wir diese Beschlussvorlage heute noch abstimmen können.

Mit der Verabschiedung dieses Gesetzes schaffen wir die entscheidende Voraussetzung, auf deren Grundlage die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren durch Vergleich beendet werden können. Damit gelingt es uns nach so vielen Jahren kontroverser Diskussionen, in dieser so wichtigen Frage dem Ziel, dem brandenburgischen Kulturkampf ein Ende zu setzen und Rechtsfrieden zu schaffen, einen großen Schritt näher zu kommen.

Ich möchte nicht verschweigen, dass der Weg zu diesem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses steinig war. In der CDU-Fraktion löste die Schulgesetznovelle erhebliche Diskussionen aus. Weder der Vergleichsvorschlag der Karlsruher Verfassungsrichter noch der Gesetzentwurf, den wir heute beraten, sehen Gleichberechtigung zwischen den Unterrichtsfächern Religion und LER vor. Dies bedauern wir sehr. Allerdings begrüßen wir ausdrücklich, dass mit diesem Gesetzentwurf dem Religionsunterricht in Brandenburg endlich ein rechtlich gesicherter Status eingeräumt wird. Konfessioneller Religionsunterricht erhält damit leider noch nicht den Platz, den er verdient hat, aber er erhält überhaupt einen Platz in allen Schulformen und allen Schulstufen.

Religionsunterricht wird in die regelmäßige Unterrichtszeit eingegliedert und benotet wie jedes andere Schulfach auch. Religionslehrer werden endlich in die Lehrerkollegien einbezogen. Zudem wird durch dieses Gesetz die Mitverantwortung des Landes Brandenburg für die Finanzierung des Religionsunterrichtes anerkannt. All diese Punkte beinhalten ein klares Bekenntnis des Landes Brandenburg: Religion ist ein Teil des staatlichen Bildungsauftrages und nicht nur private Veranstaltung einiger weniger Interessierter.

Die CDU-Fraktion hält ausdrücklich an ihrem Ziel fest, dass sich im Geiste der wohl vornehmsten preußischen Tugend, der Toleranz, konfessioneller Religionsunterricht und LER „auf Augenhöhe” als ordentliche Schulfächer an den Schulen Brandenburgs begegnen. Wir werden auch in Zukunft für ein gleichberechtigtes, partnerschaftliches Miteinander und für Fairness im Verhältnis von Religion und LER eintreten.

Wir betonen ausdrücklich, dass nach unserer festen Überzeugung auch im Land Brandenburg Artikel 7 Abs. 3 des Grundgesetzes zu gelten hätte. Dennoch wird die Mehrzahl der Abgeordneten der CDU-Fraktion dem Gesetzentwurf heute zustimmen. Es liegt in der Natur der Sache, dass jeder Kompromiss ein beiderseitiges Nachgeben erfordert, auch wenn dies schmerzlich ist.

Uns fällt die Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf zweifellos schwer, doch steht für die CDU-Fraktion das Ziel im Vordergrund, nach einem Jahrzehnt der politischen Kontroverse und nach sechsjährigem Rechtsstreit in Karlsruhe im Interesse unserer Schüler und im Interesse unserer Eltern und Lehrer endlich Rechtsfrieden in Sachen Religionsunterricht zu schaffen. Damit sorgen wir, Frau Große, für ein Stück mehr Beständigkeit in unserem Schulwesen. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hartfelder. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der DVU, an die Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Theoretisch hätte ich meinen Redebeitrag, den ich während der 1. Lesung gehalten habe, heute noch einmal halten können; denn unsere Meinung zu diesem Gesetzentwurf hat sich nicht geändert. Wir haben an dieser Stelle bereits klargestellt, dass wir den vom Bundesverfassungsgericht vorgeschlagenen Kompromiss mittragen. Er stellt eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem jetzigen Stand dar, indem er wichtige Regelungen für den Religionsunterricht im Schulgesetz verankert. Das ändert aber nichts an unserer Auffassung, dass die derzeitige Konzeption des Faches LER grundsätzlich falsch ist und dass der Religionsunterricht ein gleichberechtigtes Wahlpflichtfach werden sollte.

Ich möchte kurz auf die Beschlussempfehlung des Ausschusses eingehen. Im Gesetzentwurf der Landesregierung stand noch, dass auf Antrag die Note für das Fach Religion ins Zeugnis aufgenommen werden kann. Der Schüler hätte sich also aussuchen können, ob seine Leistungen in diesem Fach zensiert werden oder nicht. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses sieht dies nicht mehr vor, was von unserer Fraktion begrüßt wird.

Weniger begrüßt wird die Tatsache, dass die Zensuren nicht versetzungsrelevant sein sollen. Wir als Fraktion der Deutschen Volksunion sind der Meinung, dass eine generelle Leistungsbeurteilung in Form einer Benotung zu erfolgen hat, welche auch versetzungsrelevant ist.

Wie ich bereits während der 1. Lesung sagte, sehen wir den vorliegenden Gesetzentwurf als einen ersten Schritt in die richtige Richtung, jedoch gehen uns die Änderungen nicht weit genug. Wir fordern eine völlige Gleichstellung der Fächer LER und Religion. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen. - Ich danke.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner. - Das Wort geht an die Landesregierung. Herr Minister Reiche, bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass wir in einer für die Schule in Brandenburg und für Brandenburg insgesamt wichtigen Frage heute eine tragfähige und dauerhafte Lösung beschließen werden. Die Verständigung über, aber auch der Streit um LER und noch viel mehr um das Verhältnis von LER und Religionsunterricht sind über ein ganzes Jahrzehnt geführt worden, auch weit über Brandenburg hinaus. Die Entscheidung, aus Fragen von Lebensgestaltung, Ethik und Religion etwas für das Leben zu lernen, war für uns an dieser Stelle leitend. Diese Entscheidung ist in der Mitte dieses Hohen Hauses vor über zehn Jahren getroffen worden. Sie ist getroffen worden aus demselben Geist, aus demselben Wollen und aus derselben Bemühung für die Menschen in diesem Land wie die Verfassung, deren zehnjähriges Jubiläum wir heute gefeiert haben.

Wir haben damals so wie heute gesehen, dass wir hier im Osten Deutschlands und damit auch in Brandenburg eine besondere

Situation haben und dass wir auch eine besondere Lösung brauchen. Uns allen liegt in gleicher Weise daran, dass Kinder und Jugendliche in unseren Schulen die Fragen von Lebensgestaltung, Ethik und Religion behandeln und etwas lernen können. Das verbindet uns alle. Unterschiedliche Meinungen, oft sogar Streit, gab es nur darüber, welches der beste Weg sei, dieses Ziel zu erreichen.

Heute Morgen haben wir gehört, dass der Streit, als der Souverän über die Verfassung entschieden hatte, sich legte. Ich glaube, dass so etwas auch heute gelingen kann; denn eine große Mehrheit in diesem Haus - die beiden großen Volksparteien und die beiden großen Kirchen - hat sich auf der Grundlage eines Vorschlages des höchsten deutschen Gerichtes verständigt.

Wir haben uns über einen Gesetzestext verständigt, der das Unterrichtsfach LER unangetastet lässt und das additive Fach Religionsunterricht in seiner bisherigen Stellung stärkt.

Gestern hat das Kabinett eine Verordnung und eine Vereinbarung gebilligt, die das von Ihnen heute zu beschließende Gesetz dann, wenn es gilt, ergänzen werden. LER und Religionsunterricht und ihr Verhältnis zueinander in den Schulen des Landes werden heute nicht neu, aber abschließend und klarer geregelt.

Wenn so lange diskutiert worden ist, könnte es auch sein, dass am Ende ein fauler Kompromiss herauskommt. Das ist heute zum Glück anders. Es ist ein guter, ein tragfähiger Kompromiss, eine Lösung mit Augenmaß, eine Lösung, die nicht nur die Schulen in Brandenburg, sondern auch das Lernen und Leben der Brandenburger Kinder und Jugendlichen verbessern kann und wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere aufgrund unserer Darstellung des additiven Ansatzes von LER und Religionsunterricht deutlich gemacht, dass Schüler, die es wollen, die Möglichkeit haben müssen, sowohl am ordentlichen Unterrichtsfach LER als auch an dem in Verantwortung der Kirchen erteilten Religionsunterricht teilzunehmen.

Wir haben in Brandenburg also keinen Wahlpflichtbereich, sondern LER und Religionsunterricht können einander stärken und unterstützen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hackel [CDU])

Ich bin den Kirchen dankbar, dass sie zugesagt haben, ihre Rahmenlehrpläne auf den Rahmenlehrplan von LER abzustimmen.

Jetzt ist der Punkt erreicht, an dem der Streit nicht etwa weiter schwelt, an dem sich beide nicht um die Aufwertung des jeweiligen Unterrichts, sondern um guten LER-Unterricht und um guten Religionsunterricht bemühen; denn der Wert des Unterrichts ergibt sich vor allem aus seiner Qualität und erst dann aus seiner Stellung. Machen wir uns also an die Verbesserung der Qualität!

Dieser Kompromiss wäre nicht zustande gekommen, wenn es keine klare Erklärung aller Seiten gegeben hätte,

(Dr. Hackel [CDU]: Fauler Kompromiss!)

dass mit dem heutigen Beschluss der Streit von allen für beendet erklärt wird.

Ich bitte deshalb uns alle, im Kopf zu behalten, was jeder zugesagt hat - auch dann, wenn die Tinte unter dem Vertrag, unter der Vereinbarung trocken ist. Sie sind Ausdruck dessen, dass wir nicht nur über die Gegenstandsbereiche von Lebensgestaltung, Ethik und Religion gestritten haben, sondern dass wir auch etwas davon verstehen.

Ich danke Ihnen allen, dass Sie diese gute Lösung möglich gemacht haben, und danke Ihnen allen, dass Sie diese gute Lösung auch mittragen wollen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten von Arnim [CDU])

Ich danke Herrn Minister Reiche. - Wir sind damit am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und kommen zur Abstimmung.

Ich rufe zum Ersten zur Abstimmung den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf, der Ihnen in der Drucksache 3/4543 vorliegt und Änderungen in Artikel 1 Nr. 3 § 9 betrifft. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe zum Zweiten den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf, der Ihnen in Drucksache 3/4544 vorliegt und eine Einführung in Artikel 1 Nr. 3 des Schulgesetzes betrifft. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe zum Dritten den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf, der Ihnen in Drucksache 3/4545 vorliegt und ebenfalls Änderungen in Artikel 1 Nr. 3 § 9 betrifft. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe zum Vierten den Änderungsantrag der Fraktion der PDS in der Drucksache 3/4546 auf. Er betrifft Änderungen in Artikel 1 Nr. 4. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe zum Fünften den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf, der Ihnen in der Drucksache 3/4547 vorliegt und Änderungen in Artikel 1 Nr. 6 betrifft. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.