Wenn wir uns die Situation in der Welt anschauen, dann stellen wir fest, dass es die höchsten Geburtenraten in den armen Ländern gibt. Nun kann man sagen, dort seien alle arm. In den hoch entwickelten Industriestaaten vergleiche man sich natürlich mit seinen Nachbarn. Da könne Armut schon ein Grund dafür sein, dass in den Familien wenig Kinder geboren würden. Aber auch das scheint nicht zu stimmen; denn auch in Deutschland sind es nicht gerade die Wohlhabenden, die fleißig sind und viele Kinder in die Welt setzen. Diese Tatsache können wir also auch nicht aus der Welt reden.
Ich glaube, es hat mit einem anderen Problem zu tun. Kinder haben zu wollen hat mit der Bereitschaft zu tun, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen. Die Frage, ob es noch genügend Bürger gibt, die in ausreichendem Maße bereit sind, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen, stellte sich gestern schon einmal, als Minister Reiche, der heute leider nicht hier ist, sicherlich nicht ohne Grund das Beispiel von der Versammlung erzählte, auf der jemand gefragt habe, warum der Staat seine Kinder nicht mehr erziehen wolle, und 300 Anwesende daraufhin Beifall klatschten.
- Frau Kaiser-Nicht, das mag Ihnen nicht gefallen, aber ich meine, diese Art von Verantwortungsbereitschaft muss wieder wachsen. Es muss wieder in sein, mehr Kinder zu haben.
- Frau Kaiser-Nicht, ich will Ihnen gern bestätigen, dass Sie Ihren Beitrag wirklich geleistet haben.
Sicherlich ist auch nicht in Abrede zu stellen, dass die Rahmenbedingungen dafür, dass Kinder gepflegt und ordentlich aufwachsen können, eine ordentliche Ausbildung bekommen, ebenfalls stimmen müssen. Das ist genauso richtig. Zum Thema Bildung wird die Kollegin Siebke gleich noch einige Ausführungen machen.
Die entscheidenden Größenordnungen - das sind auch die Größenordnungen, die wir beeinflussen können, wenn es um die Einwohnerzahl in Gesamtbrandenburg geht - haben mit Zuwanderung und Abwanderung zu tun. Wir wissen - das ist unbestreitbar -, dass die Abwanderung aus Brandenburg ein großes
Problem ist. Das hat mit den fehlenden Arbeitsplätzen zu tun und betrifft insbesondere die jungen Leute.
Die Zuwanderung, die, wie schon erläutert, in den letzten Jahren sehr stark zurückgegangen ist, lässt sich nur durch die Erhöhung der Attraktivität unserer Region wieder steigern. Dies löst das Problem aber nicht für Gesamtdeutschland. Wenn wir im Wettbewerb der Bundesländer mehr Einwohner nach Brandenburg holen, dann fehlen diese woanders. Daran, dass die Bevölkerungszahl in Deutschland insgesamt sinkt, würde sich dadurch nichts ändern.
Es gibt nur drei Möglichkeiten: Entweder wir richten uns mit einer niedrigeren Einwohnerzahl ein, oder wir setzen das Zuwanderungsgesetz in Kraft und holen uns Einwohner aus anderen Ländern,
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch zwei Punkte ansprechen. Die Abwanderung beeinflusst die Alterspyramide negativ; denn insbesondere die Schulabsolventen verlassen das Land, um Lehrstellen und Arbeit zu finden. Die Zuwanderung beeinflusst die Alterspyramide positiv; denn die Leute, die hier zuziehen, sind in der Regel schon im Arbeitsleben stehende Familien. Das heißt: Die Mittelalten kommen zu uns, während die relativ Jungen gehen.
Der zweite Punkt: Diese Entwicklung verstärkt selbstverständlich die Disproportion zwischen dem engeren Verflechtungsraum und dem äußeren Entwicklungsraum.
In dem Tagesordnungspunkt steht auch das Wort Handlungsansätze. Wir sollten also nicht nur die Situation beschreiben, sondern auch über die Frage reden: Was kann die Politik tun oder was hat die Politik auf den Weg gebracht, um dem entgegenzuwirken? Sie kennen diese Diskussion. Gestern klang das wieder deutlich an.
Die Infrastruktur im ländlichen Raum - auf den kommt es im Wesentlichen an; denn im Speckgürtel gibt es keinen Einwohnerverlust - wird immer schwerer zu halten. Das sind die Standorte der Kitas, das sind die Standorte der Schulen, das ist der ÖPNV, der flächendeckend aufrechterhalten werden muss, das ist die Thematik Abwasserentsorgung, das ist die Thematik Wohnungsleerstand.
Wenn Sie an die vergangenen Diskussionen intensiv zurückdenken, dann werden Sie feststellen, dass das Thema “Schulen im ländlichen Raum” einen besonderen Schwerpunkt der Landespolitik darstellt. Das Thema Sekundarschule oder ähnliche Lösungen ist im Gespräch. Wir brauchen auch im ländlichen Raum eine Grundversorgung an Bildung und Ausbildung und können nicht alles auf die Kreisstädte konzentrieren.
Sie konnten gerade kürzlich in der Presse lesen, dass es zwischen dem Verkehrsverbund und Mercedes eine Vereinbarung über den Versuch gibt, sechs Vaneos als Ruftaxis zu installieren, weil regelmäßig verkehrende Buslinien dort nicht mehr leistbar sind.
Sicherlich haben Sie auch die Debatte verfolgt, die dankenswerterweise insbesondere vom Kollegen Gemmel hier vorangetragen wurde und in der es darum geht, bei der Abwasserentsorgung im ländlichen Raum auch dezentrale Lösungen zuzulassen, da solche modularen Lösungen der Entsorgung auch bei geringeren Einwohnerzahlen wirtschaftlicher funktionieren als verrohrte Großanlagen.
Das Thema Stadtumbau, für das der Kollege Vogelsänger zuständig ist, hat diesen Namen nicht umsonst; denn es handelt sich nicht um ein reines Abrissprogramm. Die Attraktivität unserer Städte auch im ländlichen Raum muss neben der Beseitigung nicht mehr benötigter Wohnungen auch durch das Bild der Städte insgesamt erhöht werden. Nur dann werden wir wieder Zuzug bekommen.
Das große Oberthema heißt also: Schaffen wir es, die Infrastruktur im ländlichen Raum modular zu gestalten, sodass entsprechend der Einwohnerbewegung Module zu- und abgeschaltet werden können? Nur das scheint vernünftig zu sein.
Sicherlich wird man sich im Einzelfall immer wieder darüber unterhalten müssen, wie weit man dies treiben kann, ob es überhaupt Aufgabe der Politik ist, die Einwohnerzahl pro Quadratkilometer konstant zu halten, oder ob es nicht sinnvoller ist, dieser Entwicklung folgend das Geld angepasst und zielgerichtet, effektiv auszugeben und die wenigen Chancen, die wir haben, zu nutzen. Damit spreche ich auch Großprojekte wie die Chipfabrik an.
Es wäre besser, wir hätten mehr solche Chancen. Allerdings sollten wir auch nicht jedes beliebige Risiko eingehen. Das Verhalten der Landesregierung in Sachen Cargolifter halte ich für durchaus richtig. Ich bin relativ überzeugt davon, dass diese Technologie eine Zukunft hat und dass sich ein Investor finden wird, der dieses Vorhaben mit vielleicht etwas mehr betriebswirtschaftlichem Sachverstand weiter betreibt.
Ich glaube, die Väter der Brandenburger Landesverfassung haben nicht dort hineingeschrieben, wir sollten als politische Aufgabe die Einwohnerzahl stabilisieren, sondern darin steht der Auftrag, die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen zu garantieren.
Das streben auch Länder mit niedrigerer Einwohnerdichte an. Beispielsweise in Finnland hat die außerordentlich geringe Einwohnerdichte sicherlich nicht zu einem schlechteren Lebensstandard als dem Brandenburger geführt, jedoch beobachten wir auch, dass die staatliche Regelungsdichte dort viel niedriger ist. Wenn wir uns im ländlichen Raum also auf niedrigere Einwohnerzahlen einrichten, müssen wir wahrscheinlich auch viel mehr Freiheit in die kommunale Selbstverwaltung geben und nicht jedes Detail von der Landesebene aus regeln wollen.
Ein wirksames Gesamtkonzept für Brandenburg, wie im Koalitionsvertrag nachzulesen, fordert das Zusammenwirken aller Ressorts. Ich glaube, hier haben wir noch Reserven. Wir neigen noch zu sehr dazu, immer nur den Einzelhaushalt und dessen
Wohlergehen zu betrachten. Zumindest im Raum Brandenburg könnte die gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise Verbesserungen bringen.
Wir sehen aber auch sehr deutlich einige Handlungsstränge, die ein Gesamtkonzept für Brandenburg dokumentieren, was wir neulich angesprochen haben. Bildungspolitik ist ein ausgesprochener Schwerpunkt; denn nur gut ausgebildete Schulabgänger haben die Chance, in der Wirtschaft Fuß zu fassen, und die Wirtschaft hat nur eine Chance, wettbewerbsfähig zu sein, wenn sie gut ausgebildete Schulabgänger zur Verfügung gestellt bekommt. Auf der anderen Seite braucht die Wirtschaft den technologischen Vorlauf der Wissenschaft, um am Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben.
Meine Damen und Herren, eine weitere Chance möchte ich noch kurz erwähnen, und zwar das Zusammengehen mit Berlin. Wenn wir der Überzeugung sind, dass sich die gesamte Region BerlinBrandenburg zusammen besser entwickelt, dann sollten wir so bald wie möglich zusammengehen, weil dann auch die Schulden schneller abgetragen werden können, als es sonst der Fall wäre.
Zum Schluss eine weitere politische Aufgabe, um die es heute geht: Wir sind alle, die wir hier stehen und sitzen, Botschafter Brandenburgs. Verhalten wir uns auch so! Lassen Sie uns unser Land in der Weltöffentlichkeit als das darstellen, was es ist, nämlich ein herrliches Stück Deutschland, in dem es sich auch in Zukunft zu leben lohnt.
Ich danke dem Abgeordneten Fritsch. - Ich gebe das Wort an Herrn Abgeordneten Prof. Dr. Bisky für die Fraktion der PDS.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick habe ich mich darüber gefreut, dass Sie dieses vielschichtige und komplexe Thema auf die Tagesordnung gesetzt haben, meine Damen und Herren von der SPD. Auf den zweiten Blick aber habe ich mich gefragt, warum der Herr Ministerpräsident in seiner vor gut vier Wochen in diesem Hause gehaltenen Regierungserklärung nicht ausführlicher darauf eingegangen ist; denn die Möglichkeit dazu hat es gegeben.
Die Antwort ist simpel. Vor gut vier Wochen ging es der Regierung noch darum, von ihrer Krise und ihrem gegensätzlichen Parteienservice abzulenken und mit schönrednerischer Kraft Erfolge wenigstens herbeizureden und selbst den Hauch eines scheinbaren Problemchens nicht zuzulassen.
Nun stehen Sie fast schon wieder vor einem ähnlich großen Problem; denn es naht die Bundestagswahl. Sie werden den Leuten doch nicht ernsthaft einzureden versuchen, Sie hätten erst jetzt aufgrund der Statistik die Demographie und die Abwanderung entdeckt!
Meine Damen und Herren, davon redet die Opposition seit einem Jahr. Ich hoffe, dass das deutlich genug ist. Sie haben das Problem bisher verniedlicht, verschwiegen und schöngeredet. Das ist die Fragestellung und deshalb müssen wir miteinander darüber ernsthafter ins Gespräch kommen.
Nun stehen die Bundestagswahlen an. Kaum, dass Sie meinen, die Zuwanderungsfrage überstanden zu haben, stehen Sie wieder vor einem großkoalitionären Problem - dieses Mal hinsichtlich der Abwanderungsfrage. Ob Zu- oder Abwanderung, ob Schröder oder Stoiber, ob Stolpe oder Schönbohm oder alle miteinander, ich sage Ihnen: Fehlende Arbeitsplätze sind das Problem;
denn im Prinzip gilt - ich sage das verkürzt, aber berechtigt -: Je weniger Arbeitsplätze = Lebensperspektiven, desto höher die Abwanderung.
Mit einer akzentuierten und mit dem Namen Hildebrandt verbundenen Arbeitsmarktpolitik hatten Sie Hoffnung genährt, die nach zweieinhalb Jahren großer Koalition und der deutlich veränderten Politik selbst den Gutgläubigsten abhanden gekommen ist. Somit wandern auch die Gutgläubigen der Arbeit hinterher.
Die CDU auf Bundesebene sagt, es sei den Leuten nicht zumutbar, dass Deutschland das Schlusslicht im Wirtschaftswachstum in Europa ist, womit die CDU laut Meinungsumfragen ganz deutlich punktet. Obwohl Brandenburg bezogen auf den Indikator Wirtschaftswachstum das Schlusslicht der Bundesländer im Osten ist, werden beide Fakten in je unterschiedlichen Wahlkämpfen ganz verschieden interpretiert. Ich hoffe aber, dass die Leute Sie das Gleiche fragen werden, warum Sie die Zahl der Arbeitsplätze in Brandenburg nicht erhöhen können.
Wir haben Ihnen als PDS in den letzten beiden Jahren viele Vorschläge unterbreitet, die Sie abgelehnt haben. Einige dieser Vorschläge muss ich wiederholen. Voranstellen möchte ich aber einen ganz wichtigen für die SPD. Ich glaube, es wäre gut, wenn sie umkehren und auf dem einst mit dem Namen Hildebrandt verbundenen arbeitsmarktpolitischen Weg weitergehen, um den es mir geht.
Ich sage Ihnen: Unterlassen Sie doch bitte die bayerischen Umwege; denn bisher hatten Sie damit wenig Erfolg!