Protocol of the Session on March 6, 2002

(Beifall bei der PDS)

Der Flughafen Berlin Brandenburg International, mal als internationales Luftdrehkreuz, mal als Großflughafen gewünscht, gehört zu den Luftschlössern dieser Landesregierung, einer Landesregierung, die vom Schlüsselstrukturprojekt spricht wie einst die DDR-Regierung von den Schlüsseltechnologien. Wie diese Regierung endete, ist Ihnen sicherlich noch in Erinnerung.

(Heiterkeit bei der PDS - Lachen bei SPD und CDU)

Seit Jahren kriegen Sie keine brauchbare Entscheidung mit Ihren Partnern in Berlin und im Bund zustande und nun müssen wir heute von Ihnen erneut hören, wie wichtig dieses Projekt ist. Das ist schon bemerkenswert. Deshalb unsere Aufforderung: Handeln Sie endlich; denn es gibt wirklich die Notwendigkeit zum Handeln, Arbeitsplätze zu schaffen und strukturpolitische Entscheidungen zu treffen.

An erster Stelle steht dabei Ihre unbewiesene Behauptung von der Jobmaschine und - das haben Sie heute hinzugefügt - von der Geldmaschine Flughafen. Mindestens seit Ihrem Konsensbeschluss im Jahr 1996 haben Sie in den über 20 Flughafen

Anliegergemeinden jegliche Ansiedlung und Entwicklung untersagt. Damit haben Sie seit Jahren die Schaffung von Arbeitsplätzen in dieser Region verhindert.

Die Vertreter der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wissen, wovon sie sprechen, wenn sie den BBI einen Jobkiller nennen. Die künftige Konzentration von Kapazitäten und Personal auf einen Standort setzt natürlich Arbeitskräfte von den jetzt 12 000 Arbeitsplätzen an den drei Flughäfen frei. Im AviationBereich wird mit überflüssigem Personal von über 1 000 Personen gerechnet und im Non-Aviation-Bereich ist mit einer ähnlichen Größenordnung beim Personalabbau zu rechnen. Denn alles, was bisher an den drei Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld doppelt und dreifach existiert - ich zähle hier nur auf: Reinigungskräfte, Sicherheitspersonal, Feuerwehren, Abfertigungskapazitäten bis hin zu Parkplätzen, Wechselstuben, Autovermietungen, Zeitungskiosken, Reisebüros, Hotels, Restaurants usw. -, wird dann an dem einen Standort natürlich nur noch einmal gebraucht. Dieser Arbeitsplatzabbau, meine Damen und Herren, muss erst einmal durch neue Arbeitsplätze kompensiert werden.

Aber auch die inzwischen durchgeführten empirischen Untersuchungen kommen zu einem überraschenden Ergebnis:

“Das Vorhandensein eines internationalen Großflughafens ist keine Bedingung für eine positive Beschäftigten-Entwicklung der Region. Es gilt für alle Infrastruktureinrichtungen: Je besser die Erreichbarkeit, desto größer das Einzugsgebiet und umso geringer die Auswirkungen auf den Mikro-Standort.”

Was ist damit gemeint? Am Beispiel des Flughafens Frankfurt am Main wird es erläutert; ich zitiere ein zweites Mal:

“Der Anstieg der versicherungspflichtigen Beschäftigten in Frankfurt am Main, im Flughafen-Umland und in Südhessen liegt unter dem Durchschnitt der alten Bundesländer. Von einem positiven Beschäftigungsmultiplikator für das Flughafen-Umland ist in der amtlichen Statistik nichts zu erkennen, im Gegenteil: Je weiter man sich vom Frankfurter Flughafen entfernt, desto besser wird die Beschäftigten-Entwicklung.”

Das ist nachzulesen in dem Buch Bernd Hausmanns “Der Frankfurter Flughafen und die Entwicklung der Arbeitsplätze in der Region” von 1999.

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

- Ich will einfach nur, Herr Klein, dass Sie auch diese Argumente bedenken.

Zudem kritisieren die Gewerkschaften seit Jahren die extrem schlechten Arbeitsbedingungen für Beschäftigte. Insbesondere geht es hierbei um prekäre Arbeitsverhältnisse vor allem in Dienstleistungsunternehmen an großen deutschen Flughäfen.

(Zuruf von der PDS: Ihr hättet es doch schon realisieren können! - Gegenruf von der CDU: Wenn Ihr nicht wärt! - Weitere Zurufe)

- Das war die richtige Antwort.

Meine Damen und Herren, ich kann mich nicht erinnern, jemand anderem als der Abgeordneten Tack das Wort erteilt zu haben.

Ich bedanke mich, Herr Präsident. - Die PDS fordert die Landesregierung daher auf, sich gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft und den anderen BBF-Gesellschaftern dafür einzusetzen, dass die Arbeitsbedingungen an den BBFFlughäfen für die genannten Beschäftigten verbessert und Konzepte für Alternativarbeitsplätze für diejenigen Menschen entwickelt werden, die bei Konzentration von Kapazitäten und Personal auf einen Single-Flughafen-Standort ihren Arbeitsplatz verlieren werden.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Allein das Beispiel der Arbeitsplätze zeigt, wie oberflächlich und wenig ernsthaft Sie sich bisher mit dem BBI-Projekt, seinen Voraussetzungen und Auswirkungen befasst haben. Wenn Sie dieses Projekt in den zurückliegenden Jahren nur einmal so wichtig genommen hätten, wie Sie immer behaupten, dann wären Ihnen neben Ihren falschen Arbeitsplatzversprechen vielleicht auch nicht jene kapitalen Fehler unterlaufen, die das Projekt heute mehr denn je infrage stellen. Dazu gehören erstens das Schuldenmachen am Baufeld Ost im Umfang von 350 Millionen Euro und einer jährlichen Zinsbelastung von 15 Millionen Euro, zweitens die Missachtung des Raumordnungsverfahrens durch einen Konsensbeschluss zum Standort Schönefeld, der auf total wackligen Planungsgrundlagen basiert, und drittens das Scheitern der Privatisierung mit Hochtief vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (Oder), das inzwischen millionenschwere Gerichtsprozesse und weitere Kosten in Höhe einer halben Milliarde Euro nach sich zog.

Worüber - das frage ich Sie, Herr Ehler - wollen Sie heute mit uns reden? Darüber, wie man ein “Schlüsselstrukturprojekt” erfolgreich verhindert, oder darüber, wie man aus den begangenen Fehlern lernt?

(Zuruf von der CDU: Wie man es verhindert, lernen wir gerade von Ihnen!)

- Ich denke eher, dass Sie daran beteiligt waren.

(Zuruf von der PDS: Das denke ich auch!)

Folgende Tatsachen sind auch von Ihnen nicht zu übersehen:

Erstens: Das BBI-Projekt hat keine verfassungsrechtlichen Planungsgrundlagen. Eine zweite Entscheidung in diesem Sinne steht offensichtlich am 20. März vor dem Oberverwaltungsgericht in Frankfurt (Oder) an. Das BBI-Projekt wird planungsrechtlich nicht durchsetzbar sein. Ein Abbruch des Planfeststellungsverfahrens wird daher immer wahrscheinlicher.

Die PDS bezeichnet jeden Euro, den Sie unter diesen falschen Voraussetzungen weiterhin in dieses Projekt stecken, als spekulative Verschwendung von Steuergeldern.

(Beifall bei der PDS)

Dafür tragen Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, die Verantwortung. Sie tragen sie angesichts einer wachsenden Verschuldung des Landes.

(Homeyer [CDU]: Das, was Sie sagen, hören wir richtig gern! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Da brauchen Sie überhaupt nicht nach Berlin zu sehen; vielmehr wächst die Verschuldung hier im Land Brandenburg, wie wir zur Kenntnis nehmen mussten.

Zweitens: Das BBI-Projekt ist so risikobehaftet, dass künftig jahrelang mit Hunderten Millionen Euro Haushaltsbelastung zu rechnen wäre, die am Ende ins Unermessliche wachsen können, weil heute niemand steigende Baupreise, steigende Kosten für die Verkehrsanbindung, explodierende Kosten für Flächenerwerb nach Ablauf der Bindungsfristen, Altlasten und notwendige Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ausschließen kann. Woher will das Land Brandenburg bei steigender Verschuldung dieses Geld nehmen?

Drittens hat der Landesrechnungshof deutlich gesagt, dass die Entschuldung der BBF durch ihre Gesellschafter erfolgen muss, weil kein privater Investor dies übernehmen würde. Ich frage Sie, Frau Ministerin Ziegler: Wo haben Sie im Haushalt 2002/2003 Vorsorge für die Entschuldung der BBF durch ihre Gesellschafter getroffen? Warum wird diese Entschuldung der BBF von Jahr zu Jahr verschleppt? Diese Verschleppung hat den Steuerzahler inzwischen mehr gekostet als die Schulden selbst.

Viertens: Nach dem vorliegenden Bieterangebot von IVG und Hochtief zeichnet sich zudem erneut ab, dass weder eine hundertprozentige noch eine überwiegende Privatfinanzierung eines Flughafens am Standort Schönefeld, so wie die Ausschreibung für den BBI lautet, möglich sein wird. Es gibt nach wie vor eine Finanzierungslücke von mehr als 60 % der Gesamtinvestitionssumme von über 5 Milliarden Euro. Das sind reine Tatsachen, im Hinblick auf die es eine Entscheidung zu treffen gilt.

Deshalb, meine Damen und Herren, fordert die PDS Sie auf das ist eine mit der Berliner PDS abgestimmte Position -, gemeinsam mit den anderen Gesellschaftern Schritte einzuleiten, damit das Vergabeverfahren für den BBI rechtssicher abgebrochen werden kann. Das wird zugegebenermaßen schwierig, weil Sie auch dafür überhaupt keine rechtliche Vorsorge getroffen haben.

Wir fordern in diesem Zusammenhang eine Überarbeitung der Bedarfsbegründung für einen Single-Flughafen anhand der bis jetzt nachvollziehbaren Prognosezahlen und unter Beachtung der anstehenden bundes- und europapolitischen Entscheidungen - ich erinnere hier nur an notwendige und angekündigte Entscheidungen zum Lärmschutz - sowie der weltweit rückläufigen bzw. stagnierenden Entwicklung im Luftverkehr. Auch diese Forderung hat der Landesrechnungshof erhoben. Das werden Sie zur Kenntnis genommen haben.

Die PDS fordert Sie auf: Prüfen Sie endlich die vorliegenden Alternativkonzepte, sowohl das Konzept der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wie auch mehrere Integrationskonzepte zum Flughafen in Schönefeld. Diese sparen Geld, senken Risiken und schonen Menschen und Umwelt.

Die PDS plädiert für eine ressourcenschonende und damit für eine wirtschaftlich, finanziell und rechtlich tragbare Flughafenlösung in der Region Berlin-Brandenburg.

Meine Damen und Herren von der Koalition, ich wiederhole mich in diesem Fall gern: Einen Fehler einzugestehen ist keine Schande, ihn aber wider besseres Wissen fortzusetzen ist unseres Erachtens verantwortungslos. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Frau Abgeordnete Tack. - Das Wort geht an die Fraktion der SPD. Herr Abgeordneter Müller, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Tack, Ihre Rede hat ein Stück weit das Problem von BBI deutlich gemacht. Dazu will ich einige Punkte in Erinnerung rufen. Sie benutzen nämlich Halbwahrheiten und zum Teil Unwahrheiten.

(Widerspruch bei der PDS)

Das ist genau das Problem der öffentlichen Diskussion: Wir sind immer wieder damit konfrontiert, dass die Leute durch solche Äußerungen durcheinander gebracht werden.

(Beifall bei der CDU)

Sie führen an, der Landesrechnungshof habe gesagt, Finger weg vom Großprojekt. Ich kann nicht erkennen, dass die Stellungnahme des Landesrechnungshofes eine solche Aufforderung enthält. Vielmehr wird kritisch hinterfragt; das ist völlig richtig und das ist die Aufgabe des Landesrechnungshofes. Es wird auf Risiken hingewiesen. Dort wird aber gerade nicht gesagt: Finger weg vom Großprojekt.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Tack [PDS])

Insbesondere das Wort Großprojekt ist ohnehin etwas fragwürdig.

(Frau Tack [PDS]: Allerdings, ja!)

Wir reden hier über einen Single-Flughafen. Es steht weder infrage, dass man ihn realisieren kann, noch, dass wir ihn brauchen.