Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Emotionen, die die Prozesse nach dem Zusammenbruch der DDR in Verbindung mit dem raschen Systemwechsel ausgelöst haben, sind zu vergleichen mit den Bodenwellen eines Erdbebens, die alle Generationen in tiefer Weise erschüttern.
Ein konkretes Beispiel: Als ich 1992 meine Arbeit als Jugendsozialarbeiter begann, hatte ich es mit radikalisierten Jugendlichen zu tun, die in der Regel über 20 Jahre alt waren. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir geschworen: Du arbeitest mit allen, aber nicht mit pubertierenden Jugendlichen! - Es hat keine zwei bis drei Jahre gedauert, da hatte ich es schon mit 12- bis 14-Jährigen zu tun.
Die Prozesse unter Jugendlichen verlaufen mitunter so dynamisch, dass sie von der Politik in aller Regel schwer nachvollziehbar sind. Gerade meine Erfahrungen im rechten und rechtsradikalen Milieu haben mir gezeigt, dass die Strukturen - aus der Nähe betrachtet - längst nicht so manifest sind, wie sie von weitem aussehen. Für Sie, meine Damen und Herren von der DVU, kann das bedeuten: Ja, zum Zeitpunkt Ihrer Wahl haben Sie den Zeitgeist eines bestimmten Teils auch junger Menschen in dieses Parlament getragen, was nicht ausschließt, dass Sie schon jetzt, zweieinhalb Jahre später, Ihr eigener Anachronismus sind.
Wir haben Sie in diesem Parlament schon so oft wie einen Amokfahrer auf der Autobahn rechts und links blinken sehen, dass hier sicherlich niemand mehr bereit ist, Sie überhaupt noch ernst zu nehmen.
Die Gelegenheit, sich an der Koalition wieder einmal vorbeizueifern, wurde Ihnen dadurch gegeben, dass weder die Regierungsfraktionen noch der Ministerpräsident dem Thema den nötigen Ernst beimessen.
Für die PDS ist die Situation der Jugend Brandenburgs eines der herausragenden Themen überhaupt. Seit Jahren werben wir dafür, Jugendliche nicht aus ihren Mängeln, sondern aus ihren Stärken heraus zu definieren. Wenn wir Politikerinnen und Politiker Partner unserer jungen Menschen sein wollen, dann müssen wir nach ihren Potenzialen fragen.
Ich wiederhole, was ich hier schon einmal gesagt habe: Jugendliche von heute sind weitgehend resistent gegen aufgesetzt autoritäre Erziehungsmethoden. Jugendliche von heute sind weitgehend resistent gegen plakativ-moralisierende Formeln. Jugendliche von heute spüren relativ schnell und sensibel, ob sie von einem Erwachsenen partnerschaftlich oder von oben herab angesprochen werden. Wir müssen also nicht nur von unseren Jugendlichen mehr Mobilität und Flexibilität verlangen; die Landespolitik muss mobiler und flexibler werden.
Wenn Herr Minister Schelter Projekte fördert, um radikalisierte Jugendliche in den Haftanstalten sozialarbeiterisch und demokratisch aufklärend zu betreuen, dann ist das ein Schritt in die Richtung, die ich meine.
Wenn Herr Minister Reiche zunehmend Projekte würdigt, in denen inhaltliche und wirtschaftliche Kompetenz eine Einheit bilden und zugleich Partnerschaftlichkeit und Leistungsbereitschaft einander nicht ausschließen wie in der Frankfurter Kita „Spatzenhaus” oder im dortigen Gauss-Gymnasium, dann ist das ein Schritt in die richtige Richtung.
Aber unser Land braucht nicht nur Leuchttürme, sondern viele solcher Schritte. Das setzt voraus, dass die Jugendpolitik Chefsache wird. Wir brauchen Projekte, die Jugendliche aus ihren Lebenswelten heraus fördern. Wir brauchen Projekte, die Gruppenzusammenhänge als produktive Voraussetzung für Kreativität begreifen. Früher nannten wir das einmal „Jugendobjekt”. Wenn ich der Jugend in Brandenburg eine Chance für die Zukunft geben will, dann ist das Sache aller Ministerien, der gesamten Verwaltung und auch die der Parlamentarierinnen und Parlamentarier.
Was wir brauchen, sind nachvollziehbare Schritte, um berechtigter Unduldsamkeit eine vernünftige Bahn zu geben. Im Zusammenhang mit der Großen Anfrage „Jugend im ländlichen Raum” werde ich noch einmal darauf kommen.
Eine stabile Situation Ausbildung und Arbeit für Jugendliche betreffend ist für uns der wichtigste Indikator für die Gesundung eines Landes. Doch dass es genau an dieser Stelle nicht zum Besten bestellt ist, dazu wird meine Kollegin Dr. Schröder gewohnt klare Worte sprechen. - Danke.
Ich danke dem Abgeordneten Hammer und gebe das Wort an die Fraktion der CDU, Herrn Abgeordneten Homeyer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst eine, wie ich finde, sehr wichtige Feststellung treffen: Unsere Brandenburger Jugendlichen sind nicht überwiegend Kriminelle - dieser Eindruck drängte sich nach Ihrer Rede, Frau Hesselbarth, leider auf -, sondern bis auf einige wenige schwarze Schafe rechtschaffene, ehrliche, engagierte junge Menschen, die auch eine Perspektive haben.
Ihre Behauptung, dass die Jugendkriminalität im Land Brandenburg bedrohlich zunehme, ist ebenso falsch. Würden Sie, Frau Hesselbarth, sich nicht nur auf die Zuarbeiten aus München verlassen, sondern die Polizeiliche Kriminalstatistik Brandenburgs zu Rate ziehen, dann könnten Sie feststellen, dass der Anteil der Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden an allen Tatverdächtigen sinkt.
Er lag in der PKS 2000 bei 33,7 % und verringerte sich damit gegenüber dem Vorjahr um 2,3 %. Insbesondere bei den 18- bis 21-Jährigen sinkt die Zahl der Tatverdächtigen stetig. Selbstverständlich ist auch ein Anteil von 33,7 % Jugendlichen an den Tatverdächtigen zu hoch. Auch deren immer brutaleres Vorgehen kann und wird nicht hingenommen werden. Doch sollte man, wenn man hier im Landtag eine Rede hält, vorher sauber recherchieren und keine Unwahrheiten verbreiten.
Es liegt mir fern, meine Damen und Herren, die Situation schönzureden. Selbstverständlich gibt es in unserem Bundesland wie übrigens auch in den anderen neuen Bundesländern Probleme, die es zu lösen gilt und die wir, sofern es in unserer Macht liegt, auch lösen werden.
Unsere Aufgabe ist es, den Jugendlichen Perspektiven aufzuzeigen und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um ihnen den Berufseinstieg zu ermöglichen. Dies ist beispielsweise insoweit gelungen, als wir es auch im letzten Jahr geschafft haben, dass jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekam.
Übelste Propaganda ist deshalb Ihre Behauptung, Jugendarbeitslosigkeit sei schuld an Jugendkriminalität. Dies ist ebenfalls falsch und durch nichts bewiesen. Ein besonders schreckliches Beispiel, das gegen Ihre Behauptung spricht, ist der brutale Mord an einem Wachmann, der am 28. Dezember 2001 in Strausberg begangen wurde. Die geständigen Tatverdächtigen waren zwei Schüler der 10. Klasse der Realschule und zwei Auszubildende, die Ausbildungsplätze bei renommierten Aus
Meine Damen und Herren, in den Jahren 1998 bis 2000 ging die Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen um 0,5 Prozentpunkte zurück. Laut Arbeitsmarktstatistik vom Dezember 2001 waren von den 231 500 arbeitslos gemeldeten Personen 4 812 Jugendliche unter 20 Jahren, mithin 2,1 %, arbeitslos. Selbstverständlich ist jeder Arbeitslose, insbesondere aber jeder jugendliche Arbeitslose, einer zu viel. Frau Hesselbarth, Sie können aber nicht einfach Zahlen negieren und hier Ihren populistischen Dampf ablassen.
Die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt ist kein brandenburgisches Phänomen, sondern ein Problem, das ebenfalls alle neuen Bundesländer betrifft. Dennoch werden in den Gemeinden und Kreisen, aber auch vom Land gerade für die Jugendlichen erhebliche Anstrengungen unternommen. Selbstverständlich bedauern wir es, dass einzelne Regionen unseres Landes einen Wegzug von unter 30-Jährigen zu verzeichnen haben. Aber, meine Damen und Herren, Mobilität von jungen Menschen hat es immer gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Es ist jedenfalls maßlos übertrieben, von einer Ausdünnung ganzer Regionen zu sprechen, wie Sie es tun. Ich kann dies deshalb auch nur zurückweisen.
Wir bemühen uns, die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir fördern Infrastrukturprojekte gerade in den strukturschwachen Regionen. Wir betreiben eine speziell auf die Peripherie ausgerichtete Ansiedlungspolitik. Hierbei setzen wir insbesondere auf die Stärkung des mittelständischen Unternehmertums. An den Hochschulen bieten wir zum Teil bundesweit einmalige Studiengänge an und kooperieren dabei mit der Wirtschaft.
Dies waren nur einige wenige Beispiele dafür, wie wir versuchen, den Jugendlichen eine Perspektive in unserem Land zu geben. Wir werden in unseren Bemühungen auch nicht nachlasssen. Wichtig erscheint mir jedoch - hierfür kann die Politik nur Rahmenbedingungen vorgeben - die Vermittlung von Werten, was nicht nur durch die Schule geleistet werden kann, sondern insbesondere durch die Familie, durch die Eltern geleistet werden muss. Diese tragen Verantwortung und haben die gesellschaftliche Pflicht, unseren nachfolgenden Generationen Werte wie Achtung vor der Gesundheit, dem Leben und auch dem Eigentum anderer Menschen zu vermitteln. Aber nicht nur die Eltern, sondern die gesamte Gesellschaft steht hier in der Pflicht. Die DVU-Propaganda ist hierzu jedoch am schlechtesten geeignet. - Ich danke Ihnen.
Ich danke dem Abgeordneten Homeyer. - Da die Landesregierung zu dem Thema der DVU nicht zu reden wünscht, gebe ich das Wort noch einmal an die Fraktion der PDS. Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Schröder.
Frage nach den Lebensverhältnissen junger Menschen hängt ohne Zweifel ganz entscheidend davon ab, inwieweit sich für die jungen Menschen berufliche Perspektiven eröffnen. Brandenburg befindet sich in einer dramatischen Situation. Im Jahresdurchschnitt 2001 waren 27 800 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos, so viele wie in noch keinem Jahr zuvor. Vor fünf Jahren waren es noch 9 000 weniger. Besonders dramatisch ist hierbei, dass sich Brandenburg selbst von der Entwicklung der anderen neuen Bundesländer im negativen Sinne abkoppelt. Während die Zahl der jugendlichen Arbeitslosen im 2. Halbjahr 2001 in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt um 9 % bis 10 % gesunken ist und sie in Sachsen und Thüringen stagniert, stieg sie im Land Brandenburg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12 % bis 16 %. Aus einer solchen Situation erwachsen erhebliche Gefahren nicht nur für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Eine solche Situation stärkt rechtes Gedankengut, spielt denen in die Hände, denen wie der DVU an einer Instrumentalisierung und nicht an einer Lösung der Probleme gelegen ist.
Die PDS hat vom Ministerpräsidenten eine Regierungserklärung zur Situation der arbeitslosen Jugendlichen gefordert. Das wurde verweigert; dementsprechend hat die DVU heute diese Plattform.
Die Landesregierung hat die Herausforderung Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit bisher leider nicht angenommen. Ihre arbeitsmarktpolitische Bilanz ist verheerend, und das trotz durch das Jugendsofortprogramm bereinigter Statistik und hoher Abwanderung. Rechnen Sie diese Tausenden Jugendlichen noch hinzu, so macht das Ergebnis die Dramatik deutlich.
In Brandenburg gibt es seit langem ein anzuerkennendes sozialpolitisches Engagement bei der Erstausbildung, an der so genannten ersten Schwelle; das will ich hier gar nicht unterschlagen. Doch ich sage auch: Besonders die zweite Schwelle, also der Übergang von der Ausbildung in eine erste Beschäftigung, wird immer mehr zur unüberwindbaren Hürde. Deshalb brauchen wir dringend eine Qualitätsprüfung aller öffentlich finanzierten Maßnahmen zur außerbetrieblichen Erstausbildung hinsichtlich ihrer Marktkonformität. Was leistet außerbetriebliche Ausbildung im Hinblick auf Integration in das Erwerbsleben? Immerhin reicht das Land Brandenburg im laufenden Jahr 50 Millionen Euro und im kommenden Jahr 53 Millionen Euro für Lückenschlussprogramme in der Erstausbildung aus.
Rein fiskalisch betrachtet ist es sogar höchst problematisch, die Ausbildung, selbst wenn das Geld letztlich aus anderen Töpfen kommt, mit öffentichen Mitteln Brandenburgs zu finanzieren und dann zuzusehen oder es sogar zu fördern, dass die Ausgebildeten ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zur wirtschaftlichen Entwicklung in anderen Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg einsetzen. Ich meine, es ist an der Zeit, auch diesbezüglich einmal laut über einen Länderfinanzausgleich nachzudenken. Die Abstimmung mit den Füßen läuft auf Hochtouren, und zwar nicht wegen irgendwelcher Prämien, sondern wegen der desolaten Wirtschafts- und Beschäftigungslage. Wenn Herr Minister Ziel einen absehbaren Fachkräftemangel in Brandenburg beklagt, gleichzeitig aber Mobilitätshilfen der Arbeitsämter zur Abwan