Protocol of the Session on October 25, 2001

Das Grundrecht auf Datenschutz auf der einen und das Grundrecht auf Akteneinsicht auf der anderen Seite sind im geltenden Gesetz nach einem umfangreichen Abwägungsprozess des Gesetzgebers in Einklang gebracht worden. Meines Erachtens entspricht die Lösung geradezu vorbildlich dem Prinzip der praktischen Konkordanz, also dem Ausgleich zwischen zwei Verfassungsrechtsnormen bei Kollision.

Der uns vorliegende Entwurf der PDS-Fraktion zielt demgegenüber darauf ab, den Datenschutz von Einzelpersonen, Betrieben und der Öffentlichkeit nachhaltig zu schwächen. Unserer Auffassung nach entspricht dies nicht dem Erfordernis der praktischen Konkordanz, da das Recht auf Datenschutz im Verhältnis zum Recht auf Akteneinsicht einseitig zurückgedrängt wird.

Sie mögen ja in Ihrer Partei über eine gewisse Tradition verfügen, der Gemeinschaft Vorrang vor den Rechten des Individiuums einzuräumen, meine Damen und Herren von der einreichenden Fraktion, aber Ihre Interpretation, dass das Grundgesetz wie auch die Brandenburger Landesverfassung die Spannung Individuum-Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und der Gemeinschaftsgebundenheit entschieden hätten, beruht wohl eher auf Wunschdenken.

Auf drei wichtige Einwände möchte ich noch aufmerksam machen. Der Gesetzentwurf sieht eine Schwächung des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vor. Dies bedeutet natürlich in der Konsequenz auch, dass Brandenburg als Standort für Unternehmensansiedlungen unattraktiver wird. Die von Ihnen ins Auge gefasste Verkürzung der Zweimonatsfrist in § 6 Abs. 5 auf drei Wochen ist praxisfern und somit unrealistisch.

(Zuruf der Abgeordneten Frau Kaiser-Nicht [PDS])

- Es gibt etliche Unternehmen, die Betriebsferien machen, Frau Kaiser-Nicht, die zeitweilig einfach nicht da sind.

Die Erstellung von neuartigen Aktenverzeichnissen, wie von Ihnen vorgesehen, wäre sehr aufwendig. Aktenbestände reichen teilweise Jahrzehnte zurück. Hier begründen Sie Pflichten zulasten der Kommunen, die die Schaffung von entsprechenden Personalstellen nach sich ziehen würden, wobei diese nach dem Konnexitätsprinzip dann zwangsläufig vom Land finanziert werden müssten.

Meine Damen und Herren, über die Wirksamkeit des bisher geltenden Gesetzes ist wenig bekannt. Dies ist aber nach unserer Auffassung eine notwendige Voraussetzung, um einen möglichen Novellierungsbedarf identifizieren und dann gegebenenfalls punktuelle Änderungsvorschläge unterbreiten zu können.

Ich bitte Sie ebenso wie die kommunalen Spitzenverbände daher, den Gesetzentwurf der PDS-Fraktion abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Recht auf Akteneinsicht ist ein wesentlicher Teil der im Rechtsstaat grundsätzlich unverzichtbaren „Partei”-Öffentlichkeit des Verfahrens. Es ist insoweit Ausfluss des Rechtsstaatlichkeitsprinzips.

Sie soll den Beteiligten zugleich die effektive Mitwirkung an

der Wahrheitsfindung der Behörde ermöglichen. Damit ist die Akteneinsicht in einer Demokratie ein notwendiger Bestandteil der öffentlichen Kontrolle der Verwaltung und wesentliche Voraussetzung eines sinnvollen Vertrauensverhältnisses zwischen Bürger und Behörde. Insoweit ist der seitens der PDSFraktion dargelegte Ansatz einer Steigerung der Transparenz insbesondere des Verwaltungsverfahrens, dessen Abläufe für den Normalbürger mit zunehmender Kompliziertheit immer undurchsichtiger werden, auf den ersten Blick durchaus begrüßenswert.

Das Akteneinsichtsrecht findet jedoch dort seine Grenzen, wo private Geheimhaltungsinteressen verletzt werden. Aus dem privaten Bereich stehen einer Akteneinsicht nach bisher geltendem Recht im Wesentlichen dieselben Gründe entgegen, die auch eine Geheimhaltungspflicht einer Behörde begründen, soweit nicht im Einzelfall im Rahmen der gebotenen Abwägung das Informationsinteresse des Beteiligten, der Akteneinsicht begehrt, überwiegt.

Der Akteneinsicht steht daher grundsätzlich die Verpflichtung der Behörde zu vertraulicher Behandlung von Informationen entgegen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar wäre. Das betrifft nicht nur Informationen über den höchstpersönlichen Bereich, sondern insbesondere auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.

Inakzeptabel ist vor allem die von der PDS beabsichtigte Änderung des § 6 Abs. 5 Satz 2 des brandenburgischen Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes hin zu einer Zustimmungsfiktion für Unternehmen hinsichtlich der Offenbarung privater Daten im Bereich geschützten geistigen Eigentums, insbesondere für Urheberrechte im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2. Durch diese Regelung wird dem Missbrauch fremden geistigen Eigentums und ökonomisch geschützter Urheberrechte Tür und Tor geöffnet, denn durch diese Zustimmungsfiktion werden Unternehmer in eine besondere Pflicht genommen, die oft, wenn auch nur aus Versehen, nicht erfüllt werden wird.

Es ist nach Meinung unserer Fraktion nicht einzusehen, weshalb für Unternehmen etwas anderes gelten soll als für natürliche Personen.

Das Akteneinsichtsrecht findet immer dort seine Grenzen, wo der Individualrechtsschutz elementar tangiert wird. Auch wenn Sie, meine Damen und Herren von der PDS, wie es aussieht, mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts immer noch auf Kriegsfuß stehen, müssten Sie schon einmal gehört haben, dass Schweigen grundsätzlich keine Willenserklärung ist. Dieser zivilrechtliche Elementargrundsatz muss inbesondere dort gelten, wo schutzwürdige Individualinteressen in Form von geistigem Eigentum und Urheberrechten preisgegeben werden sollen. Hier zeigt sich Ihre Unternehmerfeindlichkeit ganz deutlich.

Nichtsdestotrotz enthält Ihr Gesetzentwurf einige durchaus diskussionswürdige Novellierungen in Richtung Rechtsklarheit, Verfassungsvereinfachung und Transparenz, so zum Beispiel die Regelung, dass bei einem ablehnenden Bescheid zu einem Antrag auf Akteneinsicht eine Hinweispflicht der Behörde auf ein Anrufungsrecht beim Landesbeauftragten für den Datenschutz bestehen soll.

Aus diesen Gründen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

werden wir uns nicht gegen eine Ausschussüberweisung sperren. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort geht an die CDU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Richstein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz für das Land Brandenburg erst drei Jahre alt ist und das erste seiner Art in der Bundesrepublik war. Jetzt liegt uns ein Vorschlag zur Novellierung des Gesetzes auf dem Tisch, der jedoch eines vermissen lässt, nämlich die Grundlage fundierter Erfahrungswerte. Brandenburger Erfahrungen ergeben sich nur anhand von Einzelfällen, die uns durch die Berichte des Beauftragten für das Akteneinsichtsrecht bekannt sind.

Zwei weitere Länder, Berlin und Schleswig-Holstein, sind dem Beispiel Brandenburgs 1999 bzw. 2000 gefolgt. Beide Gesetze fußen auf den Brandenburger Erfahrungen, sodass sich auch von dieser Seite kein neuer Impuls für eine Novellierung ergeben kann.

Ich kann mich also dem Kollegen Bochow anschließen, der gesagt hat, dass drei Jahre zu wenig sind, um Erfahrungswerte zu haben. Schon allein aus diesem Grunde kann die CDU-Fraktion einer Novellierung zu diesem Zeitpunkt nicht zustimmen.

Dies gilt umso mehr, als auf Bundesebene an einem Informationsfreiheitsgesetz gearbeitet wird. Es liegt ein aktueller Entwurf vom 17. Juni 2001 vor. Wollen wir nicht erst einmal abwarten, bis wir eine bundesgesetzliche Regelung bekommen, um dann zu sehen, wo wir unser Akteneinsichtsrecht eventuell noch angleichen, einschränken oder erweitern müssen - wie auch immer?!

Die CDU-Fraktion lehnt den Vorschlag der PDS-Fraktion zur Novellierung des Gesetzes aber auch aus inhaltlichen Gründen ab. Artikel 21 der Landesverfassung steht unter einem Gesetzesvorbehalt, das heißt, Eingriffe in das Grundrecht erfolgen nach Maßgabe eines Gesetzes. Es ist also nicht so, dass ein unbeschränktes Grundrecht besteht. Aufgabe des Akteneinsichtsund Informationszugangsgesetzes ist deshalb nicht die pure Gewährung des Grundrechts, sondern die Definition seiner Schranken. In Ihrem Novellierungsvorschlag kehren Sie diesen Grundsatz von Regel und Ausnahme um.

Insgesamt wird das Anwendungsgebiet des Akteneinsichtsrechts ausgeweitet. Ich möchte hier beispielhaft nur die §§ 2, 4, 5 des AIG erwähnen. Meine Kollegen sind bereits en détail darauf eingegangen. Weitergehende Ausführungen sind bei diesem Stand der Diskussion wohl nicht erforderlich.

Eine solche inhaltliche Ausweitung des Anwendungsgebiets ist von der CDU-Fraktion politisch nicht gewollt. Ich möchte hier beispielhaft nur die von Ihnen angestrebte Auskunftspflicht von privatisierten kommunalen Gesellschaften nennen, welche in

der Realität zu einer Benachteiligung gegenüber sonstigen privaten Personengesellschaften führt.

Was sich wie ein roter Faden durch Ihren Vorschlag für eine Novelle zieht, ist der Mehraufwand für die Verwaltung. Zu einem Zeitpunkt, an dem wir aktuell über die Verschlankung der staatlichen Verwaltung, über den Abbau von Normen und Standards diskutieren, gehen Sie den umgekehrten Weg und überschütten die Verwaltung mit zusätzlicher Arbeit.

In Zeiten knapper Kassen muss man auch ein Auge auf den Kostenfaktor haben. In dem Zeitraum von März 1998 bis März 2001 wurden in der Landeshauptstadt Potsdam 204 Anträge auf Akteneinsicht gestellt, von denen 20 abgelehnt wurden. Jeder stattgegebene Antrag kostete im Durchschnitt 22,15 DM. In Ihrem Vorschlag für eine Novelle beklagen Sie auch die Flut von Gebühren, die auf den Bürger zukommt. Wenn auch ein Betrag von 22,15 DM nicht unbedingt hoch ist, so frage ich mich doch, wie eine Verwaltung bei solchen Anträgen kostendeckend arbeiten soll.

Ich bin mir nicht sicher, ob es für Brandenburg eine entsprechende Aufstellung gibt. Deshalb nenne ich Ihnen einmal die Berliner Zahlen. Dort geht man davon aus, dass das Berliner Akteneinsichtsgesetz einen Mehrbedarf von 29 bis 89 Stellen und Mehrkosten von etwa 2 Millionen bis 6 Millionen DM mit sich bringt.

Wegen der fehlenden Erfahrungswerte und der inhaltlichen Gründe lehnen wir Ihren Vorschlag zur Novellierung des Gesetzes ab.

Lassen Sie mich jetzt bitte noch den Bogen zum Datenschutz schlagen; denn beide Gebiete liegen eng beieinander, nicht nur wegen der Personalunion des Datenschutzbeauftragten und des Beauftragten für das Akteneinsichtsrecht. Das ist eine Sache, über die wir zu einem anderen Zeitpunkt noch sprechen sollten. Herr Kollege Fritsch hat im Rahmen der gestrigen Debatte zur Regierungserklärung bereits richtigerweise angemerkt, dass im Zusammenhang mit der Sicherheitslage auch über den Datenschutz zu sprechen sei. Daten seien keine Werte. Datenschutz muss dort greifen, wo er notwendig ist, und darf nicht unnötigerweise privates oder hoheitliches Handeln hemmen. Genau so ist es auch beim Akteneinsichtsrecht, das notwendig sein mag, das aber in den gesetzlichen Rahmen nicht uferlos sein darf. Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort geht an die Landesregierung. Für sie spricht der Innenminister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Entwurf zur Änderung des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes und des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg beabsichtigt die Fraktion der PDS eine grundlegende Änderung des Brandenburger Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes - AIG -. Da dieses Gesetz erst dreieinhalb Jahre existiert, ist es natürlich interessant,

mit welcher Begründung die PDS die Änderung vorschlägt. Darum möchte ich aus dem Gesetzentwurf vorlesen, was dort als Problem beschrieben wird. Herr Vietze, ich muss dazu sagen, dass ich schon überrascht bin darüber, was Sie alles unterschreiben. Das Problem lautet also wie folgt; ich lese aus Ihrem Entwurf vor:

„Das Brandenburgische Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz ist seit März 1998 in Kraft.”

Das ist kein Problem, sondern eine Herausforderung.

„Mit diesem Gesetz wird das Grundrecht nach Artikel 21 Abs. 4 der Landesverfassung konkretisiert.”

Auch das ist kein Problem.

„Brandenburg war das erste Land in der Bundesrepublik, in dem Erfahrungen...”

Auch das ist kein Problem.

„Inzwischen haben mit Berlin und Schleswig-Holstein zwei weitere Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze in Kraft gesetzt, die sich auf die Brandenburger Erfahrungen stützen.”

Auch das ist kein Problem.

Jetzt kommt das, was nach Ihrer Meinung ein Problem ist:

„Schließlich ist die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Umweltinformationsrecht auch bei allgemeinen Informationszugangsrechten zu berücksichtigen.”