Protocol of the Session on September 19, 2001

Hinter einer schönen bayerischen Fassade stecken Schlagworte, zusammengeschusterte Regelungen und wolkige Formulierungen, mit denen sich die DVU zur Vorkämpferin für die Gleichstellung stilisieren will.

Angesichts der diskriminierenden Äußerungen der DVU, die wir hier in diesem Haus zur Gleichstellung homosexueller Partnerschaften oder zum Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern hören mussten, kann man Ihnen keineswegs ein mildes „Gut gemeint, aber schlecht gemacht!” attestieren, sondern es ist ein Skandal, wie Sie mit diesen Menschen Ihre Politik umsetzen wollen.

(Beifall bei der PDS)

Menschenrechte und das Antidiskriminierungsgebot sind unteilbar. Ihr Menschenbild gibt uns nicht die Gewähr dafür. Wer andere Menschen verachtet, kann mit solchen Vorschlägen nur auf Misstrauen und Ablehnung stoßen. Der Lapsus, dass Sie wieder einmal an einer Stelle vergessen haben, den Begriff „Staatsregierung” durch „Landesregierung” zu ersetzen, ist dabei nur die formale Seite. Auch der Neudruck Ihres „hervorragenden” Gesetzentwurfes zeugt nicht davon, dass Sie überhaupt etwas im Sinne dieser Personen begriffen haben. Viel wesentlicher ist die fachliche Ignoranz und Unkenntnis schon bestehender Regelungen. Der Entwurf ist von der aktuellen Diskussion über die Beseitigung von Diskriminierungen mindestens so weit entfernt wie München von Potsdam.

An mehreren Stellen fällt der Gesetzentwurf hinter schon bestehende Regelungen zurück. Das bayerische Gleichstellungsgesetz stammt aus dem Jahr 1996. Da reicht es einfach nicht, dort die entsprechenden Anleihen zu machen, den Personenkreis zu erweitern und zu ignorieren, was sich seitdem verändert hat. Ich nenne beispielhaft den Anspruch auf Teilzeitarbeit.

Der Entwurf enthält in sich widersprüchliche Regelungen und vermischt Bundes- und Landeskompetenzen.

Dass die eine oder andere Regelung korrekt abgeschrieben und damit für sich genommen in Ordnung ist, ändert an der Bewertung des „Gesamtkunstwerkes” nichts. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei der PDS)

Womit wir bei der Landesregierung wären. - Diese signalisiert keine Redeabsichten, sodass ich die Rednerliste abgearbeitet habe und die Aussprache schließe. Wir kommen zur Abstimmung.

Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung der Drucksache 3/3244 - Neudruck - an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen, der federführend sein soll, und an den Innenausschuss. Wer diesem Überweisungsansinnen folgt,

möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist die Überweisung abgelehnt und wir kommen zur Abstimmung in der Sache.

Wer dem Gesetzentwurf laut Drucksache 3/3244 - Neudruck folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in 1. Lesung abgelehnt und somit erledigt.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Einrichtung einer Kommission für ausländerrechtliche Härtefälle

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/3274

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der antragstellenden Fraktion. Frau Wolff, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im Dezember 1999 hat meine Fraktion einen Antrag in den Landtag Brandenburg eingebracht, der die Einrichtung einer Kommission für ausländerrechtliche Härtefälle zum Ziel hatte. Unser Antrag ist damals mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Die Abgeordnete Frau Richstein begründete damals die Ablehnung für die Koalitionsfraktionen wie folgt:

„Unserer Auffassung nach genügen die uns zur Verfügung stehenden Instrumentarien im ausländerrechtlichen Rechtsschutz vollkommen für eine umfassende Würdigung der ausländerrechtlichen und humanitären Aspekte. Ich betone: Auch humanitäre Belange der ausreisepflichtigen Ausländer werden bereits jetzt sichergestellt.”

Die Ereignisse der letzten Wochen haben diese Aussage ad absurdum geführt. Deshalb haben wir uns entschlossen, den Antrag auf Einrichtung einer Härtefallkommission erneut zu stellen. Dieser Kommission würden Fälle vorgetragen werden, in denen bei unvoreingenommener Betrachtung erkennbar wird, dass eine von der Ausländerbehörde oder auch von einem Gericht getroffene Entscheidung menschlich nicht zu rechtfertigen ist, auch dann nicht, wenn sie formalrechtlich korrekt, also nicht rechtswidrig sein mag.

Ich erinnere Sie an die Auseinandersetzungen um die geplante Abschiebung der vietnamesischen Familie aus Guben. Innenministerium und Landrat waren der Auffassung, dass es keinen Ermessensspielraum gebe, und beharrten auf der Abschiebung. Bürgerinnen und Bürger Gubens setzten sich für das Bleiben dieser Familie ein. Erst vor dem Hintergrund des Besuches des Bundeskanzlers ergaben sich auf einmal Lösungsmöglichkeiten. Nun kann aber der Bundeskanzler nicht zu jeder Zeit überall sein.

(Heiterkeit bei der CDU)

Es gibt Flüchtlinge, die sich bereits lange Zeit in Deutschland aufhalten. Oft sind ihre Kinder hier geboren worden, haben hier

ihre Entwicklung genommen und keine Beziehung zum Herkunftsland der Eltern; sie sind bei uns integriert. Die Ausreise wird dann zu einem großen Problem und sollte unter Einhaltung humanitärer Grundsätze betrachtet werden. Abschiebungen, die erhebliche Gefahren für Leib und Leben darstellen, sollten von solch einer Härtefallkommission geprüft werden.

Auseinandersetzungen um die anberaumte Ausreise zweier Familien aus dem Kosovo, die in Guben bzw. Forst wohnen, zeigen den Handlungsbedarf. Im Fall dieser beiden Familien hat der Landrat des Spree-Neiße-Kreises in couragierter Weise die Notbremse gezogen und die Abschiebung trotz wütender Reaktionen aus dem Innenministerium verweigert.

(Beifall bei der PDS)

Die Stadtverordnetenversammlung Guben und der Landrat haben sozusagen als Härtefallkommission gewirkt und den Aufenthalt für ein weiteres Jahr gesichert. Aber das kann keine Dauerlösung sein. Es gibt weitere, ähnliche Fälle im Land Brandenburg, in denen die Abschiebung drohend bevorsteht, so zum Beispiel auch in der Landeshauptstadt. Ich finde es bemerkenswert, wenn sich in solchen Situationen ein Landrat in kritischer Würdigung der rechtlichen Lage klar für den Verbleib der Flüchtlinge einsetzt und seine Möglichkeiten voll ausschöpft.

(Beifall bei der PDS - Sarrach [PDS]: Wir bräuchten mehr solcher Landräte!)

Meines Erachtens ist es nicht hoch genug einzuschätzen, wenn sich die Stadtverordnetenversammlung Guben einstimmig für den Verbleib der Familie Bunjaku ausspricht, unterstützt durch die Willensbekundung Tausender Gubener. Gerade diese Beispiele eines solidarischen, von einem hohen Maß an Humanität geprägten Umgangs mit dem Schicksal einzelner ausländischer Bürgerinnen und Bürger gilt es zu fördern und nicht infrage zu stellen. Dazu kann eine Härtefallkommission beitragen, die einen behutsamen einzelfallbezogenen Umgang mit ausländerrechtlichen Härtefällen sichert.

Solche Kommissionen gibt es in Berlin, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. Wir verzichten in unserem Antrag darauf, Vorgaben für die konkrete Zusammensetzung, für Kompetenzen und Arbeitsweise der Kommission zu machen. Dazu gibt es in den genannten Ländern Vorbilder, an denen man sich orientieren kann. Wir sind dabei völlig offen.

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass es sich bei unserem Antrag nicht nur um ein Anliegen der PDS handelt, sondern auch um eine Forderung von Kirchen, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Bürgerinnen und Bürgern.

Gestatten Sie mir eine Bemerkung, liebe Abgeordnete der SPDFraktion: Der heutigen Presse und den übrigen Medien entnehme ich, dass Sie Ähnliches, nämlich die Schaffung einer Härtefallkommission, für Ihren Landesparteitag vorbereiten. Ich kenne mich auf diesem Gebiet aus und denke, dass in beiden Parteien die Unterschiede zwischen parlamentarischer und außerparlamentarischer Arbeit nicht sehr groß sind. Deshalb wird es Ihnen die Basis nicht übel nehmen, wenn Sie zu dieser Frage schon vorher entscheiden.

(Beifall bei der PDS)

Wir beantragen die Überweisung in den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort geht an die Abgeordnete Frau Müller, die zu ihrer Beteiligung an der Antragstellung ein Statement abgeben möchte. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche als Miteinbringerin des Antrages, weil ich der festen Überzeugung bin, dass Politiker Handlungsspielräume haben und sich nicht auf formale Rechtsauslegungen zurückziehen oder sich hinter den Buchstaben des Gesetzes verstecken dürfen. Wir haben die Pflicht, Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu reagieren. Die jüngsten Ereignisse in meinem Wahlkreis Guben zeigen: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

(Beifall bei der PDS)

Wir konnten der Familie Bunjaku helfen und haben vorerst das Schlimmste für die Familien Bunjaku und Rexhaj abgewendet. Man kann aber nicht alle ähnlich gelagerten Fälle mit spektakulären Aktionen lösen. Es handelt sich doch nicht um bloße Fälle, sondern um menschliche und soziale Notsituationen, für die eine grundsätzliche Lösung gefunden werden muss. Deshalb bin ich überzeugt, dass die Einrichtung einer Kommission für ausländerrechtliche Härtefälle ein Schritt in die gewünschte Richtung ist. Mit diesem Antrag wird nicht mehr und nicht weniger gefordert, als humanitäre Entscheidungen über den Verbleib einiger weniger ausländischer Mitbürger in unserem Land vorzubereiten und zu empfehlen. Gegenwärtig leben etwa 100 besonders hart betroffene Familien in unserem Land, deren Zukunft höchst ungewiss ist.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? - Bitte sehr.

Frau Kollegin Müller, Sie sprachen eine grundsätzliche Lösung an. Stimmen Sie mit mir darin überein, dass diese grundsätzliche Lösung allein dem Deutschen Bundestag in Berlin vorbehalten sein kann?

Herr Petke, ich bin mit meiner Rede noch nicht fertig. Warten Sie ab, dann werden Sie auch hören, dass es so ist!

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Mit meiner Forderung nach einer Härtefallkommission befinde ich mich in Übereinstimmung mit dem Bürgermeister und den Stadtverordneten aller Fraktionen in Guben. In ihrem offenen Brief an den Landtag und die Landesregierung fordern sie eine Härtefallprüfung durch ein vom Landtag und von der Landes

regierung bevollmächtigtes Gremium, das in besonderen Härtefällen aus humanitären Gründen den Verbleib von Ausländern in unserem Land auch über das gegenwärtig verfasste Ausländerrecht hinaus ermöglichen kann.

Auch der SPD-Unterbezirk Spree-Neiße hat sich intensiv mit dieser Problematik befasst und einen schon erwähnten Antrag an den SPD-Landesparteitag gestellt. Darin heißt es:

„Der derzeitige Gesetzentwurf des Bundesministers über Zuwanderung bietet für einzelne Fallgruppen Ansatzmöglichkeiten. Da dieses Gesetz jedoch noch nicht in Kraft ist, möge der SPD-Parteitag beschließen: Zur Vermeidung von Härtefällen in der Abschiebepraxis langjährig in Deutschland lebender, nachweislich integrationsfähiger ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger wird eine Kommission eingerichtet, die in Zweifelsfällen über die Möglichkeit eines Vetos mit aufschiebender Wirkung verfügt.”

Im Fall der Familien Bunjaku und Rexhaj hat sich Landrat Friese, wie schon erwähnt, sehr allein gelassen gefühlt und in einem persönlich äußerst schwierigen Abwägungsprozess für die Verlängerung der Duldung um ein Jahr entschieden, in der Hoffnung, dass das neue Zuwanderungsgesetz solche Fälle berücksichtigen werde. Aber, meine Damen und Herren, welche Regelungen die endgültige Fassung des Zuwanderungsgesetzes enthält, steht noch nicht fest. Deshalb würde mit der Bildung einer Härtefallkommission zum jetzigen Zeitpunkt auch die Notwendigkeit einer einheitlichen bundesdeutschen Regelung unterstrichen.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Wir haben im Land ein Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit für notwendig befunden. Wir denken laut über das Amt eines Extremismusbeauftragten nach. Wir führen Statistiken und streiten über die wirkliche Zahl von rechtsextremen und fremdenfeindlichen Straftaten in der Annahme, sie sei weit höher als angegeben. Aber in den Fällen, in denen Brandenburger Bürger Zivilcourage beweisen - aus christlicher Nächstenliebe, aus Verantwortung für ihre ausländischen Mitbürger -; dort, wo Tausende lautstark und freiwillig ihre politische Mitwirkung wahrnehmen und das Unübliche fordern, nämlich „Lasst sie hier bleiben! Sie gehören schon zu uns!”; dort, wo Integration schon vollzogen ist, dürfen wir Politiker uns nicht verweigern.